Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.

„Corona Querfront“ – Die neonazistischen Netzwerker*innen der Corona-Demonstrationen

Zum 91. Mal – so die Eigenwerbung auf dem hauseigenen Telegram-Kanal – hatte die Gruppe „Corona Querfront“ (CQ) am 31. Juli 2022 in der Eisenstädter Innenstadt ihren Infotisch aufgebaut. Bei den freitäglichen Veranstaltungen handelt es sich auf den ersten Blick um nichts allzu Spektakuläres: Tisch, das (nun sattsam aus Wien und Eisenstadt bekannte) gelb-schwarze Banner, rundherum 3-4 Aktivist*innen, die ihr „Wissen“ rund um eine Covid-19-Verschwörung zum Besten geben. Es sind meist keine bekannten Rechtsextremist*innen, die da auftreten, sondern ältere Leute, szenepolitisch unbekannt, oft aus der Region (Eisenstadt und Eisenstadt-Umgebung) stammend, die mit ihrer „Erfahrung“ rund um das Einspruch-Einlegen gegen Verwaltungsstrafen werben (etwa wegen fehlender Maske in öffentlichen Verkehrsmittel o. Ä.) und mit angeblichem Insider-Wissen rund um die globale Corona-Verschwörung regelrecht protzen. Die gekonnte Inszenierung zeichnet ein Bild, das nicht von dem abweicht, was sich in dutzenden anderen Städten und Dörfern in kleinerem wie größerem Ausmaß wöchentlich abspielt: SARS-Covid-19 lediglich eine Verschwörung, die Maßnahmen der Regierung ein Mittel zum Zweck der Errichtung einer Diktatur, die nach globalem Geheiß operiert.

Das Bild der bemühten Corona-Aufklärer*innen brechen jedoch die veranstalteten Demonstrationen der gleichen Gruppe, die seit 06. Februar 2021 jeden ersten Samstag im Monat stattfinden: Denn dort lassen sich ab etwa 14:30 seit Jahrzehnten aktive, international vernetzte Neonazi-Kader antreffen, um mit einem Pritschenwagen durch die Hauptstraße Eisenstadts zu marschieren. Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass das Küssel-Ehepaar, Gottfried und Karin, diese Gruppe aufgebaut hat und als legalistischen Arm in ihrem Kampf um die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes einsetzt. Doch die Küssel-Familie ist nicht der einzig bekannte Cluster an Akteur*innen aus dem neonazistischen Spektrum, die die burgenländische Hauptstadt monatlich in Beschlag nimmt und zur Projektionsfläche ihrer Politik des Hasses macht. Im folgenden Text widmen wir uns dem Corona Querfront-Netzwerk, dessen zentrale Akteur*innen, Verbindungen und Überschneidungen zu weiteren neonazistischen Gruppierungen sowie der Funktion von CQ im neonazistischen Milieu Österreichs und in der Corona-Rechten.

Erste öffentliche Auftritte absolvierte CQ seit Beginn der sogenannten „Corona Demonstrationen“ in Wien: Am 06. Juni 2020 marschierte Harald A. Schmidt, lang gedienter Wiener Neonazi, gemeinsam mit jungen Neonazis und Identitären durch den 01. Wiener Gemeindebezirk (Innenstadt), das mittlerweile bei allen Veranstaltungen von CQ in Szene gesetzte Transparent vorantragend. Mit Schmidt am Transparent konnten u. a. der aB! Albia-Burschenschafter und AfDler Florian Köhl, der Wiener Neonazi Bernhard Burian, der Identitäre Andrei Pavan, der neonazistische Runentattoos trägt und der junge Neonazi-Hooligan Dominik Wendel identifiziert werden (Näheres siehe weiter unten, Kapitel zu den Verbindungen von CQ zu jungen Neonazis). Zu diesem Zeitpunkt war der einizige direkte Exponent der „alten“ Neonazi-Szene Schmidt, doch dessen Geschichte ließ schon zu diesem Zeitpunkt die Vermutung zu, dass da noch mehr kommen würde:1 Im alpen-donau.info Forum „alinfodo“ hatte Schmidt unter dem Pseudonym „Athanarich“ Hitler-Zitate verbreitet. Vermutet wird auch, dass er unter dem gleichen Pseudonym schon im Thiazi-Forum geschrieben hatte. 2011, nach der staatlichen Sprengung des alpen-donau.info-Komplexes, lief dann ein Verfahren nach §3g Verbotsgesetz gegen Schmidt. Davor war Schmidt in den 70er-Jahren beim RFJ gewesen, dann bei der ANR und Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre in der „Ausländer Halt“-Bewegung des verurteilten Südtirol-Terroristen und NDP-Aktivisten Norbert Burger und der internationalen Neonazi-Szenegröße Gerd Honsik 2.

Hinter dem CQ-Komplex selbst steht der Verein „Iuvalex – Gesellschaft für juristische Zusammenarbeit und Rechtshilfe Wien“, der – nicht weiter verwunderlich – an Schmidts Wohnadresse im 23. Wiener Gemeindezirk Liesing, Stachegasse 1/5/2, vereinspolizeilich gemeldet ist. In mehrfacher Hinsicht ist das Entstehungsdatum interessant: Es lautet auf den 24. Jänner 2020, datiert also in jenen Zeitraum, in dem das SARS-Covid-19-Virus gerade erst europaweit zum Problem werden würde; in Österreich wurden die ersten Fälle erst am 25. Februar 2020 gemeldet. Warum Iuvalex initial gegründet worden ist, muss also Spekulation bleiben – der Titel jedoch legt nahe, dass die Planung möglicherweise auf die Etablierung einer neonazistischen Rechtshilfe abzielte, wo Schmidt sein Wissen als ehemaliger Anwalt in Funktion einer Szene-Rechtsberatung einbringen hätte können. Klar dürfte allerdings sein, dass die Gründung des Vereins nicht per se auf CQ abgestimmt worden war.

Wirklich Fahrt nahm das Projekt dann im kommenden Winter auf: Das lag zum Einen daran, dass ab dem Sommer die Corona-Demonstrationen in Frequenz und Regelmäßigkeit sowie in ihrer personellen Masse abnahmen – was auf gelockerte Maßnahmen zurückzuführen war wie auf die Möglichkeit, draußen soziale Kontakte zu pflegen und abends etwa an öffentlichen Orten auszugehen. Mit Herbst und insbesondere Winter 2020 nahmen die Demonstrationen wieder zu, v. a. nachdem publik wurde, dass mit Anfang November wieder ein „Lockdown light“ und nur wenige Tage später ein „harter“ Lockdown verordnet werden würde. Ab den Protesten gegen den harten Lockdown nach Weihnachten 2020 (ab dem 26. Dezember) intensivierten sich die Auftritte von CQ, wodurch ab diesem Zeitpunkt auf eine konsistent arbeitende Gruppe hinter dem CQ-Logo geschlossen werden konnte.

Alte Bekannte in neuem Format

Dass CQ keine personell genuin neue Organisierung darstellte, war mit dem Erscheinen des ex-ANR-Mitglieds Schmidt als erstinstanzlicher Akteur von Vornherein klar – als überraschend aber kann die personelle Bündelung der Neonazis bezeichnet werden, da seit den gescheiterten Organisierungsversuchen rund um PdV, Pegida und FHB kaum aktive Gruppen-Präsenz auf der Straße wahrgenommen werden konnte. Zur öffentlichen Absenz dürften auch die langjährigen unbedingten Haftstrafen von Küssel, Budin und Wilhelm Christian Anderle sowie der Anhang an weiteren Verfahren nach dem Verbotsgesetz im Rahmen der alpen-donau.info-Zerschlagung beigetragen haben. Dabei darf die öffentliche Absenz jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Hintergrund etwa die klandestine Unwiderstehlich-Organsierung abspielte und zu mehrfachen Angriffen auf linke Projekte führte. Interessant ist jedoch die Aufteilung der Akteur*innen: Schnell lag auf der Hand, dass Küssel gezielt ganz bestimmte Leute öffentlich in Szene setzte, andere koordiniert nicht im Vordergrund tätig würden. Es scheint bei CQ aus mehrfachen Gründen eine gewisse Trennung zu geben zwischen solchen Aktivist*innen, die Strukturen im Hintergrund aufbauen und sich für (spärliche) klandestine Aktionen verantwortlich zeichnen und jenen, die sich möglichst bürger*innennah gerieren und durch freundliches, lockeres Auftreten (oft ältere Kader) über den harten Neonazismus hinwegzutäuschen suchen.

Zum öffentlichen Kern von CQ gehört neben Schmidt und Gottfried Küssel zum Ersten die Familie Küssel. Karin Küssel, geborene Schinner, war bereits in der VAPO aktiv und dort zahlreiche Male im sog. „Paulinenstüberl“ anzutreffen, wo regelmäßig nicht rein organisatorische Treffen der Wiener VAPO-Kameradschaften stattfanden, aber auch im Kameradschaftskeller in der Hornbostelgasse, 1060 Wien, wo es dezidiert um Politik und Organisierung  ging. Seit dieser Zeit ist Karin Küssel als integrale Kraft der österreichischen Neonazi-Szene zu betrachten und kann nach Gottfried Küssel wohl als eine der ranghöchsten Neonazist*innen Österreichs gelten. Während Gottfried Küssel 1992 dann in Haft musste, heirateten beide noch während der Haftperiode und zogen nach Gottfrieds Enthaftung – sie kauften ursprünglich vier Wohnungen vom Vorsitzenden der neonazistischen Wiener Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“  Wilhelm Ehemayer in der Oberen Donaustraße 39 – in den zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dort betrieb Karin Küssel dann bekanntlich den „Nationalen Bioladen Naturnah“, der auf ihre Mutter, Erika Schinner, angemeldet worden war. 2001 und 2003 bekamen die Küssels zwei Kinder, Gudrun und Gerolf3 – beide Kinder waren und sind auf Corona-Demos anzutreffen, beide waren darüber hinaus auch in Eisenstadt bei den hauseigenen Kundgebungen von CQ vor Ort. Karin Küssel war dann natürlich auch im alpen-donau.info-Komplex tätig, wie auch während der Haft von Gottfried Küssel: So etwa war sie ebenso an den Organisierungsversuchen rund um den PdV-Komplex und an den Kundgebungen des Grazer Ablegers beteiligt. Bisher war Karin Küssel bei jeder Demo und jedem Autokorso in Eisenstadt anwesend, zumeist holte sie mit Gottfried zusammen auch den Pritschenwagen von der Firma „Priline“ aus Gänserndorf, um diesen nach Eisenstadt zu fahren.

Mit Lucas Tuma findet sich ein weiterer lang angedienter Neonazi in den Reihen von CQ. Schon Tumas Vater Otto war in den alten neonazistischen Kreisen Wiens aktiv, als Rechtsanwalt verteidigte er u. a. sowohl Gottfried (1992) als auch Karin Küssel (1998) bei deren Anklagen wegen Verstoßes nach §3g Verbotsgesetz. Lucas Tuma selbst war bereits in VAPO-Kameradschaften aktiv, nahm dort u. a. an Wehrsportübungen am Ottensteiner Stausee teil. Darüber hinaus teilte er mit einem weiteren VAPO-Kameradschaftler aus Eckartsau, Hermann Bahr, der auch das berüchtigte „Paulinenstüberl“ in Wien Währing betrieb, die Leidenschaft fürs Fliegen: Beide waren Mitglieder beim „Union Sportfliegerclub Eisenstadt“ und besaßen am Trausdorfer Flugfeld zwei Cessna (150 & 172) sowie eine Piper PA-28, mit denen sie als Privatpiloten Stadtflüge über Wien anboten. Unklarheit besteht für die Periode zwischen der Selbstauflösung der VAPO nach den zahllosen Verhaftungen und Verfahren gegen die Köpfe der Organisation – Tuma taucht dann in der Periode vom 25. Juli 2009 wieder als Vorsitzender der „Wiener Akademischen Ferialverbindung Reich“ auf 4, bis zur „freiwilligen“ Selbstauflösung dieser durch den sich erhöhenden Druck der Repressionsbehörden am 01. August 2011. Neben ihm war Viktor Hammermayer als stv. Vorsitzender eingetragen, Schriftführer und Kassier machte Gottfried Küssel. Nach der Zerschlagung wurde dann etwas mehr als zwei Jahre später die nächste Ferialverbindung eingerichtet: Diesmal hieß sie „Ferialverbindung Imperia Wien“, Meldeadresse noch immer die Lichtenauergasse 4, zweiter Wiener Gemeindebezirk. Da bei Vereinsmeldungen keine konkreten Haustürnummern angegeben werden müssen, bleibt die völlig exakte Örtlichkeit des Imperia-Vereins unklar, aber es kann eine begründete Spekulation angestellt werden: Von den alten Kaderwohnungen, derer es ingesamt 9 in diesem Block gab (Küssel: vier Wohnungen, ex-VAPO Stefan Tanczos: vier Wohnungen 5, Felix Budin: eine Wohnung), sind nur noch drei insgesamt im Besitz der Truppe. Auf Gottfried Küssel lauten zwei Wohnungen, auf Budin noch immer die eine, deren exakte Adresse Lichtenauergasse 4/1/22 sein dürfte.

Tuma selbst war neben Schmidt wohl der zweite Altnazi-Kader, der bereits im Frühstadium der Corona-Proteste in unterschiedlichsten Gruppen und Unterorganisationen der Corona-Rechten rekrutierte und Netzwerke schuf: ob als Redner in Kontakt mit Rutter und den Fairdenken-Organistor*innen, in kleinerem Format mit Jennifer Klauninger und der „Team HC Strache“ (THC)-Kandidatin Christina Kohl oder in Eisenstadt und Wien hinter dem Banner von CQ – Tumas Engagment für die Proteste kann als umfassend betrachtet werden. Wir werden auf die vielschichtigen Verbindungen der alten Kader weiter unten eingehen, vorab wollen wir etwas genauer die identifizierten Aktivist*innen von CQ darstellen.

Damit die Infotische, Demonstrationen und Autokorsos in Eisenstadt und Umgebung laufen, benötigt es Personen, die solche Veranstaltungen bei der zuständigen Behörde polizeilich anzeigen. Die Kundgebungen und anschließenen Demonstrationen meldete der aus Eisenstadt Umgebung stammende Neonazi Peter Rennmayr an. Rennmayr ist CQ-Aktvist der ersten Stunde, trat öffentlich in Eisenstadt als Anmelder auf, hielt jedes Mal einen der ersten Redebeiträge. Rennmayr dürfte enge Kontakte zu Gottfried und Karin Küssel pflegen (was bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegt) und war auch beinahe jedes Mal am CQ-Transparent bei den Aufmärschen der Corona-Rechten in Wien zu sehen.

Den Part, die Autokorsos polizeilich anzuzeigen, übernimmt – seit der Erweiterung des Aktionsfeldes seitens CQ im Format der sogenanneten „Nordburgenland Aktionstage“ – die hinlänglich bekannte Neonazistin Anita Barilich. Auch wenn rezent weniger im Rampenlicht als die bisher genannten Aktivist*innen, war Barilich schon im Rahmen der Gründung der neonazistischen „Partei des Volkes“ (PdV) involviert, in der u. a. der verurteilte österreichische Rechtsterrorist Gabor Söregi aktiv war. Barilich hatte durchwegs Zugang zu den Spitzen der PdV, wie etwa ein kolportiertes Interview mit Walter Wolfgang, einem PdV-Kader und Rechtsmilitanten aus Neusiedl am See, zeigen.

Nun ist Barilich bei CQ aktiv, erneut in zentraler Rolle: Wie sie selbst in einer Telegram-Chatgruppe offenlegte, meldet sie regulär jeden Autokorso an – perfider Grund: Einige Leute würden wohl etwas scheu sein, wenn die Familie Küssel auftauchen würde und gegebenenfalls fernbleiben, wenn Gottfried Küssel die Veranstaltung auch noch selbst angezeigt hätte. Deshalb meldet Barilich an (wohl auch um Komplikationen mit dem DSN zu meiden) und tut dies „unsicheren“ Corona-Maßnahmen-Kritiker*innen kund, um mehr Klientel anzulocken. Darüber hinaus gibt Barilich auch den Polizeikontakt bei den Demonstrationen und agiert gewissermaßen als Puffer, wenn etwa die anwesenden Skinheads Journalist*innen zu stark bedrängen: So etwa versuchte Barilich öfters eine lockere, harmlose Gesprächbasis zu etablieren, bot u. a. Polizist*innen Tee oder Essen an, oder plauderte mit Beamt*innen der burgenländischen Bereitschaftseinheit „WULKA“ über deren Einsatz bei Corona-Demonstrationen in Wien.

Liiert ist Barilich mit Mathias Albrecht, auch er war zentrales Gründungsmitglied der PdV. Die Kolleg*innen der Recherche Graz haben zu Albrecht bereits ein Dossier erstellt: So war Albrecht Ordner bei PdV-Kundgebungen, bedient offen und schamlos geschichtsrevisionistische Positionen, fordert die Wiedervereinigung Tschechiens und Österreichs mit dem „Deutsch Reich“ und hat eine Vorliebe für die Waffen-SS sowie Rechtsrock, v. a. für die 2000 aufgelöste österreichische Neonazi-Band „Schlachthaus“. Albrecht war beinahe bei jeder Demo von CQ anwesend, kann so durchaus zum Stammklientel gezählt werden.

Zum engsten Klientel dürfte auch der Neonazi, Biker und MC-Enthusiast Josef Witzani zählen. Witzani war bei jeder Demo stets von Beginn weg anzutreffen und dürfte mit Gottfried Küssel in gutem Kontakt stehen. Witzani entspringt dem Biker-Milieu und scheint v. a. Kontakte zur rechten MC-Szene in Deutschland zu pflegen, aber auch zum österreichischen Suporter*innen-Netzwerk des „Hells Angels“ MC. Darüber hinaus dürfte er in legalistischem Rahmen Obmann des Iuvalex-Vereins sein. Darüber hinaus konnte Witzanis Motorrad des Öfteren direkt neben Küssels Motorrad in der Fruchtgasse (Quergasse zur Unteren Donaustraße) gesehen werden, was zumindest offenlegt, dass Witzani des Öfteren in Wien bei Küssel gastieren dürfte.

Ebenso freundschaftlich ist Witzani mit jenem namentlich (noch) unbekannten Neonazi verbunden, der wohl als eine Art Leibwächter für Gottfried Küssel fungiert. Stets schwer vermummt und in Funktionskleidung dürfte er v. a. für die Absicherung der öffentliche Auftritte verantwortlich sein: So etwa koordiniert er in Eisenstadt meist jene Neonazis, die Journalist*innen bedrängen und am Arbeiten hindern, oder aber versucht – wie im Falle der antifaschistischen Proteste gegen den rassistischen Aufmarsch der „Freiheitlichen Jugend Burgenland“ in Deutschkreutz – linke Aktivist*innen im Rahmen von Anti-Antifa-Arbeit zu fotografieren. Dieser Funktion kam er u. a. auch bei der linken Kundgebung während des zweiten Prozesstages gegen angeklagte Antifaschist*innen nach: Dort tauchte jener Neonazi mit zwei weiteren beim Alten AKH auf, um mit Teleobjektiv die Kundgebung und ankommende Linke zu fotografieren. Darüber hinaus trat er als Ordner bei mindestens einer Demonstration von Martin Rutter auf, wo er Objektschutz für das massive Sound-Equipment machte, das vermutlich der Involvierung der FPÖ und deren finanziellen Mitteln geschuldet ist.

Zum Absicherungsteam in Eisenstadt gehört u. a. auch der Neonazi Andreas Balluf sowie seine – uns namentlich unbekannte – Lebensgefährtin, die eine schwarze Sonne auf der Brust tättoowiert trägt. Beide waren auf zahlreichen Demos der rechten Szene auch abseits der Corona-Demonstrationen zu treffen: So etwa konnte Balluf und seine Partnerin sowohl bei der IB-Symbolverbotsdemo am 31. Juli 2021 gesehen werden, wie auch in Deutschkreutz bei der rassistischen Kundgebung der FJ Burgenland. Auch online bewirbt Balluf die Autokorsos und Demonstrationen viel und ausladend – Balluf ist Anhänger diverser Verschwörungserzählungen, u. a. mit Bezug auf Q-Anon- und Finanzelitenverschwörungsnarrative. Darüber hinaus dürfte er des Öfteren längere Survivaltrainings absolvieren und einem mystischen Naturfetisch anhängen: Immer wieder verkündet Balluf seinen „Ausstieg“ aus der Gesellschaft und den Rückzug in eine als rein imaginierte Natürlichkeit.

Auch die beiden Neonazi-Kader und engen Vertrauten der Küssel-Truppe Paul Blang, der als intensiver Netzwerker in der neonazistischen Szene Wiens angesehen werden muss, sowie der hinlänglich bekannte Thomas Cibulka konnten in Eisenstadt angetroffen werden. Sie kamen zumindest zwei Male zusammen mit dem neonazistischen Austria-Hooligan Michael „Junior“ (Nachname zu diesem Zeitpunkt unbekannt) in einem Auto aus Wien angereist. Blang und Cibulka dürften grundsätzlich als freundschaftlich verbunden angesehen werden, sind sie doch zumeist zu zweit unterwegs, in rezenterer Zeit auch in der Ostkurve im Block der „Viola Fanatics“ sowie im Sektor der „Ultras Slovan Pressburg“, oder aber bei einem Konzert nahe Brno. Ihr Engagement in der neoazistischen Szene ist hinreichend bekannt und beleuchtet worden: Dass sie auch mit CQ vernetzt sind, ist deswegen nicht weiter verwunderlich, da beide unter Gottfried und Karin Küssel bereits seit Jahren Szenepolitik betreiben.

Auch ein weiterer lang bekannter Neonazi ist – bzw. war – in den Reihen von CQ aktiv: der ehemalige NVP und JNVP-Kader Mario Aulabauer. Dieser kann ebenso auf eine lange Vergangenheit in der neonazistischen Szene zurückblicken: Ab Mitte/Ende der 2000er war er im Rahmen der NVP (geboren 1989) inbesondere in seiner Funktion als Jugendsprecher aktiv gewesen, wo er u. a. für den Aufbau der JNVP zuständig hätte sein sollen. Bereits 2008 jedoch erfolgte die erste Verurteilung, die sich noch auf eine Bewährungsstrafe belief: Aulabauer dürfte Kopf einer Gruppe junger Neonazis gewesen sein, die im Raum Wr. Neustadt unter dem Namen „Weißer Widerstand Österreich“ für zahlreiche Sachbeschädigungen und Wiederbetätigunsgdelikte angeklagt worden waren. 2009 dann schon erfolgte – noch auf Bewährung – die nächste Anklage, die diesmal auch ins unmittelbare Umfeld und Zentrum der alpen-donau.info-Vernetzung führte: Gegen Aulabauer wurde erneut wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Wiederbetätigung und ungefugten Waffenbesitzes ermittelt, diesmal im Rahmem der Gruppe „Freie Aktivisten Wiener Neustadt“. Aulabauer wurde (er saß nach seiner Festnahme in U-Haft) auf vier Jahre unbedingte Haft verurteilt, mildernd fiel u. a. aus, dass er sich geständig zeigte und „reumütig“ aussagte: Dies wiederum missfiel der NVP gleichermaßen wie den Köpfen von alpen-donau.info, allen voran dem Grazer Neonazi Richard Pfingstl. Denn der Verbund der „Freien Kameradschaft Wiener Neustadt“ – nicht nur Aulabauer zeigte sich geständig, um ein milderndes Urteil zu erlangen – war Teil der alpen-donau.info-Koordination und als solcher ließen es sich weder NVP-Kader Christian Hayer und Robert Faller, noch die Köpfe der alpen-donau.info-Seite nehmen, Drohungen an weitere mögliche Zeug*innen auszusprechen, und: Kurz nach dem Prozess wurde ein Zeuge kurzer Hand brutal zusammengeschlagen, die Täter*innen entkamen unerkannt.

Das nächste Mal dann tauchte Aulabauer in den Kontakten des rechtsterroraffinen ex-NVP-Neonazis Rudolf Prinesdomu auf: Laut Aussagen des informierten Beamt*innenvertreters des LVT Burgenland hatte Prinesdomu Aulabauer gekannt und auch in Wr. Neustadt besucht. Darüber hinaus sagte Prinesdomus Sohn aus, sein Vater habe Aulabauer größere Mengen potentes THC verkauft (kein Beweis durch das zuständige LKA). In einer kleinen Seitenbemerkung tat der Beamt*innenvertreter dann noch kund, dass Aulabauer erneut in Wr. Neustadt in Haft säße, wiederum wegen Vergehen nach §3g Verbotsgesetz. Das deckt sich grundlegend mit Informationen, dass Aulabauer 2020 erneut zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden war. Die Aussage des LVT-Beamten muss allerdings als teilweise falsch klassifiziert werden, denn feststehend ist, dass Aulabauer mehrfach an Aufmärschen von CQ teilnahm – sowohl in Eisenstadt wie auch in Wien. Das heißt im Umkehrschluss: Entweder a) waren die Informationen des aussagenden Beamten inkorrekt punkto des Haftantritts oder aber b) Aulabauer muss seine Strafe erst antreten – denn die letzten Aktivitäten Aulabauers in den Sozialen Medien datieren ins Jahr 2022.

Ebenso oft im Rahmen von CQ konnte der junge Neonazi mit Affinität für den III. Weg Marco Helfenbein gesehen werden: Helfenbein ist der Sohn der „PEGIDA Vorarlberg“-Gründerin Susanne Andrea Helfenbein, die auch auf Corona-Demonstrationen in Wien als Rednerin aufgetreten war. Die aus Hohenems stammende Neonazistin versuchte Pegida mit deutschen und schweizer Aktivist*innen (Ignaz Bearth und Michael Stürzenberger) im Dreiländereck aufzubauen, was bekanntermaßen kollosal scheiterte und zu einer Flut an internen Spaltungen der Pegida Österreich-Aktivist*innen führte. Wir verweisen für die komplexe Geschichte der Pegida-Bewegung in Österreich, deren Mobilisierungspotenzial deutlich kleiner als das in Deutschland ausfiel, auf die Berichte von SdR sowie für die Grazer und Wiener Sektion jeweils auf die Rechercheblogs der Kolleg*innen aus den jeweiligen Städten, da eine Aufschlüsselung hier den Rahmen sprengen würde. Wichtig ist für CQ nämlich v. a. Helfenbeins Sohn Marco: Denn dieser musste sich bereits am Landesgericht Feldkirch 2016 wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Schändung eines jüdischen Friedhofs, Wiederbetätigung und versuchter schwerer Körperverletzung verantworten. Helfenbein war dabei schon in seinen Jugendjahren in der harten Vorarlberger-Neonaziszene aktiv, seine Mutter förderte dies aktiv: So dürfte Marco Helfenbein im Umfeld der „Nationalen Aktion Vorarlberg“ (NAV) organisiert gewesen sein und hatte zumindest online regen Kontakt zum „Freien Netz Süd“, das wiederum eng mit der NAV kooperierte – bekanntermaßen gingen NAV und Freies Netz Süd in der heutigen Parteistruktur „III. Weg“ auf. Die polizeiliche Einvernahme und eine psychiatrische Begutachtung ergaben, dass Helfenbein bereits mit seinen jungen 17 Jahren ein absolut gefestigter Neonazi sei, der im vollen Umfang den NS-Staat verteidigt und wieder herbeiführen wolle. Dies zeigte sich etwa auch bei der Festnahme: Dort attackierte er die anwesenden Polizist*innen mit einer Zeltstange – Ergebnis der Verhandlung: Zwei Jahre Haft, acht Monate davon unbedingt. Bei den CQ-Aufmärschen in Wien konnte Helfenbein konstant – und somit auch ideologisch stringent – mit einer grünen Haube des III. Weges gesehen werden. Darüber hinaus ist er mittlerweile auf Facebook in der Gruppe „Kriegerdenkmäler in Niederösterreich“ aktiv und posiert vor diesen des Öfteren in Pullovern und Shirts des III. Weges.  Helfenbein ist derzeit in Niederösterreich, 2231 Strasshof a. d. Nordbahn bei Wien, wohnhaft und dürfte mitterweile im Raum Gänserndorf auch arbeitstätig sein.

Neben den nun aufgeschlüsselten bekannten Aktivist*innen konnten wir einige neue Gesichter in den Reihen von CQ idenitifizieren, wobei wir hier nach der Frequenz des Erscheinens, Funktion bei den Aufmärschen, Verhältnis zu anderen bekannten Kadern, Verhältnis zur Küssel-Familie und Auftritt im Social Web 2.0 beurteilt haben, ob die Personen von politischer Relevanz sind und somit hier genannt werden. So wollen wir hier an dieser Stelle die CQ-Aktivist*innen Thomas Dunkl, Ute Stockreiter, Katharina Rosenauer, Bianca Lörner, Rene Beisteiner, Rudolf Hendling, Marlen Dorn und Jörg Schüller anführen.

Rene Beisteiner taucht seit den ersten Stunden der Demonstrationen der Corona-Rechten in Wien und Eisenstadt auf: So etwa zeigt ihn das unten angeführte Bild direkt neben Identitären bei einer der ersten Kundgebungen am Ballhausplatz, an der auch Wolfang Lechner teilnahm, darüber hinaus dürfte er die Küssels persönlich kennen.

Thomas Dunkl war auf beinaher jeder Demonstration in Wien und Eisenstadt zu sehen: Er hat v. a. guten Kontakt zu Josef Witzani und zu den Küssels. In Wien ging er fast immer am Fronttransparent von CQ. Darüber hinaus tauchte er mit Andreas Balluf, dessen Lebensgefährtin, Mathias Albrecht und Anita Barilich bei der Kundgebung der Freiheitlichen Jugend in Deutschkreutz auf, was auf klare rassistische Positionen schließen lässt.

Ähnliches gilt für Rudolf Hendling: V. a. in Wien war Hendling bei zahllosen Demonstrationen anwesend, zu Küssel zeigte sich v. a. in Eisenstadt freundschaftlicher Kontakt. In einem Auftritt in der ATV-Sendung „Alles Liebe“ zeigte Hendling besonders virulenten Sexismus sowie seine fundamentale Überzeugung vom bevorstehenden „Great Reset“.  Auf seinem Facebook-Profil postet er darüber hinaus auch (mutmaßlich) nicht-konsensuell aufgenommene Fotos von Frauen am Strand. Darüber hinaus trägt er auf seinem Unterarm ein Tattoo von Friedrich Ludwig Jahn (besser bekannt als „Turnvater Jahn“).

Bei Bianca Lörner handelt es sich ebenso um eine überzeugte Rechtsextremistin. Schon ihr Social Media-Auftritt zeugt von rechtsextremer Gesinnung, spätestens ein Blick in die Freund*innenlisten und Interaktionen zeichnet ein noch eindeutigeres Bild: Dort tummeln sich bekannte Neonazis und Rechtsextremist*innen und auch Lörner betreibt eifrige Online-Praxis. Auf den Eisenstädter Demos war sie zahlreiche Male anwesend und konnte stets als Teil der angeführten Kerngruppe beobachtet werden: So konnte Lörner auch beim Gespräch mit den Neonazi-Kadern Blang und Cibulka sowie Erich Weber (siehe weiter unten) beobachtet werden.

Lörner links mit Erich Weber (SGB-Medie, siehe untern).
Lörner mit Erich Weber (SGB, siehe unten).

Ute Stockreiter konnte ebenso bei beinahe allen Veranstaltungen von CQ in Eisenstadt gesehen werden: Als eine der Ersten trug sie die gedruckten Shirts von CQ und gab Instruktionen an Mitdemonstrierende. Sie dürfte Kontakt zu diversen Exponenten der ostösterreichischen Corona-Leugner*innen-Szene haben wie etwa der bekannten Aktivistin Jennifer Summer, die auch an mindestens einem Autokorso in Eisenstadt teilnahm.

Auch Katharina Rosenauer, die in Purbach am See den Lebensmittel- und Gärtnereiladen „Landprodukte Rosenauer“ betreibt, konnte bei sämtlichen Demos von CQ in Eisenstadt angetroffen werden, wo sie stets entweder Flaggen oder Transparente hielt, oder aber in Richtung anwesender Journalist*innen pöbelte. Sie ist überzeugte Corona-Leugnerin, affiziert die Impfung mit Verschwörungserzählungen und vertritt nationalistische Positionen – auch bewirbt sie die Veranstaltungen von CQ regelmäßig online.

Marlen Dorn ist ebenso dem Eisenstädter Corona-Leugner*innen-Milieu zuzuordnen und reproduziert krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon Bereich sowie Inhalte des wegen Wiederbetätigung verurteilten Zahnarztes Jaroslav Belsky. Sie konnte v. a. in Wien in den Frontreihen von CQ beobachtet werden, hat Kontakt zur unmittelbaren CQ-Gruppe wie auch zu bekannten Exponenten der Corona-Rechten wie etwa dem Klauninger- und SGB-Umfeld zugehörigen Aktivist Marek Kostyrk.

Enger bekannt mit Marlen Dorn dürfte auch Jörg Schüller sein: Ebenfalls in Purbach ansäßig, betreibt Schüller den Familienbetrieb „Malerei Schüller“ in Purbach am See. Schüller war mehrfach sowohl in Wien als auch in Eisenstadt im direkten Umfeld von CQ und Gottfried Küssel zu sehen, auch trug Schüller mindestens ein Mal das Front-Transparent von CQ in Eisenstadt.

Unterstützer*innen und Umfeld von CQ

Neben den oben abgebildeten Akteur*innen, die eine Art Kernformation der CQ-Gruppierung konstituieren, die sowohl organisatorische Abläufe regelt, die Bespielung des Telegram-Kanals sowie die Bewerbung von Kundgebungen, Infotischen und Autokorsos, hat sich ein kleineres Netzwerk an rechten bis rechtsextremen Untersützer*innen gesponnen, die die Kundgebungen und Korsos vor Ort unterstützen. Zentral wollen wir hier auf zwei Organisationen verweisen, die sowohl in Eisenstadt vor Ort als auch in Mobilisierungschats besonders engagiert dabei waren, CQ bei ihren Aktivitäten zu unterstützen.

Zum Einen – und nicht weiter verwunderlich – findet sich seit der Etablierung des Ablaufs „Autokorso durch Nordburgenland –> Kundgebung ab 14:30 an der Kreuzung Laschoberstraße/Ödenburger Straße –> Demo durch Eisenstadt samt Abschlusskundgebung am gleichen Ort“ die Medienplattform AUF1 des ehemaligen „Bund freier Jugend“ (BfJ)-Neonazis Stefan Magnet vor Ort ein, um live zu berichten. In Bezug auf Magnet und dessen Anbindung an den ehemaligen BfJ wollen wir auf den informativen Artikel der Kolleg*innen von SdR verweisen, wo alle wichtigen Infos zusammengetragen sind und darüber hinaus in Bezug auf AUF1 auf eine Artikelserie, die ebenfalls bei SdR erschienen ist. Nur soviel sei hier gleich erwähnt: Magnet hatte/hat via den BfJ gute Kontakte zu Küssel- und dem alpen-donau.info-Umfeld (etwa Felix Budin), sowie zu neonazistischen Burschenschaftern, die in der FPÖ Politik machen. Darüber hinaus stammt ein Teil der momentanen Redaktion auch aus dem Milieu der deutschen und österreichischen Corona-Rechten: So arbeiten mittlerweile Edith Brötzner, Manuel Mittas und Vivien Vogt bei AUF1. Erstere entstammen dem österreichischen Rechtsextremismus-Klientel (siehe weiter unten), Vogt dagegen der Passauer rechtsesoterischen Szene. Da hier Verbindungen nicht weiter verwunderlich sind und auch bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegen, gehen wir hier nicht weiter auf AUF1 ein, da auch alle dort angestellten Redaktionsmitglieder singulär bereits sattsam bekannt sind (siehe SdR).

AUF1-„Impfbus“ in Eisenstadt am 07. März 2022.

Auffälliger ist die intensivere Verbindung zu einem obskuren Teil der ostösterreichischen Corona-Rechten: Es handelt sich um die Medienplattform und St. Georgs-Ritterschaft „SGB Media“. Ihres Zeichens nach handelt es sich bei SGB um eine Organisation, die für zweierlei Aufgaben zuständig ist: sogenannten „unabhängigen“ Journalismus und Ordner*innen-Dienste bei Demos wie Kundgebungen sowie zeitweise im Auftrag der Stadt Wien auf der Donauinsel und im Rahmen des Donauinselfests. Eingegliedert sind beide Teile in die „St. Georgs-Ritterschaft Ostarrichi“: ein Verein, der dem Habsburg-Monarchismus anhängig ist und diese reakionäre Ideologie in Form von Ritterkostümspielen und -festen auslebt. Aufgefallen war SGB Beobachter*innen der Corona-Rechten erst während der Corona-Demos 2021/22 – dort waren vielfach Ordner*innen vertreten, die sich als Truppe von SGB auswiesen, und ein Tross an Fotografen, die ebenfalls SGB als ihre Redaktion angaben. Die SGB-„Redaktion“ selbst ist personell noch etwas umfänglicher besetzt. Auf den Corona-Demos erschienen allerdings stets die gleich SGB-„Journalisten“: Erich Weber, Stephan M. Bako, Daniel Muhr, Markus Hafner und Christian Mondre. Dabei scheint sich mittlerweile der signfikante Teil der „Arbeit“ von SGB (Stadt Wien-Aufträge blieben und bleiben aus) auf die propagandistische Berichterstattung von Corona-Demos zu fixieren, wobei einzelne Exponenten auch in Rednerfunktionen oder als eigenständige Organisatoren von Demonstrationen auftreten (siehe unten). Anzumerken ist, dass die ansonsten nicht allzu schillernde Ordner*innentruppe von SGB auch erst deshalb einen weiteren Bekanntheitsgrad erlangt hat, weil sie regelmäßig den OE24-Reporter und Vermarkter der Corona-Rechten Mike Vogel (in „Ungeimpft Österreich“-Westen) oder aber die Trucks mit den massiven Soundsystemen schützten (etwa den sogenannten „Freedom Truck“).

Kopf bzw. laut Eigenbezeichnung „Chefredakteur“ der Gruppe „SGB-Media“ ist Erich Weber. Weber schreibt als „Journalist“ hauptsächlich für Wiener Bezirkszeitungen, wohnhaft dürfte er im 05. Wiener Gemeindebezirk, 1050 Margareten, sein. Schon beim Durchsehen der „Zeitungsartikel“ für die Wiener Bezirksblätter fällt auf, dass Weber eine Affinität zur FPÖ, den „Blauen“ wie er sie nennt, pflegt. Der Eindruck verstärkt sich auf der hauseigenen Webpage, die SGB betreut: Dort tut Weber ganz offen seine Sympathie für die Demonstrationen der rechtsextremen Querdenken-/Fairdenken-Gruppe um Martin Rutter, Hannes Brejcha, Jennifer Klauninger und Manuel Mittas kund – sogar ein vorformuliertes Formular zwecks Einspruch gegen diverse  Verwaltungsübertretungen publizierte Weber unter seinem Namen. Ganz klar offenbart Weber auf der Webpage von SGB, dass er mit seinem journalistischen Aktivismus dazu beitragen will, die „Corona-Maßnahmen“ zu sprengen und sich gegen die damals im Raum gestandene Impfpflicht zur Wehr zu setzen. Munter und fröhlich manipuliert er auch sämtliche Zahlen an Demonstrant*innen, spricht so am 01. Mai 2022 von 15.000-20.000 Menschen in der Demonstration von Rutter und propagiert offen die Unterstützung der Covid-Leugner*innen. Doch Webers Interessen am rechten Spektrum wie auch konkrete Verbindugen in selbiges reichen noch um Einiges weiter: Zum Einen pflegt er gute Kontakte ins Bundesheer-, Polizei- und Kameradschaftsmilieu (das spiegelt sich auch in seinen online Bekanntschaften wider), was nicht weiter verwundert, war Weber laut eigenen Angaben doch selbst Polizist, bis er wegen langjähriger Erkrankung aus dem aktiven Dienst ausscheiden musste. Zum anderen ist er mittlerweile gut mit den Kadern von CQ bekannt: In einer Chatgruppe für die Mobilisierung zu den Autokorsos in Eisenstadt-Umgebung ist Weber äußerst engagiert, oft kommen allein von SGB vier Autos, um am Korso teilzunehmen. Auch mit Gottfried Küssel ist Weber persönlich bekannt, und noch mehr: Er koordiniert bei den Korsos und mittlerweile auch Demonstrationen die Ordner*innen-Struktur in Eisenstadt. Auch hat Weber keine Hemmungen, Küssel selbst in seiner Berichterstattung positiv in Szene zu setzen: So etwa dokumentiert er Küssels Reden, zahlreiche Fotos von Küssel „in action“ finden sich online verfügbar.

Neben Weber arbeiten als scheinbar reguläre Journalisten noch weitere Fotografen, die jedoch allesamt nicht so illustre Figuren wie Weber abgeben. Dennoch tauchten einige des Öfteren in Eisenstadt auf, um an den Märschen bei CQ teilzunehmen oder sogar für Videomitschnitte verantwortlich zu zeichnen. V. a. Stephan Bako sowie Daniel Muhr sind häufige „Gäste“ in Eisenstadt: Bako selbst dürfte als Fotograf zum Einen freiberuflich tätig, andererseits in einem Fotostudio im zweiten Wiener Gemeindebezirk, 1020 Leopoldstadt, „Foto Fally“ fix angestellt sein. Für SGB betreibt er sowohl Foto- als auch Videoreportage und dürfte darüber hinaus auch die Website und Domain von SGB (sgb-media.at) betreuen. Der zweite Fotograf, der regelmäßig bei CQ aufschlägt und sich dort wahlweise auch als Ordner betätigt, ist Daniel Muhr. Muhr ist kein Berufsfotograf und dürfte bei SGB „nur“ seinem Hobby nachgehen. Muhr selbst gibt an, bei „SOCIUS“ zu arbeiten, einem „sozial-ökologischen Verein“, der auf Armutsbekämpfung, Reinstandsetzung von alten elektronischen Geräten sowie neuerdings in der Geflüchtetenhilfe in Bezug auf die Ukraine-Krise aktiv ist.

Vom Ordnerdienst der SGB war v. a. Helmut Dohnal, der in Wien dutzende Male als leitender Ordner von SGB aufgetreten war und v. a. das Sichern unterschiedlicher Trucks durchführte, mehrfach bei den Aufmärschen von CQ anwesend. Dort trat er jedoch in keinem Fall selbst als Ordner auf, sondern eindeutig als Sympathisant und war darüber hinaus sogar früher als die meisten anderen SGB-Exponenten bei den Kundgebungen und Demos von CQ anwesend.

Helmut Dohnal bei der CQ-Demonstration in Eisenstadt.

Zwar nicht direkt in Eisenstadt aktiv, doch wichtiger Exponent von SGB grundsätzlich, ist des Weiteren Markus Hafner. Er gehört zur Ordner- und Fotografen-Truppe von SGB: In diesem Rahmen sicherte er wie auch Dohnal bei diversen Demos in Wien den sogenannten „Freedom Truck“, trat jedoch auch als besagter Personenschützer von Mike Vogel auf. Eine Zeit lang dürfte Hafner auch Lebensgefährte der Rechtsextremistin Jennifer Klauninger gewesen sein, die grundsätzlich über gute Verbindung zu SGB verfügt. Seinen Ordnerdienst absolvierte Hafner fast immer  im Shirt von „Ungeimpft Österreich“, dessen Logo in schwarz-weiß-roter Fraktur gehalten ist (unter diesem Logo traten auch weitere SGB-Ordner*innen auf unterschiedlichen Auto-Korsos öffentlich auf).

„Ungeimpft Österreich“ dürfte dabei auf eine kleinere, aber personell relativ konstante Gruppe von Aktivist*innen rekurrieren, dazugehörig ist allerdings auch eine semi-öffentliche Facebook-Gruppe, die mehrere tausend Mitglieder zählt. Darin tummeln sich neben bekannten Corona-Rechten und SGB-Exponenten auch Rechtsextremist*innen sowohl aus Österreich wie aus Deutschland. Manche dieser Profile sind voll mit Inhalten, die den Rahmen der Wiederbetätigung erfüllen, rassistische Hetze an der allgemeinen Pinnwand gegenüber Persons on the move, FPÖ-Propaganda zur sogenannten „Überfremdung der Heimat“, Transphobie und Hetze gegen LGBTIAQ*-Personen stellen die Regel, nicht die Ausnahme dar. Admin ist der bekannte rechtsextreme Corona-Leugner Peter Leis, der regelmäßig für die Veranstaltungen von CQ aufruft, gegen „die Antifa“ mit Bildern hetzt, die im neonazistischen „Infokanal Deutschösterreich“ (siehe unten, Kapitel zur Ideologieanalyse von CQ) publiziert werden und krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon-Spektrum bedient. Mit Markus Hafner dürfte Leis gut bekannt sein und auch Hafner dürfte zum inneren Kreis der „Ungeimpft Österreich“-Gruppe zählen. Zu den Kernaktivitäten der Organisierung zählen v. a. die Veranstaltung von Autokorsos in Wien und Niederösterreich, die unter dem nämlichen Titel abgehalten werden. Sowohl Hafner wie auch Leis dürften nebst anderen besonders darauf gepocht haben, die Trucker-Proteste und -Blockaden von Ottawa auch in Wien umzusetzen: Die unter dem „Freedom Day Konvoi“ angezeigte Veranstaltung, die eine ausgewiesene Kooperation mit „Ungeimpft Österreich“ darstellte, konnte bei ihrem Versuch, Wien am 11. Februar 2022 „lahmzulegen“, zwar nicht genügend Trucks aufstellen, das Aktionsformat spiegelt allerdings die Mentalität der Gruppe und ihre politischen Intentionen wider.

Darüber hinaus war Hafner auch mit Weber und dem bekannten Corona-Leugner Marek Kostyrk bei der Demo des „Lobau bleibt!“-Bündnisses vor der SPÖ-Zentrale, wo Weber offensichtlich versuchte, die Kundgebung für SGB zu dokumentieren. Auch Kostyrk ist seit jüngerer Vergangenheit dem SGB-Klientel zuzuordnen. So etwa tauchte er bei der CQ-Kundgebung am 05. Februar 2022 mit Weber und Muhr in Eisenstadt auf und hielt auch kurzfristig das Hochtransparent von CQ.

Obgleich mittlerweile auf der Hand liegt, dass SGB alles andere als ein unpolitischer, liebenswürdiger Provinzialjournalismus-Verein ist, soll folgendes Fallbeispiel nochmals klar machen, dass SGB seit 2022 auch als eigenständiger Akteur der Corona-Rechten zu betrachten ist (alle Tätigkeiten bei SGB werden ausschließlich „ehrenamtlich“ verrichtet, was das ideologische Moment unterstreicht): Am 15. Jänner 2022 organisierte Markus Hafner, der nicht als SGB-Media-Angehöriger bei der lokalen Bezirkshauptmannschaft antrat, eine Kungebung samt Demonstration im Zentrum von Baden, Titel: „Wir kämpfen für: Frieden, Freiheit, Demokratie“. Ziel u. a.: Mobilisierung für die Tags darauf stattfindende Demo am 16. Jänner in Wien. Ordnerdienste koordinierte Helmut Dohnal, Kundgebungsleitung vor Ort übernahm Erich Weber. Sowohl Martin Rutter, Hannes Brejcha als auch Jennifer Klauninger waren bei der Demo anwesend und hielten Reden. Angekündigt war auch der ehemalige FPÖ-NÖ-LAbg. Martin Huber, der wegen Verstoßes gegen §3g Verbotsgesetz  zu 12 Monaten bedingter Haft verurteilt worden war – Huber jedoch konnte seine Rede nicht halten.

Besondere Aufmerksamkeit ist auch dem Vereinssitz von SGB sowie der Person, die diesen zur Verfügung stellt, zu widmen: Tatsächlich trifft sich SGB für deren Sitzungen mittlerweile bei Ioannis Palaiologaros, bekannt auch unter seinem Pseudonym „Der Demo-Grieche“ und als Betreiber der – wegen der jüngst stattgefundenen Hausdurchsuchungen durch die COBRA ebenso bekannten – Lokalität „Siga Siga“ in St. Johann am Steinfelde (Puchberger Straße 18, 2630 Ternitz). Neben SGB trafen sich dort Aktivist*innen diverser Corona-leugnender Bündnisse – mindestens vier Razzien führten Polizeikräfte in der Lokalität durch: Bei der letzten Razzia wurde dann auch Konstantina Rösch, ehemalige Ärztin und bekannte Corona-Leugnerin (ihre Beziehung zu Küssel schlüsseln wir weiter unten auf) und Gottfried Küssel angetroffen, was dann auch das LVT Niederösterreich auf den Plan rief, nicht zuletzt, da es bereits zu Drohgebärden gegenüber dem SPÖ-Bürgermeister seitens des Siga Siga-Klientels gekommen war. So kann angenommen werden, dass das „Siga Siga“ zumindest in der unmittelbaren Corona-Rechten eine wichtige Rolle als Vernetzungspunkt gespielt haben dürfte und die dort anwesenden keinerlei Berührungsängste mit lang gedienten Neonazis aufwiesen. Was im Fall Palaiologaros sowieso nie glaubhaft war, denn: Zuvor schon trat dieser mit Küssel und Monika Donner, der ex-Mitarbeiterin des Wiener Landesamtes für Verteidigung und virulenten Geschichtsrevisionistin, in Manuel Mittas‘ „Out of the Box“-Kanal auf (zu Mittas siehe weite unten). Palaiologaros selbst erschien dann auch folgerichtig zum vierten „Nordburgenland-Aktionstag“ von CQ am 11. Juni 2022 selbst: Was seine laschen Versuche, sich öffentlich von Küssel und Vorwürfen, Sympathisant neonazistischer Politik und revisionistischer Strömungen zu sein, als besonders unglaubwürdig markiert und letztlich als juristische Schutzbehauptung  demaskiert.

Ebenso in Ternitz gemeldet, allerdings in der Franz Samwald-Straße 53, ist der Ableger von SGB-Media, „panorama media pictures“, der von SGB-Ordner Helmut Dohnal betrieben wird. Via Panorama wurden zumindest die zwei Proteste in Baden (siehe oben) beworben und angekündigt, wodurch angenommen werden kann, dass das Label vor allem dazu dient, die unmittelbaren politischen Aktivitäten einzelner SGB-Exponenten von SGB unabhängig (und damit auch der internationalen St. Georgs-Ritterschaft) publik zu machen, um Angriffsflächen für SGB zu reduzieren.

Zuletzt müssen wir leider noch auf die besonders unrühmliche Rolle der Pritschen- und Van-Vermietung „Priline“ in der Wienerstrasse 82, 2230 Gänserndorf, hinweisen. Nachdem Antifaschist*innen die Eigentümer*innen darauf aufmerksam gemacht hatten, dass sie Monat um Monat direkt an Gottfried und Karin Küssel Pritschen für deren Kundgebungen in Eisenstadt vermietet hatten, reagierte Priline pikiert und arg verharmlosend: Man würde an alle „Parteien“ vermieten, auch an „Global 2000“, „Greenpeace“ und für die Pride – man denke nicht daran, Küssel keine Pritschen mehr zur Verfügung zu stellen, da Österreich „eine Demokratie sei“ samt dem Hinweis (Mailaustausch während der Lockdown-Perioden): „auch wenn das so wie jetzt gerade nicht immer eindeutig erkennbar ist.“

Das Aufmarschgebiet von CQ: Eisenstadt, Eisenstadt-Umgebung und Purbach am See

Warum sich CQ ausgerechnet Eisenstadt als Kernaufmarschgebiet ausgesucht hat, lässt mehrere grundsätzliche Überlegungen zu: Eine sehr plausible Erklärung liefert zu allererst einmal pragmatisch die Tatsache, dass vor den Demonstrationen und Infotischen von CQ in Eisenstadt keine sogenannten „Corona-Demos“ stattgefunden haben. Obwohl in allen anderen Bundesländern noch in den kleinsten Städten Organisierungen aufgeploppt waren, blieb es in Eisenstadt und dem Burgenland vergleichsweise still – ein Vakuum, das sich durch CQ gut füllen ließ. Ein mögliche Verbindungsrolle könnte auch Peter Rennmayr gespielt haben: Wie oben schon erwähnt, stammt er aus Eisenstadt Umgebung und ist bereits länger im Umfeld von Küssel aktiv. Wird zusätzlich die momentane Struktur und ihre Konstanz in Bezug auf die Akteur*innen seit Beginn der CQ-Veranstaltungen in Betracht gezogen, muss geschlussfolgert werden, dass sich wohl ein Organisierungsprozess noch vor den ersten Demonstrationen in Eisenstadt abgespielt hat, dessen lokales Zentrum Eisenstadt-Umgebung darstellt – wodurch Eisenstadt aufgrund der geografischen Nähe schon grundlegend naheliegen wäre.

Ein weiterer Vorteil dürfte die völlige Absenz informierter Medienberichterstattung in Eisenstadt darstellen: Denn wird von dem einen Termin abgesehen, an dem der ORF-Burgenland mit einem Zwei-Personen-Filmteam vertreten war (unmittelbar von Josef Witzani und jenem namentlich unbekannten Neonazi drangsaliert), gab es abseits der Berichterstattung des unabhängigen „Presse Service Wien“ keinerlei mediale Aufmerksamkeit rund um CQ. Das dürfte v. a. Küssel sehr recht sein, denn sein Bekanntheitsgrad erlaubt es ihm in den meisten Städten Österreichs nicht, unerkannt oder ohne historische Einordnung, öffentliche Aktionen umzusetzen. Die umfassende Apathie gegenüber politischen Inhalten, die strukturelle Rechtsgerichtetheit ruraler und von Landwirtschaft geprägter Gebiete (Stichwort Bauernbund) sowie völlig falsch verstandene demokratische „Toleranz“ befördern die Versuche von rechten Akteur*innen, abseits größerer Städte Organisierungen aufzubauen.

Witzani und weiterer unbekannter Küssel-Intimus bedrängen ORF-Burgenland.

Die Geschichte rechter Umtriebe in Österreich bestätigt dies auch auf internationalem Maßstab: Das vorherrschende Klima des Schweigens und Wegschauens bisweilen sogar aktiven Akzeptierens eignete sich seit jeher für neonazistische Aktivist*innen, die sich politisch aufgrund von drohender oder einsetzender Repression zurückziehen mussten: Prominente Beispiele stellen etwa der deutsche Rechtsterrorist Ekkehard Weil nach seiner ersten Haft in Berlin, FAP-Kader Karl Polacek nach seiner Abschiebung nach Österreich, ebenso FAP-Mann Dirk Winkel und die ehemalige THS-Aktivistin Corinna Görtz oder aber – etwas rezenter – die Rückzugspläne in die österreichischen Alpen des Uniter e.V. im Hannibal-Netzwerk dar.

Für österreichische Rechtsextremist*innen spielt die Provinz aber eine ebenso integrale Rolle bezüglich ihrer Aktivitäten und Organisierungs- wie Rekrutierungsprozesse. So auch im Falle des momentanen Küssel-Netzwerkes und von CQ: Zentral für die Mobilisierung von CQ dürfte der kleine Ort Purbach (7083, Bezirk Eisenstadt Umgebung) sein. Es konnte festgestellt werden, dass CQ-Aktive dort regelmäßig in einem Objekt in der Sätzgasse 12 ein- und ausgingen, auch Beamt*innen des LVT Burgenland konnte in dem kleinen Ort beobachtet werden. Besonders brisant wurde dies allerdings, als LVT und LKA Mitte Juni eine bewaffnete Razzia im nämlichen Objekt durchführten: Man hatte seitens LKA und LVT aufmunitioniert, denn der Vorwurf lautete auf §279 StGB, „Bewaffnete Verbindung“ und: Man hätte mit der Möglichkeit massiver bewaffneter Gegenwehr gerechnet.6 Der Sachverhalt gibt Anlass zur Besorgnis: Küssels Affinität zu Wehrsport ist seit ANR-Zeiten gegeben, zahlreiche weitere alte VAPO- und alpen-donau.info-Kader sind im Umgang mit Waffen geschult, haben Wehrsportübungen unter Anleitung von Militärs besucht; Kader wie etwa Wolfgang Lechner haben Kenntnisse und umfangreiches Interesse an Kampfmitteln und deren Einsatz im politischen Kontext. Zusätzlich in Betracht zu ziehen, sind die massiven Mengen an sicher gestellten Kampfmitteln im Laufe der letzten Jahre in rechtsextremen Milieus Österreichs – hier geben bekanntlich v. a. drei solcher Funde konkrete Hinweise auf eine Verbindung zum Küssel-Klientel.

Hausdurchsuchung in einer von CQ genutzten Immobilie in Purbach (Nr. 12, gelbes Haus links).

Zum Einen sind da die Großfunde in den Räumlichkeiten des Peter Binder zu nennen: In dessen Umfeld kam es mehrfach zu Ermittlungen und zahlreichen Hausdurchsuchungen, mehrfach wurden enorm große Mengen von (Kriegs-)Waffen, Sprengmitteln und anderen Nahkampfgeräten sowie NS-Materialien gefunden. Darüber hinaus bestand eine Zeit lang die Vermutung, die ursprünglich vom BMI publik gemacht worden war, dass Binder eine neonazistische „Miliz der Anständigen“ aufbauen wollte, um den Systemumsturz in Deutschland und Österreich durchzuringen. Wir gehen an dieser Stelle nicht genauer auf die exakte Chronologie der Ereignisse ein, sondern verweisen auf den gut strukturierten Artikel der Kolleg*innen Moritz Eluek und Karl Öllinger – hervorgehoben muss für unsere Zwecke Folgendes werden: Die Waffendepots von Binder wurden in einem geplanten Schlag (erste Tranche in Binders Wohnung) und in einem Zufallsfund (zweite Tranche bei Binder in ehemaliger Wohnung und Keller der Eltern Binders) gefunden, nachdem die Behörden auf einen Verfassungsschützer des DSN (damals noch BVT) aufmerksam geworden waren, der für Binder Waffen und Munition akquiriert hatte. Danach kam es zu konzertierten Hausdurchsuchungen in insgesamt zwei Aktionen: Hier wurden in Wien, Niederösterreich, Burgenland und Oberösterreich sowie in Deutschland Objekte durchsucht, insgesamt 15 Verdächtige festgenommen, darunter neben Binder laut BMI amtsbekannte Neonazis sowie Personen des 1%-MC-Spektrums.

Kontextualisiert man dies nun mit der klammheimlich durchgeführten Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf §279 StGB in Purbach, ergibt der ganze Komplex ein neues Bild der Dringlichkeit möglicher bewaffneter Verbünde: Zwar wurden konkret vor Ort keine Waffen sicher gestellt, die Ermittlungen aber halten an, der Verdacht sei keinesfalls aufgehoben. So muss geschlossen werden, dass u. U. Eisenstadt und das Nordburgenland sowie die Grenze in den Süden Niederösterreichs für CQ nicht nur aus agitatorischen Gründen interessant war: Es wird unklar bleiben, wozu genau das Objekt in Purbach gedient haben möge, doch die Häufung der Punkte neonazistischer Interaktion lässt Spielraum für Bedenken. Erhärtet werden diese Bedenken u. a. durch den Prozessbericht von Prozessreport zu Binders letzter Verhandlung wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung in Wiener Neustadt: Dort stellte sich heraus, dass Binder in rezentem Kontakt zu Karin Küssel gestanden hatte und bezüglich alltäglicher Dinge mit ihr korrespondiert hatte, zusätzlich wurde auch noch die Telefonnummer von Felix Budin auf Binders beschlagnahmtem Gerät aufgefunden.

Wie problematisch der Waffen-Komplex ist, zeigt sich anhand der mannigfaltigen Verbindungen, die CQ und allen voran Gottfried Küssel in der Corona-Rechten aufgebaut hat: Die meisten bekannten und für die Organisierung wichtigen Akteur*innen der Corona-Rechten sind mit Küssel bekannt, die meisten Durchschnittsdemonstrant*innen wiederum haben keinerlei Hemmung neben militanten Neonazis zu laufen. Wenn dann im Hintergrund dieser ohnehin schon extrem gefährlichen Situation noch möglicherweise bewaffnete Verbindungen und Bestrebungen zur Miliz-Gründung bestehen, wird das Gemisch der Corona-Rechten noch explosiver als es ohnehin gewesen ist / u. U. noch sein wird.

Küssels Beziehungen zu diversen Akteur*innen der Corona-Rechten

Neben Eisenstadt spielten auch die Demos der Corona-Rechten in Wien eine gleichermaßen wichtige Rolle für CQ und Küssel. Bei sämtlichen größeren Events marschierte die CQ-Fraktion mit Transparent auf, spätestens ab dem 20. November 2021 lief CQ dann mit einer länglichen Burgenland-Flagge als Frontransparent des CQ-Blocks. Dies dürfte in Anlehnung an jene regionalpatriotische Tiroler Aktivist*innen-Gruppe geschehen sein, die sich bei jeder Demo in Wien, zu der sie anreisten, mit einer überdimensionalen Tirol-Flagge inszenierten (obligatorisch verbunden mit Glorifizerung von Andreas Hofer usw.). Man hoffte wohl durch legeren Regionalpatriotismus Menschen über die eindeutig neonazistischen Akteur*innen hinwegzutäuschen, um so vorab Leute an die Gruppe zu binden – ideologische Schulungen, dass wusste schon die ANR, waren nachrangig handzuhaben. Scheinbar war CQ allerdings stets darum bemüht, relativ unbekannte bzw. geschichtlich nicht bekannte Menschen in die Frontreihe zu holen: So waren zwar manchmal Thomas Dunkl oder Josef Witzani am Burgenland-Transparent zu sehen, doch es überwogen stets noch unbekannte Gesichter jüngerer und älterer Corona-Rechter.

Doch betrachtet man v. a. Gottfried Küssels Verhalten auf den Demos näher, dann wird eine – in den Einzelfällen von diversen Kommentator*innen ohnehin schon bemerkte – tiefere Verbindung zur Szene rund um „Corona Widerstand“, „Fairdenken“, „Querdenken“ und einzelnen Akteur*innen der Corona-Rechten offenkundig, denn: Fast alle Personen, die als organisatorische Köpfe der österreichweiten Corona-Demos in Wien angesehen werden können, hatten durchaus vetrauten bisweilen freundschaftlichen Kontakt zu Küssel selbst, in manchen Fällen aber auch zu den alten Neonazi-Kadern Lucas Tuma und Harald Schmidt. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Gruppen, zu denen näherer Kontakt seitens Küssel bestand, auflisten und teils auf historische Kontinuitäten der Verbindungen einzelner Rechtsextremist*innen zu Küssel hinweisen.

Wir wollen an dieser Stelle betonen: Der folgenden Part speist sich aus der aufmerksamen Beobachtung zahlreicher Journalist*innen und Aktivist*innen. Hervorheben wollen wir aber Schwurbelwatch Wien, die Twitter-Seiten der Journalist*innen und Aktivist*innen Hilde Harmlos und Dietmar Mühlbock sowie Stoppt die Rechten von denen wir zahlreiche Infos hierher übernommen haben, um auch diesen Teil der Recherche zu möglichster Vollständigkeit – bemessen am Stand vorhandener Informationen – zu führen.

a) Der Corona Widerstand-Komplex um Martin Rutter und der Fairdenken-Komplex um Hannes Brejcha: Rutter ist im österreichischen Rechtsextremisumus- und Neonazismus-Spektrum kein unbekannter. Seit 2017 war Rutter regelmäßiger Redner der Ulrichsberggemeinschaft, wo er den sogenannten „Kärntner Abwehrkampf“ glorifizierte und diesen als Vorbild eines rassistischen europäischen „Abwehrkampfes gegen die Massenmigration“ inszenierte. Durch die Ulrichsberggemeinschaft und die neonazistischen Kameradschaftverbände (etwa „Ehemalige der Waffen-SS“) dürfte Rutter an weitere Kontakte zur neonazistischen Szene Ostösterreichs gelangt sein, allerdings spielte Rutter bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie keine große Rolle im Bereich rechtsextremer Politik. Wie weit Rutters Verbindungen jedoch Stand 2022 in die höchsten Kreise der neonazistische Szene reichen, zeigen die geleakten Chats und Sprachnachrichten zwischen ihm und Brejcha: Dort etwa fragte Brejcha Rutter nach der „Nummer vom Gottfried“, damit man ihm im Vorfeld der Demo mitteilen könne, „um was es geht“. Rutter antwortet, dass er sowieso in Kontakt sei und mit „Gottfried“ wegen der Demo korrespondiert und ihn auch gebeten hätte, er möge an einer konkreten Stelle der Demo gehen. Bei der Korrespondenz ging es um die Demo am 13. Februar 2021 – dort marschierte Küssel dann vor einer Kette von rund 20 vermummten Personen des Hooligan-Spektrums und übernahm die Verhandlungen mit jenem polizeilichen Einsatzleiter, der über beste Kontakte ins Milieu der Corona-Rechten verfügt; um genau diese Demo-Formation dürfte es in den Gesprächen gegangen sein. Wichtig zu bemerken, ist auch: Im Abgleich zu den anderen Chats, wo Rutter niemanden etwas „bittet“, sondern kategorisch anschafft, befiehlt oder absägt, tritt das gewendete Autoritäts-Verhältnis hier klar zu Tage. Zweifel, ob es sich um Gottfried Küssel handelt, waren spätestens dann beseitigt, als sich Rutter und Brejcha zu den neuesten Covid-19-Auflagen auf die „Expertise“ von CQ verließen und dabei direkte Kontakte offenbarten.

Über den Einsatz der sogenannten „taktischen Hools“ hatten wir schon in unserem Beitrag zur Partizipation rechtsextremer Hooligans an den Corona-Demos berichtet, hier wollen wir noch auf Rutters Vorstellung seiner Rolle bei gewaltsamen Auseinandersetzungen hinweisen: Rutters Plan sah für die Corona-Demos – v. a. wenn es zu Gewalt käme – eine Rolle vor, die er als „Führer“ bezeichnete. Dabei dürfte er, wie ein geleaktes Papier zeigte, sich selbst im Sinn gehabt haben: So unterzeichnet er unter dem Titel „Führer“ mit seinem Namen, darunter steht „Obersalzberg“ geschrieben, dahinter ein Bild von den Stollen im sogenannten historischen „Führersperrgebiet Obersalzberg“, wo Hitler seinen „Berghof“ und Martin Bormann den repräsentativen Sitz, genannt „Kehlsteinhaus“, zu Ehren Hitlers  errichten ließ. Wird dann noch in Betracht gezogen, dass Rutter mindestens einmal mit Reichsflagge auf einer Corona-Demo gesehen worden ist, wird klar, dass hier nicht nur eine Zweckgemeinschaft mit CQ und inbesondere Küssel getroffen worden ist.

Doch auch Hannes Brejcha dürfte sich sukzessive eine eigene Verbindung zu Küssel augebaut haben: Der FPÖ-Anhänger (ob Parteimitglied, unklar) und fanatische Antisemit mit massivem Hang zu Verschwörungsnarrativen des Q-Anon-Spektrums konnte des Öfteren mit Küssel beim Gespräch gesehen werden. Besonders deutlich zeigte sich etwa ein Naheverhältnis als Küssel mit seinem Leibwächter direkt neben der Redner*innentribüne stand, wo Brejcha gerade Instruktionen erteilte. Dennoch dürfte er selbst keinerlei karrieristische Ambitionen punkto rechter Bewegungen wie etwa Rutter pflegen – Brejcha dürfte sich in der Rolle des volksnah-kollegial auftretenden Netzwerkers wohlfühlen und mit schwer autoritären Typologien à la Rutter oder Küssel gut umgehen können.

b) Ebenfalls gute Kontakte bestehen zu der szenebekannten ehemaligen Ärztin Konstantina Rösch und ihrem Weggefährten, dem Anwalt und „Anwälte für Aufklärung“-Aktivisten Roman Schiessler. Beide waren zu Beginn bei MFG aktiv gewesen, waren dann aber aus der Partei ausgeschlossen worden. Rösch stellt wie auch Peer Eifler, der nun auf der Flucht vor den österreichischen Behörden in Tansania lebt, einen der wichtigen ideologischen Anhaltspunkte der Corona-Rechten dar: Durch ihr vermeintliches Fachwissen als offiziell zugelassen Mediziner*innen galten sie für viele als Autoritäten der Impfverweigerung aus vorgegaukelt naturwissenschaftlichen Gründen. Wie wichtig sie für die Szene sind/waren, zeigt etwa die für Rösch und Eifler von Brejcha und Rutter veranstaltete Demo vor der Ärzt*innenkammer am 17. September 2020. Anlass war die Kündigung der beiden Ärzt*innen sowie der Entzug ihrer Approbation. Ein entlarvendes Bild gab auch die beinahe überschwängliche Begrüßung Röschs durch Küssel bei der Demo vom 09. November 2021: Dieser begrüßte sie und Schiessler direkt, was auf eine längere vorhandene persönliche Bekanntschaft hindeutet und zeigt, wie weit verzweigt Küssels Netzwerk sein dürfte.

c) Nächster Fall: Der politische Obskurant Manuel Mittas, der sich selbst als freier Journalist beschreibt und v. a. für seinen Kanal „Out of the Box Media TV“ bekannt ist. Mittlerweile ist Mittas allerdings auch beim rechtsextremen Medium AUF1 untergekommen und berichtet für AUF1 live von Demonstrationen. Mittas widmete Küssel bereits am 31. Jänner 2020 ein Interview vor der Wiener Staatsoper, wo der Modus des Interviews auf ein freundschaftliches Verhältnis schließen ließ. Die Verbindung dürfte sich seither intensiviert haben: Immer wieder konnte Küssel mit Mittas bei Demos gesehen werden, doch der Höhepunkt dürfte jenes Video knapp ein Jahr später darstellen, das bei „Out of the Box“ am 30. Dezember 2021 erschien: Dort fantasierte Mittas mit Küssel Arm in Arm über Sprengstoffanschläge und die gewaltsame Absetzung der Regierung und des Parlaments. Statt zu einer Krise in der Beziehung zu führen – die anhänigigen Ermittlungsn des DSN dürften nicht gerade im Sinn Küssels liegen – intensivierte sich die Kooperation stattdessen: Ganze drei Male trat Küssel bei Mittas auf, gemeinsam mit der rechtsextremen Revisionistin Monika Donner – und beim dritten wie vierten Mal auch im Siga Siga in Ternitz. Dort war auch der Eigentümer Ioannis Palaiologaros und dessen Ehefrau anwesend, beide diskutierten aktiv mit Donner, Küssel und Mittas.

d) Doch nicht nur Küssel arbeitet eifrig als Netzwerker: Auch die beiden Altnazis Lucas Tuma und Harald Schmidt versuchen, sich regelmäßig bei anderen Organisationen und Akteur*innen einzubringen. Am 10. September 2020 trat Harald Schmidt bei einer Pressekonferenz von Jennifer Klauninger auf, die dort im Zuge ihrer Anklage wegen Verdachtes auf Verhetzung (Zerreißen der Pride-Flagge mit Manuel Mittas) öffentlich Stellung bezog. Schmidt, der zwar nicht mehr als Anwalt praktizieren darf (wegen der Verurteilung im Fall der Unterstützung von Elfriede Blauensteiner), war jedoch als Rechtsbeistand von Klauninger anwesend. Doch nicht nur zu Klauninger hatte Schmidt Connections aufgebaut: Auch mit Edith Brötzner, die mittlerweile für report24 und AUF1 arbeitet, gab es schon früh einen Schulterschluss durch gemeinsame Pressekonferenzen. Brötzner war im Rahmen der Corona-Rechten v. a. für die öffentliche Vermarktung der Corona-Demos zuständig und organisierte zahlreiche Pressekonferenzen. Die illustren Gesprächsrunden sahen etwa so aus: Inge Rauscher, seit Jahrzehnten bekennende Neonazistin und Gründerin des neonazistischen Initiative „Heimat und Umwelt“, im Gespräch mit Peer Eifler, WAB-Funktionär Christian Zeitz und Rudolf Gehring (Funktionär der rechten, antifeministischen „Christlichen Partei Österreichs“ (CPÖ), u. a. REKOS- und FPÖ-nahe), um das Anti-Impf-Volksbegehren zu promoten. Doch auch mit Herbert Kickl trat Brötzner im Rahmen von FPÖ-TV auf und stellte ihre Inititiave „Österreich ist frei“ (Öif) vor: Diese war von gängigen antisemitischen Verschwörungsnarrativen rund um einen globale „Corona-Diktatur“ getragen und erreichte v. a. durch besonders krasse Aktionsformate öffentliches Aufsehen: So etwa posierte die von Öif gestartete Aktionsform „Corona-Zombies“ – in weiße Gewänder verhüllte Gestalten, die die neue „Gleichschaltung“ aller Büger*innen durch die Corona-Diktatur abbilden sollte – in Braunau vor Adolf Hitlers Geburtshaus, den rechten Arm merkwürdig in die Luft gestreckt. Brötzner wurde daraufhin wegen Verdachts auf Wiederbetätigung nach §3g VbtG angezeigt.

e) Neben Schmidt fiel v. a. auch Lucas Tuma durch sehr öffentliches Auftreten und ständiges Bemühen um Kontakte in die Corona-Rechte auf. V. a. zu Jennifer Klauninger dürfte Tuma  engere Verbindungen aufgebaut haben: So etwa spazierte Tuma als Kleingruppe mit Klauninger und Christina „Kiki“ Kohl, THC-Kandidatin, durch die Wiener Innenstadt, Parolen brüllend und nahm an einer der ersten Demos der Corona-Rechten mit Klauninger am Donaukanal teil. Darüber hinaus hielt Tuma am 31. August 2020 eine Rede bei einer – damals noch von der Großgruppe „Querdenken 1 Wien AT“ veranstalteten – Corona-Demo und wurde ganz offen von Rutter angekündigt.

Junge Neonazis an der Seite der alten – CQ als Anziehungspunkt

Nicht regelmäßig, aber dennoch immer wieder, fanden sich an der Seite von CQ – v. a. bei den von ihnen öffentlich angegebenen Sammelpunkten für die größeren Corona-Demos in Wien – junge Neonazis aus unterschiedlichen Spektren ein, die im Kielwasser von CQ an den Aufmärschen der Corona-Rechten teilnahmen. Exemplarisch wollen wir hier auf drei öffentliche Auftritte von CQ eingehen – zwei Demos, die relativ am Beginn der CQ-Organisierung stehen und eine, die bereits eine mehr entwickelte Struktur seitens CQ aufweist.

Am 06. Juni 2020 marschierten neben Harald Schmidt der mittlerweile bei der AfD aktive Florian Köhl und der IB-Faschist Andrei Pavan am Transparent von CQ sowie Dominik Wendel und Bernhard Burian. Der dem Tanzbrigade- und Eisern-Wien-Spektrum zugehörige Neonazi Bernhard Burian haben wir schon des Öfteren beleuchtet, weshalb wir seine vielfältige neonazistischen Aktivitäten hier nicht nochmals aufschlüsseln (siehe vergangene Artikel zur IBÖ, rechtsextremen Hooligans und zur SGN). Wichtig ist hier v. a. zu bemerken: Burian trug mindestens ein weiteres Mal das Transparent von CQ, konnte beim Flyer-Verteilen für CQ gesehen werden und dürfte direkten Kontakt zu Gottfried Küssel pflegen, wie Aufnahmen bei der Demo vom 29. August 2020 – einer Querdenken-Kundgebung im Wiener Resselpark – nahelegen. Das ist insofern von großer Bedeutung als Burian als Scharnier zum jungen, „erlebnisorientierten“ Milieu betrachtet werden muss, aber eben auch zur IBÖ und dem akademischen Burschenschaftsmilieu. Als in diesem Sinne zentral dürfte Burians Aktivität für die neonazistische „Tanzbrigade“ gelten: Dort bringt er aktiv unterschiedlichstes Klientel zusammen, von Sparta Praha-Hooligans bis zu bourgeoisen IB-Faschisten. Dass nun auch mehr oder weniger direkte Verbindungen zu Küssel und CQ bestehen, beweist bloß einmal mehr, wie gut vernetzt die Wiener-Neonaziszene mittlerweile abseits tradierter Richtungsstreitigkeiten agiert.

Dominik Wendel kann folgerichtig dem gewaltaffinen Hooliganmilieu der Wiener Klubs zugerechnet werden, bzw. deren Überschneidungsmenge mit den ostösterreichischen IB-Sektionen – auf zahlreichen Demos der Corona-Rechten konnte Wendel in szenetypischer Kleidung, schwer vermummt im gewaltsuchenden Milieu beobachtet werden, u. a. im Tanzbrigade-Spektrum sowie im Umfeld des neonazistischen Rapid-Hooligans Michael Petrzela (aus dem Milieu der „Alten Garde“ stammend).

Dass die IB mittlerweile keinerlei öffentliche Berührungsängste mit bekannten Neonazis hat, zeigte auch eine Kundgebung am 01. Mai 2020 am Ballhausplatz: Dort konnte erneut Florian Köhl und der IB-Aktivist Jan Staudigl, der auch für die FPÖ-Landstraße kandidiert, im Gespräch mit dem alpen-donau.info-Neonazi Wolfgang Lechner gesehen werden. Lechner hielt sich fast die ganze Kundgebung über bei der IB auf, anwesend waren auch Martin Sellner (den Lechner noch aus den Jahren rund um 2010 kennen dürfte, siehe Fußnote 1), die IB-Faschisten Nikolaus Schmidt, Sebastian (Nachname unbekannt), Bernt-Pascal Stöger sowie Jakob Gunacker. Des Weiteren finden sich im Umfeld der IB zwei weitere Neonazis, die auch schon mit Thor Steinar-Schlauchschaal auf einer CQ-Kundgebung in Eisenstadt aufgetaucht sind. Davor waren beide zumeist in den Reihen der IB zu finden (auf mehreren Corona-Demos), auf der Kundgebung der FJ Burgenland in Deutschkreutz hielten sie sich dann sowohl bei der CQ-Fraktion wie auch bei eingefleischten IB-Kadern auf.

Am 31. Jänner 2021 gab CQ einen Vorab-Treffpunkt für eine geschlossene Anreise zur Demo vor der Wiener Staatsoper aus. Dort tauchten neben dem Kern von CQ auch zwei weitere – ursprünglich aus anderen Milieus bekannte – Gesichter auf: der aB! Olympia-Burschenschafter Daniel Konrad und der Neonazi Viktor Erdesz. Erdesz ist im Wiener Milieu spektrenübergreifend anzutreffen: Neben dem Burschenschafts-/IB-Milieu, wo Erdesz als aB! Olympia-Korporierter ein- und ausgeht und etwa mit dem IB-Faschisten Gernot Schmidt (auch Schmidt aB! Olympia korporiert) auch auf Urlaub nach Dalmatien fährt, ist Erdesz genauso bekannt mit dem Tanzbrigade-Spektrum (v. a. dem jüngeren Nachwuchsklientel um den Wiener Neonazi Bernhard Burian). Auf Wiener Corona-Demos konnte Erdesz darüber hinaus sowohl im Umfeld rechtsextremer Austria-Hooligans (etwa Marcel Stindl) sowie mit Thomas Cibulka gesehen werden. Kürzlich auch hat Erdesz für den einschlägigen Verlag „KL Militaria“, der in Themar ansässig ist, die Memoiren des SS-Panzergrenadiers Adolf Peichl herausgegeben. KL Militaria führt große Mengen solcher Neuherausgaben, allesamt thematisieren sie glorifizierend die Wehrmacht oder inszenieren sie als Kriegsopfer, v. a. aber die SS (Fokus auf Totenkopf-SS und allgemeiner Waffen-SS) – darüber hinaus bezeichnet sich KL Militaria legalistisch als „Antiquariat“, weshalb sie ohne weitere Probleme alte, unkommentierte Ausgaben von „Mein Kampf“ verkaufen können, diverse andere Hetzschriften des NS-Regimes sowie diverse NS-Orden und andere Devotionalien. 2020 trat Erdesz auch als Spitzenkandidat des „Team HC Strache“ für den 06. Wiener Gemeindebezirk, Mariahilf, an.

Daniel Konrad entstammt ebenso dem Burschenschaftsmilieu: Er dürfte auch bei der aB! Olympia korporiert sein und bewegt sich ebenso im Umfeld der IB, auch hier liegen Verbindungen zum IB-Faschisten Gernot Schmidt (und dessen Bruder, auch IB-Aktivist, Gerfried) vor. Beim Treffpunkt von CQ tauchte Konrad mit einem Pullover der französischen neonazistischen Vereinigung „Bastion Social“, dem offiziellen Nachfolger der „Groupe Union Défense“ (GUD) auf. Die GUD war eine neonazistische Studierendenorganisation, deren Logo ein schwarz-weißes Keltenkreuz darstellte – 2017 dann gründeten GUD-Mitglieder, nachdem sie ein Haus in Lyon besetzt hatten (18 rue Port-du-Temps, Lyon, wurde nach zwei Wochen geräumt), das Nachfolge-Projekt „Bastion Social“, das jedoch per Verbot 2019 bereits aufgelöst wurde, da gegen zahlreiche Mitglieder Verfahren wegen rassistischer Gewalttaten geführt worden waren. Zentrale Themen waren u. a. Remigration und die Verteidigung Europas gegen „Masseneinwanderung“ sowie die Priorisierung Weißer Europäer*innen in jeder Hinsicht. Ähnlich wie etwa „Casa Pound“ in Italien okkupierte man tradiert linke Praxisformen, wie u. a.  Hausbesetzungen und Verrichtung sozialer Arbeit (bei  Casa Pound und Bastion Social gewendet rein zugunsten Weiß wahrgenommener Menschen, als „Nicht-Weiß“ wahrgenommene Subjekte wurde mit massivster Gewalt begegnet), um ein rechtsextremes Äquivalent zur solidarischen Nachbar*innenschafts- und Kommunalarbeit zu etablieren.

Nach der umfassenden Analyse der Beziehungen und Bemühungen um Connections zu diversen rechten Splittergruppen und Einzelakteur*innen, muss sich ein*e Szenebeobachter*in die Frage stellen, warum Küssel und weitere Kader von CQ sich diese Mühe machen – und dann konsequenterweise klären, welche ideologischen und politischen Überlegungen dahinter stehen. Interessant ist die scheinbare Ablösung des Frontkonzeptes, das die konsequente Mitarbeit in nationalistischen, aber rechtsstaatlichen Parteien als essentiell vorsieht (siehe alpen-donau.info): Vom klassischen Hitlerismus scheint Küssel nach dem alpen-donau-Projekt abgekommen zu sein, denn schon der Name von CQ gibt einen neuen Turn vor: die Querfront verweist auf eine gänzlich andere Konzeption politischen Kampfes.

Was genau das bedeutet und wie CQ und v. a. Küssel ideologisch genauer einzuordnen sind, scheint uns von großer Wichtigkeit, um antifaschistische Gegen-Praxis zu entwickeln und zu reflektieren. Diesem Sachverhalt wollen wir uns im letzten Teil dieses Artikel widmen – dieser wird etwas theoretischer angelegt sein, da wir uns dem Begriff der „Querfront“ historisch annähern wollen.

Die ideologische Ausrichtung von CQ und die Frage nach Strategie und Taktik des NS-Milieus

Das Konzept der Querfront entstammt polithistorisch der Zeit der Weimarer Republik. Bereits ab Anfang der 1920er-Jahre beschäftigten sich gewisse Flügel und Gruppen der sogenannten „Konservativen Revolution“ mit einem möglichen Politkonzept, das – in den Worten des rechten Reichskanzlers und Hindenburg-Intimus Kurt von Schleichers – politische Lager diagonal vereinen sollte: Dabei aber ist kein Schluss von rechts bis links gemeint, sondern ein Schulterschluss der extremen Rechten mit rechten, bürgerlichen und linksliberalen (angedacht waren v. a. sozialdemokratische Gewerkschaftsverbände) Politgruppierungen zu verstehen, um zum Einen der radikalen Linken Öffentlichkeit und Anhänger*innenschaft zu entziehen, aber auch rechtsextreme Positionen weiter salon- und anschlussfähig zu machen. Dabei sollen „die Mitte“, liberale Kräfte und auch Gewerkschaften zum Legitimationsfaktor rechtsextremer Positionen werden, rechts-revolutionäre Teile der Konservativen Revolution versuchten darüber hinaus, klassisch linke Gesellschaftkonzepte (v. a. Spielarten des Sozialismus) aus typisch linken Politgefügen ideologisch herauszulösen.

Während Schleichers faktischer Versuch einer Umsetzung allein dazu dienen sollte, gemeinsam mit dem nationalrevolutionären NS-Flügel um Gregor und Otto Strasser, SA, deutschnationalen Fraktionen bishin zu sozialdemokratischen Gewerkschaften die politische Achse Hitler-Franz von Papen zu unterminieren, um dem NSDAP-Kader Strasser den Griff zur Macht zu ermöglichen, liegt der Ursprung genuiner neonazistischer Querfront-Ideologien (nationalrevolutionärer Flügel der NSDAP) in dem strategischen Versuch, den internationalistischen Sozialismus in einen national gedachten Sozialismus mit Fokus auf Volk und Volkskampf umzumodeln. Entgegen der Befreiung aller Menschen setzten die Ideolog*innen der Konservativen Revolution darauf, den Sozialismus vom Marxismus und Kommunismus abzulösen, um einen „deutschen Sozialismus“ aufzubauen.

Dabei kam es v. a. auf zwei Dinge an, die notwendig waren, um einen „deutschen Sozialismus“ erstens theoretisch und zweitens auch praktisch umsetzbar zu machen: erstens, die Ersetzung des internationalistischen Klassenbegriffs durch einen Volksbegriff und daran logisch anknüpfend zweitens, der Kampf des unterjochten Volkes gegen internationales Großkapital (national vs. international). Internationalismus wurde als Doktrin des weltumspannenden Finanzkapitals gebrandmarkt, das von Jüd*innen gelenkt würde, um die Völker der Erde zu knechten und leicht ausbeutbar zu machen. Zentral in der Erzählung war die sogenannte „Dolchstoßlegende“, die den Verlust des Ersten Weltkrieges und die massiven Reparationszahlungen als ersten Akt jüdischer Unterminierung des deutschen Volkes betrachtete, gegen den es mit allen Mitteln anzukämpfen gelte. Diesen Kampf müssten die Völker, deren lebendiger Ausdruck ein starker Nationalstaat sei, um jeden Preis mit vollem Bewusstsein und hohem Einsatz führen: Da die jüdische Verschwörung als global angelegt markiert war und deren Mission die totale Knechtschaft Deutschlands und der Welt darstellte, formulierte der sogenannte „nationalrevolutionäre“ Flügel der NSDAP, die Notwendigkeit, durch eine gewaltsame Revolution zum deutschen Sozialismus zu gelangen, der sich schließlich weltweit ausbreiten sollte.

Wichtige Figuren waren hierbei die Brüder Otto und Gregor Strasser sowie der SA-Gründer und Anführer Ernst Röhm. Gerade ex-Weltkriegssoldaten wie Röhm waren besonders affin für gewaltorientierte Umsturzfantasien, da sie an Kriegsgewalt gewöhnt waren und zumeist über umfangreichen Zugang zu Waffen verfügten. Zusätzlich hatten zahlreiche ehemalige Weltkriegssoldaten keinerlei oder kaum Perspektiven für ein weiteres Auskommen – was sie noch leichter empfänglich für einen raschen, gewaltvollen Systemwechsel machte und sie leicht in paramilitärische Verbände eingliedern ließ.

Die Vertreter*innen nationalrevutionärer Theorie  verstanden das „deutsche Volk“ dabei als von eben jenen getragen, die sie als Hauptverlierer*innen der Republik betrachteten: Die deutsche städtische Arbeiter*innenschaft und die – oben schon erwähnten – ex-Soldaten wurde so als revolutionäre Avantgarde des deutschen Volkes proklamiert, dessen geschichtliche Mission darin läge, Deutschland gegen die jüdischen Finanzeliten zu verteidigen und diese letzten Endes zu vernichten, um die Welt bereit zu machen für die Herrschaft des deutschen Volkes. Die in den Augen der Nationalrevolutionären moralisch verkommenen Eliten und die abgehobene, als verweichlicht dargestellte und ebenso jüdisch affizierte Bourgeoisie sollte durch die rohe, männliche Kraft des arbeitenden, schaffenden deutschen Volkes überwunden werden. Ziel war in Anlehnung an die stalinistische Sowjetunion (ein wichtiges Vorbild für Strasser und nationalbolschewistische Ideolog*innen) die permanente Konservierung der Diktatur des deutschen Proletariats (gedacht als autoritärer Terror-Staat ohne Parteien), der den Nationalsozialismus nach Durchführung der Revolution absichern sollte, um das deutsche Volk aus der wahrgenommenen „Verstümmelung“ durch die Versailler Verträge zu erneuerter politischer Kraft zu führen.

Doch dem Staat kommt in nationarevolutionärer Theoriebildung deutlich mehr Selbstzweck zu, als in der leninistischen Konzeption der Diktatur des Proletariats, die in dessen Schaffen aus der Notwendigkeit der gewaltvollen Übernahme der Staatsapparate und der Staatsmacht durch die revolutionäre Klasse geboren wurde und der Sicherung der Macht gegen sogenannte konterrevolutionäre Elemente und imperialistische Militärmissionen galt. Denn – wie der Begriff schon nahelegt – der deutsche Sozialismus baut fundamental auf ethnischer „Artgleichheit“ als absoluter Grundlage. Ein Begriff, den v. a. Carl Schmitt in seiner Rechtsphilosophie theoretisch fundiert hat, um diesen gegen – republikanisch verstandene – „Gleichartigkeit“ abzusetzen und der sich nun auch durchgängig in zeitgenössischen NS-Ideologemen wiederfindet. Der Staat müsse direkter Ausdruck des deutschen Volkes sein, der Souverän muss gerade das „Deutsch-Sein“ selbst widerspiegeln.

Querfront, hitleristischer Staat und die Strasser-Ideologie

Historisch gesehen kamen Querfront-Konzeptionen tatsächlich nur für den nationalrevolutionären Flügel der NSDAP infrage: Hitler selbst wollte mit solchen Taktiken wenig bis nichts zu tun haben, für ihn kam allein uneingeschränkte, gebündelte Macht infrage – der Souverän sollte Hitler und nur er selbst sein (durchaus ein Teilprodukt der Suche nach einem „Messias für das deutsche Volk“ durch Dietrich Eckart)7. Hitlers Lösung des oben gestellten Problems lag in einer strikt völkischen Ausrichtung des zu schaffenden Staates, der allein Ausdruck einer germanischen Rasse sei, deren Ursprung – hier kommen die späteren elitären Mythologien von Heinrich Himmler und der SS-Ordensideologie ins Spiel – in der Ethnie der „Arier“, einem mythischen Übermensch-Konzept, läge. Diese hätten in harmonischem Einklang mit der Natur gelebt, die ihre Stärke aus der Verbindung der „Arier“ mit „arischem Boden“ bezogen hätten (Lebensraum-Theorie, siehe nächster Absatz; die Thule-Gesellschaft etwa glaubte in bewusster Verdrehung einer obskuren Stelle im Werk Platons, die Arier lebten auf der bisher unentdeckten Insel „Atlantis“)8. Letzten Endes dann könne, wenn der deutsche Volkskörper bereinigt würde und wieder „arisch“ sei, das deutsche Reich zum Weltreich und Endpunkt aller Geschichte werden, heißt: der Lebensraum der Arier als Herrschaft über die Welt (vgl. etwa das von Hans Baumann komponierte berüchtigte NS-Lied „Es zittern die morschen Knochen“, wo die berüchtigte Stelle zu finde ist: „heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“). So legitimierte Hitler seinen  Terror-Staat durch einen mythisch überhöhten Volksbegriff und sein glühender Antisemitismus wurde problemlos zur Schmittschen Notwendigkeit, als Souverän einen absoluten Feind (innerlich wie äußerlich) zu bestimmen, was bekanntlich in den menschenverachtenden antisemitisch-rassistischen Tiraden in „Mein Kampf“ kumulierten Ausdruck fand. Die „Agenda“ des „Weltjudentums“ sei einzig und allein, den deutschen Volkskörper und -willen zu sabotieren und letzten Endes zu zerstören. Der durch alle Klassen wüst grassierende Antisemitismus in der Weimarer Republik kam diesen Ansinnen bestens zugute und ist ja gerade strukturelle Grundlage für die Möglichkeit der NS-Herrschaft überhaupt sowie strukturelle Bedingung für derartig ausschlagenden Antisemitismus.

Strasser kam schon früh in ideologischen Konflikt mit Hitler: Bis zum Scheitern des Putsches 1923 waren fast alle von einem revolutionären Umsturz der Regierung überzeugt, da man sich in der „Hauptkampflinie“ an Benito Mussolinis „Marsch auf Rom“ orientierte – doch in der Haft in Landsberg am Lech lernte Hitler den Geographen Karl Haushofer via Rudolf Heß kennen. Dieser war schon früh ein Theoretiker des geopolitischen „Lebensraum“-Konzepts, das annahm, dass eine soziale Gruppe eine fundamentale stoffliche Basis in jenem Lebensraum (Biotop) besitze, in der sie sich über lange Perioden aufhält und ohne die eine Gruppe nicht sein könne, was sie ist (= Blut und Boden-Ideologie). Bekanntermaßen wurde dieses krude Konstrukt Hauptideologem des Hitler-Faschismus und war Grundlage des „Generalplan Ost“ sowie auch des fanatisch antisemitisch-rassistischen Hasswerkes des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Dem folgte postwendend auch eine Neubestimmung der Funktion der Partei, die in einer neuen Gründung der NSDAP gipfelte: Nicht mehr solle sie revolutionär sein, indem sie Ausdruck der sprengenden Kraft der deutschen Arbeiter*innenschaft sei, sondern solle auf demokratischem Wege die Demokratie selbst überwinden und somit das totalitaristische Potenzial der Weimarer Gesellschaft schlechthin offenlegen. Das widersprach grundsätzlich dem, was Röhm und Strasser (sowie anfangs der junge überzeugte nationalrevolutionäre NSDAP-Redner Joseph Goebbels, der für Strasser arbeitete und ein ausgesprochenes Faible für die prügelden SA hegte) sich erwarteten und als essentielles Programm der NSDAP ansahen. Zwischen Hitler und Röhm kam es zu einem Bruch: Noch immer favorisierten die Nationalrevolutionären den Kampf auf der Straße gegen die Republik und das als bourgeoise und jüdisch imaginierte Großkapital zum Einen, gegen Kommunist*innen auf der anderen Seite. Die Neusetzung des Souveräns auf Basis der Vertreibung des internationalen jüdischen Großkapitals müsse dann – nach wiederum revolutionärer Vorstellung – aus dem Zerstörten das positiv Neue schaffen (hier natürlich auch der Gegensatz schaffendes – raffendes Kapital als Analogon zu national – international, der ebenso für Hitler konstitutiv war, der nur auf anderem Wege zum gleichen Schluss gelangt).

Springen wir an dieser Stelle – das oben angeschnittene Feld ist reichlich komplex und es gäbe noch Unmengen an Differenzierungen zu betrachten, doch glauben wir, dass an dieser Stelle die ideologische Differenz genügend herausgearbeitet worden ist, um im Text weiterzugehen – nun in die Zeit nach 1945, so spielt auch dort die Spaltung in hitleristische und nationalrevolutionäre Lager eine gewichtige bis zentrale Rolle. Wenn etwa der ANS/NA und spätere FAP-Kader Ewald „Bela“ Althans in Michael Schmidts Dokumentation aussagt, er habe sich von Michael Kühnen distanziert, weil:

Althans: He [Kühnen, Anm. d. Verf.] tried to make a so called special line in the fight, a revolutionary line, Ernst Röhm, Strasser and so on, which was not my line.

Interviewer: What was your line?

Althans: My line was that I was very hitleristic and I said that everything Hitler did was correct. And he said Hitler made mistakes“,9

dann wird deutlich, wie grundlegend die theoretische und ideologische Diskussion dieser Positionen noch in den 80er-Jahren in Top-Neonazi-Kreisen war (und in Althans Falle, der selbst homosexuell war, spielte Kühnens Sexualität keine Rolle). Dass v. a. die Ideologie-Frage in der FAP eine große Rolle spielte, zeigte dann auch die Spaltung ehemaliger ANS/NA-Kameraden: Während Kühnen, der nach seiner Haft die Strasser-Doktrin full-on als Hauptkampflinie der FAP durchzusetzen trachtete (mit Christian Worch und Thomas Brehl), wollten sowohl Althans als auch Jürgen Mosler dies nicht mittragen. In Moslers Fall dürfte das Coming-Out Kühnens eine größere Rolle gespielt haben, hängt aber insofern mit der Strasser-Doktrin zusammen, als Kühnen sich nach der Haft sehr stark auf Röhms SA und die Idee des reinen Männerbundes bezog. So verkündetet er u. a., dass gerade die sexuelle Bindung unter Männern als Ideal aller Sexulität zu sehen sei, da sich dort abseits der Sexualität zwischen Mann und Frau (rein funktionelle Reproduktion des arischen Menschen) schaffender Geist gegenseitig stärke – für typologischen Hitlerismus natürlich eine krasse Abweichung.

Ein anderes Beispiel ist eine an sich hinlänglich bekannte Begebenheit, die jedoch selten in ihrer Tragweite erfasst wird: Als der (mittlerweile verstorbene) Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt im Dortmunder Stadtrat gegenüber Spiegel TV 10 sarkastisch aussagte, er sei über seinen Beinamen „SS-Siggi“ unglücklich, weil er lieber „SA-Siggi“ heißen würde, dann ist das nicht nur krass, sondern klares Zeugnis einer nationalrevolutionären Ausrichtung. Entlarvend auch Borchardts Aussage an späterer Stelle selbiger Reportage: Auf die Frage, wie lang er denn weiter so aktiv in den Straßen der Dortmunder Nordstadt sein wolle, antwortet Borchardt: „Ja bis ich … ja … bis zur Revolution, was soll man machen. Ich hab nix Andres gelernt, als Revolution-Machen [lacht].“ Ähnliches dürfte auch für Gottfried Küssel sowie diverse andere langjährige österreichische Altkader gelten: Ein Ausschnitt aus einer Rede in Berlin vor GdNF-Kameraden verdeutlicht Küssels Rhetorik und Einstellung.

Ja wenn sie nicht unsere Freunde sein wollen, dann sind sie eben unsere Feinde, ist mir auch egal. Dann müssen sie aber mit unserer geballten Kraft rechnen, dann müssen sie damit rechnen, dass es mal Haue gibt, und dann brauchen sie nicht draussen auf der Straße schreien „Tod dem Faschismus!“ und sich aufregen, wann wir daherkommen und ihnen aufs Maul hauen! [Beifall] Wann dieses deutsche Volk endlich mal kocht, dieses Ding ist noch zu lau, heiß werden muss es, kochen muss es, es muss vor Liebe glühen, gemeinsam sind wir unausstehlich. Wir sind unausstehlich […].11

Küssel, der seine Wehrsportübungen unter Anleitung des VAPO-Kaders und ehemaligen Bundesheerlers Hans-Jörg Schimanek jun. auch in den braunen Hemden der SA durchführen ließ, war schon seit seinen Aktivitäten bei der ANR dafür bekannt, einen Hang zum nationalsozialistisch-nationalrevolutionären Proletenkult zu pflegen. Darüber hinaus spricht die Gründung der GdNF als „neue SA“ klare Worte: Auch die VAPO war Teil der GdNF, Bereich „Ostmark“. Natürlich bekennt man sich wie auch Röhm und Strasser vollumfänglich zu Hitler, aber ideologisch folgte die GdNF Kühnens Strasserismus.

Auch Küssels gekonnte Selbstinszenierung verdeutlicht seine politisch Herangehensweise: Der leichte österreichische Akzent, der sich klar abhebt von der deutlichen, rhetorisch einwandfreien Sprache eines Ewald Althans oder Christian Worch sowie das stete Rekurrieren auf politische Gewalt gegenüber Linken dürfte dabei einen Teil der Anziehungskraft Küssels im organisierten Neonazi-Netzwerk ausgemacht haben. Auch der ehemalige Neonazi und Aussteiger aus VAPO-Kreisen Stefan S. hat ähnliches in einem Interview, das im AIB erschienen ist, kundgetan:

Der [Gottfried Küssel, Anm. d. Verf.] hat sich hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, daß er sich nachher [nach Wehrsport-Übungen der ANR in einem Steinbruch südlich von Wien, Anm. d. Verf.] bis zur Bewußtlosigkeit zugeschweißt hat. Deswegen haben sich viele „Kameraden“ von ihm distanziert. Der war nicht vertrauenswürdig. Die anderen waren fast alle Jus-Studenten aus guten Familien. Der Küssel, der galt als Vertreter des Proletariats. Alle anderen waren „rich kids“. Der Küssel, der hat derbere Späße draufgehabt. Der hat z.B. im Vollrausch auf der Höhenstraße Autos zusammengehaut.

Wichtig anzumerken ist, dass dies noch für die Zeiten galt, als ANR-Kader (Herman Plessl, Egon Baumgartner, Günther Bernard, Franz Koci, Bruno Haas, Michael Witt, Martin Neidhart) neben der „Volkssozialistischen Partei“ (VSP, von der ANR als „Apfelgruppe“ klandestin bezeichnet wegen ihres Parteilokals in der Wiener Apfelgasse) die Wiener Szene organisierten – Stefan S. attestiert Küssel schon mit der Gründung der VAPO nach dem Modell der „Freien Kräfte“ bzw. „Freien Kameradschaften“, seine Strategie verfeinert und die unkontrollierten Gewaltausbrüche beendet zu haben. Und betrachtet man die Organisierungen, die aus dem Umfeld von Küssel respektive durch Küssel selbst entstanden sind, so muss man klar sehen, dass Küssel sich nach jedem Repressionsschlag neu orientiert wie auch seine Strategie wohl immer nachhaltiger, vorsichtiger und langfristiger ausgelegt hat und ein rasches Gespür für Adjustierungen an gesellschaftlich-diskursive Themenschwerpunkte entwickelt hat.

Eine solche Adjustierung dürfte auch CQ darstellen: Denn kaum waren die ersten Kungebungen der Corona-Rechten abgehalten, trat auch Küssel auf den Plan. Mit einer erstaunlich diversen und umfassenden Gruppe an neonazistischen Aktivist*innen trat er nach Jahren der Haft und des Unsichtbar-Seins direkt wieder ins Rampenlicht und schon Ende August konnte Küssel auf der Redner*innenbühne von Querdenken gesehen werden. Der Aufbau zahlreicher Bekanntschaften und Bündnisse deutet auf eine klare politische Linie hin: Vereinigung rechter, nationalistischer, esoterisch-apolitischer und scheinliberaler Kräfte der Mitte, um unter gemeinsamen Bannern vorab „nur“ gegen die Regierung auf die Straße zu gehen. Die Inszenierung als Befreiungsbewegung und revoltierendes Volk gegen die Obrigkeit kann hierbei als nationalrevolutionäre Ideologie eingeordnet werden: Denn auch im Querdenken-Milieu zweifelte man bald an der friedlichen Strategie – viele sinnierten schon da einen militant herbeigeführten Systemwechsel herbei.

Fassen wir dies nochmals unter den ideologischen Dimensionen der Corona-Rechten zusammen, ist das Bild ebenso präsentativ: eine nationalrevolutionäre Querfront, die nach außen hin zahlreiche soziale Gefüge der Gesellschaft im Kampf gegen eine Weltverschwörung und einen international gelenkten, korrupten Staat eint, der durch eine Regierungsclique beherrscht würde, die wiederum nur auf Anweisung globaler Finanzelite agieren und handeln würde, die nun versuchen würde durch die Zwangsimpfung einen leicht kontrollierbaren „Globohomo“ zu erzeugen (die Analogie zur Strasser-Ideologie ist bestechend). Logisch konsequent erschien dann im Fortlauf der Proteste eine neue Website im Umfeld neonazistischer Telegram-Kanäle (mittelfristig gelöscht, nun aber wieder online): „Sozialismus Jetzt!“. Dazugehörige Sticker und mindestens zwei öffentliche Aktionen wurden unter dem Label betrieben. Der Eingangstext eines Videos stellt wiederum klare nationalrevolutionär-antisemitische Ideologie dar, die den klassischen NS-Topos der Jüd*innen als „heimatloses Trabantenvolk“ bemüht, das nur durch die Ausbeutung ethnisch-homogener Völker überleben könne:

In Wien hat es sich eine kleine Clique wurzelloser Spekulanten zur Aufgabe gemacht Mietshäuser anzukaufen, die Bewohner systematisch hinaus zu ekeln und anschließend die so frei gewordenen Grundstücke finanziell auszubeuten!

Darauf folgte die Forderung: „Enteignet die Bonzen!“, danach eine Transparent-Aktion mit bengalischen Flammen, auf dem Transparent zu lesen: „Sozialismus Jetzt!“ Die Website samt Aktion wurde allerdings nicht auf den Kanälen von CQ selbst lanciert: Denn CQ steht als politische Kraft in direkter Verbindung zu weiteren neonazistischen Kanälen und Websites, zwischen denen hintergründig starke Wechselwirkung angenommen werden muss. Denn – wie uns zugespielte Bilder zeigen – handelt es sich bei den Aktivist*innen von „Sozialismus Jetzt“  um die gleichen, die auch konstant bei den Demonstrationen von CQ in Eisenstadt in direktem Kontakt mit den Küssels stehen.

Wie die Aktionen der „Sozialismus Jetzt“ Gruppe zeigen, spielt die Gegend rund um Küssels Wohnung eine Rolle für die Durchführung von Aktionen. Auch kann in Bezug auf neonazistisches Treiben rund um das Objekt in der Unteren Donaustraße angemerkt werden, dass die Gegend zwischen Praterstraße und Unterer Donaustraße im Areal Nestroyplatz bis Praterstern meist zugepflastert ist mit neonazistischen Stickern der „Tanzbrigade“, „Eisern Wien“, „Identitären“ und von „Unwiderstehlich“ (dazu unten mehr). Dies wiederum deckt sich auch mit uns zugespielten Erkenntnissen einer antifaschistischen Gruppe: Der Gruppe ist es gelungen, Neonazis aus dem militanten Umfeld von Gottfried und Karin Küssel aus der Unkenntlichkeit in die Öffentlichkeit zu zwingen und aufzuzeigen, dass das Gewaltpotenzial der Gruppe über die Jahre keineswegs geringer geworden ist. Auf eine antifaschistische Initiative hin, die Anrainer*innen im Czernin-Grätzl ermuntern sollte, Neonazi-Aktivitäten in der Leopoldstadt zu dokumentieren, erfolgte eine gefälschte Antwort unter der Identität einer vermeintlichen Hausbewohnerin.

Die Antifaschist*innen ließen sich auf die Mail ein, in dem Bewusstsein dass es sich um eine Falle handeln könnte – der Falle allerdings wurde ebenso großer Erkenntniswert attestiert. Ein Treffen am Donaukanal zur vermeintlichen Infoübergabe wurde arrangiert, der Platz lag unmittelbar unterhalb von Küssels Haustür in der Unteren Donaustraße 39. Statt der vorgegebenen Hausbewohnerin kamen jedoch rund 25 schwer vermummte Neonazis in drei koordinierten Gruppen samt Späher*innen zum vereinbarten Treffpunkt (insgesamt etwa 30 Neonazis), zum Teil auch direkt aus dem Stiegenhaus der Küsselschen Wohnung.

Den Antifaschist*innen gelang es, das Auftauchen der Rechtsextremen zu dokumentieren, selbst aber komplett unerkannt zu bleiben. Folgendes Video wurde uns von der Gruppe übermittelt und zeigt das Auftreten der ersten eintreffenden Gruppe am ausgemachten Ort.

Beziehen wir dies auf die eingangs gestellte Frage, was nun eine „Querfront“ als politisches Modell tatsächlich erreichen will und was eben nicht. Wichtig ist hier die genaue Analyse der politischen Situation und das Erkennen der pluralen, aber konzertierten Mehrgleisigkeit neonazistischer Polit-Strategie im Angesicht des Erscheinens der Corona-Rechten: Oft ist zu lesen, Neoanzis nationalrevolutionärer Prägung würden nach einem Bündnis mit der radikalen Linken streben. Bezogen wird sich dabei meist implizit (ohne irgendeinen Nennung) auf eine kurze Periode in der politischen Konzeption der „Nationalen Front“ (NF), die etwa mit Slogans wie „Die Grenze verläuft nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen oben und unten!“ für Aufsehen sorgte. Doch auch diese Phase wurde bald zugunsten einer Waffen-SS-Ideologie (Stichwort Europa-Konzeption) ab etwa Mitte 1988 für beendet erklärt. Ähnliches versuchte kurzfristig auch die „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA), doch hier zeigt sich, was auch für CQ und „Sozialismus Jetzt“ veranschlagt werden muss: Das nicht öffentlich Motto der SrA lautete „Die linke Unruhe mit linken Mitteln nach rechts umfunktionieren“, was klar abbildet, worin die SrA die Nutzbarkeit linker Politik sah – das folgende Zitat verdeutlicht das nochmals auf besonders anschauliche Art und Weises:

Daß Grams [gemeint ist der RAF-Militante der 3. Generation Wolfgang Grams, Anm. d. Verf.] auf der falschen Seite stand, würden wir eher als Zufall bezeichnen […] Weiter müssen wir feststellen, daß wir uns genetisch und biologisch in keinster Weise von Linken unterscheiden – wohl aber  können wir Unterschiede zwischen uns und den HERREN DIESES Systems ausmachen. Das bedeutet für uns zweifelsfrei: Der Feind ist nicht im eigenen Volk zu suchen […] Wir sind bereit, mit dem ‚Teufel‘ [gemeint sind Linke, Anm. d. Verf.] ein Bündnis einzugehen, wenn es der nationalen Bündnisbewegung unseres Volkes nützt.

Schon im Konzept der SrA wird klar, dass man nicht versucht, eine gewissermaßen polit-neutrale Querfront aufzubauen, sondern gezielt politische Dimensionen der radikalen Linken zu okkupieren, zu übernehmen und für eigene Zwecke umzumodeln. Zwar war es für manche SrA-Kader wohl theoretisch denkbar gewesen, tatsächlich mit Linken politsch zu arbeiten, aber zweifelsohne bleibt der massive Antikommunismus (verstanden als anti-linke Ideologie generell) ein zentraler Stein in der Grundlegung neonazistischer Politprogramme. Umgelegt auf CQ bedeutet das: Man will unter keinen Umständen mit linken Gruppierungen kooperieren – was man will ist: sozialistische Positionen für sich nutzbar und der Linken abspenstig machen, um politische Hegemonie zu erlangen. Zwar ist dies nicht explizit durch inhaltliche Arbeit auf den unmittelbaren Propagandakanälen vermittelt, jedoch durch die Verbindungen zu anderen Kanälen, die im kommenden Abschnitt noch dargelegt werden.

Interessant ist in Bezug auf den Telegram-Kanal von CQ noch zu erwähnen, dass bei der Bewerbung von CQ und deren Veranstaltungen besonders niederschwellige Mobilisierungsmethoden angewandt werden: Weniger konkret Ideologisches ist dort vorzufinden, denn alltägliche Hetze auf Politiker*innen, oftmals im Format von Witzen oder Parodisierungen verklausuliert. Offenbar versucht man gezielt, klar rechtsextreme Inhalte subtil und indirekt zu vermitteln – meist erfolgt dies über den Umweg „impfskeptischer“ oder „impfkritischer“ Inhalte, die Rassismus, Antisemitismus und Sexismus ironisiert oder parodisiert aufscheinen lassen. Möglichst zugänglich für den diskriminierenden Alltagshabitus in Österreich und diskursiv locker gestrickt, dürfte es CQ so ein Anliegen sein, Personen unmittelbar dort abzuholen, wo sie stehen. Doch auch der ausgewählte Ort der lokalen Aufmärsche von CQ dürfte hierfür eine Rolle spielen: Mit Eisenstadt hat CQ die kleinste Bundeshauptstadt gewählt, das ländliche Gebiet erfordert nochmals andere Mobilisierungsstrategien als etwa die Metropolregion Wien.

Das Verhältnis von CQ & „Sozialismus Jetzt“ zu „unwiderstehlich.online“ und dem „Infokanal Deutschösterreich“

Neben den oben genannten Konstellationen gibt es noch zwei weitere Telegram-Kanäle, die als konstitutiv für den österreichischen Neonazismus erfassbar sind. Gemeinhin wird in Publikationen zumeist von Unwiderstehlich und der dahinter agierenden Neonazi-Gruppe als „Sprachrohr“ des österreichischen Neonazismus gesprochen – doch dieses Urteil greift zu kurz: Denn zumindest zwischen dem Infokanal und Unwiderstehlich gibt es starke Verbindungen – permanent werden die Inhalte der jeweils anderen Gruppe geteilt, ständig wird sich aufeinander bezogen. Wenn auch zum momentanen Zeitpunkt nicht klärbar ist, wer die beiden Kanäle konkret betreibt – eine ältere Einschätzung zum Klientel der ersten Unwiderstehlich-Gruppe findet ihr bei den Kolleg*innen sowie durch angefertigte Mitschnitte aus dem rechtsextremen „Reconquista Germanica“-Forum – so liegt im Mindesten die Vermutung nahe, dass beide Kanäle aus dem direkten Umfeld von Küssel stammen. Das Klientel, das die Kolleg*innen annahmen, führt direkt in den innersten Kreis der alpen-donau.info-Gruppe und auch die angehängten Screenshots des Reconquista-Forums legen nahe, dass zwischen der alpen-donau-Truppe und Unwiderstehlich eine personelle wie ideologische Kontinuität festzustellen ist.

Auch ist es wichtig zu bemerken, dass sowohl Unwiderstehlich als auch der Infokanal zwei Seiten einer Medaille ganz gezielt bedienen: Während Unwiderstehlich hauptsächlich in Bezug auf das politische Tagesgeschehen nationalrevolutionäre Einordnungen und Kommentare bringt, die zumeist die Themen Korruption, Finanzeliten und Migration bespielen, ist der Infokanal als rein ideologische Inhaltsschleuder zu betrachten. Dort findet sich ganz offen neonazistische Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Transphobie und neonazistische Verschwörungs-Ideologeme in Bezug auf SARS-Covid-19 und die Impfung gegen das Virus.

Zwar wurde auf dem Telegram-Kanal von CQ nur ein einziges Mal Content des Infokanals geteilt (Unwiderstehlich-Inhalte zweimal), allerdings wurden die Veranstaltungen von CQ mehrfach im Infokanal beworben: Betrachtet man dann aber das ideologische Textmaterial im Archiv des unwiderstehlich.online-Page wird ein mögliches Nahverhältnis luzider. Dort referiert Unwiderstehlich ganz klar und offen auf Querfront-Ideologien und nationalrevolutionäre Konzeptionen. In ihrem Artikel „Weltbild und Weltanschauung I – Dogma gegen Aufklärung“ etwa findet sich abseits der grundlegenden Rassenlehre als ordnende Struktur der Geschichte (Religion und Aufklärung als Störung der Entwicklung natürlicher, erbbiologischer Rassen nach dem Gesetz des Stärkeren) der konkrete Hinweis auf die Notwendigkeit der Etablierung eines Volkes- anstelle internationalen Klassenkampfes. Dieser sollte die Herrschaft der kapitalistischen und imperialistischen Moderne beseitigen und ermöglichen, dass die europäischen Rassen sich wieder frei nach ihrer rassischen Veranlagung entwickeln könnten. Dabei wird erneut ein nationaler Sozialismus als integral definiert: Denn mit Werner Sombart (einem bedeutenden Theoretiker der Konservativen Revolution) stellt Unwiderstehlich fest, dass der Marxismus nicht den wahren Sozialismus abbilde, sondern dieser erst zu seiner Vollendung in einer nationalen Gemeinschaftordnung finden könne, die ihre rechtliche Ordnung nach dem Dienste des Einzelnen am Kollektiven misst („Liberalismus vs. Konservativismus – Sozialismus“). Daran anschließend wird auch eine pragmatische Querfront für durchaus sinnvoll befunden, die mit rechten, patriotischen und nationalen Parteien und Gruppierungen eingegangen werden könnte, um zumindst vorübergehend mehr Stärke im politische Alltag auf der Straße demonstrieren zu können und der Linken gesellschaftliches Pontenzial abspenstig zu machen – die Lösung allerdings liegt für Unwiderstehlich einzig und allein in der Schaffung eines nationalen Sozialismus, der vermöge eines diktatorischen Souveräns als verbindliche Verfassung gesetzt werden muss.

Naheliegend ist eine Praxis der Aufteilung der Rekrutierung und Propaganda auch aus einem recht banalen Grund: Schon die ANR hatte ihre Rekrutierungsarbeit immer damit begonnnen, neue potenzielle Mitglieder nicht ideologisch abzuholen, sondern über das Simulieren eines Gemeinschaftsgefühls, das auf dem Modus von Schmitts Freund-Feind-Dichotomie beruhte. Das bestätigt auch Stefan S.: Auf die Frage, wie schnell ideologische Elemente in der ANR gegenüber neuen Rekrut*innen verbreitete wurden, antwortet S.: „In der Anfangsphase kaum. Das Politische war mir damals wurst, ich bin von denen nur sehr langsam indoktriniert worden. Die Kameradschaft, die hat gezählt.“

So liegt aus obigen Gründen die Vermutung nahe, dass die drei Kanäle ein politisches Ganzes darstellen, das äußerst akkurat als Propagandamaschine genutzt wird, während auf der Straße vorab allein unter dem Logo der zugänglichen CQ-Gruppe aufgetreten wird.

Zwar handelt es sich um keinen Beweis, dass eine konkrete Interaktion zwischen den tatsächlichen Akteur*innen der Kanäle stattfindet, dennoch ist mit der Einschätzung der Kolleg*innen sowie der kurzen Aufschlüsselung der Ähnlichkeit der politischen Praxis erwiesen, dass ein Naheverhältnis angenommen werden muss.

Fazit

Wir wollen die Analyse von CQ an dieser Stelle mit einem Hinweis respektive einer Einschätzung schließen: Die Gruppe CQ zeigt exemplarisch, wie salonfähig Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft des postnazistischen Österreich noch immer sind. Diese Feststellung wurde vielfach im Rahmen der Corona-Demonstrationen belegt und expliziert – aber anhand von CQ kann ganz konkret gezeigt werden, wie schnell sich rechtsextreme Seilschaften bilden und wie gewillt rechte Akteur*innen sind, Kooperationen und Bündnisse einzugehen, um einem höheren Ziel entgegenzuarbeiten. Auch wenn die Zielsetzungen variieren und der Grad an Extremismus ebenso, ist diese Tendenz zu Querfront-Bildung bis ins mitte-liberale Lager hinein etwas, wogegen gesellschaftliche Gegenstrategien gefunden werden müssen, die abseits trivialer Einordnungen dieses Klientels als unzurechnungsfähig (Stichwort der gern verwendete Begriff „Covidioten“, vom Begriff des „Idiotismus“ ganz abgesehen), bildungsfern u. ä. liegen. Denn zum Einen verharmlost das die politische Dimension, die in zahllosen Fällen klar zutage trat und nimmt – durch den elitären Moralismus, der sich in diesen Begriffen und Aussagen entäußert – auch die Möglichkeit solche Bewegungen kritisch zu begreifen.

Zum Abschluss wollen wir wieder um Mitarbeit bitten – auch hier konnten wir nicht alle faschistischen Akteur*innen bestimmen, die Bilder dieser findet ihr untenstehend. Wenn ihr Menschen erkennt, meldet euch bei uns via eingerichtetem Kontaktfeld!

Unbekannte Neonazis:


1 Im Folgenden greifen wir etwa für Harald A. Schmidt oder etwa Lucas Tuma sowie an der einen oder anderen Stelle auf den reichen Informationsfundus von „Stoppt die Rechten“ zurück, werden das aber nicht an jeder Stelle direkt erwähnen. Deshalb wollen wir das an dieser Stelle tun – konkrete Artikel jedoch, auf die wir uns beziehen, werden selbstverständlich als solche verlinkt und gekennzeichnet.

2 Bekannt wurde Schmidt einer weiteren Öffentlichkeit, da er als Anwalt der wegen mehrfachen Mordes verurteilten Elfriede Blauensteiner dabei half, die Testamente in den Besitz Blauensteiners zu bringen, was ihm einen Haftstrafe einbrachte.

3 Wir erwähnen Küssels Kinder hier allein deshalb, weil durch die Dichte der Besuche von einschlägige politischen Veranstaltungen, keinerlei vorliegender Distanzierung vom Gedankengut der Eltern oder wenigstens Desinteresse an politischer Betätigung seitens Gudrun und Gerolf Küssel vorliegt. Wir müssen sie deshalb als bereits eigenständige Akteur*innen im neonazistischen Netzwerke Österreichs betrachten, die – davon ist zum jetzigen Zeitpunkt auszugehen – die nächste Führungsriege des NS-Spektrum darstellen wird.

4 Zur Wortklärung: Bei einer „Ferialverbindung“ handelt es sich um eine solche Art der Korporation, die nicht in einer Stadt gestiftet worden ist, in der die Korporierten direkt auch universitär immatrikuliert sind. Oft wurden sie von Burschenschaftern gegründet, die sich während der Universitätssemester in größeren Städten korporiert aufhielten, über die Semesterferien allerdings zurück zu ihren Familien in ihrer Heimatstädte reisten. Damit sie dort ebenso den Korporationsalltag aufrecht erhalten konnten, wurden sogenannten „Ferialverbindungen“ gestiftet, die entweder pennal „pF!“ oder akademisch „aF!“ konstituiert werden konnten. Dementsprechend wäre eine „aF! Wiener Reich“ eine geschichtlich inkorrekte Korporationsform, da Wien zum Einen über dutzende deutschnationale aB! verfügt, zum anderen eine der bekanntesten und ältesten Universitätsstädte Europas ist. Erklärt werden kann dies jedoch, indem das Rekrutierungsmilieu und die Strategie der Küssel-Truppe betrachtet wird: Küssel bildete seit jeher durch sein Charisma und seine persistente Umtriebigkeit eine Schnittstelle für das akademische wie aber auch proletarischere rechtsextreme Milieu; und so ist eine offene Ferialverbindung optimal geeignet, für diverse Typologien rechtsextremer Biografien als Anlaufstelle zu dienen. Wie wichtig auch das junge deutschnationale – sowohl pennale als auch akademische – Burschenschaftsmilieu für die alpen-donau.info-Organisierung war, zeigen etwa die folgenden Fälle: Benjamin Fertschai (ehemals aB! Silesia), Martin Sellner (ehemals aB! Olympia), Horst Pilz (ehemals aB! Olympia), Sebastian Ploner (ehemals aB! Olympia) oder aber der pennale Burschenschafter Thomas Cibulka (ehemals pB! Franko-Cherusker) – und auch das Umfeld ist gespickt mit Burschenschaftern: Angeführt seien hier zwei: Gernot Schandl (aB! Gothia), ein guter Bekannter des Autobombenfetischisten Wolfgang Lechner und der Unsterblich Wien-/Ballermann Jungs-Kader Christian Marinics (aB! Silesia). Hier findet ihr die ursprüngliche Recherche und die dazugehörigen Bilder.

5 Tanczos hatte an einer seiner Adressen dort auch einen Kommanditgesellschaft betrieben. Zweiter Kommanditist war neben Tanczos der ehemalige Vorsitzende der „National-Konservativen Union“ (NAKU) und der neonazistischen Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“ Wilhelm Ehemayer, der auch ein Intimus des im Sopron lebenden Neonazis Gerd Honsik war und für diesen die Einladungspolitik der neonazistischen Burschaft „Tafelrunde Ödenburger Markomannen“ organisiert hatte.

6 Das geht aus einem Kürzestbeitrag im Radio Burgenland hervor, wobei der Redaktion nicht klar war, dass die Hausdurchsuchung ein Neonazi-Objekt betraf.

7 Das zeigt sich etwa historisch anhand der Episode, als der DAP-Mitbegründer Anton Drexler versuchte, Hitler zurückzudrängen, um sich selbst mit Hilfe einer Koalition mit weiteren deutschnationalen und rechtsextremen Parteien die Macht in der NSDAP zu sichern. Hitler erklärte daraufhin seinen Austritt, einzig eine Bedingung würde ihn an die Spitze zurückholen: Drexlers Rücktritt vom Vorsitz und die alleinige Bündlung der Macht unter Vorsitz Hitlers.

8 Die Ideen gingen teilweise so weit, dass etwa der nazistische Geheimbund „Thule Gesellschaft“ annahm, dass es eine Form von „Atlantis“ tatsächlich gäbe oder gegeben habe, wo die „Arier“ weiterhin lebendig seien.

9 Wahrheit macht frei, Regie von Michael Schmidt (Kanal 1 des Schwedischen Fernsehens, 1991), 47:57 bis 48:21, https://youtu.be/l1NMuVMPw8w.

10 Nazi-Kiez in Dortmund – wo sich „SS-Siggi“ und der „Holland-Hitler“ wohlfühlen, Regie von Spiegel TV (Spiegel TV, 2019), 09:31-10:12, https://youtu.be/8OR2la_Dk1o.

11 Wahrheit macht frei, 33:18 bis 33:35.