Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.

Hitlergrüße, NS-Tourismus und die grenzüberschreitenden Vernetzungsversuche des Neonazi-Skinhead Mario „Kahl“

Update: Wie Kolleg*innen ermitteln konnten, handelt es sich bei den beiden Kameraden, die mit Mario „Kahl“ in Mainz auf der Demo der NSP gewesen sind, um das NSP-Member Arthur Beidin und den Neonazi im NSP-Umfeld Leonard Tustonjic. Beide sind amtsbekannt und momentan Angeklagte in einem Verfahren: Wie Rechte Umtriebe Ulm berichtete, zeigten die beiden mit Alex Hilbig (ebenso NSP) am 05. Juni 2022 vor einer Synagoge eine Schwarze Sonne sowie ein Transparent, das vor einem „White Genocide“ warnt. Darüber hinaus war auch Anita Amasi (ebenso NSP-Umfeld) mit „Kahl“ in Mainz unterwegs und dürfte mit „Kahl“ auch freundschaftlich verbunden sein.


Am 13. August 2022 fand ab 12:45 ein teilweise konspirativ organisiertes Neonazi-Treffen in Wien statt. Maßgeblich organisiert hatte es der Wiener Neonazi-Skinhead Mario „Kahl“ (faktischer Nachname zu diesem Zeitpunkt unbekannt, wohnhaft ist er in Wien Favoriten, 1100), nach dem aktuell aufgrund eines Vorfalls am 15. Mai 2022 gefahndet wird: Er und ein Kamerad (Name unbekannt) sollen in der U3 Station Hütteldorfer Straße NS-Parolen gerufen und rassistischen Aussagen getätigt sowie Fahrgäste angepöbelt haben. Wie dieser Artikel zeigt, handelt es sich bei diesem Vorfall nicht um einen Einzelfall, sondern um ein notorisches Verhaltensmuster, mit dem der Neonazi Mario „Kahl“ immer wieder (sowohl vor als auch nach dem 15. Mai 2022) aufgefallen ist.

Zu dem besagten Neonazi-Treffen am 13. August waren Neonazi-Skinheads aus Ungarn angereist, später stießen zum Abendessen bekannte Wiener Exponenten des Tanzbrigade-Milieus zu der Gruppe, so u. a. Bernhard Burian, Markus Horváth und jener jüngere Neonazi, der mehrfach auf Demos der Corona-Rechten mit Hakenkreuz-Kette in nämlichen Umfeld in Erscheinung getreten war.

Das angekündigte Programm des Treffens startete beim Haupteingang des Wiener Westbahnhofs, an dem die anwesenden Skinheads vorab rund eine Stunde lang Alkohol konsumierten. Darauf folgte ein bereits im Vorfeld angekündigter „Marsch“. Während vor dem Treffen relativ unklar war, was genau unter dem angekündigten „Marsch“ zu verstehen sei, stellte sich dann heraus, dass damit eine Art gemeinsame Sightseeing-Tour entlang biografischer Stationen Adolf Hitlers in Wien gemeint war: Die Neonazi-Gruppe besichtigte zuerst ein Wohnhaus in der Felberstraße 22, 1150 Wien, in dem Hitler am 18. November 1908 eine Wohnung bezogen hatte. Danach führte „Kahl“ die Gruppe wiederum über den Westbahnhof in die Stumpergasse 31 – dort hatte Hitler mit August Kubizek Anfang des Jahres 1908 gewohnt, bis der Umzug (aus sich verschlechternder finanzieller Situation) in das besagte Wohnobjekt in Rudolfsheim-Fünfhaus erfolgte.

Während Unklarheit herrscht, wie genau das nazistische Gedenkritual im Objekt in der Felberstraße ablief, postete die Gruppe – die auf martialische Selbstinszenierung in den sozialen Medien setzt – im Stiegenhaus Bilder, die mehrere Teilnehmer beim wiederholten Zeigen von Hitlergrüßen abbilden. Die Fotos selbst erschienen auf dem Account von Balasz Földesi („Balage Wolf“ auf Facebook), einem ungarischen Neonazi-Skinhead aus Bekescsaba, der zeitweise in Moosbach, Dietraching 22/5, 5271 Oberösterreich, wohnhaft ist (offiziell gemeldeter Nebenwohnsitz).

Nach dem zweiten Stopp in der Stumpergasse kehrte die Gruppe an der Ecke Fügergasse in das Wirthaus „Zum Wohl“ ein um den kameradschaftlichen Umtrunk fortzusetzen. Danach zog die Gruppe in Richtung Innenstadt, spätnachmittags folgte dann eine Besichtigungstour des „Graben“, 1010 Wien, sowie Fotoaufnahmen vor dem Stephansdom. Beim abendlichen Vernetzungstreffen in der einschlägig bekannten Lokalität „Gasthaus zur Alm“ in der Innstraße 16, 1020 Wien, trafen dann auch noch die bereits genannten Tanzbrigade-Exponenten ein: Im „Gasthaus zur Alm“ wurden u. a. Festivitäten und Treffen der Identitären Bewegung Wien ausgerichtet, ebenso wie klandestine Konzerte der nicht mehr existenten B&H Vienna-Gruppe – lange Zeit wurde es auch vom ehemaligen B&H-Mitglied André Herold geführt, der u. a. auch mit dem wegen Totschlag verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas trainierte. Nach dem gemeinsamen Essen folgten weitere mediale Inszenierungen, dieses Mal mit großer Reichskriegsfahne. Die ungarischen Kameraden dürften am nächsten Tag vom Wiener Hauptbahnhof wieder abgereist sein – „Kahl“ resümierte auf Facebook: „Tolles Wochenende mit vielen guten Kameraden gehabt“. Das Foto selbst fand sich wenige Tage später auf einem einschlägigen Telegram-Kanal, der Neonazi-Hooligans aus ganz Europa als Plattform dient, um sich den Kameraden aus dem Ausland zu präsentieren.

Zur Person Mario „Kahl“ ist festzustellen, dass er in der Wiener Neonazi-Szene kein Unbekannter ist: Seit einigen Jahren konnte seine rege Teilnahme an rechtsextremen Events und Demonstrationen festgestellt werden: So nahm er etwa an der Symbolverbotsdemonstration der Identitären Bewegung am 31. Juli 2020 teil sowie an diversen Demonstrationen der Corona-Rechten im Umfeld der Tanzbrigade, aber auch im Ausland am sogenannten „Tag der Ehre“ 2022 in Budapest bei der untersagten neonazistischen Kundgebung am Kapisztrán Platz sowie bei dem von Antifaschist*innen erfolgreich blockierten Demonstrationsversuch der „Neuen Stärke Partei“ am 16. Juli 2022 in Mainz. Nach Mainz war Mario mit zwei weiteren Neonazis angereist. Erst am Freitag, dem 12. August (ein Tag vor dem Kameradschaftstreffen) provozierte er mit dem, teilweise in Bregenz wohnhaften ungarischen Skinhead Ivar „Gauksi“ an einem Wahlkampfstand von Alexander Van der Bellen auf der Mariahilferstraße, indem sie die rechte Hand mit geschlossener Faust zum Hitlergruß hoben und die anwesenden Wahlkampfhelfer*innen als „Volksverräter*innen“ diffamierten.

Überdies pflegt Mario „Kahl“ enge Kontakte in die ungarische, aber auch tschechische Neonazi-Skinhead-Szene: Das dürfte auch daran liegen, dass sowohl Kahl als auch seine ungarischen Kameraden versuchen, ein Revival des subkulturellen Szenehabitus der Baseballschlägerjahre der 90er herbeizuführen und in Ungarn eine äußerst lebendige Subkultur offen auftreten kann, die auch regelmäßig von Gleichgesinnten aus dem Ausland besucht und als Vernetzungsort genutzt wird. Regelmäßig werden in Ungarn große Rechtsrockkonzerte abgehalten, die einschlägiges Publikum aus ganz Europa anziehen. Hungarian Hammerskins, Légió Hungaria, B&H Hungary plus C18 Magyarország, Magyar Gárda sowie diverse weitere neonazistische Gruppierungen können in Ungarn relativ ungestört auftreten und werden von Fidesz und Jobbik teilweise sogar gesponsort. Erst vor kurzem konnte „Kahl“ u. a. mit Földesi und Diana Szöllősi Anfang Juli 2022 in Velence (am Velence See nahe Budapest) beim „Rock Strand“-Festival, wo u. a. die neonazistischen Rockbands Nemzeti Front und Hundriver auftraten, identifiziert werden. Auch am 23. April 2022 war „Kahl“ zur „Brutal 88 Party“ nach Budapest gereist, wo die deutsche Neonazi-Band „Blutzeugen“ auftrat – dort posierte er u. a. mit SS-Totenkopf und schwarzer Sonne. Regelmäßig auch ist „Kahl“ zu Fußballspielen auswärts in Ungarn, Tschechien oder der Slowakei unterwegs: So etwa – wie unten stehende Bilder zeigen – mit Bernhard Burian und Balasz Földesi in Budapest bei einem Spiel von Ferencváros. „Kahl“ selbst gibt online immer wieder damit an, gute Kontakte in die Wiener Hooligan-Szene zu pflegen, es bleibt aber unklar, inwiefern tatsächliche, aktive Vernetzung abseits der Gruppe um Burian besteht.

Dass der Identitätsgewinn des subkulturellen Daseins für Mario „Kahl“ von besonderer Bedeutung ist, zeigen seine diversen Profile in den sozialen Medien: Regelmäßig werden diese gesperrt, da immer wieder massive neonazistische Hetze und NS-Content darüber verbreitet werden. Besonders bizarr ist Kahls offen zur Schau gestellte Faszination und Bewunderung für Adolf Hitler – er dürfte sich ausführlich mit dem Leben Hitlers in Wien befasst und sich in die Biografie seines Idols „hineingefühlt“ haben. So finden sich in den sozialen Medien etwa Bilder von „Kahl“, auf welchen er vor dem Kunsthistorischen Museum und der Akademie der Bildenden Künste in Wien posiert, samt Bildbeschreibung, Hitler hätte sich dort wohl vergebens beworben. Fast immer dabei: „88“ als Szene-Code für „Heil Hitler“. Auch die gewählten Profilnamen weisen auf die einschlägige Gesinnung hin: So finden sich mittlerweile öfter Variationen rund um den „Ostara“-Begriff als Benutzername. „Ostara“ entstammt dem paganen Kultleben im angelsächsischen Raum und dürfte mit unterschiedlichen Matronenkulten in Verbindung gestanden haben. Wichtiger ist jedoch der Konnex zu der von Jörg Lanz von Liebenfels in Wien herausgegebenen ariosophische Zeitschrift „Ostara“: Bis Anfang der 60er-Jahre galt die Hypothese, dass die Ariosophie als Hauptgrundlage des Hitlerismus zu betrachten sei und Hitler die Zeitschriften von Liebenfels zentral rezipiert habe als historisch valide, ist jedoch heutzutage wissenschaftlich widerlegt. Für den Hitler-Adoranten „Kahl“ dürften diese Details jedoch nicht von großer Bedeutung für seinen ideologischen Kampf um eine Rückkehr Österreichs in das „Deutsche Reich“ sein.

In der Analyse ist außerdem die hohe Gewaltaffinität und der militante Rassismus von „Kahl“ und seinen Kameraden hervorzuheben: So etwa verschickte er via Instagram Fotos mit in seinen Augen „gemischtrassigen“ Paaren, die er im 10. zuvor in einem Park abfotografiert hatte. Das Bild kommentiert er als „Rassenschande“ und stellt fest, dass er so etwas überhaupt nicht verstehe. Nur logisch ist es dann auch, dass „Kahl“ sich selbst als „Arier“ bezeichnet, dessen Leben sich einzig und allein darum drehe, Österreich wieder für Arier bewohnbar zu machen, um es dann an Deutschland anzugliedern. Dass diese Parolen nicht nur leere Drohungen sind, sondern „Kahl“ und seine Kameraden auch bereit dazu sind, ihre Ideologie auf die Straße zu tragen, zeigt ein anderer Vorfall: „Kahl“ wurde per jahrelangem Betretungsverbot aus einem Lokal am Schwedenplatz geworfen, weil er eine schwarze Person mit massivster Gewalt bedroht hatte. Auch seine hochfrequentierten Nachrichten via Instagram, die zumeist Szenecodes wie etwas die Zahl „88“ in Form von schwarzen Billardkugeln enthalten, oder Fragen nach der generationalen Quote von Österreicher*innen im Familienstammbaum und Anmerkungen, dass das Waldviertel nicht schön, sondern „arisch“ sei, geben Auskunft über den bereits weit fortgeschrittenen Grad seiner Radikalisierung.

Mittlerweile halten sich viele bekennende Neonazis mit öffentlichen Statements und Postings wegen §3 des Verbotsgesetzes zurück und haben vieles in private Konversationen ausgelagert, „Kahl“ ist diesbezüglich allerdings auffällig unvorsichtig. Allerdings ist Kahl trotz der offen zur Schau gestellten Bekenntnisse zum Nationalsozialismus in der Wiener Neonazi-Szene durchaus vernetzt: Er hat vor allem zur rechtsextremen Hooligan-Szene rund um Tanzbrigade und Eisern Wien Kontakte sowie zu Exponenten des Wiener Final Dawn-Chapters rund um Marco Singraber. Hauptanknüpfungspunkt für ersteres Milieu dürfte erneut Bernhard Burian sein: Das verdeutlichen auch die oben abgebildeten Fotos – Burian dürfte wie kaum ein anderer der jungen Neonazi-Riege in unterschiedlichen rechtsextremen Spektren agieren und versuchen, potenzielle Kameraden für seine Sache zu rekrutieren. Dies dürften jedoch die einzigen Personengruppen der unmittelbaren NS-Szene sein, mit welchen Kahl gut vernetzt ist. Es ist davon auszugehen, dass das überinszenierte zur Schau-Tragen von NS-Klischees der 90er-Jahre und das, auch gerade in Bezug auf mögliche staatliche Repression unvorsichtige Auftreten, nicht nur für Bewunderung innerhalb der „nationalen“ Szene, sondern auch für Spott und Kritik sorgt. So sah sich Kahl etwa in Form eines längeren Sprechbeitrags dazu gezwungen, zu umfassender Kritik an seinem öffentlichen Auftreten Stellung zu nehmen, die aus dem eigenen Lager gekommen war. Seine Rechtfertigung lautete kurz gefasst: Ein Nationalist muss so wie Kahl selbst auftreten, das ethnische Verkommen Deutschlands und Österreichs zwinge der Szene diese Form von totaler Opposition und scheinbarer Unversöhnlichkeit regelrecht auf.

Somit kann abschließend resümiert werden: Mario „Kahl“ ist durchaus als gefährlicher Aktivist innerhalb des neonazistischen Milieus Österreichs einzustufen. Dies begründet sich allerdings weniger durch seine Aktivitäten als Netzwerker, Ideologe oder Führungsfigur. Der überinszenierte Habitus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei Mario „Kahl“ weder um einen außerordentlich begabten, noch besonders professionellen Kader der rechtsextremen Szene handelt. Viel mehr ist „Kahl“ aufgrund seiner fanatischen Fixation auf Hitler und den NS-Staat, sowie den von ihm ausgerufenen Kampf für die „arische Rasse“ als gefährlich einzustufen. Die hinzukommende Idealisierung von Gewalt gegen Menschen, die nicht in das Weltbild von ihm und seinen Kameraden passen, verstärken den Eindruck einer unberechenbaren und instabilen Persönlichkeit, die in einer enthemmten Gruppendynamik wie der vom 13. August 2022 v. a. auch nach massivem Alkoholkonsum (oder aber im Rahmen seiner regelmäßigen Alkoholexzesse in seinem Stammbeisl „Da Capo“ in der Laxenburger Straße 65, 1100 Wien) eine Gefahr für die Öffentlichkeit und insbesondere als „minderwertig“ gelesene Personengruppen und politische Gegner*innen darstellt.

Rechte, Rechtsextreme und neonazistische Hooligans. Die Prügeltruppe der Corona-Demonstrationen

Seit Beginn der Corona-Demonstrationen konnte beobachtet werden, dass sich immer mehr Hooligan-Gruppen abseits der Kurve bei den Demonstrationen in Wien und den Landeshauptstädten einfanden. Was als reines Get-together einer ideologischen Mischszene begann, beinahe immer mit einem hohem Maß an  Alkoholkonsum einherging und wohl auch durch die Unmöglichkeit von Stadion-Besuchen zu erklären ist, entwickelte sich über die zahllosen Demonstrationen zu einer intensiven Einbindung hooliganistischer Gruppen: Nach der Spaltung der Organisationsgruppe in die Fraktionen Martin Rutter/Hannes Brejcha und Alexander Ehrlich/Thomas Schaurecker/Manuel Müllner, enthüllte die Gruppe um Ehrlich, die sich als „Bundesweite Allianz“ neu formiert hatte, dass die Beziehung von Rutter zu dezidiert rechtsextremen Hooligan-Gruppen weit intensiver war, als ursprünglich angenommen. So bewiesen Ehrlich und Schaurecker [1] anhand von Skizzen, Plänen und Chat-Nachrichten anschaulich, dass Rutter rechtsextreme Hooligans teilweise gezielt eingesetzt hatte: So u. a. am 10. April 2021, als Rutter in einem Strukturplan der anstehenden Demonstration festhielt, sogenannte „taktische Hools“ sollten gegebenenfalls versuchen, etwaige Kessel an polizeitaktisch schwach strukturierten Stellen zu durchbrechen [2]. Das Szenario trat wie erwartet ein, der Plan geregelt in Kraft: Eine komplette Sperrgitter-Kette wurde niedergerissen, vorbereitete Face-Shields und Gesichtsmasken verhinderten die Rückstoßkraft eingesetzter Pfeffersprays und der Kessel konnte aufgebrochen werden [3]. Ein politischer Erfolg für den rechtsextremen Taktiker und Demagogen Martin Rutter – Gewinn von „Ehre“, i. e. symbolisches Kapital, für die beteiligten Hooligans: Das Konzept, seine Kräfte öffentlich unter Beweis zu stellen, das immer an der Erfahrung des Kampfwillens und -bereitschaft gemessen wird, spielt eine zentrale Rolle in der beinahe kultisch überhöhten patriarchalen Männlichkeitsstruktur von Hooligan-Gruppen.

Screenshot aus dem Livestream von Thomas Schaurecker, 8.6.2021

Was aber macht die Hooligan-Gruppen so attraktiv für Ideologen und Rechtsextreme wie Martin Rutter, aber auch für eingeschworene Neonazis wie Gottfried Küssel – nur an roher, unorganisierter Gewaltbereitschaft kann es schließlich nicht liegen.

Schon seit den 90er-Jahren bemühen sich Rechtsextreme um die „Gunst“ rechter, schwer patriarchal organisierter Kurvenstrukturen. Belegt ist etwa, das Küssel rund um die Organisierung und Gründung der VAPO in der Kurve der Wiener Clubs Austria, vor allem aber bei Rapid versuchte, junge Männer für seine politischen Vorhaben zu gewinnen: Besonders dezidiert rechte Gruppen wie etwa die neonazistische Skinhead-Fangruppe „Hütteldorfer Terrorszene“, die „Bulldogs Austria“ oder die als unkontrollierte Prügeltruppe agierende Gruppe „Atzgersdorf“ sprachen und sprechen Neonazi-Akteur:innen besonders an. Kerninteresse rechtsextremer Agitator:innen scheint dabei seit jeher unverändert dreierlei zu sein:

Zum Ersten – der vielleicht wichtigste Faktor: Der in der Kurve und insbesondere rechten Fangruppierungen vorherrschende Antifeminismus. Strikt hierarchisch organisiert mit zugewiesenen Rollen- und Aufgabenstrukturen, spielt der Cis-Männlichkeitsbund eine integrale Rolle im martialischen Auftreten rechter Fangruppierungen. Starke Ähnlichkeiten sind dabei etwa mit rechtsextremen Kameradschaften festzustellen oder aber Burschenschaften – auch in der Raumordnung von Küssels Ferialverbindung Reich spielte dezidierter Antifeminismus eine Rolle: So durften etwa nur an bestimmten Tagen weiblich gelesene Personen den Raum betreten, Treffen und Kameradschaftsabende waren ausschließlich Cis-Männern vorbehalten.

Direkt an die betont patriarchal-männerbündischen Strukturen anschließend findet sich eine besonders hohe Gewaltaffinität in Hooligan-Strukturen: Sich als Kämpfer auf der Straße zu beweisen, gehört zum tagtäglichen Hooligan-Leben dazu, ebenso wie das Einstehen für die Gruppe und den Bund. In diesem Rahmen ist auch ein Fokus auf fundierte Kampfsportausbildungen in teils vereinsinternen Gyms, wo Englisches Boxen, Muay Thai, BJJ und MMA trainiert wird, festzustellen – dies soll die eingeschworenen Gruppen noch fester binden und zugleich das Können klandestin-verschworen abseits der Öffentlichkeit schulen.

Zuletzt: Die Rechtsoffenheit des Fußballsektors in Österreich sowie die hohe Zahlen an organisierten Rechtsextremen in den Kurven dürfte die Fanszene für organisierte Neonazis besonders attraktiv machen. So etwa ist es ein offenes Geheimnis, dass in den Lokalen der Austria nach Spielen nazistische Lieder und NS-Gesten durchaus standardmäßig vorgetragen werden – wer dem widerspricht, sieht sich mit massiven physischen Konsequenzen und Bedrohungsszenarien konfrontiert, oder verlässt die Lokalität. Die Verschneidung organisierten Rechtsextremismus’ und Kampfsport ist dabei eine bedrohliche Entwicklung – besonders die einsetzende Professionalisierung im Sektor hooliganistischer Auseinandersetzung ist mit Argusaugen zu überwachen: Während in den 60er- und 70er-Jahren die diffuse Massenauseinandersetzung am Weg zum und vom Stadion noch im Vordergrund stand, sind es heutzutage die strikt organisierten Ackerkämpfe (österr.: „Wiesnpartie“), die vorrangig angestrebt werden. Getroffen wird sich abseits der Spielstädte in Industriegebieten oder Wäldern, wo eine vorab fixierte Anzahl an Kämpfer:innen gegeneinander antritt – als beschränkendes Regelwerk gilt lediglich, dass, wer „nachhaltig“ am Boden liegt, als k.o. gilt (TKO gibt es nicht);  auf diese Person darf dann nicht weiter eingeschlagen werden.

Diese Form des Kampfes wiederum findet Anklang in weiteren – allerdings ebenso rechtsoffenen – Kampfsportmilieus: Exemplarisch wollen wir hier die „Hype-Crew“ und die Eventreihe „King of the Streets“ (KOTS) nennen. KOTS selbst beschreibt sich als „Underground Fightclub“ – vorrangiges Klientel sind Hooligans europäischer Clubs, das Logo ist vom Hooligan-Symbol geprägt [4]. Gekämpft wird ohne Regeln, jeder Kampfstil ist erlaubt, lediglich ein gewisses Maß an „Ehrenkodex“ rahmt den Raum extremer patriarchaler Gewalt. Zwar gibt es Ringrichter, jedoch stoppen diese meist erst, wenn einer der beiden Kämpfenden total k.o. ist, sprich: heftige Blutungen aufweist, einer der beiden tatsächlich am Boden bleibt oder das Bewusstsein verliert. Gekämpft wird vor allem  um „Ehre“ in unterschiedlichen Street-Fight-Szenarien, so z. B. in einer Lagerhalle (Ring markiert durch Baugeländer), in verlassenen Parkgaragen, auf Dächern usw. Bei KOTS errungene Siege bringen in der Welt des Hooliganismus hohe Mengen an Prestige und symbolischem Kapital; die Kämpfenden sind meist avancierte bis professionelle Kampfsportler, jahrelanges Training und gute Technik prägen die Veranstaltungen der Hype-Crew. Nun wäre das alles eben so wie es ist – Hooligans, die sich in martialischer Manier in hochgradig gefährlichem Kampfsport Bareknuckle prügeln – Problem aber ist (und deshalb auch hier von Belang): Trotz zahlreicher Beteuerung seitens Hype-Crew und Kämpfenden, es handle sich um ein gänzlich apolitisches Event, finden rechtsextreme Hooligans ihren Weg allzu oft in den Ring von KOTS. Darüber hinaus wirken Streetfighting-Veranstaltungen wie KOTS auch auf die Szene zurück. Hooligan-Gruppen werden immer kampferprobter, professionalisieren die Kultur exzessiver körperlicher Auseinandersetzung, und im Fall von KOTS entwickelt sich daraus u. U. eine ökonomische Rentabilität [5].

Werden solche Hooligans dann von lokalen Rechtsextremist:innen angeworben, um z. B. Demoschutz zu machen (wie im Falle einiger IB-Demos) oder aber gar wie im Falle der Corona-Demonstrationen als taktische Kommandogruppe, wird das Problemfeld Hooliganismus zum weiteren gesellschaftlichen Problem. Die größte Anzahl der in Wien bei den Corona-Demonstrationen anwesenden Hooligans stammte dabei ohne Frage aus den Kurven der beiden großen Wiener Clubs:  So waren etwa Personen der Austria-Fanclubs „Viola Fanactis“ (inkl. Untergruppe „Sektion Inferno“), ehemalige „Flagrantia Wien“-Mitglieder (Flagrantia als Fan-Gruppe ist allerdings nicht mehr aktiv), Personen von „KAI 2000“ und „Unsterblich Wien“-Kader  auf den Corona-Demonstrationen in den Hool-Blöcken anzutreffen; bei Rapid aus den Gruppen der „Alte Garde“, der „Lions Rapid“, Leute aus dem Umfeld des Techno-Kollektivs „Traumvabrik“, der „Ultras Rapid“ sowie der gemischten „Wiesn“-Gruppe „Wiener Schlägerknaben“ (WSK) [6]. Neben Wiener Beteiligung war darüber hinaus eine „Delegation“ des Linzer Clubs „FC Blau Weiß Linz“ regelmäßig im Umfeld junger Austria- und WSK-Hooligans unterwegs.

Zu beobachten war dabei meist ein ähnlich ablaufendes Szenario: Entweder die IBÖ/RFJ stellte den ersten Block: Dann formierte sich meist am Rande des Blocks Hooligan-Züge, die zum Einen den Block nach außen hin abschirmten, missliebige Journalist:innen angriffen oder am Arbeiten hinderten, sowie Durchbruchsversuche durch Polizeisperren unterstützten. Hielt die IBÖ sich nicht an der Spitze auf und es fehlte ein unmittelbar gewaltbereiter Block, zogen oft sämtliche Stadion-Gruppen an die Spitze und formierten sich als loser Block: Vollkommen vermummt, mit Böllern und Pyrotechnik ausgerüstet sowie ab und an mit Schlagschutzhandschuhen, „Selbstverteidigungsschirmen“ und Pfefferspray bewaffnet, konnte das gewaltaffine Klientel teilweise bis zu 250 Personen in seinen Reihen zählen. Formten sich diese Blöcke während der Aufmärsche, kann retrospektiv festgehalten werden, dass es fast immer zu Auseinandersetzungen (nicht in der Intensität wie in den Niederlanden oder Belgien) kam: Als herausstechende Beispiele wollen wir hier vier Demotage nennen, die als besonders anschaulich erachtet werden können.

Hool-Block an der Spitze der Demonstration am

Beispiel a): Demonstration der Corona-Leugner:innen am 06. März 2021. Nach diversen Startpunkten in der Wiener Innenstadt versuchten große Demonstrationszüge über den Ring zu ziehen. Nach kleineren Auseinandersetzungen mit Antifaschist:innen bewegte sich die Menge über unterschiedliche Routen in Richtung FPÖ-Kundgebung auf der Jesuitenwiese in der Prater Hauptallee, wo FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl reden sollte. Nachdem es Antifaschist:innen gelungen war, den Aufmarsch mittelfristig zu stören und zu blockieren, formierten sich rasch an beiden Seiten (dazwischen wenige Polizist:innen) die oben angesprochenen Hooligan-Züge. Diese umgingen die Sperren der Polizei und unmittelbar danach kam es zu direkten Angriffen rechtsextremer Hooligans auf Antifaschist:innen (den Antifaschist:innen gelang es, die Angriffe abzuwehren; währenddessen war dann die WEGA mit Hundestaffel angerückt). Beteiligt waren u. a. Gruppen der Wiener Austria, vor allem die extrem gewaltaffine Gruppe um den „Flagrantia Wien“-Gründer und Neonazi Michael Giebner. Dieser ist oft mit einer rund 10-köpfigen Gruppe unterwegs, die sich für eine große Menge schwerer Angriffe auf Journalist:innen, Umstehende und Antifaschist:innen verantwortlich zeichnet.

In dieser Gruppe ist auch der schon aus Part I bekannte IB-Faschist und Neonazi-Hooligan Bernhard Burian aktiv: Burian ist szeneübergreifend in diversen Spektren rechtsextremer Gruppierungen anzutreffen. So hat Burian nachweislich gute Connections zum neonazistischen Techno- und House-Kollektiv „Tanzbridgade Wien“ um Immobilienverwalter Christian Csincsics (seines Zeichens in der Kurve von Rapid aktiv); auch konnte Burian auf Fotos im Noricum-Kellerlokal identifiziert werden, wo er zusammen mit den Neonazis Paul Blang und Thomas Kalcher-Cibulka zu sehen ist. Fantechnisch dürfte Burian jedoch eher dem Umfeld der Rapid-Kurve zuzuordnen zu sein – obwohl Burian des Öfteren neben diversen Hooligan-Gruppen der Ostkurve gesehen werden konnte. Die Verbindungen von Burian zur internationalen Rechtsextremen Szene zeigten sich auch am 12. Februar 2022, als Burian gemeinsam mit Cedomir Aleksijevic am „Tag der Ehre“ in Budapest teilnahm.

Sowohl Blang als auch Kalcher-Cibulka sind langjährig aktive Neonazis aus dem alpen-donau.info-Kreis rund um Karin und Gottfried Küssel sowie der Ferialverbindung Reich (jetzt: „Ferialverbindung Imperia“, Lichtenauerstraße 4, 1020). Blang als auch Kalcher-Cibulka konnten in den letzten Monaten, als wieder Spiele in Stadien mit Besucher:innen stattfinden konnten, des Öfteren im Block der „Viola Fanatics“ in der Kurve der Austria gesehen werden: Als diese ihre Freundschaft mit der neonazistischen Fangruppe „Ultras Slovan Pressburg“ erneuerten und in diesem Rahmen nach Bratislava zu einem Auswärtsspiel von Slovan reisten, waren die angereisten Fanatics, ein Unsterblich-Kader sowie die beiden Neonazis direkt an den Auseinandersetzungen mit Einsatzeinheiten aus Bratislava beteiligt. Bei dem Unsterblich-Kader handelt es sich um den wegen Gewaltdelikten mehrfach verurteilten Neonazi Christian „Guntramsdorfer“ Wagner. Kalcher-Cibulka konnte auch auf Corona-Demos in Wien identifiziert werden, ebenso wie bei den neonazistischen Aufmärschen der Corona-Querfront rund um Gottfried und Karin Küssel in Eisenstadt, wo auch Blang teilnahm.

Beispiel b): Die durch zahlreiche Polizeieinheiten – zusammengezogen aus ganz Österreich – gekesselte Demonstration am 10. April 2021. Als Reaktion auf die vorangegangen Demonstrationen, wo die Polizei völlig die Kontrolle über das Geschehen verloren und die Demonstration den gesamten Stadtverkehr lahm gelegt hatte, entschied sich die Einsatzleitung, einen große Sperrbereich um das Gebiet des Startpunkts des Aufmarsches zu errichten. Durch große Mengen an Hamburger Gittern waren sämtliche Zufahrtsstraßen großräumig abgeriegelt, der Zugang zur Demonstration wurde rigoros überwacht. Als eine antifaschistische Fahrrad-Demonstration sich zum ersten Mal dem Kessel nähern konnte, kam es dabei sofort zu einem ersten Durchbruchsversuch durch Gruppen bekannter Hooligans. Während dieser Versuch aufgrund des großen Polizeiaufgebotes scheiterte, schafften es vor allem Hooligans der Austria Wien an ein bis zwei Stellen durch die Sperrketten zu brechen und die Gitter niederzureißen. Federführend war die Hooligan-Gruppe um Michael Giebner. Ebenso kam es wieder zu Angriffen auf Journalist:innen – auch hier agierte die gerade genannte Gruppe als Hauptakteurin. Den medial weitläufig rezipierten Vorfällen ging – wie oben erwähnt – eine interne Spaltung nach: Ehrlich und Co. legten postwendend offen, dass Rutter exakt für diesen Tag sowie andere Veranstaltungen den Hooligan-Gruppen Funktionen und Aufgaben zugewiesen hatte. In a nutshell: Die gewaltbereite, rechtsextreme Hool-Fraktion solle taktisch gegen eventuelle Polizeisperren und -ketten arbeiten und nach Möglichkeit die Situation eskalieren. Retrospektiv betrachtet dürfte der Tag unter diesen Gesichtspunkten ein Erfolg gewesen sein.

Beispiel c): Angriff auf antifaschistische Kundgebung am 02. Oktober 2021. Schon während der Kundgebung attackierten Rapid-Hooligans der neonazistischen Tanzbrigade Wien Antifaschist:innen durch Flaschenwürfe. Als die antifaschistische Kundgebung kurz vor Beendigung im Sigmund-Freud-Park stand, begann plötzlich die gleiche Gruppe den Außenbereich des daneben gelegenen Café Votiv zu verwüsten und heraneilende Antifaschist:innen mit Sesseln, sowie Glas-Aschenbechern zu bewerfen. Unter den identifizierten Angreifenden befanden sich die Neonazi-Austria-Hooligans Christian Csincsics, Matej Vendis sowie das „Final Dawn-MC“ Mitglied Marco Singraber (der aus dem Umfeld der Fanszene des 1. FC Nürnberg stammt). Eben diese Gruppe konnte am Nachmittag noch in der Gesellschaft des Neonazi-Skinheads „Mario“ beobachtet werden, der bei einschlägig rechtsextremen Aufmärschen anzutreffen ist, aber auch am „Tag der Ehre“ in Budapest teilgenommen hat und grundsätzlich über gute Kontakte zur ungarischen Neonaziszene verfügt, v. a. aber zur „Légió Hungária“.

Beispiel d): Corona-Demonstration am 8. Jänner 2021. Schon während des Sammelns der Demonstration rund um den Maria-Theresia-Platz/Heldenplatz fielen diverse Hooligan-Gruppen in kompletter Vermummung früh ins Auge. Da davor eine Weihnachts- und Neujahrs-bedingte Pause eingelegt worden war, lag die Vermutung nahe, dass vor allem diese Demonstration – nicht zuletzt wegen des sozialen Charakters der Demonstrationen, die oftmals aufgrund der aufwendigen Musik-Setups und des enormen Alkoholkonsums wie Oktoberfeste anmuten – wieder gut besucht und auch das Spannungspotenzial hoch sein würde. Kurz nach Formierung der Demonstration zu einem Zug, entstand vorne weg einer der größten Hool-Blöcke der Corona-Demonstrationen: Schätzungen gingen von rund 200–250 Personen aus – journalistische Arbeit war beinahe unmöglich, da regelrecht Jagd auf bekannte Pressevertreter:innen gemacht wurde. Hier fiel vor allem die Linzer Pyromanen-Gruppe um Fabian Gillmayr auf: Zusammen mit dem Austria-Hooligan Stefan Fellner wurden Dosen, Flaschen und Eisklumpen (wie auch schon bei der Demonstration am 11. Dezember 2021, siehe Video) auf Journalist:innen geworfen, ein – nachher festgenommener – Hooligan schlug einem Journalisten mit der Faust ins Gesicht.

Quelle: https://twitter.com/Danijel_Suster/status/1469665888324440065?s=20&t=qnLIbETdGiF-87VFa1oDGw

Hinter der praktischen Komponente der Angriffe auf politische Gegner:innen und missliebige Personen steht ein diffuses Spektrum ideologischer Ausrichtung. Zum einen finden sich klassische Neonazi-Hooligan-Gruppen in den Blöcken: Das gilt für Tanzbrigade Wien (im Folgenden als TB geführt) und deren Kurven-Pendant Eisern Wien. Dabei handelt es sich um einen Wiener Zusammenschluss neonazistischer Hooligans mit dem Ziel, Politik im Sinne eines Aufbaus nationalistischer, faschistischer sowie nationalsozialistischer Subkulturen zu betreiben. Die Gruppe dürfte zwischen 20-30 Personen umfassen, die sowohl aus den Kurven von Rapid wie Austria stammen: Die exakte ideologische Ausrichtung und daraus abgeleitete Praxis ist nicht vollends klärbar, was vor allem daran liegt, dass kaum Textmaterial vorhanden ist oder sonstige mediale Vermittlung besteht. Lediglich vier Techno-Tracks liegen vor, in den letzten Jahren tauchten rund drei Graffiti in Wien auf, die dem TB/Eisern-Kontext einwandfrei zuordenbar sind. Was jedoch aus dem Interview, das der III. Weg mit TB geführt hat, hervorgeht, ist, dass sich die Gruppe wohl vor allem um eine faschistische Beeinflussung der Club-Szene bemüht (v. a. Techno, Hardcore & Gabber). Zum anderen ist die Tatsache, dass der III. Weg sich zu einem Interview mit einer Techno-Crew hergibt, die zahlreichen politischen wie sozialen Normen des III. Weges widerspricht, ein interessanter Tatbestand per se: Das deutet zumindest auf eine hohe politische Ernsthaftigkeit hin, die der Gruppe in faschistischen Milieus zugerechnet wird.

Ebenso deutlich dem Neonazi-Spektrum zugehörig sind die Reste der Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“. Obgleich die Gruppe nicht mehr in ihrer ursprünglichen Stärke auftritt, konnten etwa der Unsterblich-Neonazi Alexander Christian zusammen mit Christian Marinics gesehen werden, sowie an andere Stelle Christian Wagner – erstere sind auch Teil der sogenannten „Ballermann Jungs“: Bei den „Ballermann Jungs“ handelt es sich um eine Vernetzung der beiden Ostkurven-Hooligan-Gruppen „Unsterblich Wien“ und der nun zu den „Viola Fanatics“ zugehörigen „Sektion Inferno“– der Name bezieht sich auf gemeinsame Urlaube auf Mallorca und eine Facebook-Seite. Wie Fotos nahelegen, gibt es vor Ort gute Kontakte zu deutschen Neonazis, die mittlerweile auf Mallorca am sogenannten „Ballermann“ leben: Vor allem Unsterblich-Neonazi und Fanatics-Ehrenmitglied Bernhard Kirsch dürfte Kontakt zum Ex-NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel pflegen, der dort ein Lokal betreibt. Alexander Christian verfügt über gute Connections zu Neonazis von „Kategorie Braunschweig“ und den „Exzess Boys“ (zu denen auch Holger Apfel bekanntlich gute Verbindungen hatte) – beide Braunschweiger Gruppen können regelmäßig auf Mallorca gesehen werden und zeichnen dort auch verantwortlich für Massenschlägereien. Bezüglich der Entstehungsgeschichte, einzelner Akteur:innen und diverser Aufmärsche wie Aktionen von Unsterblich verweisen wir auf die Seite der Kolleg:innen der Recherche Wien. Von hoher Relevanz sind jedoch die Infos, die wir inoffiziell durch szenekundige Fans bekommen haben: So scheinen die Unsterblich-Neonazis neuerdings wieder massiv ins Stadion zu drängen (diese hatten teilweise jahrelanges Stadionverbort ausgesprochen bekommen), was auch die Sichtung der Unsterblich-Fahne im Reichskriegsflaggen-Design beweist. Darüber hinaus dürfte sich eine rechtsextreme Konsolidierung in der Ostkurve der Austria abspielen: Wie Quellen behaupten, dürften die Unsterblich Leute auch nicht vor erheblicher Gewalt zurückschrecken, um wieder regelmäßig ins Stadion (i. d. Ostkurve) zu gelangen. Geholfen wird ihnen dabei vor allem von den Fanatics, wo speziell zum ersten Vorsänger „Mani“ sowie zu Manuel „Buzy“ Buzecky und weiteren Fanatics-Mitgliedern seit langer Zeit enge Verbindungen bestehen. Darüber hinaus dürfte der zweite Vorsänger der Fanatics ursprünglich auch aus den Reihen von Unsterblich stammen. Das symbolische Kapital der Fanatics wiederum beschleunigt die rechtsextreme Konsolidierung um ein vielfaches: So scheinen auch seit geraumer Zeit Neonazis der Ultras Slovan Pressburg in die Ostkurve zu drängen. Die entstehende rechtsextreme Umgebung sorgt laut Aussagen dafür, dass es für einigermaßen linke Fans beinahe unmöglich wird, in diesem Teil der Kurve zu stehen, da ständige Drohungen an der Tagesordnung stehen und die Gewalt gegenüber linken Fans eskaliert.

Gute Beziehungen zu den Kadern von Unsterblich bestehen auch seitens der Gruppe rund um Michael Giebner: Schon dessen Vater Hannes Giebner betätigte sich als neonazistischer Hooligan in der Kurve der Austria Wien. Michael Giebner war einer der Gründer der damaligen Jung-Hooligan-Gruppe „Flagrantia Wien“, die der Vorstand der Austria jedoch frühzeitig verbot und nicht offiziell als Fangruppierung listete. Jedoch scheint der Verbund immer noch junge Hooligans mit rechter Gesinnung anzuziehen, was auch die Vermutung zulässt, dass es sich um eine Vorfeld-Organisierung handelt, die unter der Hand junge Personen abpasst, um sie ins Spektrum gewaltbereiten und -orientierten Rechtsextremismus einzuspeisen. Heute sind die Banner der Flagrantia wieder im Stadion zu sehen. Beziehen wir dies auf Rutters Kommandostruktur und Pläne sowie dem permanent gewaltvollen Auftreten der Hooligans um Giebner, liegt die Vermutung nahe, dass Rutter u. U. genau jene junge, unter Beweisdruck stehende Gruppierung, angeworben hat, um seine Ziele durchzusetzen.

Während diese Gruppen als bewiesen einschlägig neonazistisch eingeordnet werden könne, ist dies für die anderen Akteur:innen so eindeutig nicht der Fall. Zwar treten auch Personen aus dem Umfeld der WSK und Pyromanen Linz mit Neonazi-Symboliken (etwa Thor-Steinar-Bekleidung, Schlauschals mit Wolfsangel, usw.) auf, die Gruppen selbst sind jedoch nicht ideologisch kompakt zu erfassen: Geeint sind sie jedenfalls durch ihre Gewaltbereitschaft, einer starken Offenheit zu faschistischen Strukturen sowie durch die gängige Praxis unproblematischer Eingliederung dezidierter Neonazis in ihre Reihen. Exemplarisch hierfür kann der sowohl von der Alten Garde wie auch von Unsterblich geduldete Neonazi Gilbert Link gelten: Schon in der VAPO (Kameradschaft Wiener Neustadt unter Kameradschaftsführer Sascha Kaspar) Anfang der 90er-Jahre aktiv, wurde Link später im Umfeld von Unsterblich geduldet, steht aber grundsätzlich im Block der Alten Garde. Das zeugt von der Eisern Wien-Mentalität: Zwar getrennt durch den Verein, ist die ideologische Nähe aber manchmal so groß, dass solche Wechsel – eigentlich nicht geduldet – dennoch möglich werden.

Wie ist die Situation rund um die Hooligan-Beteiligung also zu bewerten bzw. perspektivisch zu beleuchten? Klar ist, dass auch in hiesigen Corona-Protest-Strukturen gewaltbereite Hooligans am rechten Rand eine wichtige Aufgaben übernehmen, nämlich: den Umgang mit den staatlichen Repressionsorganen für die offiziellen Veranstalter:innen und Ideolog:innen im Hintergrund. Darüber hinaus organisieren sie scheinbar eigenständig einen militanten Umgang mit Antifaschist:innen und verunmöglichen gezielt wichtige Dokumentationsarbeit und Berichterstattung. Dass ein Großteil davon darüber hinaus noch als klar rechtsextrem einzustufen ist, zeigt die besorgniserregende Dimension des Komplexes.

Wie auch schon in Part I kommt hier am Ende wieder der Aufruf zur Mitarbeit. Ihr habt wen erkannt? Schreibt uns über unser Kontaktfeld und wir ergänzen unseren Artikel! Recherche heißt gemeinsam gegen Rechts!

[1]Die von Larmoyanz und inszenierter Reue geprägten Posts und Videos in der gleichnamigen Telegram-Gruppe sollten das rechtsextreme, gewalttätige Image wieder zurechtbiegen, das die Gruppe zunehmend umgab. Dass das alles reine Show ist, zeigt folgende Aktion von Ehrlich: Am 14. Mai 2021 spielte Ehrlich (Soundmaster war der bekannte Reichsbürger Frank Schreibmüller) Teile einer Rede Hitlers (1933 vor Siemens-Arbeitern) direkt neben dem ehemaligen KZ Mauthausen ab – daneben wehte eine Israelflagge. Ehrlich wurde daraufhin wegen „Verdachts auf Wiederbetätigung“ – so der juristische Sprech – einvernommen und auf freiem Fuß angezeigt.

[2]Anmerkung zum Verlauf der Demonstration: Die Polizei hatte von Beginn weg einen großen Kessel vom Schweizergarten, Belvedere, bis hinter den Hauptbahnhof gezogen, um die Demonstration zu stoppen und so zu verhindern, dass sich erneut dutzende Züge bildeten, die blindlings ohne staatliche Kontrolle durch die Stadt ziehen würden. So sicherten die Hamburger Gitter-Linien teilweise nur wenige Polizist:innen ab, die Angreifer:innen waren mehrfach in massiver Überzahl.

[3]Dazu gesagt werden muss, dass die Einsatztaktik der Polizei oftmals völlig desolat und (gewollt?) planlos erschien.

[4]Teilweise kämpfen auch Mitglieder der Hype-Crew selbst bei KOTS.

[5]Und KOTS ist bei weitem nicht das einzige Format, in dem Free Fight-Kämpfe abseits legalistisch strukturierter Rechtsräume stattfinden. Darüber hinaus sind doppelte Daseinsformate ebenso oft anzutreffen: Gekämpft wird sowohl offiziell in den jeweiligen Ligen, aber eben auch in den Underground-Fight-Clubs.

[6]D. h.: Beim WSK finden sich alle jene Leute – ausschließlich Cis-Männer – ein, die bereit sind, für den Verein auf die „Wiesn“ zu gehen, sprich: an den Auseinandersetzungen mit anderen Fight-Crews teilzunehmen. Voraussetzung ist lediglich, dass die Personen in der Kurve von Rapid aktiv sind, im Falle des WSK z. B. Werden externe Kampfsportler nicht toleriert.