Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.