Die Palästina Solidarität Österreich zwischen Antisemitismus, Islamismus und Antiimperialismus. Pro-palästinensische Mobilisierungen seit dem 7. Oktober 2023.

Einleitung

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas und anderer militanter palästinensischer Gruppierungen auf Israel und der darauffolgenden militärischen Intervention der israelischen Regierung im Gazastreifen ist Europa zum Schauplatz pro-palästinensischer Massenmobilisierungen mit der regen Beteiligung islamistischer und antisemitischer Akteur*innen geworden. Während der 7. Oktober 2023 für die einen als der größte koordinierte Massenmord an Jüdinnen*Juden seit 1945 in die Geschichte einging, verklärten andere die systematische Ermordung, Schändung, Vergewaltigung und Entführung von jüdischen und nicht-jüdischen Zivilist*innen als „kraftvollen“ Akt des palästinensischen Widerstands.

Anstatt den gezielten Angriff der Terrororganisation Hamas als Ausdruck der von dieser seit ihrer Entstehung propagierten antisemitischen Vernichtungsideologie zu erkennen und bedingungslos zu verurteilen, folgten von vielen bald Relativierungen und Täter-Opfer-Umkehrungen als Rationalisierungsversuche der Verbrechen. Wie es immer der Fall ist, wenn sich der Konflikt im Nahen Osten zuspitzt, brach in den Tagen und Wochen nach dem 7. Oktober auch eine Welle des offen artikulierten Antisemitismus über Europa herein, von der Jüdinnen*Juden real bedroht und betroffen sind – die zahlreichen dokumentierten antisemitischen Äußerungen, Übergriffe und Anschläge auf jüdisches Leben in Europa und auch in Österreich belegen dieses historisch eingeübte Muster.

Wie diese Recherche zeigt, konnten auch bei vielen Schlüsselpersonen der pro-palästinensischen Proteste in Österreich Verharmlosungen und antisemitische Deutungen der Geschehnisse dokumentiert werden. Sie prägen mit ihren Reden, Postings und organisatorischen Funktionen die öffentlichen Veranstaltungen und tragen wesentlich dazu bei, dass diese weniger als glaubwürdige Solidaritätsbewegung mit der palästinensischen Bevölkerung verstanden werden sollten, denn vielmehr den Charakter einer antizionistischen und antisemitischen Mobilisierung angenommen haben. Auch lassen viele der zentralen in Österreich mobilisierenden Akteur*innen eine glaubhafte Distanzierung von der systematischen und auf die Vernichtung Israels gerichteten Gewalt der Hamas vermissen oder befürworten diese gar. Die palästinensische Zivilbevölkerung, die aktuell unter katastrophalen humanitären Bedingungen um ihr Leben kämpft, wird damit einmal mehr zum Spielball ideologischer Verklärung. Selten wird tatsächliche Trauer um die Zivilbevölkerung artikuliert, ohne diese in den Dienst von Hamas-Propaganda zu stellen.

Diese Recherche versteht sich zugleich nicht als Debattenbeitrag zu der Frage, wie und in welcher Form Protest gegen die israelische Regierung und ihre politischen und militärischen Entscheidungen legitim oder auch notwendig ist. In den letzten Jahren sind hunderttausende Israel*innen regelmäßig auf die Straße gegangen, um für den Erhalt der israelischen Demokratie einzustehen und sich gegen die rechtsextreme Regierungskoalition unter Benjamin Netanyahu auszusprechen. Auch in Europa und in Wien haben jüdische Gemeinden und Organisationen zu Solidaritätskundgebungen mit der israelischen Demokratiebewegung aufgerufen und sich deutlich gegen die aktuelle israelische Regierung, die israelische Siedlungspolitik und für einen nachhaltigen Frieden ausgesprochen – ohne dabei dem einzigen jüdischen Staat dieser Welt das Existenzrecht abzusprechen oder dessen Vernichtung zu fordern.

Im Gegensatz dazu ist es auffallend ruhig, wenn es um Proteste aus der palästinensischen Diaspora und den sich mit dem palästinensischen „Volk“ solidarisierenden Gruppen geht, wenn es um eine Kritik an der autoritär-islamistischen Herrschaft der Hamas und deren systematische Unterdrückung und Ausbeutung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza geht. Man muss über keine fachkundige Expertise verfügen, um zu erkennen, dass unter der Herrschaft der Hamas alle emanzipatorischen und demokratischen Bestrebungen im Keim erstickt und nicht nur Jüdinnen*Juden, sondern auch selbstbestimmt lebende Frauen, sexuelle Minderheiten sowie säkulare, liberale, sozialistische und um den Frieden bemühte Bewegungen zu erklärten Feinden der islamistischen Sittenwächter erklärt und verfolgt werden. Das zum Gegenstand der Kritik zu machen, wäre eine Minimalbedingung, um glaubhaft vermitteln zu können, dass es um „Frieden“ und „Freiheit“ für alle in der Region lebenden Menschen geht – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Führung der Hamas wiederholt das Angebot eines Waffenstillstands gegen die Befreiung der entführten Geiseln ausgeschlagen hat.

Die vorliegende Recherche verfolgt somit das Ziel, die für den Protest zentralen Personen, Personengruppen und Gruppierungen in Österreich zu benennen, deren ideologischen Hintergründe offenzulegen und auf deren interne Vernetzung hinzuweisen. Wir konzentrieren uns auf jene Akteur*innen, die aufgrund ihrer antisemitischen Aussagen und Kontakte in islamistische, nationalistische und faschistische Milieus problematisiert werden sollten und sind uns darüber bewusst, dass auch andere Initiativen existieren, die sich etwa in universitären Kontexten der palästinensischen Sache verschrieben haben, aber in dieser Recherche keine Erwähnung finden – auch wenn einige von ihnen aufgrund ihrer antizionistischen und antisemitischen Agitation kritikwürdig wären. Wie wir in dieser Recherche zeigen, sind es im Falle Österreichs immer wieder dieselben altbekannten und eng vernetzten Akteur*innen, die unter dem Vorwand der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung auf die Straße ziehen, um ihre antizionistischen Hassbotschaften zu verbreiten. Wie wir in dieser Recherche ebenfalls zeigen, pflegen einige der Schlüsselpersonen selbst enge Kontakte in islamistische Milieus oder sind diesen zuzurechnen, weisen eine Nähe zu der Hamas und anderen islamistischen Gruppierungen auf und sind auch selbst vom Vorwurf der Verbreitung antisemitischer und islamistischer Propaganda nicht freizusprechen.

Mobilisierung in Österreich

Während aufrichtige und bestürzte Reaktionen auf den 7. Oktober innerhalb der in dieser Recherche diskutierten Milieus bescheiden beziehungsweise in der Regel weitgehend ausblieben, dauerte es nur kurze Zeit, bis die ersten Demonstrationen und Kundgebungen in Österreich ins Leben gerufen wurden, um das Verhalten der Hamas zu rechtfertigen oder in eingeübter Täter-Opfer-Umkehr den „Zionismus“ für das Geschehene verantwortlich zu machen. Bereits am Tag des Massakers rief die in dieser Recherche noch vielfach diskutierte Dachorganisation Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) zu einer Kundgebung auf der Wiener Mariahilferstraße auf, an der etwa 40-50 Aktivist*innen teilnahmen. Wie der Presseservice Wien dokumentierte, wurde bei der Kundgebung positiv auf die terroristischen Angriffe der Hamas Bezug genommen und diese als „Befreiungsaktion“ des palästinensischen Volkes verklärt.

Nach Abschluss der Kundgebung versammelten sich einige der Teilnehmer*innen auf und um das Denkmal für Verfolgte der NS-Justiz am Ballhausplatz in Wien und feierten singend und tanzend, die palästinensische Flagge schwingend, den erwachten „Widerstand“ gegen den verhassten zionistischen Feind. Auch am 8. Oktober 2023 versammelte sich eine kleine Gruppe von Aktivist*innen beim Denkmal für Verfolgte der NS-Justiz und verteidigte vehement die Ermordung, Schändung, Vergewaltigung und Entführung von jüdischen und nicht-jüdischen Zivilist*innen als legitimen Akt des palästinensischen „Widerstands“. Unter ihnen auch Personen, die sich, wie schon am Tag zuvor, in den folgenden Wochen aktiv in die Koordination und Organisation der Demonstrationen und Kundgebungen der PSÖ in Wien und Österreich involvieren würden.

Langjähriger BDS-Aktivist mit BDS-Flagge, rechts daneben Nicole Schöndorfer und neben ihr PSÖ-Aktivist und Kampfpsortler Khaled al Makdah.

Es dauerte keine Woche, bis es zur ersten großen Mobilisierung der sich formierenden Bewegung kam. Am 11. Oktober 2023 versammelten sich etwa 500 Personen zu einer behördlich untersagten Kundgebung am Wiener Stephansplatz, zu der die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) und die ihr zuzurechnenden Organisationen und Einzelpersonen aufgerufen hatten. Während zeitgleich die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) am Ballhausplatz eine Gedenkveranstaltung für die Terroropfer abhielt, kam es unter der Beteiligung von islamistischen Akteur*innen am nur wenige Gehminuten entfernten Stephansplatz zu Gewaltaufrufen und antisemitischen Sprechchören. Die pro-palästinensische Mobilisierung als Reaktion auf den 7. Oktober war damit in Österreich ins Leben gerufen und von den ersten Minuten an bereits durch Terrorverherrlichung und antizionistischem Antisemitismus geprägt. Daran sollte sich auch in den folgenden Wochen wenig ändern.

Seither finden in ganz Österreich wöchentlich Demonstrationen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen und aktivistische Interventionen statt, die sich oberflächlich gegen die israelische Politik, den israelischen Staat und für die palästinensische Bevölkerung bzw. die palästinensische Sache aussprechen. Abgesehen von der Forderung nach einem Waffenstillstand – die sich an Israel und nicht an die Hamas richtet – und der Dämonisierung des „Zionismus“ als „Fremdkörper“ im Nahen Osten, der für alles Leid in der Region verantwortlich sei, haben die äußerst heterogenen Milieus, die sich an den Protesten beteiligen, wenig gemeinsam. Es handelt sich um palästinensische Vereine wie das Koordinationsforum zur Unterstützung Palästinas, offizielle Politiker*innen wie der palästinensische Botschafter Salah Abdel Shafi, islamistische Akteur*innen wie Adel Abdallah Doghman oder Yasser Gowayed, antiimperialistische Kleinstgruppen wie die Antiimperialistische Koordination (AIK) oder die Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung (RKOB), salafistische Prediger wie Khalid Ott, queerfeministische Gruppierungen wie Queers4Palestine, Millî Görüş-nahe türkische Nationalist*innen, lokale Politiker*innen und Parteien wie die UID-nahe SÖZ unter Hakan Gördü, Personen des Reichsbürger*innemilieus wie etwa der Shoah-Leugner Peter Eckhardt und einzelne in der Öffentlichkeit stehenden Personen wie die Anwältin Astrid Wagner oder die muslimische Influencerin Baraa Bolat und einige mehr.

Neben vielen seit Jahren bekannten Akteur*innen haben sich seit dem 7. Oktober graswurzelartig zudem zahlreiche Initiativen gegründet, die versuchen in ihrem Sinne über den Konflikt aufzuklären, zu Protesten zu mobilisieren und regionale sowie überregionale Vernetzungsstrukturen zu schaffen. Auch in den sozialen Medien wurden zahlreiche Kanäle auf TikTok, Instagram und Telegram gegründet, die gegen den „Zionismus“ und für die „palästinensische Sache“ mobilisieren. Mit Blick auf die den Protest tragenden Organisationen wird gleichzeitig schnell klar, dass es sich immer wieder um dieselben handelt, die die Bewegung zusammenhalten und inhaltlich prägen. Die zentrale Dachorganisation hierfür ist die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ), auf deren Struktur und Zusammensetzung in dieser Recherche daher vertiefend eingegangen wird.

Die PSÖ – Dachorganisation für propalästinensische Agitation

Die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) besteht in etwa seit dem Jahr 2019 und fungiert auch im Rahmen der aktuellen Mobilisierungswelle als zentrale Dachorganisation für verschiedene Personen und Personengruppen, um gemeinsam öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen im Sinne einer „Sensibilisierung“ für die Situation der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank und in Gaza durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass BDS Austria bereits mit dieser Intention gegründet wurde, jedoch nicht in der Lage war, innerhalb des durchaus heterogenen Milieus der in Österreich im Sinne der „palästinensischen Sache“ auftretenden Gruppierungen einen Konsens herzustellen.

Unter dem ideologisch dünnen Mantel der PSÖ organisiert man seit dem 7. Oktober ein- bis zweimal pro Woche Demonstrationen, Kundgebungen und teilweise auch Veranstaltungen in den Landeshauptstädten (Wien, Graz, Salzburg, Innsbruck). Programmatische und inhaltliche Auseinandersetzung abseits eingeübter Allgemeinplätze sucht man mit Blick auf den Dachverband vergebens – die Website der PSÖ wird beinahe ausschließlich zur Bewerbung von eigenen Veranstaltungen genutzt. Als zwei programmatische Bezugspunkte gelten, wie es auf der Website der PSÖ heißt, lediglich die Agitation gegen den „Zionismus, dem jüdisch-ethnozentrischen Nationalismus und seinem ungebrochenen Streben nach einer apartheidförmigen, ethnisch-religiösen Dominanz über das gesamte Land“ und der Widerstand gegen die EU-Politik, die sich bedingungslos solidarisch mit „der israelischen Machtelite und Propaganda“ zeige. Sensibilisierung für die Situation von Palästinenser*innen in Gaza und der Westbank meint vor diesem Hintergrund also in erster Linie eines: die einseitige Agitation gegen Israel unter der systematischen Exklusion innerpalästinensischer Konflikte und den innerhalb dieser vorherrschenden Kräfteverhältnisse.

Leiter Franz Sölkner auf PSÖ-Kundgebung 2020 im Wiener Votivpark.

Online bezeichnet sich die PSÖ als „Plattform“, die gruppenübergreifend „solidarische Parteilichkeit“ demonstriert, um den Aufbau einer „international gut vernetzten Palästina-Solidaritätsbewegung“ zu befördern. Für jede Dependance der PSÖ existiert eine leitende Ansprechperson, während die konkrete Organisation von einem harten Kern – in Wien sprechen wir hier etwa von 10 bis 15 Personen – koordiniert, vorbereitet und durchgeführt wird. Überregionale Koordinationspersonen für Wien sind die Aktivisten der Antiimperialistischen Koordination (AIK) Martin Weinberger und Willi Langthaler, für die Steiermark der Leiter der Steirischen Friedensplattform Franz Sölkner, für Tirol und Vorarlberg der BDS-Aktivist Gerhard Summer, für Salzburg der Junge Linke-Aktivist Simon Macheiner, sowie für Oberösterreich Hafsa Zaki. Auf einige von ihnen werden wir in dieser Recherche noch vertiefend eingehen.

Die personelle Aufstellung spiegelt den Plattform-Gedanken der PSÖ wider, sind hier doch zentrale, langjährige Aktivist*innen des pro-palästinensischen Spektrums vereint. Wesentlich ist zudem der Umstand, dass es sich in der ersten Reihe ausschließlich um Akteur*innen handelt, die nicht direkt der palästinensischen Diaspora entstammen, sondern sich als Teil der internationalen Solidaritätsbewegung mit Palästina verstehen. Wichtig zu betonen ist allerdings, dass bei der Gründung der PSÖ selbst auch die Vereine der palästinensischen Community in Österreich anwesend waren, die über einen vereinsübergreifenden Aktionsausschuss (siehe nächstes Kapitel) maßgeblich in die Organisierung und Koordination der Demonstrationen involviert sind und diese auch personell prägen.

Die PSÖ fungiert so als „Brückenkopf“ zwischen der sich als antiimperialistisch verstehenden palästinensischen Solidaritätsbewegung und den Vereinsstrukturen der palästinensischen Community, wobei sich zweitere hinsichtlich der Anmeldung von Demonstrationen und der offiziellen Vertretung der PSÖ eher im Hintergrund halten, zugleich aber bei den Kundgebungen in der Regel als organisierende Kraft auftreten und mutmaßlich auch bei internen Entscheidungsprozessen gewichtige Stimmen sind. Neben den antiimperialistischen Gruppierungen der PSÖ werden daher auch die palästinensischen Vereine in dieser Recherche behandelt sowie deren Führungspersonen, die sich in vielen Fällen dezidiert antizionistisch und antisemitisch betätigen und auch Kontakte in islamistische Milieus innerhalb und außerhalb der palästinensischen Gruppierungen pflegen.

Wie zentral antizionistischer Antisemitismus als weltanschauliches Element im politischen Kampf der PSÖ ist, lässt sich anhand der Wiener PSÖ-Gruppierung illustrieren: Zumeist wird der israelische Staat und der Zionismus als absoluter und überhistorischer Feind identifiziert. Die Dämonisierung und Delegitimierung Israels und dessen Politiker*innen ist im Online-Diskurs der zentralen PSÖ-Funktionär*innen ubiquitär und äußert sich häufig in der Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus oder dem Islamischen Staat (IS). Auch antisemitische Karikaturen, die Verbreitung antisemitischer Verschwörungsmythen und die Propagierung eines radikalen Vernichtungsantisemitismus lassen sich auf den Social-Media-Seiten einschlägiger Akteur*innen finden. Die Betätigung der PSÖ-Akteur*innen geht weit über die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung hinaus und äußert sich häufig in antisemitischer Agitation.

So posteten etwa die PSÖ-Aktivist*innen Ghalia Katja Hermannová und ihr Ehemann Ahmad Hilal Todesurkunden des Staats Israels mit der Ankündigung, dass dessen Existenz bald sein Ende findet. Charakteristisch für die medial orchestrierten Hetzkampagnen der PSÖ ist auch die Gleichsetzung Benjamin Netanyahus mit Adolf Hitler, oder gar die wüste Behauptung, das Vorgehen des israelischen Staates würde über die Verbrechen des Nationalsozialismus hinausgehen. In weitverbreiteten Sharepics wird so etwa verkündet, dass die Zahl der täglich in Gaza getöteten Kinder die Zahl der in Auschwitz ermordeten bei Weitem überschreiten würde – die angeblich gezielte Vernichtung palästinensischer Kinder durch die israelische Armee also über den bürokratisch geplanten und industriell vollzogenen Massenmord des NS-Regimes hinausgehen würde.

Zeitgenössisch verpackter Antisemitismus ist dabei auch als vereinendes Element des heterogenen politischen Spektrums zu erachten: Ob hochrangige Mitglieder großer palästinensischer Vereine, antiimperialistische Linke oder postkoloniale Aktivist*innen – die Dämonisierung Israels sowie schockierend offener, wüster Antisemitismus werden medial aufbereitet und mit der Öffentlichkeit geteilt. Kleinere Gruppen wie das Wiener Handala-Kulturforum liefern passende – oftmals wüst antisemitische – Social-Media-Grafiken, die dann zahllose Male repostet und verteilt werden. Dass der verbreitete Antisemitismus auch von einem real-politischen Programm konturiert wird, zeigt ein Blick auf die in der PSÖ aktiven palästinensischen Vereine – ist doch das dort vorherrschende Klima geprägt von Terror-Apologetik.

Die PSÖ-nahen palästinensische Vereine in Wien und deren Akteur*innen auf den Demos der PSÖ.

Neben antiimperialistischen Gruppierungen, die sich pro-palästinensisch betätigen, sind es also Organisationen der palästinensischen Community, die als zentrale Kraft der PSÖ auftreten. Wesentliche Akteur*innen auf Vereinsebene sind dabei die Palästinensische Gemeinde Österreichs (PGÖ), die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung (PÄAV), die Demokratische Palästinensische Vereinigung Österreich (DPFÖ), das Handala Kulturforum, das Koordinationsforum für die Unterstützung Palästinas (KFUP) und die Palästinensische Jugend Österreichs (PJÖ). Diese Vereine sind unter sich wiederum im sogenannten Gemeinsamen Palästinensischen Aktionsausschuss (GPA) zusammengeschlossen und entfalten über diesen auch eine gewisse Vormachtstellung innerhalb der PSÖ. Teil des Aktionsausschusses sind Mitglieder des Hamas-nahen KFUP, der Fatah-nahen PGÖ, der nicht definitiv zuordenbaren PÄAV und der DFLP-nahen DPFÖ. Eine detaillierte Analyse der Organisationen folgt im Zuge dieser Recherche.

Der GPA, v. l. n. r.: 3. v. l. Kamal Hachicho, Shadi Abu Daher, Haitham Awartani, Adel Doghman, unbekannt, Imad Samour und Munther Merai.

Dass im GPA die drei zentralen politischen Lager der palästinensischen Politik zumindest strategisch vereint sind, spiegelt die realpolitische Bedeutung des Ausschusses wider – oftmals sind es nämlich innerpalästinensische Konflikte und historisch bedingte Kooperationsschwierigkeiten (Stichwort Hamas-Putsch 2007 sowie die sukzessive Ausschaltung aller progressiven Kräfte in Gaza, unabhängiger Medienagenturen, Journalist*innen, Einführung islamischen Rechts und Sittenwacht usw.), die das pro-palästinensische Milieu in unvereinbare Blöcke zerfallen lässt. Wenn es gegen Israel geht, ist man aber dazu bereit, Konflikte ruhigzustellen, und als geeinter Block nach außen aufzutreten.

Bei der Gründungsveranstaltung der Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) traten der GPA als Zusammenschluss der palästinensischen Vereine und die Funktionäre Adel Abdallah Doghman (KFUP) und Haitham Awartani (DPFÖ) als Redner auf. Aufgrund der personellen und organisatorischen Stärke der PGA ist davon auszugehen, dass diese innerhalb der Palästina Solidarität Österreich tonangebend sind und sich nur strategisch im Hintergrund halten – proportional gesehen verfügen die antiimperialistischen Gruppen über keine politische Mehrheit innerhalb des Dachverbandes. Neben den Mitgliedsvereinen der PGA sind für die Beurteilung der internen Strukturen der PSÖ zudem die Palästinensische Jugend Österreich (PJÖ) und der Verein Handala relevant: Bei der PJÖ handelt es sich um eine politisch nicht klar strukturierte Gruppierung, die jedoch – darauf deutet ihr öffentliches Auftreten hin – eine Nähe zu türkisch-nationalistischen Kräften aufweist. Handala wiederum ist für die Öffentlichkeitsarbeit und die Erstellung von Grafiken relevant und stellt teilweise militanten Vernichtungsantisemitismus in lockeren Cartoons und Animationen für die mediale Aufbereitung und Inszenierung bereit.

KFUP-Leiter Adel Doghman (li.) und DPFÖ-Leiter Haitham Awartani auf der Gründungsveranstaltung der PSÖ.

Die PGÖ. Fatah-nahe, übergreifende Community-Organisation.

Die Palästinensische Gemeinde Österreich (PGÖ) ist bei Demonstrationen der PSÖ regelmäßig mit Transparenten und Schildern vertreten, auf denen Israel als „Kindermörder“, faschistischer Staat und Völkermörder oder Benjamin Netanjahu als „Sheytan“ bezeichnet wird. Bei der PGÖ handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der über eine große Mitgliederzahl verfügen dürfte und dessen Funktionär*innen regulär gewählt werden. Auf weltanschaulicher bzw. politischer Ebene ist der Verein überwiegend der Fatah und DFLP zuzuordnen, auch wenn Exponenten wie Adel Abdallah Doghman eine Nähe zur Hamas aufweisen. Derzeitiger Präsident der PGÖ ist satzungsgemäß der Allgemeinmediziner Sami Ayad, der regelmäßig als Redner bei Veranstaltungen der PSÖ auftritt und die Gemeinde in der Öffentlichkeit vertritt.

Die Nähe der PGÖ zur Fatah und zur Palästinensischen Autonomiebehörde lässt sich an zwei zentralen Akteuren näher beleuchten: Sowohl der Schriftführer Imad Samour als auch der ehemalige Vorsitzende Munther Merai (auch Abu Zeid genannt) sind regelmäßige Gäste der Palästinensischen Autonomiebehörde und teilen häufig die offiziellen Stellungnahmen der Fatah. Darüber hinaus zeigen Fotos Imad Samour mit Yasser Arafat und Mahmoud Abbas, und auch Merai scheint bei zweiterem zu Gast gewesen zu sein. Die Funktionäre der PGÖ sind also international vernetzt und repräsentieren nicht nur die Anliegen der palästinensischen Community in Österreich, sondern treten auch als Sprachrohr der palästinensischen Politik auf. Imad Samour unterhält zudem enge Beziehungen zu dem rechtsextremen Antisemiten Dr. George Nicola und der PÄAV, auf die im weiteren Verlauf dieser Recherche noch näher eingegangen wird.

Alzaharna bei Aktion von BDS.

Von Relevanz ist ferner der gewählte PGÖ-Funktionär Quasem Alzaharna, der auch als wichtiger Organistor des PSÖ-Auftritts fungiert und Videos sowie Streams für den Social Media-Auftritt der PSÖ anfertigt. Früher war Alzaharna Vorstand der PJÖ – dort forcierte er die enge Kooperation mit BDS Austria und dem KFUP, regelmäßig etwa kam man mit BDS zu Aktionen und Kundgebungen zusammen, während man mit dem KFUP u. a. ein alljährlich stattfindendes Familienfest organisiert. Zur politischen Gesinnung Alzaharnas lässt sich wenig sagen, vor dem Hintergrund der PGÖ wird sicherlich eine gewisse Fatah-Nähe zu konstatieren sein, wenn auch die enge Kooperation mit dem Hamas-nahen KFUP zumindest auf eine mutßmaliche Indifferenz gegenüber der islamistischen Ausrichtung des KFUP hindeuten.

Alzaharna auf dem Lautsprecherwagen, die ersten Reihen der Demonstration koordinierend.

Die DPFÖ. Österreichisch-schweizerischer Ableger der DFLP.

Awartani auf einer Demonstration der PSÖ.

Bei der DPFÖ handelt es sich um eine primär marxistisch-leninistisch sowie maoistisch ausgerichtete Gruppierung, die ideologisch der palästinensischen Terrororganisation DFLP nahesteht. In leitender Funktion dürfte Dr. Haitham Awartani tätig sein, der regelmäßig bei Demonstrationen der PSÖ und des APC anwesend ist und dort auch als Redner auftritt. Awartani agiert jedoch nicht nur als pro-palästinensischer Aktivist: Wie Bilder eines Treffens mit dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun vom November 2016 zeigen, scheint Awartani zur Führungsriege der Terrororganisation DFLP selbst zu zählen und Kontakte zu hochrangigen Mitgliedern des Politbüros der DFLP zu unterhalten. Zudem teilt Awartani regelmäßig DFLP-Propaganda auf seinen Social-Media-Seiten.

Zum Hintergrund der DFLP: Einer der Anschläge, für den diese am bekanntesten ist, war das Massaker von Ma’alot im Jahr 1974, bei dem 25 Schulkinder und Lehrer getötet wurden. Bei der Aktion drangen drei als IDF-Soldaten verkleidete DFLP-Kämpfer in Ma’alot ein, töteten eine israelisch-arabische Familie und ihren vierjährigen Sohn, drangen in ein Schulgebäude ein und nahmen 115 Minderjährige als Geiseln, um inhaftierte DFLP- und JRA-Aktivisten (Japanische Rote Armee) freizupressen. Bei einem Befreiungsversuch durch israelische Spezialkräfte ermordeten die DFLP-Kämpfer 21 minderjährige Schüler*innen und 10 weitere Personen und verwundeten 60 schwer.

Das Auftreten Awartanis, aber auch anderer Personen wie der ebenfalls der DPFÖ zuzurechnende Wesam Rafeh, die wie im Falle Awartanis als auch Rafehs in zentralen Funktionspositionen bei Veranstaltungen der PSÖ agieren, bestätigt die Einschätzung, dass es sich bei der PSÖ um ein zwar legalistisch vom antiimperialistischen Spektrum getragenes, aber durchaus von den palästinensischen Vereinen strukturiertes Unternehmen handelt. Wie krude und menschenverachtend das Weltbild der betreffenden Akteur*innen oft ist, zeigt ein Posting von Rafeh, in dem die drei Kämpfer der „Kamal Nasser Einheit“, die für das Massaker von Ma’alot verantwortlich waren, als „rechtschaffene Märtyrer“ und „Helden“ glorifiziert werden. Das sind also unter anderem die zentralen Organisator*innen hinter den Protestmobilisierungen seit dem 7. Oktober und auch im Falle des Angriffs der Hamas verklären sie den gezielten Mordanschlag auf Zivilist*innen als Befreiungsakt.

Rafeh beim Koordinieren von Ordnern auf PSÖ-Demonstration.

Die PÄAV. Antisemitismus, Rechtsextremismus und Salafismus.

Eine mindestens ebenso wichtige organisatorische Rolle in der aktuellen Mobilisierungswelle spielt die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung (PÄAV), die bei fast allen Demonstrationen präsent ist. Der offiziell eingetragene Verein setzt sich mutmaßlich aus einigen Angehörigen medizinischer und pharmazeutischer Berufe zusammen und stellt bei den seit dem 7. Oktober stattfindenden Demonstrationen meist ein bis zwei Redner*innen. Die PÄAV ist wie die anderen palästinensischen Vereinigungen seit vielen Jahren eine aktive mobilisierende Kraft, wenn es um Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen gegen Israel und für die palästinensische Sache geht. Er wurde am 12. Jänner 2020 mutmaßlich von dem Internisten Dr. Shadi Abu Daher, der derzeit als Kassier fungiert, und dem bereits erwähnten Dr. Georg Nicola gegründet und hat seinen Vereinssitz in der Kegelgasse 25, 1030 Wien. An dieser Adresse ist laut Vereinsregister auch die PGÖ eingetragen – man teilt sich also die Räumlichkeiten und auch die Gründungsveranstaltung der PSÖ fand an dieser Adresse statt.

Shadi Abu Daher bei Rede auf Demonstration der PSÖ am 09. Dezember 2023 in der Wiener Innenstadt.

Sowohl Abu Daher als auch Nicola fielen und fallen immer wieder durch rabiaten Antisemitismus und Holocaustleugnung auf, im Falle Nicolas auch durch Kontakte ins rechtsextreme und antisemitische Burschenschafts- und Landsmannschaftsmilieus. Schon ein kurzer Blick auf Abu Dahers Facebook-Auftritt zeigt sein von militantem Antisemitismus geprägtes Weltbild: Gleichsetzungen des Staates Israel mit Hitler-Deutschland und Netanjahus mit Hitler sowie die „Feststellung“, der Staat Israel ermorde täglich mehr Kinder als Hitler in Auschwitz, sind an der Tagesordnung. Vergleiche des israelischen Bombardements mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sind ebenso zu finden wie die symbolische Darstellung des Staates Israel als Pistole, die Neugeborene hinrichtet. Auffällig scheint auch eine Affinität zur salafistischen Szene: So teile Abu Daher Videos des deutschen Salafi-Predigers Pierre Vogel, der sich wie viele andere Kalifatsakteure des Nahost-Konflikts bedient, um Anhänger*innen für radikalislamistische Ideenwelten anzuwerben. Auch von der PFLP-Terroristin Leila Khaled zeigt sich Abu Daher begeistert: Als Khaled 2016 auf Einladung des OKAZ (Österreichisch-Arabisches Kulturzentrum in Wien) und Handala Wien besuchte und einen Vortrag hielt, war auch Abu Daher unter den zahlreichen Besucher*innen und erschien nachher freundschaftlich verbunden mit Khaled auf einem aufgenommenen Gruppenfoto.

Auffällig ist auch, dass Abu Daher in den sozialen Medien Inhalte des ehemaligen Identitären und nunmehrigen Leiters des Suworow-Instituts, Alexander Markovics, teilt: Markovics, der sich über die Jahre zu einem Anhänger Dugins (Eurasien-Ideologie) entwickelt hat, fällt nicht nur immer wieder durch diverse explizit pro-islamistische Aussagen, sondern vor allem durch offen artikulierten Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus auf. Auch zum Überfall der Hamas auf Israel äußerte sich Markovics am 8. Oktober: Der Hamas-Angriff habe Israel „kalt erwischt“ und sei als militärische Reaktion auf eine „erneute Schändung der al-Aqsa-Moschee“ durch israelische Soldat*innen zu werten. Der „vermeintliche“ Terror gegen Israel sei legitimer Widerstand, da Israel ein Terror- und Apartheidstaat sei, dessen Ziel es sei, einen „schleichenden Genozid“ am palästinensischen Volk durchzuführen. Damit perpetuiert Markovics durchaus das, was auch auf den Veranstaltungen der PSÖ im Allgemeinen ideologisch vertreten wird. Die Tatsache, dass Abu Daher den wenig bekannten Faschisten Markovics zu kennen scheint und dessen Outlets verfolgt, gibt sowohl Aufschluss über die Anschlussfähigkeit der von Markovics propagierten neuen „multipolaren“ Weltordnung – die im Nahen Osten übrigens die Unterstützung des iranischen Regimes bedeutet – als auch über den politisch in allen Spektren grassierenden Antisemitismus, der als Bindeglied zwischen den verschiedenen ideologischen Lagern fungiert.

Die Ansichten Abu Dahers stellen jedoch innerhalb der PÄAV keine Ausnahme, sondern eher die Regel dar. Auch George Nicolas‚ Weltbild ist offensichtlich von antisemitischen Verschwörungsmythen geprägt. So feierte er – wie auch die später behandelte Antiimperialistische Koordination (AIK) – Al-Qaida für den Anschlag vom 11. September 2001, verbreitete die wüste antisemitische Verschwörungstheorie, Israel habe den Anschlag insgeheim gesteuert, um die USA zu manipulieren, glorifizierte den irakischen Diktator Saddam Hussein und unterhielt zumindest in der Vergangenheit beste Kontakte zur rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM). Mit dieser veranstaltete er beispielsweise im Haus der Heimat in Wien Landstraße eine Podiumsdiskussion zum Thema „Von Beneš zu Sharon. Sudetendeutsche und Palästinenser – entrechtet und vertrieben“. Diese Gleichsetzung verdeutlicht einmal mehr die revisionistische Gesinnung Nicolas‘, aber auch der PÄAV und zeigt, wie tief rechtsextreme Denkfiguren das Handeln eines ehemaligen zentralen Funktionärs der Vereinigung prägen.

Auch die derzeitige Vorsitzende der PÄAV, die Notfallmedizinerin Dr. Rula al-Harbi, belegt die Kontinuität rechtsextremen Gedankenguts in der sich neutral und humanitär gebenden Organisation: Ihr öffentliches Auftreten schreckt nicht vor Gleichsetzungen des Staates Israel mit Hitler-Deutschland sowie Dämonisierungen des Staates Israel und der hebräischen Sprache im Allgemeinen zurück. Darüber hinaus identifiziert sich al-Harbi inhaltlich offenbar mit der militanten salafistischen Szene: So teilte sie ein TikTok-Video des salafistischen Predigers Yasin Bala aus Göttingen, der unter dem Pseudonym Yasin al-Hanafi seine „Lehre“ im Internet verbreitet. Al-Hanafi ist Mitglied der norddeutschen Gruppierung Im Auftrag des Islam (IADI), die aus der von Cemaleddin Kaplan (ehemaliger Weggefährte von Necmettin Erbakan) und später von dessen Sohn Metin Kaplan absolutistisch geführten Gruppierung Kalifatstaat Köln hervorgegangen ist. Nach der Verhaftung Metin Kaplans wegen Anstiftung zum Mord und seiner Abschiebung in die Türkei in den 2000er Jahren übernahm die IADI dessen Nachfolge im Geiste Cemaleddin Kaplans (zur IADI und ihrer Geschichte siehe hier). Gefordert wird ein islamisches Kalifat, das absolutistisch von einem Kalifen nach den Gesetzen der Schariʿa regiert wird. Doch worum geht es in dem konkreten Video, das al-Harbi geteilt hat? Al-Hanafi leugnet darin die Möglichkeit eines „islamistischen Antisemitismus“ – denn zum einen seien alle Araber*innen Semiten und zum anderen sei eigentlich der Rassismus der „zionistischen Juden“ antisemitisch, da schließlich vor allem Araber*innen Semiten seien.

Das KFUP. Hamas-Unterstützung und Muslimbruderschaft-Propaganda.

Ein weiterer wichtiger, wenn nicht der zentrale Akteur der PSÖ ist das Koordinationsforum für die Unterstützung Palästinas (KFUP), das bereits in den 2000er Jahren gegründet wurde. Es wird von dem der Hamas und den Muslimbrüdern nahestehenden Aktivisten Adel Abdallah Doghman geleitet. Doghman ist eine national und international in verschiedenen politischen Spektren vernetzte Persönlichkeit. Mitte der 2010er Jahre war er Vorsitzender der Palestinians in Europe Conference (PEC), einer jährlich stattfindenden internationalen Konferenz, die von der europäischen Hamas-Zentrale, dem Palestinian Return Centre (PRC) mit Sitz in London, in verschiedenen europäischen Metropolen organisiert wird und an der regelmäßig internationale Spitzenpolitiker*innen unter anderem aus dem Libanon und Marokko teilnehmen. Nach Ablauf der Legislaturperiode des PEC wurde Doghman von seinem niederländischen Bekannten Amin Abu Rashed abgelöst – Abu Rashed, der wegen Terrorfinanzierung in den Niederlanden inhaftiert ist, ist bis heute offizieller Leiter des PEC. Sowohl Abu Rashed als auch Doghman waren bereits mindestens einmal bei Hamas-Führer Ismail Haniyeh zu Gast – ausgerechnet im November 2012, als die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel intensiviert wurden. Ein weiteres Foto belastet Doghman hinsichtlich seiner Beziehungen zu islamistischen Kreisen: Ebenfalls 2012, mutmaßlich im Rahmen derselben Reise, ist dieser bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Haniyeh und dem ägyptisch-österreichischen Muslimbruder und Vertrauten des damaligen ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi, Ayman Ali, zu sehen.

Ali mit Haniyeh und Doghman rechts.

Zentrale Wirkungsstätte Doghmans scheint aber Wien geblieben zu sein: Bereits 2003 meldete das US-Finanzministerium über die Intelligence Community an das damalige BVT (heute DSN), dass der von Adel Abdallah Doghman geleitete Palästinensische Verein in Österreich (PVÖ) über die sogenannte „Union of the Good“ Spendengelder an die Hamas weiterleite. Vermutlich aufgrund des Repressionsdrucks löste sich die PVÖ auf und gründete in der Folge den Palästinensischen Humanitären Verein (PHV), zu dem auch die PGÖ unter Munther Merai enge Kontakte unterhielt. Doghman fungierte nun nicht mehr als offizieller Leiter, sondern der muslimische Religionslehrer Hani Abdelhalim und der ehemalige PVÖ-Funktionär Osameh Atiq übernahmen das Präsidentenamt. Beteiligt waren auch Al Hajj Salih Tartusi, ebenfalls muslimischer Religionslehrer, und Usama Schumriyah. Sowohl Abdelhalim, Tartusi als auch Schumriyah waren zentrale Akteur*innen, die in dem Bericht der US-Geheimdienste identifiziert wurden. Alle drei sollen laut US-Diensten Hamas-Vertreter sein, die Geld für den militanten Kampf gegen den Staat Israel sammeln.

Während diese Verbindungen bei Tartusi und Schumriyah kaum nachweisbar sind, stellt sich die Situation bei Abdelhalim anders dar. Denn Abdelhalim war nicht nur ein enger politischer und ideologischer Weggefährte Doghmans, wie etwa Fotos mit Doghman bei Spendenveranstaltungen im Jahr 2009 belegen, sondern pflegt auch selbst beste Kontakte in militante Muslimbruderschaftskreise. Dies zeigte unter anderem eine Podiumsdiskussion mit dem ehemals hochrangigen militanten ägyptischen Muslimbruder Kamel al-Helbawy an der Universität Graz im Rahmen einer Veranstaltungsreihe 2005-2008, die vom führenden Vertreter der Liga Kultur, Kamel Mahmoud, und der IGGiÖ unter Anas Shakfeh organisiert wurde. Al-Helbawy galt lange Zeit, auch zum Zeitpunkt der Veranstaltung, als führender Kopf der ägyptischen Muslimbruderschaft. Bemerkenswert an der Vita al-Helbawys ist auch, dass er 1988 als Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft zu Abdallah Azzam nach Peschawar geschickt wurde, um dort den Einfluss der Muslimbruderschaft auf die militante jihadistische Mudschaheddin-Szene der Maktab al-Chadamat um Azzam und Osama bin-Laden zu stärken.

Während lange Zeit weder gegen die Vereine noch gegen die dahinter stehenden Akteure konkrete Beweise für die Weiterleitung von Spenden an indizierte Vereine vorlagen, änderte sich dies im Jahr 2007, da die genannten Wiener Akteure weiterhin im Visier der internationalen Intelligence Community standen und auch das österreichische BVT diesen Personenkreis beobachtete. Im Jahr 2007 ging dann eine Spende von mindestens 40.000 € an das „Al Salah Islamic Committee“, das von einem Mitglied des Politbüros der Hamas, Ahmad al-Kurd, geleitet wird. In der Folge wurden auch die österreichischen Behörden aktiv. Noch 2007 kam es laut Zeit-Bericht zu Hausdurchsuchungen bei Doghman, Abdelhalim und Tartusi. Der Verein löste sich wieder auf – ob es zu Verurteilungen von Abdelhalim, Tartusi, Atiq oder anderen Beteiligten kam, ist unklar. Doghman ging jedoch erneut ungeschoren aus den Ermittlungen hervor. In der Folge scheint er mit zwei weiteren Akteuren, nämlich Bouazizi Tahar und Kamal Hachicho, das KFUP gegründet zu haben, während Osameh Atiq mit Ergün Bilic, dem Funktionär der Islamischen Föderation in Wien (IFW, offizielle Verbandsstruktur von Milli Görüş in Österreich) den Verein Human Help gründete, dem sich diese Recherche zu einem späteren Zeitpunkt noch widmen wird.

Ab Mitte der 2000er Jahre spielte das KFUP eine wichtige politische Rolle innerhalb des pro-palästinensischen Spektrums in Österreich: Es organisierte jährlich kleinere Palästina-Konferenzen analog zur internationalen PEC-Konferenz in Wien, die regelmäßig von hochrangigen Funktionären der Muslimbruderschaft nahestehender Parteien und Organisationen aus dem Maghreb und Europa besucht wurden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die 27. Konferenz im Jahr 2016 zu erwähnen, bei der Scheich Abdel Fattah Moroh, der Gründer der der islamistischen Muslimbruderschaft nahestehenden tunesischen Partei Ennahda, Mohamed al-Yatim, der Vorsitzende der ebenfalls diesen nahestehenden marokkanischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, sowie Dr. Mazen Kahel, der Vorsitzende des von mehreren westlichen Staaten als Terrororganisation gelisteten Comité de Bienfaisance et de Secours aux Palestiniens, als Referenten geladen waren. Aber auch in der Vergangenheit traten fragwürdige Gäste auf der Konferenz auf, so z.B. 2013 der der Muslimbruderschaft nahestehende britische Politiker Dr. Azzam al-Tamimy oder 2018 der Mitbegründer des PRC Dr. Majed Alzeer.

Der islamistische Einschlag der Ereignisse ist angesichts der Akteure des KFUP nicht verwunderlich, da neben Doghman auch Hachicho einschlägige islamistische Töne anschlägt: So teilt Hachicho online Hamas-Propaganda, die heroisch zeigt, wie Hamas-Kämpfer Raketen bauen, bekennt sich zum iranischen Mullah-Regime, verbreitet antisemitische Hassbotschaften, relativiert die Shoah und dämonisiert den Staat Israel. Und auch Bouazizi agiert ähnlich: So finden sich Postings des Hizbollah-Gründers Sobhi al-Tufayli, Bewerbungen islamistischer tunesischer Ennahda-Politiker aus dem direkten Umfeld des Ennahda-Führers Rached Ghannoushi oder eine in Wien abgehaltene Veranstaltung mit Abdel Fattah Moro und einem weiteren Ennahda-Politiker zum Thema Arabischer Frühling in seinem Social-Media-Auftritt. Auch in diesen Fällen wird deutlich, dass für die Akteur*innen des KFUP Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung ohne die Affirmation islamistischer Propaganda und antisemitischer Vernichtungsphantasien kaum denkbar ist.

Ob und wie viele weitere Personen im KFUP aktiv sind, ist nicht bekannt – das KFUP führt jedoch regelmäßig öffentliche Veranstaltungen durch, was angesichts der ideologischen Verstrickungen als höchst problematisch anzusehen ist. So organisiert das KFUP neben den jährlichen Konferenzen auch verschiedenste Panels zu diversen Themen, die thematisch bis hin zur Gefährlichkeit des Covid-19-Virus reichen. Darüber hinaus stellt das KFUP ein wichtiges Zugpferd in der österreichischen pro-palästinensischen Protestlandschaft dar: Nahezu jede öffentliche Protestveranstaltung trägt das Logo der KFUP, man ist untereinander gut vernetzt und bis 2020 finden sich regelmäßig Livestreams von PSÖ-Demonstrationen auf der KFUP-Homepage, wofür vor allem Kamal Hachicho verantwortlich sein dürfte.

Doghman mit türkischem Staatspräsidenten Erdoğan.

Dennoch scheint die KFUP grundsätzlich von Doghman abhängig zu sein: Dieser kann als international bedeutende Figur innerhalb der palästinensischen Diaspora angesehen werden, der Kontakte zu diversen Diaspora-Organisationen in Europa, der Türkei und dem Libanon sowie Verbindungen in die Spitzenpolitik Marokkos, Tunesiens, des Libanon, der Türkei, aber auch von EU-Staaten unterhält. Hervorgehoben seien hier nur zwei Fotos: Das erste ist undatiert, zeigt aber Doghman vor einem Parteigebäude der Saadet Partisi mit zwei namentlich genannten Funktionären. Bei Saadet handelt es sich um jenen Teil der Millî-Görüş-Bewegung, der sich aktiv für eine islamistische parteipolitische Ausrichtung entschied, während der zweite Teil der Bewegung unter Cemaleddin Kaplan in einer Kalifatsbewegung aufging. Das zweite Foto zeigt Doghman mit dem AKP-Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei einer Gewerkschaftsveranstaltung der palästinensischen Diaspora. Doghman brachte seine Freude über die Unterstützung des türkischen Staatspräsidenten für die Organisation des palästinensischen Widerstands zum Ausdruck.

Abdallah Doghmans Sympathie für Millî-Görüş und Erdoğan kommt nicht von ungefähr: Nicht nur aufgrund ideologischer Gemeinsamkeiten zwischen Millî-Görüş und Hamas-nahen Agitatoren oder der aktiven Unterstützung militanter palästinensischer Gruppen durch Erdoğan und Ali Erbaş‘ Diyanet lässt sich ein Naheverhältnis ableiten – denn gerade in Wien und Österreich gab es immer wieder gute Kontakte zwischen Akteur*innen der Muslimbruderschaft, die sich insbesondere im Liga Kultur Verein sammelten, und der IFW, vor allem im Rahmen der Organisation der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Während noch in den 2000er Jahren Akteur*innen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft die religiös-politische Ausrichtung der IGGiÖ prägten, übernahmen in den 2010er Jahren sukzessive Vertreter der IFW die Führung der IGGiÖ. Die Kontakte bestehen aber weiterhin. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Kontakte Doghmans auch hier über die Grenzen Österreichs hinausreichen – denn der Besuch Doghmans bei Millî-Görüş fand offenbar direkt in der Türkei statt, was auf einen direkten Kontakt zu Funktionären des türkischen Staates hindeutet.

Die PJÖ & Rahma. Zwischen KFUP, Antisemitismus und türkischem Nationalismus.

Rede von PJÖ-Funktionär Basel Ayosh am 02. Dezember 2023 auf PSÖ-Demonstration.

Abschließend soll an dieser Stelle noch die Palästinensische Jugend Österreich (PJÖ) angeführt werden, bei der es sich um eine Jugendorganisation handelt, die keinem anderen politischen Dachverband eindeutig zuordenbar ist, innerhalb der aktuellen Mobilisierungen aber eine relevante Stellung einnimmt. Mutmaßlich handelt es sich um einen losen Zusammenhang, der nicht als eingetragenen Verein agiert – lediglich Quasem Alzaharna als ehemaliger Leiter der PJÖ sowie der am 02. Dezember 2023 für die PJÖ als Redner aufgetretene Basel Ayosh lassen sich eindeutig zuzuordnen. Gleichzeitig fällt die PJÖ durch ihre mediale Präsenz und die rege Bewerbung von PSÖ-Veranstaltungen, wie die Nutzung deren Logos auf. Wichtig ist zudem, dass sie aktiv antisemitische Hetze verbreitet: Israel wird so etwa in Social-Media-Postings als Krake symbolisiert, der die türkisch-palästinensische Freedom-Flottilas noch vor ihrer Ankunft vernichtet. Die IDF wird als eine Armee von bestialischen Hunden dargestellt und Israel regelmäßig als Terrorstaat verunglimpft. Immer wieder bewarb die PJÖ auch die Konferenzen der KFUP, an denen – wie bereits dargestellt wurde – namhafte Akteur*innen der Muslimbrudscherschaft und deren Umfeld partizipieren. Wie auch das KFUP verbreitet die PJÖ zudem vielfach Spendenveranstaltungen des Hilfsvereins Rahma, der sich als humanitäre Hilfsorganisation von für in Not geratene muslimische Communitys in Afrika und Asien einsetzt und eine Zweigstelle in Istanbul betreibt.

Der Verein Rahma weist dabei Verbindungen zum Umfeld der KFUP und auch der PGÖ auf. So fungiert der ehemalige PGÖ- und PHV-Funktionär Osameh Atiq als Kassier und war vor einiger Zeit auch Vorsitzender des Vereins. Der PGÖ-Funktionär Hermas Hermas fungiert als stellvertretender Kassier, Hassan Taher als Geschäftsführer, Ömer Batur als Stellvertreter und Ayse Akay als Schriftführerin. Darüber hinaus gibt es Verbindungen von Rahma in islamistische Kreise: So wird in den 2010er-Jahren  regelmäßig mit der Jugend der Kulturliga, der Jugendorganisation des österreichischen Zentralverbandes der Muslimbruderschaft, zusammengearbeitet, um Spendenaufrufe zu bewerben. Mit Osameh Atiq findet sich zudem ein Abdallah Doghman nahestehender Akteur im Verein, der dem Spektrum der Hamas-Unterstützer zuzuordnen ist. Auch zu türkisch-turanistischen Vereinigungen unterhält Rahma rege Beziehungen: So organisierte sie gemeinsam mit der Avrupa Türk Konfederasyon (ATK), die als transnationaler europäischer Dachverband der faschistischen MHP auftritt, und der Avusturya Türk Federasyon (ATF), dem österreichischen Dachverband der turanistischen Ülkücü-Bewegung („Graue Wölfe“), der auch über einen eigenen Moscheeverein bzw. Moscheenverband verfügt, dem 29 Moscheevereine in Österreich angehören, ein gemeinnütziges Fußballturnier auf der Wiener Donauinsel, bei dem Geld-, Kleider- und Lebensmittelspenden gesammelt werden sollten.

Zu der Kleidersammlung auf der Donauinsel hatte auch eine weitere Akteur*in des pro-palästinensischen Spektrums aufgerufen. Es handelt sich um Hanife Adaa, Vorständin von Yetis Bacim Dernegi, einem Verein, der Frauen aus Gewaltbeziehungen helfen soll. Adaa vertritt sowohl privat, als auch mit ihrem Verein regelmäßig undifferenzierte pro-palästinensische, wie auch türkisch-nationalistische Positionen und kooperierte mehrfach mit Rahma. So posierte sie etwa bei einer Veranstaltung des AKP-Lobbyvereins UID, glorifizierte den türkisch gestützten Einmarsch Aserbaidschans in Bergkarabach, nimmt an Empfängen der türkischen Botschaft in Wien teil und verbreitet Propaganda von Erdoğans Leibarzt und parteilosem Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Auch bei Demonstrationen der PSÖ war Adaa anwesend, trug Hochtransparente und scheute sich nicht davor zurück, ihren Verein für die Propaganda zu instrumentalisieren.

Die linke Querfront. AIK, RKOB/RCIT, APC und der Kampf gegen den westlichen Imperialismus.

Als sich der Dachverband Palästina Solidarität Österreich im Jahre 2019 in den Räumlichkeiten der PGÖ/PÄAV in der Kegelgasse 25 gründete, waren linke, antiimperialistische Gruppierungen aus Wien erwartungsgemäß rege daran beteiligt. Lokal bekannte, aber darüber hinaus realpolitisch und innerhalb der organisierten Linken irrelevante Funktionär*innen antiimperialistischer Kleinstgruppen, die vor allem durch politische Kooperationen mit islamistischen, meist der Muslimbruderschaft nahestehenden Vereinen und rechtsextremen Akteur*innen, sowie ihrem vulgärmarxistischen Antisemitismus aufgefallen waren, reihten sich in die PSÖ ein und agieren bis heute als primäre Ansprechpersonen des Dachverbands.

Als Kopf der PSÖ tritt zumindest legalistisch der 1969 in Graz geborene Wilhelm Langthaler auf, der Leiter der Antiimperialistischen Koordination (AIK) sowie führender Publizist des zur AIK zugehörigen Magazins Intifada ist.  Blickt man in der Hierarchie der PSÖ etwas weiter nach unten, so finden sich weitere Aktivist*innen der Antiimperialistischen Koordination, der Revolutionär-Kommunistischen Organisation für Befreiung (RKOB) um Michael Pröbsting, der Steirischen Friedensplattform, Personen, die BDS Austria zugerechnet werden können und ein weniger bekannter und in dieser Recherche nachrangig behandelter Aktivist aus dem Umfeld der Jungen Linken und der KPÖ Salzburg, die alle als Ansprechpersonen für die regionalen Ableger der PSÖ agieren.

So unterschiedlich die politischen Positionen der genannten Organisationen auch sein mögen, so eint sie doch ein reduktionistisches und manichäisches Weltbild, das in der Feindbestimmung eines westlichen und von den USA dominierten Imperialismus kulminiert, der die Völker dieser Erde unterdrücken würde und daher bekämpft werden müsse. Unter Berufung auf Lenin, geht man davon aus, dass der „siegreiche Sozialismus […] nicht nur vollständige Gleichberechtigung der Nationen realisieren, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Nationen durchführen, das heißt das Recht auf freie politische Abtrennung anerkennen [muss].“ Die dabei entstehende Verschiebung der Analyse des kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisses als widerspruchsvolle Klassengesellschaft zu einer Geschichte des Kampfes zwischen imperialistischen (moralisiert böse) und als unterdrückt wahrgenommenen (moralisiert guten) Völkern, kritisierte auch Olaf Kistenmacher rezent in der Jungle World: „Das Grundproblem des klassischen Antiimperialismus besteht darin, dass er vornehmlich Nationalstaaten oder Volksgruppen kennt“, und weiter: „1920 einigte sich die Kommunistische Internationale auf seine Forderung, sich nicht nur mit dem Proletariat in jedem Land zu solidarisieren, sondern auch mit ‚unterdrückten Völkern‘. Dass nationale Bewegungen gegen ‚den Imperialismus‘ kämpfen, sollte ausreichen, um sie als Bündnispartnerinnen zu akzeptieren – ganz egal, ob sie ansonsten eine linke Politik verfolgten.“ Aus dieser Widerstandslogik heraus solidarisieren sich diese Gruppen somit häufig mit antikolonialen und um nationale unabhängig bemühte Organisationen, unabhängig deren weltanschaulichen Orientierung und Ausrichtung.

AIK und APC. Rigoroser Antizionismus, Rechtsextremismus und Volkssolidarität.

Und so verwundert es nicht, dass AIK oder RKOB/RCIT auch politische Islamisten, salafistische Dschihadisten und islamistisch regierte Staaten zu ihren Verbündeten erklären und sich dazu hinreißen lassen, verheerende Terroranschläge wie den 11. September 2001 zu antiimperialistischen Widerstandsakten zu verklären. Gegen den überhistorischen „Hauptfeind der Völker“ (AIK), den US-Imperialismus und seine Agenten, ist schließlich alles erlaubt, was den imperialistischen Block als „verwundbar“ markiert. Ob es sich dabei um Terrorakte des salafistischen Dschihadismus handelt, wie sie im Afghanistan der 1980er-Jahre zu beobachten waren, um Anschläge der von eliminatorischen Antisemitismus geprägten al-Qaida oder um die gezielte Tötung von Zivilist*innen durch islamistische Organisationen im Nahen Osten, die mit Terrorkampagnen gegen Israel agitieren, ist zweitrangig – der Zweck ist sakrosankt, die gewählten Mittel sind zweitrangig. Der Staat Israel spielt in diesem dichotomen Weltbild der AIK eine zentrale Rolle: Denn Israel wird als geopolitischer Stellvertreterstaat („Brückenkopf“) des US-Imperialismus, der europäischen Staatengemeinschaft und der NATO betrachtet, der gezielt militärisch hochgerüstet und mit Atomwaffen ausgestattet wird, um die revolutionäre nahöstliche Welt des Trikonts in Schach zu halten und die politische Großwetterlage bzw. die Raumverhältnisse zugunsten des Amerikanismus zu stabilisieren.

Diese angenommene Stellvertreterfunktion erklärt sich für die AIK grundsätzlich aus der historischen Ausprägung des Zionismus selbst: Dieser sei die „historisch offensichtlich […] falsche Antwort“ gewesen, da „diese politische Ideologie von Anfang an Ausgrenzung, Rassismus und Rechtfertigungsideologien des europäischen Kolonialismus auf vielfältige Weise übernommen“ habe. Hier findet sich das für antiimperialistische Organisationen charakteristische Argumentationsmuster, das den Zionismus als direktes Nachfolgeprojekt des europäischen Kolonialismus begreift. So sei auch die Kernannahme des Zionismus, „die Antwort auf den Antisemitismus müsse ein eigener Nationalstaat sein“ falsch gewesen – eine durchaus bemerkenswerte Feststellung vor dem Hintergrund, dass man jedem unterdrückten Volk einen staatlichen organisierten Raum zugesteht. Doch offenbar gilt dies für Jüdinnen*Juden nicht – ein mustergültiges Beispiel für den projektiven Charakter im Umgang mit dem Staat Israel, den der jüdische Widerstandskämpfer und Auschwitz-Überlebende Jean Améry prägnant als „die Aktualisierung des uralten, offensichtlich unausrottbaren, ganz und gar irrationalen Judenhasses von eh und je“ erfasste. Verhärtet hätte sich Israels Funktion als Brückenkopf-Kolonialstaat ferner durch die Staatsgründung 1948: „Die Staatsgründung [Israels, Anm. d. Verf.] hat im Übrigen viel mit den Interessen der europäischen Kolonialstaaten und all derjenigen Staaten zu tun, die sich den Verfolgten gegenüber verschlossen, und kaum etwas mit Schutz und Hilfe.“ Eine dreiste Verdrehung geschichtlicher Tatsachen, die den ideologischen Gestus enthüllt – der antikoloniale Kampf von Jüdinnen*Juden auf dem Gebiet des heutigen Israel um Selbstbestimmung und Sicherheit gegen Großbritannien wird weggeleugnet und just die Rolle der europäischen Kolonialmächte, allen voran Großbritanniens, beinahe in ihr historisches Gegenteil verdreht.

Die Konsequenzen dieser Weltsicht sind freilich gravierend: Wenn Israel als böser Unterdrücker in Erscheinung tritt, der die arabischen Völker an der Kandare hält, dann gilt das Recht auf Widerstand. Denn das stehe jedem unterdrückten Volk von Natur aus zu – und wenn, so die AIK, „friedliche Mittel nichts erreichen, hat eine unterdrückte Nation allerdings auch das Recht, den Befreiungskampf bewaffnet zu führen.“ Damit erklärt sich auch die menschenverachtende Erklärung, die das AIK-Magazin Intifada zum 7. Oktober veröffentlichte: „Der palästinensische Widerstand hat in der Nacht auf heute, dem Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges, den größten Angriff seit Jahren gegen die israelische Besatzungsmacht geführt.“ Einen besonders bitteren Beigeschmack bekommt dieses Zitat noch durch ein weiteres, das wiederum von der menschenverachtenden Doppelmoral im Umgang mit Israel, israelischem und jüdischem Leben zeugt – offenbar müssen dort nicht einmal mehr völkerrechtliche Standards eingehalten werden, Gnade vor Recht wird der Zivilbevölkerung verweigert. So steht es in der allgemeinen Grundsatzerklärung der AIK, die auch als Terrorverherrlichung bewertet werden kann: Der bewaffnete Kampf gegen die Repressionsorgane der Unterdrücker muss sich allerdings an die Regeln des Völkerrechts halten. Ist dies nicht der Fall oder halten sich einzelne Akteure des Widerstands nicht an diese Regeln, so erschwert dies die Solidarität, darf aber nicht die grundsätzliche Beurteilung eines kolonialen Konflikts ändern. Terror gegen Zivilbevölkerung lehnen wir klar und eindeutig ab [Hervorhebungen durch die Verf.]“. In Bezug auf Israel fällt die AIK dabei weit hinter ihre eigenen Ansprüche zurück.

Getragen wird die AIK von einer kleinen, eingeschworenen Gruppe sektiererischer Aktivist*innen, die relational zur österreichischen Linken betrachtet verschwindend klein ist und sich auf die Arbeit weniger engagierter Akteur*innen beschränkt. Neben Langthaler, zählen dazu u. a. die PFLP-nahen Leitungspersonen des Arabischen Palästina Clubs (APC) Mohamed Aburous und Malak Bastoni, die als zentrale Annmelder*innen der abendlichen Sonntagskundgebungen in der Wiener Innenstadt fungier(t)en, der tunesische „Linksoppositionelle“ Imad Garbaya, der österreichische Antiimperialist Martin M. Weinberger, der nicht weiter einordenbare Julian al Jafaari, die bekannten antizionistischen Publizist*innen Leo Xavier Gabriel und Hannes Hofbauer sowie die maoistischen Historikerinnen Andrea Komlosy und Irina Vana. Zentrale Aktivitäten der AIK erstrecken sich dabei weitgehend auf die Organisation von antiamerikanistischen und antisemitischen Veranstaltungen, die auf Solidaritätsbekundungen mit unterschiedlichen unterdrückten Völkern und Volksgruppen abzielen. Darunter finden sich Solidarität mit Russland und den Volksrepubliken im Donbass, Leugnung des Genozids von Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen unter Radovan Karadžić, Solidarität mit dem Kriegsverbrecher Karadžić während seines Prozesses in Den Haag, einschließlich der Vergleiche des Internationalen Gerichtshofs mit der NS-Justiz, Solidaritätsbekundungen mit dem serbischen Volk im Rahmen der jugoslawisch-österreichischen Solidaritätsbewegung, Zusammenarbeit mit dem faschistischen Suworow-Institut und dem Nationalbolschewisten Patrick Poppel, Solidaritätsbekundungen mit dem iranischen Regime und volle Unterstützung des palästinensischen „Widerstands“.

Dass man dabei nicht nur vor russischen oder serbischen Nationalist*innen oder Islamist*innen nicht zurückschreckte, sondern auch aktiv mit rechtsextremen Akteur*innen und Gruppierungen kooperierte, zeigen zwei Episoden aus den 2000er Jahren. So unterzeichneten Langthaler und Weinberger 2003 gemeinsam mit französischen Holocaustleugner*innen und italienischen Neofaschist*innen eine Unterstützungserklärung für den „irakischen Widerstand“ gegen den US-Imperialismus. Im Jahr 2007 ging man noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit AfP-Nachwuchskadern, namentlich Martin Sellner und Norbert Bichelhuber, und Helmut Müller, Chefredakteur des rechtsextremen Eckartboten (der in der ÖLM samt Veranstaltungssaal beheimatet ist), organisierten Langthaler und RKOB-Chef Pröbsting eine Solidaritätskundgebung mit dem iranischen Atomwaffenprogramm. Anlass war eine Kundgebung der jüdischen Gemeinde Wiens gegen ebendieses Programm. Wichtig ist hier die Analyse der ideologischen Schnittmengen zwischen islamistischen Akteur*innen und Neonazis, aber auch mit dem linken Antiimperialismus: Oft werden bei ersterem Männerbündelei und Antifeminismus als zentrale Merkmale hervorgehoben, dabei aber jener Faktor übersehen, der auch den schnellen Brückenschlag ins antiimperialistische Milieu ermöglicht (und auf den Volker Weiss bereits ausführlich hingewiesen hat) – nämlich die an Carl Schmitt orientierte Annahme einer imperialistischen „Großraumordnung“ der Welt unter der Ägide des Amerikanismus und des Westens. Diese negierten – mit Schmitt – das seit der „Monroe-Doktrin“ historisch etablierte Gebot, als politisch raumfremde Macht auf fremdem Boden zu intervenieren (zugunsten von Machtgewinn, Ausweitung der politischen Einflusssphäre, Erschließung von Rohstoffquellen usw.).

In der Kritik an Dekadenz, männlicher Verweichlichung, dem Aufstieg von Feminismus und Queerfeminismus, moralischem Verfall, Seinsvergessenheit und der Zerstörung von Heimat und Tradition wenden sich die drei Akteure damit gegen den Westen und den Amerikanismus und sagen – in durchaus unterschiedlichen Theorietraditionen – der amerikanistischen „Homogenisierung“ aller Menschen den Kampf an. Sie alle eint die Sehnsucht nach dem „defensiv-autochthonen Verteidiger der Heimat“, wie Carl Schmitt diesen in seiner Partisanentheorie ausgearbeitet hat. Die vulgärpersonalisierende Elitenkritik, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht als historische Entfaltung der kapitalistischen Warenlogik zu ihrem allgemeinen Begriff in Form kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse begreift, sondern als Verschwörung gieriger Großkapitalisten, kann als strukturell antisemitisch angesehen werden, die auch immer wieder in offenen Antisemitismus umschlägt. Damit wird auch deutlich, wie Antisemitismus und antisemitisch aufgeladener Antiamerikanismus zur Bündnisbildung über politische Lagergrenzen hinweg führen und eine negative Sinnstiftungsfunktion erfüllen.

Langthaler war und ist nicht der einzige AIK- bzw. AIK-nahe Akteur, der durch direkte Kontakte ins rechtsextreme Milieu auffällt – auch der langjährige antiimperialistische Aktivist, Verleger und Publizist Hannes Hofbauer pflegt enge Kontakte ins nationalbolschewistische und verschwörungsideologische Spektrum und ist zudem Anhänger der Wagenknecht-Linken. So veröffentlichte Hofbauer 1994 gemeinsam mit dem heutigen Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer ein Pamphlet zum „Krisenherd Europa“, war zuvor in der Redaktion der direkt von Muammar al-Gaddafi finanzierten MOZ tätig, arbeitete später für den russischen Propagandasender RT und trat mehrfach bei Ken Jebsens Sender Ken FM auf. Für besonderes Aufsehen sorgte Hofbauer, als er 2005 als Geschäftsführer des Wiener Promedia-Verlags die wüste antisemitische Hetzschrift Blumen aus Galiäa von Jören Jermas alias Israel Shamir veröffentlichte. Darüber hinaus vertritt Hofbauer in Anlehnung an Elsässer einen offensiven antisemitischen Antiamerikanismus und folgt dieser Linie auch in seiner Palästina-Position.

Hofbauer bei Rede auf PSÖ Kundgebung am 14. Oktober 2023 in Wien, Favoriten.

Wohl auch deshalb ist Hofbauer ein gern gesehener Gast bei Kundgebungen und Demonstrationen der Palästina Solidarität Österreich oder bei Veranstaltungen des pro-palästinensischen Milieus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Überschneidung mit dem Corona-Demonstrationsmilieu: Wie Langthaler publiziert Hofbauer regelmäßig im verschwörungsideologischen Medium TKP, wobei es sich zumeist um Putin-affine, NATO-kritische und die Neutralität Österreichs betreffende Artikel handelt. Bezeichnend ist auch, dass Hofbauer mit der AIK-Aktivistin und Historikerin Andrea Komlosy liiert ist. Die Maoistin Komlosy ist für ihren israelbezogenen Antisemitismus bekannt: sie bezeichnete Israel mehrfach als NATO-Brückenkopf, der nur aufgrund der Shoah Legitimität besitze, denn „eigentlich“ sei Israel ein „Fremdkörper“ in der Region. Zudem stellte Komlosy die Staatsgründung Israels in eine Reihe mit der Judenvernichtung des Hitler-Regimes und postulierte, dass mit dem Staat Israel Hitlers Pläne langfristig aufgegangen seien.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Politikwissenschaftler Gabriel: Der sich als Südamerika-Spezialist ausgebende Publizist gilt als glühender Anhänger des Saddam-Ba’athismus und tritt regelmäßig für die Errichtung eines ausschließlich arabisch-palästinensischen Staates „zwischen Jordan und Mittelmeer“ ein. Ebenso ist er ein gern gesehener Gast bei Veranstaltungen der Palästina Solidarität Österreich, wo er sich nicht scheut, seinen israelbezogenen antisemitischen Forderungen öffentlich Nachdruck zu verleihen. Im Jahr 2008 nahm Gabriel an einer antizionistischen Konferenz in Beirut teil, bei der auch hochrangige Vertreter von Hizbollah und Hamas anwesend waren und die Al-Aqsa-Intifada verherrlicht wurde. Wahlweise tritt Gabriel auch als Redner bei Veranstaltungen der PSÖ auf: Dort glorifizierte er u.a. den Terrorangriff der Hamas als Widerstandsakt des palästinensischen Volkes, identifizierte die Bevölkerung von Gaza mit dem Hamas-Terror und der Hamas selbst, rief mehrfach die Parole „from the river to the sea“ und forderte ein Ende des deutsch-österreichischen „Schuldbewusstseins“.

Martin Weinberger ist weniger publizistisch als vielmehr als Aktivist auf der Straße aktiv. Zwar finden sich einige Artikel von ihm auf dem Intifada-Portal, doch hat er es im Gegensatz zu den Vorgenannten nicht zu szeneübergreifender Bekanntheit gebracht. Dennoch ist ein Artikel erwähnenswert, in dem Weinberger nur knapp daran vorbeischrammt, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zu feiern. Dort hätte nämlich „das US-Imperium […] eine gewaltige Niederlage erlitten und die Aufständischen […] einen großen, einen schnellen Sieg [errungen] – ohne Rückhalt breiter Bevölkerungsschichten wäre das nicht möglich gewesen“, konstatiert Weinberger dazu. Auffallend ist auch hier, dass Weinberger den Einmarsch der UdSSR mit keinem Wort erwähnt – es habe zwar seit 1978 Krieg gegeben, aber der „eigentliche“ Krieg habe begonnen, als sich die USA als „Weltpolizist“ sahen und sich als führende Weltmacht etablieren wollten. Und auch Weinberger kommt nicht umhin, den islamisch-erzkonservativen Stammesstrukturen, aber auch den islamistischen Milizen seine Solidarität auszusprechen: „Es ist im Westen leicht, mit dem Finger auf das ‚wilde‘, ‚rückständige‘, ‚patriarchalische‘ Stammes-Afghanistan zu zeigen – wenn diese Strukturen vielfach die einzigen sind, die der Bevölkerung Versorgung und Schutz zu bieten vermögen. Es ist leicht, den konservativen Islam der Taliban zu kritisieren, wenn deren religiös legitimiertes Gesetz an vielen Orten das einzige Rechtssystem bietet“.

Weinberger mit Langthaler und al Jaafari bei PSÖ-Kundgebung.

Weinbergers Logik ist fatal – wenn es in den entlegenen Randgebieten Afghanistans kein Rechtssystem außer der Schari’a gibt, dann muss eben die Schari’a für Ordnung sorgen. Und auch das Bekenntnis zu den Stammesstrukturen gibt wesentliche Aufschlüsse über Weinbergers politische Orientierung: Zwar finden sich in ihren Reihen auch Mudschaheddin, die gegen die Taliban agieren und versuchen, das Land zu halten, aber zweifellos auch solche, die – wie übrigens auch im Jemen – islamistischen Akteuren à la Al-Qaida oder den Taliban bereitwillig Deckung und Schutz bieten. Dass es für Weinberger undenkbar erscheint, Solidarität etwa mit Frauenrechtlerinnen und politischen Frauengruppen zu zeigen, ist bezeichnend für das tagespolitische Handeln von AIK-Vertretern, denen die Unterstützung von Feinden Israels und der USA gleich welcher Couleur wichtiger ist als die von echten emanzipatorischen Kräften. Weinberger ist dabei nicht nur ideologisch, sondern gerade in seiner Funktion als Aktivist und Kernakteur sowohl der AIK als auch der PSÖ zu sehen – er ist regelmäßig bei öffentlichen Auftritten präsent, ließ sich sogar aus Protest gemeinsam mit Langthaler kurzzeitig festnehmen und erkennungsdienstlich behandeln, als eine Kundgebung der PSÖ im Wiener Vogelweidpark wegen Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ polizeilich verboten wurde.

Dass durchaus reaktionäre Positionen, solange sie nur irgendwie antiamerikanisch klingen, in der AIK eher die Norm als die Abweichung darstellen, zeigt auch der tunesische Linksoppositionelle Imad Garbaya. 2020 vertrat er die kuriose Ansicht, dass der aktuelle tunesische Präsident Kais Saied, der zu diesem Zeitpunkt gerade das Parlament mehr oder weniger ausgeschaltet hatte, als progressiv zu bewerten sei, da er gegen die herrschende Korruption vorgehe. Was viele Tunesier*innen vor Ort befürchten ließ, dass damit alle Errungenschaften des Arabischen Frühlings zunichte gemacht würden, beunruhigte Garbaya kaum. Auch zu Saieds „sozialen“ Positionen konnte und wollte er sich nicht äußern, da diese angeblich „nicht bekannt“ seien – dass dies nicht stimmt, zeigen öffentliche Äußerungen Saieds, die sich gezielt gegen die Gleichberechtigung der Frau wie auch gegen jede Form diplomatischer Normalisierungsprozesse mit Israel richteten. Und obwohl sich Garbaya zumindest gegen die rechtsislamistische Ennahda-Partei ausspricht, verherrlicht er den islamistischen Terror gegen Israel: So sprach er auf Kundgebungen der PSÖ von der „längsten Besatzung des 20./21. Jahrhunderts“, die seit über 70 Jahren andauere „und die einzige Besatzung [sei], wo, wenn das Volk Widerstand leistet, [dies] als Terror bezeichnet wird“. Garbaya erklärt auch das „palästinensische Volk“ als „an der Front des Kampfes des globalen Südens“ stehend, das „ganz normalen Widerstand“ leiste. Es leide jedoch besonders unter der westlichen, imperialistischen Propaganda, da jede politische Handlung, „auch die Demonstrationen in Jerusalem, in al Quds, […] als Terror bezeichnet“ werde.

Garbaya auf untersagter PSÖ-Kundgebung in Wien, Rudolfsheim.

Abschließend soll im Rahmen der Darstellung der AIK auf Mohamed Aburous und Malak Bastoni eingegangen werden, die die führenden Köpfe der APC sind. Die APC ist personell eine kleine Organisation, die nur über einen bescheidenen Facebook-Auftritt verfügt. Aburous publiziert jedoch regelmäßig in der Intifada, tritt als Redner für den AIK-Ableger Selbstbestimmt Österreich auf, agiert gemeinsam mit Bastoni häufig in organisatorischer Funktion bei Demonstrationen der PSÖ und tritt als Anmelder für die sonntäglichen Kundgebungen des APC in der Wiener Innenstadt auf. Aburous, der ideologisch wohl auch dem antiamerikanistischen Antiimperialismus zuzurechnen ist, etablierte u.a. nach dem Verbot des Slogans „from the river to the sea“ den ideologisch wesentlich eindeutigeren Slogan „Vom Jordan zum Mittelmeer, keinen Zionismus mehr“ – ein Slogan, der gewissermaßen als Leitbild für die politische Rhetorik und Aktivität von Aburous und Bastoni zu verstehen ist. So zierte die antisemitische Terroristin Leila Khaled Transparente der APC oder plakative Parolen à la „Zionismus ist Faschismus“. Ein anderes Mal bezeichnete Aburous den Einmarsch der Hamas als legitime „Demütigung“ der israelischen Armee, die sich nun mit gezielten Massakern an der palästinensischen Bevölkerung rächen wolle, um gnadenlos „Blutrache zu nehmen“ und „um das Abschreckungsmonopol des Westens mit aller Gewalt wiederherzustellen“.

Die Steirische Friedensplattform. Relativierung von Antisemitismus und Terrorapologie.

Die AIK ist jedoch – wie bereits angekündigt – nicht der einzige Akteur des antiimperialistischen Spektrums, der sich organisatorisch und ideologisch in die pro-palästinensische Mobilisierung und Debatte einbringt. Ein weiterer Akteur, der sowohl personell als auch ideologisch der AIK nahesteht, ist die Steirische Friedensplattform (StFP), die mehr oder weniger im Alleingang von Franz Sölkner geführt wird. Sölkner selbst entstammt der ökumenisch offenen christlich-sozialen Organisation Pax Christi und ist in der Vergangenheit als Tier-, Umwelt- und Friedensaktivist in Erscheinung getreten – die Praxis der StFP zielt dabei vor allem auf den Israel-Palästina-Konflikt bzw. dessen einseitige Lösung zugunsten eines wie auch immer gearteten freien Palästina ab. Ideologisch sieht sich Sölkner von einem „Erweckungserlebnis“ geleitet: Bis 1974 sei er israelsolidarisch gewesen, sagt er, doch nach einem Besuch in Israel und Palästina habe er die bittere Realität vor Ort erst richtig begriffen. Nach dem Oslo-Friedensprozess 1993 habe er dann begonnen, sich für Palästina einzusetzen.

Als zentralen Angriffspunkt seines politischen Handelns sieht Sölkner den Kampf gegen die Instrumentalisierung des „realen“ westlichen Antisemitismus durch den israelischen Zionismus, der ersteren nur instrumentalisiere, um mehr jüdische Personen in Israel anzusiedeln. Der Zweck liegt für Sölkner offen zutage: den Siedlerkolonialismus zur Unterdrückung der Palästinenser*innen zu stützen und auszubauen. Die Landnahme Israels erinnert Sölkner an jenes Regime, das in Europa für die Shoah verantwortlich war – eine für das Milieu typische Umdeutung, wird doch der Zionismus geschichtsrevisionistisch als direkter Nachfolger des europäischen Kolonialismus und als Vermächtnis des Nationalsozialismus gesehen. Auch Sölkner sieht Antisemitismus in den meisten Fällen als reines Herrschaftsinstrument des israelischen Staates, um vermeintliche Kritiker*innen zu delegitimieren – auch dieser Argumentation ist hinlänglich bekannt. In ähnlicher Manier meinte beispielsweise ein englischsprachiger jüdischer Antizionist am 9. Dezember 2023 in Wien am Herbert Karajan-Platz, dass es zweifellos antisemitisch sei, wenn Burschenschaften den Akademikerball abhalten, aber ganz sicher nicht antisemitisch, sich für den palästinensischen „Widerstand“ einzusetzen.

Sölkner bei AIK-Kundgebung im Wiener Prater.

Wenig verwunderlich ist es daher, dass Sölkner selbst immer wieder als Gastautor der Intifada in Erscheinung trat – umgekehrt publizierte auch Langthaler im Online-Outlet der StFP: Von besonderer Bedeutung ist vor allem ein Artikel über den in Graz-Karlau zu lebenslanger Haft verurteilten Hamas-Aktivisten Abdelkarim Mohammed Abu Habel. Dieser hatte in der Justizanstalt Graz-Karlau unter anderem Kontakt zu Lorenz K., einem österreichischen IS-Dschihadisten, der von den Behörden bei dem Versuch festgenommen worden war, einen zwölfjährigen Jungen mit einem Selbstmordattentat in Ludwigshafen zu beauftragen und selbst einen Sprengstoffanschlag auf die US-Air Base Ramstein zu verüben. Nachdem K. aufgrund von Terrorplanungen, die er in der Haft mit dem georgischen IS-Terroristen Sergo P. getroffen hatte, in die Justizanstalt Krems Stein überstellt worden war, traf er Abu Habel in der Justizanstalt Karlau. K. übermittelte Abu Habel Bombenbauanleitungen, die dieser an Hamas-Sympathisanten im Westjordanland weiterzugeben versuchte. Für Langthaler und die StFP sind die ganz konkreten Tatsachen und Drohungen, die auf eine ausgeprägte Verbindung Abu Habels zur dschihadistischen Terrorszene hindeuten, jedoch nichts anderes als „Kolonialjustiz“. Besonders unglaubwürdig sei der ganze Fall vor allem deshalb, weil Abu Habel bereits im Alter von 14 Jahren von einem israelischen Gericht wegen Terrorunterstützung verurteilt worden sei – was zeige, dass auch die österreichische Justiz völlig von der israelischen vereinnahmt sei, weshalb es angezeigt sei, das Urteil wegen Befangenheit abzulehnen. Dass in der Zelle von Abu Habel auch Elektronikteile und Patronen gefunden wurden und der IS-Jihadist K. Abu Habel ein Handy besorgt hatte, ist für StFP und Langthaler irrelevant.

Sölkner scheint auch Mitglied des AIK-Ablegers „Selbstbestimmtes Österreich zu sein“.

Realpolitisch spielt die StFP vor allem für das Protestgeschehen in Graz eine wichtige Rolle. Nach Wien finden hier die meisten und am besten besuchten pro-palästinensischen Kundgebungen und Demonstrationen statt. Dabei kommt vor allem Sölkner eine zentrale Rolle zu: Er kann als Vermittler zwischen unterschiedlichen Milieus angesehen werden. So verfügt die StFP über ihre Anbindung an die Friedensbewegung sowohl über Kontakte ins Umfeld der KP/KJ-Graz, zu antisemitisch-antiimperialistischen und geschichtsrevisionistischen Organisationen wie dem Funken, zu christlichen Akteur*innen über Pax Christi und gleichermaßen zu Aktivist*innen der palästinensischen Diaspora und der PSÖ. Sölkner gilt laut AIK-Aussendung auch als Teil des Gründungsgremiums der PSÖ überhaupt, was seine starke Einbindung verdeutlicht. Auffallend ist auch eine weitere Kooperation mit dem wegen Drogenhandels und antisemitischer Hetze verurteilten Rapper und Kampfsportler Yasser Gowayed, der im Internet regelmäßig seine ideologische Nähe zur islamistischen Kalifatsbewegung Hizb ut Tahrir bekundet und Teil der Mobilisierungskampagne Graz4Palestine ist. Auf seine Verstrickungen und Kontakte wird noch näher eingegangen werden. Die StFP und insbesondere Franz Sölkner sowie Helga Suleiman, eine zentrale Aktivistin des steirischen Ablegers der PSÖ, sind aber auch regelmäßig in Wien zu Gast, um dort Reden für das hiesige Demonstrationsgeschehen zu liefern.

Sölkner bei RTV mit Schott und Machl.

Relevant ist auch, dass Sölkner nicht davor zurückschreckt, Kontakte zur verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Szene zu knüpfen, um für seine Sache zu werben: So trat Sölkner am 31. Oktober 2023 gemeinsam mit report24.news-Chef Florian Machl bei Nicolas Schotts Sender RTV auf. Schott ist mit seinem Regionalsender RTV seit einiger Zeit regelmäßiger Gast bei rechtsextremen Veranstaltungen des IB-Spektrums sowie der „alternativen Medien“, zuletzt etwa beim rechtsextremen Treffen der Avanti NeoCultura im Castell Aurora in Steyregg oder bei der rechtsextremen Runde der Chefredakteure alternativer Medien am 7. April 2023 gemeinsam mit Michael Scharfmüller, Florian Machl, Philipp Huemer und Stefan Magnet. Machl betreibt gemeinsam mit Edith Brötzner den Sender report24.news, der in enger Kooperation mit AUF1 eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der Corona-Proteste spielte und gezielt antisemitische und rassistische Verschwörungserzählungen verbreitet. Huemer ist langjähriger Kader der Identitären Bewegung Österreich und fungiert als Chefredakteur des rassistischen Hetzblattes Heimatkurier.

Die RCIT/RKOB: Pro-Islamismus, Militanz und Antisemitismus.

Die RCIT unter der nunmehrigen Leitung des Generalsekretärs Michael Pröbsting ist aus der trotzkistischen Wiener Gruppierung Arbeiterinnenstandpunkt um das Jahr 2011 entstanden, wobei die RCIT eine kleine Splittergruppe darstellt, die – wie Andreas Peham vom DÖW festellt – v. a. von Pröbstings „maßlose[r] Selbstüberschätzung, die ihn im Ausland als relevanten Sprecher relevanter Gruppen erscheinen lassen“, lebt. Neben Pröbsting, der sich selbst auf seiner eigenen Website als „politischen Schriftsteller und Aktivist“ inszeniert, zählen Almedina Gunic und Marek Hangler zur RKOB – als öffentliches Gesicht ist jedoch v. a. Pröbsting selbst präsent. Zu Pröbsting und zur RKOB ist bereits hinlänglich viel bekannt, ihre ideologische Verfassung ist dabei auch von der Politologin Tina Sanders umfassend kritisiert worden. Dennoch seien hier kurz einige besonders gravierende antisemitische bzw. pro-islamistische Vorfälle genannt, um in gebotener Kürze ein Bild der Organisation, v. a. aber von Pröbsting zu malen: Noch als Mitglied des Arbeiter*innenstandpunkts griff er eine Veranstaltung des Café Critique zum iranischen Atomwaffenprogramm mit weiteren Mitgliedern des Arbeiter*innenstandpunkt an, verletzte dabei eine Anwesende tätlich und wurde danach wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.

Pröbsting in der Mitte bei untersagter PSÖ-Kundgebung in Wien, Rudolfsheim.

Nach seinem Ausschluss aus der AST forderte Pröbsting die Wiedereinsetzung des Muslimbruders Mohammed Mursi als regulärer Präsident Ägyptens, solidarisierte sich 2012 öffentlich mit dem Wiener IS-Dschihadisten Mohamed Mahmoud, der zusammen mit dem Deutschen Denis Cuspert (alias Rapper Deso Dogg) die Organisation Millatu Ibrahim gründete, um Mitglieder für den IS zu rekrutieren. Gemeinsam mit Cuspert reiste Mahmoud nach Syrien ins „Kalifat“ des IS und starb im Kampf für den IS. Im Jahr 2014 sorgte ein Jugendfunktionär mit antisemitischer Hetze für Aufsehen: Marc H. forderte auf einer Schüler*innendemo Jugendliche und Kinder der jüdisch-sozialistischen Pfadfindergruppe Hashomer Hatzair auf, die Veranstaltung zu verlassen, da sie „Kindermörder“ und „Faschisten“ seien. Im Jahr 2016 liefen Pröbsting und weitere Mitglieder der RKOB bei einer Bleiberechtsdemonstration in Wien Mariahilf mit einem Transparent mit dem Symbol „R4bia“ – dem internationalen Erkennungszeichen der ägyptischen Muslimbruderschaft, aber auch der weltweiten Muslimbruderschaftsbewegung – auf. Auch danach fanden regelmäßig Kundgebungen der RKOB mit anderen migrantischen Organisationen, die der Muslimbruderschaft nahestehen, statt, bei denen das R4bia-Symbol stets zu sehen war. Ebenfalls 2016 reiste Pröbsting zu einer „antiimperialistischen“ Konferenz nach Beirut, die sich mit Amerikanismus und Israel befasste. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie machte die RKOB dann – wie u.a. auch die AIK – Stimmung gegen die Maßnahmenpakete und marschierte einmal mehr an der Seite von rechtsextremen Gruppierungen und Anhänger*innen diverser antisemitischer Verschwörungserzählungen. Seit dem 7. Oktober ist Pröbsting auf nahezu jeder Kundgebung zu finden, die den Israel-Gaza-Krieg thematisiert – oft scheint Pröbsting auch ein Auto zur Verfügung zu stellen, das als Soundmobil genutzt wird, ebenso häufig tritt er als Redner sowohl bei Kundgebungen der PSÖ als auch der APC auf.

Die GÖAB. Antiimperialistischer Diktatorenkult und Intifada-Glorifizierung.

Ein weiterer seit Jahren wichtiger Akteur im Rahmen diverser pro-palästinensischer Organisationen ist der Antiimperialist Fritz Edlinger, der als Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen tätig ist. Über Edlingers Aktivitäten ist vor allem durch die kritischen Artikel von Karl Pfeifer und Thomas Schmidinger bereits viel bekannt – hier soll nur exemplarisch auf die wichtigsten Erkenntnisse zu Edlinger hingewiesen werden. Mediale Berühmtheit erlangte der ehemalige SP-Vertreter in der Sozialistischen Internationale und als Vertrauter Karl Blechas im Zuge der internationalen Aufdeckung der klandestinen Schmiergeldpolitik des irakischen Diktators Saddam Hussein. Saddam hatte Edlinger nämlich über das nur scheinbar humanitäre Hilfsprogramm Oil for Food über Scheinfirmen privat 100.000 € zukommen lassen. Zuvor hatte sich Edlinger – einmal mehr unter dem Deckmantel des geopolitischen Antiamerikanismus – bemüht, Saddam als fortschrittlichen Widerstandspolitiker darzustellen, da sich das Saddam-Regime schließlich gegen den US-Imperialismus zur Wehr gesetzt habe.

Edlinger bei Rede auf PSÖ-Demonstration am 13. Jänner 2024.

Auch zum Nahostkonflikt bezieht Edlinger spätestens seit 1982 klar Stellung: Israel sei nichts anderes als ein zionistischer Siedlerstaat, dessen politisch-soziales Ziel die Unterdrückung der arabischen Welt sei. 1982 – im Zuge des Libanonkrieges – warf er dem österreichischen Staat vor, „billige und oberflächliche Appelle an das schlechte Gewissen beziehungsweise die Verpflichtung zur Wiedergutmachung an die österreichische […] Bevölkerung” zu richten – ein Diskursstrang, der auch heute immer wieder auftaucht und den Edlinger unter anderem in seiner Rede bei einer Kundgebung der PSÖ am 13. Jänner 2024 am Platz der Menschenrechte einmal mehr präsentierte. Im Jahr 2005 war Edlinger gemeinsam mit Hannes Hofbauer zentral an der Herausgabe der antisemitischen Hetzschrift von Israel Shamir (siehe oben) beteiligt – nach Kritik an der Herausgabe äußerte sich Edlinger dahingehend, dass Antisemitismus in Shamirs Werk „hineininterpretiert“ werde, um Kritik an der Politik Israels zu verunmöglichen.

Edlinger wickelte 2012 über die GÖAB mit dem Bundesheer einen humanitären Einsatz in Libyen ab. © Gunther Putsch

Edlinger ist auch als Journalist, Autor und Kulturmanager tätig, der sich mittlerweile sowohl im Bereich der AIK als auch der palästinensischen Vereine bewegt – seine Publikationen erscheinen gesammelt im Promedia Verlag. Edlinger tritt auch als Redner bei öffentlichen Protestveranstaltungen und als Organisator von Kundgebungen auf. So etwa bei einer Demonstration im Juni 2010, bei der Edlinger und der SP-Politiker Omar al Rawi Reden hielten, während im Publikum Transparente gezeigt wurden, auf denen etwa der Davidstern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt wurde, obskure Vergleiche Israels mit Hitler-Deutschland gezogen und Hamas-Fahnen geschwenkt wurden. Auch im Rahmen der pro-palästinensischen Mobilisierung 2021 trat Edlinger als Organisator in Erscheinung: Die Kundgebung in der Wiener Innenstadt am 21. Mai 2021 wurde jedoch aufgrund der massiven antisemitischen Hetze der vorangegangenen Demonstrationen verboten – zuvor war etwa auf der Mariahilfer Straße „Chaibar, Chaibar, ya yahud, dschaisch Mohammed saya’ud!“ gerufen worden und im Publikum befanden sich neben IS-Sympathisant*innen auch Anhänger*innen der Muslimbruderschaft sowie Vertreter*innen der ATF/ATK.

Edlinger mit PRC-Funktionär Dr. Ali Huweidi bei DaJ-Vortrag.

2021 trat Edlinger bei einer Kundgebung der PSÖ auf, wo er verkündete, Israel und die Israelis seien nichts anderes als brutale Schlächter, die sich nicht für Menschenrechte interessierten und mit Menschen nicht anders umzugehen wüssten, als sie zu unterdrücken. 2022 erklärte er, Palästina habe wie die Ukraine das Recht auf uneingeschränkte Selbstverteidigung und Widerstand und auch bei der aktuellen Mobilisierungswelle der PSÖ ist Edinger regelmäßig zu Gast. Dort attackiert er vor allem die politische Haltung Österreichs zum israelischen Gaza-Krieg und die erodierende Neutralität des österreichischen Staates, die durch die israelsolidarische Haltung zugunsten der Unterstützung des genozidalen kolonialistischen Siedlerstaates Israel völlig verloren gegangen sei. Darüber hinaus betreibt Edlinger seit kurzem ein eigenes Youtube-Format und äußert sich regelmäßig auf dem Verschwörungstheorieportal Nachdenkseiten zu verschiedensten geopolitischen Themen. Relevant ist auch, dass Edlinger 2022 als Organisator des palästinensischen Kanaan Filmfestivals auftrat, das von der Stadt Wien offiziell gefördert wurde.

BDS und Dar al Janub – linker Antisemitismus im scheinbar progressiven Gewand.

Wichtige Akteur*innen der pro-palästinensischen Aufmärsche stellen auch die internationale BDS-Bewegung sowie der – seiner Zeichens nach „antirassistische“ – Verein Dar al Janub (DaJ) dar. Zu beiden Vereinigungen ist bereits viel geschrieben worden, erst kürzlich veröffentlichte die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) einen kurzen Bericht zur Genese von DaJ. Wie im Falle der RKOB wollen wir hier nur zentrale Akteur*innen sowie zentrale Aktivitäten schlaglichtartig erwähnen. Wir behandeln BDS und DaJ gemeinsam, da sich die Akteur*innen stark überschneiden und mit Oliver Farid Hashemizadeh, der sowohl bei BDS als auch bei DaJ zentrale Positionen innehatte und als politisch-ideologisches Zugpferd gilt, eine elementare Schnittmenge besteht.

BDS-Akteur*innen auf PSÖ-Demonstration.

Bislang sind sowohl BDS als auch das DaJ wichtige Akteure pro-palästinensischer Organisierung in Österreich – während das DaJ vor allem ideologische und gemeinschaftsorientierte Arbeit leistet, zeichnet sich BDS durch den Versuch einer populär inszenierten, medienwirksamen und spektakulären Agitation aus: Neben regelmäßigen Kundgebungen gehören auch Flashmobs, sogenannte „Die-Ins“ und Protesttheateraufführungen, die die israelische „Apartheidpolitik“ symbolisieren sollen, sowie Scheinhinrichtungen palästinensischer Geiseln durch israelische Soldat*innen zum Repertoire des österreichischen Ablegers. Dabei ist man stets bemüht, sich als antiimperialistisch-antikapitalistische Grassroots-Initiative zu inszenieren, die sich zivilgesellschaftlich-übergreifend für die Rechte des palästinensischen Volkes einsetzt. Die tatsächliche Geschichte der BDS-Entwicklung weist diese Darstellung allerdings als schlichte ideologische Verzerrung aus: Nicht nur baute man mit der Idee des sozioökonomischen Boykotts Israels sowie israelischer und jüdischer Konzerne auf antisemitische Boykott-Traditionen der Arabischen Liga zwischen 1963 und 1993 auf, unter den unterzeichnenden Organisationen des Gründungsaufrufes des „zivilgesellschaftlichen“ BDS National Committee fanden sich ferner auch sämtliche Terrororganisationen des palästinensischen Raumes (Islamic Jihad, Hamas, PFLP, Fatah und weitere) sowie weitere anti-israelische Kräfte des Nahen Ostens – also eindeutig politisch-militärische Akteure und beileibe keine ziviligesellschaftlichen. Wichtiger Akteur sowohl des DaJ als auch von BDS Austria war und ist bis dato Oliver Farid Hashemizadeh – jener Aktivist, der auch bei Ismail Haniyeh zu Gast war.

Der Anführer des Angriffs auf das Novemberpogromgedenken 2003.

Hashemizadeh war vermutlich bereits Mitglied des Vorgängervereins von DaJ, Sedunia. Sedunia geriet in die Schlagzeilen, als eine Truppe von Vereinsmitgliedern eine Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 2003 störte und tätlich angriff (was u.a. von österreichischen Neonazis wohlwollend aufgenommen wurde). Interessant ist auch, dass der GÖAB-Vorsitzende Fritz Edlinger regelmäßiger Gast bei Sedunia war und diese unterstützte. Das DaJ wurde drei Jahre vor der Auflösung von Sedunia 2003 gegründet, Sedunia selbst war zumindest legalistisch noch bis 2006 aktiv. BDS etablierte sich erst mehr als zehn Jahre nach der Gründung des DaJ als österreichischer Ableger des Palestininian BDS National Committee – auch hier dürfte Hashemizadeh stark involviert gewesen sein. Auf genaue Ausführungen zur ideologischen Positionierung von BDS wird an dieser Stelle verzichtet, da dazu bereits an anderer Stelle ausführlich gearbeitet wurde (exemplarisch sei hier auf die Studie von Feuerherdt und Markl, erschienen 2020, verwiesen), zu DaJ kann auf die oben verlinkte Studie des DPI verwiesen werden.

Im Falle des DaJ sind nur nur zwei Personen eindeutig zuzuordnen, nämlich der Vereinsvorsitzende Peter Leidenmühler sowie Manuel Dede – Leidenmühler galt in den 2000er Jahren zusammen mit Hashemizadeh als Redaktionsleiter der Perspektive Süd, der Vereinszeitung von Sedunia. Diese hatte ihre Redaktionsräumlichkeiten ab 2003 in denenen des DaJ, ferner hostete Sedunia die Webpage des DaJ – die Domain lief damals auf die Sedunia-Aktivistin Sabine Bacher. Wie engmaschig die Kooperation von Sedunia und DaJ ablief, verdeutlicht auch, dass sie gemeinsam Veranstaltungen organisierten und Ausstellungen wie etwa „Aidun – Wir kehren zurück“ kuratierten. Über Dede, den Schriftführer und Finanzreferenten des DaJ, ist nichts weiter bekannt. Gegenteilig verhält es sich im Falle von BDS, das von einigen wenigen Aktivist*innen betrieben wird: Neben Hashemizadeh sind dies Nicole Schöndorfer, Iman Elghonemi, Marco van Jura, Gerhard Summer, Salih Degerli und Mario Motelli (der auch bei DaJ aktiv ist), gute Kontakte bestehen auch zum Gründungsmitglied von Boycott from Within, Ronnie Barkan.

Schöndorfers ideologische Position ist hinlänglich bekannt, auch hier verweisen wir auf die DPI-Studie, wollen aber zugleich eine neue Stufe der Radikalisierung feststellen: Am 16. Dezember postete Schöndorfer vor einem Bild von Lenin die Aussage, dass seine Feinde (in diesem Fall Israel) „ontologically evil“ seien und es gegenüber diesen keine Handlung gäbe, die falsch bzw. moralisch unvertretbar wäre. Israel gilt Schöndorfer als „absoluter“ Feind, der das ontisch Böse verkörpert, gegenüber dem keine noch so grausame Gewalttat ein negatives Werturteil zulässt – man kann hier durchaus von einem Vernichtungsantisemitismus sprechen, der den Staat Israel als das absolut Böse, als das Gegenteil von Sittlichkeit und Moral imaginiert. Auch dieses krude Bild, das historisch auf dem antisemitischen Diskurs vom Judentum als „Gegenrasse“ fußt, macht deutlich, wie tief Schöndorfer bereits in ihrer Radikalisierungsspirale steckt. Dass damit natürlich auch die Terrorakte der Hamas legitimiert und quasi als Notwendigkeit, als Abwehr des Bösen glorifiziert werden, liegt auf der Hand.

Mit ihrem ausgeprägten Pro-Islamismus ist Schöndorfer allerdings nicht allein: Auch der DaJ- und BDS-Aktivist Mario Motelli gibt sich als antiamerikanistischer Antiimperialist, der nahezu jede Gewalttat, die sich gegen die Aktivitäten Israels und der USA richtet, positiv bewertet. So äußerte er noch vor der Eroberung Kabuls durch die Taliban die Hoffnung auf einen baldigen Sieg der Islamisten, verherrlichte Hamas-Kämpfer wie Abu Obaida, zeigte sich verärgert über die Verhaftung eines Militanten des Islamischen Dschihad, postete Bilder des Hamas-Vordenkers Ahmad Yasin und erklärte Ulrike Meinhof kurzerhand zur „Schahid“. Israelsolidarische Linke, die gegen ein Protesttheater von BDS demonstrierten (gespielt wurden Scheinhinrichtungen von Palästinenser*innen durch die IDF), verglich er bildlich mit Reichsführer SS Heinrich Himmler und bezeichnete sie als „Israel-Identitäre“.

Marco van Jura, Gerhard Summer sowie Iman Elghonemi bedienen dagegen etwas weniger offen pro-islamistische Diskurse, agieren aber in typischer BDS-Manier: Alle treten regelmäßig als Redner*innen für BDS Austria auf, Israel wird als rassistischer Apartheidstaat und US-Brückenkopf dargestellt, den es zu blockieren und in seiner Arbeit zu behindern gilt. Dabei wird unter anderem die Hamas als Widerstandsorganisation verklärt und Terror gegen Israel legitimiert. Van Jura postete beispielsweise ein Video, auf dem Jugendliche mit Hamas-Fahnen eine israelische Flagge verbrennen, und machte sich über die europäischen „Snowflakes“ lustig, die sich über diese antiisraelische Hetze aufregen würden, während das Leid der Palästinenser*innen niemanden interessiere. Summer soll auch eine größere Rolle bei der Mobilisierung der PSÖ in Westösterreich spielen: Er ist als Ansprechpartner der PSÖ für Tirol und Vorarlberg gelistet – und scheint dort auch der vornehmliche Agitator und Organisator pro-palästinensischer Aktivitäten zu sein.

Von Relevanz für die Mobilisierung in Wien ist auch der Hamas-nahe Islamist Salih Degerli: Der tritt in der Öffentlichkeit relativ offen islamistisch auf, teilt Botschaften des Hamas-Sprechers Abu Obaida, Propaganda der vom Iran unterstützten jemenitischen Ansar-Allah-Bewegung („Huthi-Rebellen“), militärische Propaganda der Hezbollah zur Aufrüstung des Südlibanon an der Grenze zu Israel und vergleicht liberale Kritik an israelbezogenen Antisemitismus mit der Propaganda Hitler-Deutschlands. Er dürfte sowohl bei BDS als auch DaJ aktiv sein, ferner scheint er auch über einen guten Draht zur PGÖ zur verfügen, trat Degerli doch mindestens einmal als Redner für die PGÖ auf.

Das salafistische Milieu rund um die PSÖ.

Neben verschiedenen palästinensischen Vereinen, der Muslimbruderschaft nahestehenden Akteuren und linken antiimperialistischen Gruppierungen sind jedoch auch salafistisch einzuordnende Personen im Umfeld und bei Veranstaltungen der PSÖ anzutreffen. Ein diesbezüglicher Höhepunkt war zweifellos die Demonstration in Wien am 25. November 2023, bei der mit Wilhelm „Willi“/“Khalid“ Ott und Yasser „El Masry“ Gowayed zwei bekannte und bekennende Islamisten und Gewalttäter Reden hielten. Es war jedoch nicht das einzige Mal, dass islamistisch-salafistische Akteure bei Kundgebungen der PSÖ auftraten: Zu Beginn der pro-palästinensischen Mobilisierungen konnten beispielsweise zwei Männer mit einer kalligrafischen Schahada, die dem Logo der Hizb ut Tahrir ähnelte, beobachtet werden, und auch eine junge Erwachsene, die – mittlerweile verurteilte – IS-Sympathisantin Sarah M. (siehe Instagram-Posting von Kollektiv Negativ), trat bis Jänner 2024 regelmäßig als Ordnerin auf den Kundgebungen der PSÖ auf.

Zentral für die pro-palästinensische Mobilisierung aus dem salafistischen Milieu in Österreich sind zweifellos die beiden Kampfsportler Ott und Gowayed. Über Ott wurde bereits mehrfach berichtet – der wegen schwerster Gewalttaten bereits zu insgesamt zehn Jahren Haft verurteilte Ott wurde im Gefängnis durch Da’wah-Aktivitäten zum muslimischen Konvertiten. Während er einige Zeit in Indonesien lebte und dort Kontakte zu dortigen Salafisten und MCs pflegte, kehrte er 2022/23 aufgrund einer Privatinsolvenz nach Österreich zurück. Nun ist Ott wieder im St. Pöltner Instinct Gym als Headcoach aktiv und betreibt darüber hinaus die Jugendkampfsportveranstaltung Smash Time, die nicht nur wegen des islamistischen Settings, sondern auch wegen der akuten Gewaltverherrlichung als jugendgefährdend einzustufen ist (Mobilisierungsvideos für die unseriöse Veranstaltung zeigen etwa Boxkämpfe von Minderjährigen in Parks, bei denen auf Betonboden im Vollkontakt gekämpft wird).

Erst kürzlich gab Ott bekannt, dass er gemeinsam mit anderen Gläubigen Spenden für den Erwerb eines eigenen Moscheegebäudes in St. Pölten sammelt – ein für die Öffentlichkeit höchst gefährliches Unterfangen, da Ott mittlerweile in die Nähe einschlägiger Prediger der salafistischen DMG Braunschweig gerückt werden kann: So teilt er regelmäßig die TikTok-Predigten des Salafisten Ahmad Armih alias Abul Baraa (zu Armih siehe hier), indoktriniert Jugendliche mit seiner salafistischen Koranauslegung im Instinct Gym (Gebetssitzungen während des Trainings) und bekennt sich öffentlich zur Schari’a als Gegenentwurf zu Demokratie und Rechtsstaat. Dass eine solche Ideologie bei Veranstaltungen der PSÖ unkommentiert hofiert wird, zeugt von der weitgehenden Akzeptanz vieler Akteur*innen gegenüber dem Islamismus und insbesondere dem Salafismus, teilweise dürfte Otts Gedankengut auch auf aktive Zustimmung stoßen. Dass sich daran nicht einmal (queer-)feministische Gruppen stören, muss allerdings obskur erscheinen – Frauenrechte oder gar Rechte für homosexuelle oder queere Menschen duldet Ott in keiner Weise. In seinem Weltbild haben Frauen Hijab und wahlweise Niqab zu tragen und werden privat, beruflich und gesellschaftlich auf die Organisation des häuslichen Bereichs sowie das Kinderkriegen und -erziehen reduziert.

Von besonderer Relevanz ist auch ein Ott sehr nahestehende Rapper und Aktivist: Der gebürtige Ägypter Yasser Gowayed stammt aus der Grazer OK-Szene, in der sich auch Ott zeitweise bewegte (siehe unsere Recherche hier). Yasser trat auch als Rapper in Erscheinung, wo er unter anderem gemeinsam mit dem Rapper Ozman im Song „An meine Brüder“ den Staat Israel wüst beschimpfte, das Judentum als „gottlose Rasse“ bezeichnete, in einem anderen Song „im Jihad sterben will“ und in einem weiteren den Verkauf und Vertrieb von Suchtmitteln verherrlichte. Bereits der Drogenhandel hatte Gowayed ein Jahr Haft eingebracht, weitere elf Monate kamen wegen Verhetzung gegen Israel durch die Texte seiner Rapsongs hinzu – unter anderem berichtete die Grazer Annenpost darüber. Mit dem Terrorangriff der Hamas und dem darauffolgenden Krieg in Gaza wurde Yasser – wie auch Ott – rasch aktiv: Mit Bekannten und Verbündeten gründete er Graz4Palestine und trat als Redner bei PSÖ-Veranstaltungen sowie bei Demonstrationen des Funken Graz auf. Online radikalisiert sich Yasser zusehends: Neben Aufrufen zur Vernichtung des Staates Israel teilt Gowayed vermehrt Posts aus den Outlets der Hizb ut Tahrir, die den Gazakrieg instrumentalisieren und emotional aufladen, um vor allem Jugendliche via Instagram und TikTok für die Kalifatsbewegung zu begeistern sollen.

Auch die Figur Gowayeds passt gut in das manipulative Diskursschema: Wie Ott gibt er sich geläutert, er habe Drogen, Rap und dem lasterhaften, kriminellen Leben den Rücken gekehrt, nun lebe auch er nach den Regeln der Sunna – so suggeriert Gowayeds Auftreten, es sei eine Frage religiöser und moralischer Prinzipien, sich mit aller Kraft für Palästina einzusetzen, den Zionismus, Israel und all seine Bürger*innen radikal zu bekämpfen und auf der Seite der palästinensischen Muslim*innen und der Umma zu stehen. Ob dies auch für Gowayed – wie im Falle der Hizb ut Tahrir – nur ein praktischer und propagandistisch verwertbarer Zwischenschritt auf dem Weg zum globalen Kalifat ist, kann nicht abschließend beantwortet werden. In jedem Fall handelt es sich um einen potenziell gewalttätigen, mehrfach wegen Antisemitismus auffällig gewordenen Akteur mit einem Bekenntnis zu fundamentalistischen Glaubensvorstellungen und einer Nähe zu salafistischen Akteur*innen.

Neben Gowayed und Ott ist zumindest ein weiterer medienwirksamer islamischer Fundamentalist, der unter anderem auch von Ott online beworben wird, regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen der PSÖ und anderer pro-palästinensischer Organisationen zu sehen: der Instgram- und TikTok-Prediger Omar Elattar, der im regulären Berufsleben als Social-Media- und Marketing-Spezialist tätig ist. Elattar hat nach eigenen Angaben einen BA-Abschluss in islamischer Theologie an der Universität Wien und agiert – wie viele andere fundamentalistische oder islamistische Online-Prediger -, indem er Fragen, die User*innen stellen können, beantwortet oder selbst zentrale Konzepte des Islam präsentiert, meist in einer stark fundamentalistischen Auslegung. So empfiehlt er Frauen, den Hijab zu tragen, um ein würdiges und moralisches Leben zu führen, schlägt Kindern, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, ein Gespräch mit einem Imam als Konfliktlösung vor, warnt aber davor, dass Kinder ihren Eltern den Gehorsam verweigern könnten, postet Interviews mit Konvertiten, die den Übertritt zum Islam als Allheilmittel für diverse Schwierigkeiten im eigenen Leben propagieren, bezeichnet den Islam als die einzig wahre Religion und Allah als den einzig wahren Gott oder gibt in Moscheen Seminare zur psychischen Gesundheit auf der Grundlage des Koranstudiums.

Elattar in der zweiten Reihe, 3. v. r.

Von Bedeutung ist zumindest auch eine Moschee, in der Elattar am 20. Dezember 2023 ein Seminar abgehalten hat: Dieses fand nämlich in der Hauptmoschee der IFW, der Mescid-i Aksa Moschee, der österreichischen Sektion der Milli-Görüş-Bewegung, statt. Dies ist nicht verwunderlich, da die IFW durchaus gute Kontakte zu den genannten palästinensischen Vereinen pflegt, wie auch über die IGGiÖ. Darüber hinaus dürfte Elattar auch regelmäßiger Gast bei Info- und Podiumsveranstaltungen aus dem Spektrum der PSÖ, DaJ, BDS sowie der AIK sein, wie Live-Videomitschnitte aus den Veranstaltungsräumen der PSÖ in der Rögergasse, 1090 Wien, zeigen. Dennoch bezieht Elattar jegliche Form politischer Praxis auf seine Auslegung des Korans und eines gottesfürchtigen Lebens: Palästina-Aktivismus steht für Elattar im Zeichen der Umma, also der Gemeinschaft aller Muslim*innen der Welt, alles Handeln ist am Koran orientiert. Dennoch bleibt unklar, ob Elattar als islamistisch oder „nur“ als fundamentalistisch beschrieben werden kann – denn er fordert Muslim*innen durchaus auf, sich in die westliche Industriegesellschaft einzugliedern, Berufe zu erlernen und erfolgreich zu sein, um letztlich als Gläubige Präsenz in der Gesellschaft zu erlangen. Ob diesem Plan in gewisser Weise ein langfristiger Islamisierungsprozess ideologisch zugrunde liegt, ist schwer zu beantworten, aber nicht auszuschließen.

Es muss nicht betont werden, wie gefährlich die Situation einzuschätzen ist, wenn bekennende Antisemiten, Islamisten, Gewalttäter (mit sportlicher Kompetenz im MMA-Bereich) und religiöse Fundamentalisten als ganz zentrale Akteure öffentlicher Veranstaltungen auftreten und dabei auch noch von linken Organisationen hofiert werden. Das Radikalisierungspotenzial, das von Akteuren wie Ott, Gowayed oder Elattar ausgeht, dürfte schon immer hoch gewesen sein, sich aber mit der Zunahme pro-palästinensischer Agitation nach dem 7. Oktober noch vervielfacht haben. Vor allem die Akzeptanz von Gowayed und Ott könnte u.a. dafür sorgen, dass sich gerade islamistische Akteur*innen bei Veranstaltungen u.a. der PSÖ willkommen fühlen und somit ein gezielter Anknüpfungspunkt geschaffen wird: Darauf deutet u.a. die Anbindung der IS-Anhängerin Sarah M. hin, über die u.a. „Kollektiv Negativ“ auf Instagram berichtete. Die junge IS-Anhängerin trat regelmäßig am Lautsprecherwagen der PSÖ sowie als Ordnerin in Graz (im Rahmen von Gowayeds Initiative Graz4Palestina) und Wien auf. Mittlerweile wurde sie laut Eigenaussage allerdings der Demonstrationen verwiesen und aus dem Organisationsteam ausgeschlossen. Aus welchen Gründen das geschehen ist, bleibt unklar.

Sarah M. am Lautsprecherwagen beim Durchgeben von Parolen.

Reichsbürger*innen und Verschwörungsmedien. Hamas-Propaganda, Anti-Amerikanismus und Täter-Opfer-Umkehr.

Die letzte Gruppierung, auf die wir in der vorliegenden Darstellung eingehen wollen, ist eine Hand voll Akteur*innen, die aus dem Reichsbürger*innenmilieu sowie verschwörungsideologischen Medienprojekten stammen. Sie partizipieren regelmäßig und in hoher Frequenz an den öffentlichen Veranstaltungen der PSÖ, reproduzieren auf ihren Kanälen die Propaganda der PSÖ, teils auch unmittelbar der Hamas‘ und sehen in Israel den Feind und Besatzer, der alleinig für das Leid der Palästinenser*innen Schuld hat. Dabei entstammen alle im Folgenden genannten dem Milieu der Corona-Demonstrationen rund um Martin Rutter und Fairdenken, sind dort auch noch immer aktiv und verbreiten parallel strukturell antisemitische Verschwörungserzählungen rund um das Covid-19-Virus wie auch die Covid-Impfung.

Primär involviert sind dabei die beiden Portale Freiland FM sowie Babenberg Agency International – ersteres wird von Leo Klinke geleitete, der auch schon als Redner bei PSÖ-Veranstaltungen aufgetreten ist; letzteres wird von Martin Strobl betrieben, der wahlweise auch für Freiland FM arbeitet. Während man bei Freiland  noch ein einigermaßen „seriöses“ Image wahrt, ist der Anspruch bei Babenberg und Strobl völlig absent – neben Wahlwerbung für die FPÖ, Interviews mit Hannes Brejcha und Fotos mit FPÖ-Funktionären bewirbt Strobl auch die Österreichisch-Abchasische Gesellschaft. Relevant ist das deshalb, weil Leiter der Gesellschaft der Suworow-Funktionär Patrick Poppel ist – jener nationalbolschewistische pro-Putin-Agitator, der auch mit dem AIK eng kooperiert.

Martin Strobl von Freiland FM und der Babenberg Agency. ©Theo Winkler

Freiland FM dagegen geriert sich als seriöses Blatt, das regulären Journalismus betreiben würde – thematisch bewegt man sich in den für das Milieu typologischen Rahmen: Corona- und Corona-Impfverschwörungen, Anti-Lockdown-Rhetorik, „Klima-Hysterie“ und pro-russische Propaganda strukturieren den publizistischen Output des verschwörungslastigen Mediums. Von Bedeutung für den hiesigen Kontext ist jedoch,  dass auf der Frontpage Hamas-Propaganda, ja sogar ein ganzes Hamas-Statement affirmierend reproduziert wird, inder die Terror-Operation „Al Aqsa-Flut [… zum] natürliche[n] Schritt im Rahmen der Abschaffung der Besatzung“ verklärt wird. Israel und die USA dagegen seien die  wahren Bösen, die USA sei ferner „mitschuldig“ an den „israelischen Massakern an Zivilisten in Gaza“. Bezeichnend ist, dass der erste Artikel zum Thema Palästina, am 09. Oktober 2023 erschien, also zwei Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel. Die Hamas wird dabei als „palästinensische Gruppe“ dargestellt, die Raketen und Angriffe auf die „israelische Besatung“ durchgeführt habe, von den Gräueln und barbarischen Morden durch die islamistische Miliz findet sich kein Wort. Und so verwundert es auch nicht, dass Freiland regelmäßig Überblicke über palästina-„solidarische“ Veranstaltungen in Wien publiziert und aktiv aufruft, an diesen teilzunehmen.

Leo Klinke bei einer Rede auf einer PSÖ-Kundgebung in Wien, Favoriten.

Neben den beiden Medien finden sich ferner auch einige wenige, bekannte Reichsbürger*innen in den Reihen der PSÖ-Aufmärsche: So der v. a. bei Corona-Demonstrationen sehr aktive Peter Eckhardt, der dort stets mit Reichsflagge auftauchte und April 2023 wegen Holocaustleugnung nach §3g Verbotsgesetz angeklagt und verurteilt wurde, ferner ein Fairdenken-Aktivist, der zumeist mit Trommel unterwegs ist und dies auch bei der PSÖ zusammen mit dem PSÖ-Aktivisten Faris Rida tut, sowie ein Reichsbürger, der u. a. bei Kundgebungen der Corona Querfront in Eisenstadt gesichtet worden war. Die Motivation hinter ihrer Anwesenheit kann nicht vollends geklärt werden, dennoch liegt die Mutmaßung nahe, dass gerade Personen, die Reichsbürger-Ideologie stark verinnerlicht haben, strukturell bis offen antisemitische Weltbilder kultivieren. Angenommene Elitenverschwörungen, die zumeist die USA, Israel und das Judentum als Feindbild bedienen ermöglichen so eine rasche Anbindung an das – ebenso von wüstem Antisemitismus geprägte – prop-palästinensische Umfeld der PSÖ.

Ausblick.

In dieser Recherche haben wir uns auf die Identifizierung der zentralen Akteur*innen konzentriert, die seit dem 7. Oktober das pro-palästinensische Protestgeschehen organisieren, prägen und dabei dargestellt, warum diese aufgrund ihres Antisemitismus, sowie der Nähe zu islamistischen Organisationen zu problematisieren sind. Es ist außerordentlich bedenklich, dass islamistische Akteur*innen, diverse Terror-Apologet*innen, unterschiedlichste Hamas-Unterstützer*innen, linke antiimperialistische Politsekten und verschwörungsideologische Personengruppen ihren Antisemitismus und Menschnverachtung weitgehend unkommentiert, öffentlich, in hoher Frequenz, unverhohlen zur Schau stellen können. Insbesondere, da die dramatische und hochkomplexe Situation im Nahen Osten viele Menschen aus unterschiedlichen Motiven emotional tief ergreift und gerade auch Jugendliche in sozialen Medien mit völlig einseitiger Propaganda konfrontiert werden, stellt die völlig einseitige, Hamas-verherrlichende Darstellung sowie die ideologische Indienstnahme des Israel-Gaza-Krieges durch die PSÖ ein akut bedrohliches Szenario dar. Denn die besprochenen Akteur*innen besitzen weitgehende Deutungshoheit innerhalb des sich Palästina-solidarisch gerierenden Lagers und erreichen mit ihrem verkürzten und zumeist von antisemitischen und islamistischen Motiven geprägten Botschaften eine große Anzahl an Personen. Insbesondere für in Österreich lebende Jüdinnen*Juden stellen diese Entwicklungen eine reale Gefahr dar: Der enorme Anstieg dokumentierter antisemitischer Übergriffe seit dem 7. Oktober 2023 verdeutlicht diesen Umstand. Antifaschistische Praxis muss bedeuten, unabhängig von politischer Ideologie menschenverachtende Umtriebe als solche kenntlich zu machen, zu kritisieren, zu verurteilen und dagegen aktiv zu werden. Im Falle der aktuellen pro-palästinensischen Mobilisierungen in Österreich soll diese Recherche dahingehend einen Beitrag leisten.

Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.