Walter Gerhard Piranty und das Wehrdorf Szőce: Ein militanter Neonazi zwischen Rotlichtkriminalität, organisiertem Betrug und völkischer Landnahme.

Am 25. April 2021 erblickte der mit neonazistischen Inhalten befüllte Telegram-Kanal „Wehrdorf Szőce“ das Licht der Welt, dessen Name bereits die Programmatik des dahinterliegenden Projekts illustriert: Wir sprechen von der zunehmend praktizierten Strategie der völkischen Landnahme durch neonazistische Akteur*innen in ganz Europa, die versuchen abseits der Großstädte völkisch-rassistische Gegenkulturen zu etablieren und Einfluss auf die dort lebende Landbevölkerung zu gewinnen. In dem konkreten Fall verbirgt sich hinter dem Kanal ein rund 30.000m² großes Anwesen in Szőce, einem kleinen Ort mitten im Nirgendwo im ungarischen Landkreis Körmed, etwa eine halbe Stunde von der österreichischen und rund eine Stunde von der slowenischen und kroatischen Grenze entfernt. Das Wehrdorf-Projekt reiht sich damit in einen aktuellen Trend innerhalb der extremen Rechten in Europa ein, vermehrt Siedlungsprojekte in der ungarischen Peripherie – aber nicht nur dort – zu gründen, um dort abseits zivilgesellschaftlicher und behördlicher Sanktionierung „alternative Lebensräume“ zu erschließen. Der Akteur hinter dem besagten Telegram-Kanal und mutmaßlicher Eigentümer des Anwesens in Ungarn ist der aus dem direkten Umfeld von Gottfried Küssel und mit diesem bis zum heutigen Tag in intensivem Kontakt stehende Walter Gerhard Piranty: ein im Rotlichtmilieu tätiger und in seinem Leben immer wieder in verschiedene Betrugsmaschen involvierter Neonazi aus Wien, der in den letzten Jahren auch neben der „Rotlichtlegende“ Peter Konstantin Laskaris in der ATV-Sendung „NachtGschicht“ zu sehen war.

Der ideologischen Ausrichtung und dem Milieu Walter Gerhard Pirantys entsprechend gestaltet sich auch der öffentliche Auftritt dessen Wehrdorf-Kanals, auf dem die Propaganda von neonazistischen Parteien und Organisationen wie die der NPD, des III. Weges, der Légió Hungaria oder der Wotanjugend neben verkitschter Siedlungsromantik rege verbreitet wird. Auch antisemitische Verschwörungsmythen, nazistische Runen, Merchandise-Artikel rechtsextremer Versandhäuser wie Runic Storm und downloadbare Anastasia-Bände sowie die Turner Diaries – die inoffizielle Bibel des Rechtsterrorismus – finden sich auf dem Kanal. Das „Wehrdorf“ selbst befindet sich aktuell noch im Aufbau, soll aber ab 2025 als Rückzugsort abseits der österreichischen Gesellschaft und der hiesigen Politik dienen. Wie bereits erwähnt und in dieser Recherche ausführlich behandelt, fungiert Ungarn aufgrund der fest verankerten parlamentarischen Rechten, der florierenden rechtsextremen Szene und nicht zuletzt auch deshalb, weil bei rechtsextremen Aktivitäten kaum mit staatlicher Repression zu rechnen ist, innerhalb vieler rechtsextremer Milieus in Europa und so auch für Walter Gerhard Piranty als ideologische Projektionsfläche, Sehnsuchtsort und Reisedestination.

Piranty macht auch abseits seines Telegram-Kanals keinen Hehl aus seinen politischen Ansichten – besonders deutlich wurde dies in den letzten Jahren auf den von ihm unter Pseudonymen betriebenen Social-Media-Kanälen: „Ernst Johann Heurteur“, „Ernst Heurteur“, „Ernst Hofer“ oder „Maria Polzer“ (wie u. a. auch FPÖ-Fails 2021 postete). Auf diesen leugnete er die Shoah, verherrlichte und verharmloste die Waffen-SS, artikulierte schwerste Gewaltandrohungen gegenüber muslimischen Migrant*innen, hetzte gegen die LGBTIAQ*-Community, solidarisierte sich mit Gottfried Küssel nach dessen Verurteilung zu einer neunjährigen Haftstrafe und postete Songs der neonazistischen Bands Lunikoff Verschwörung und Landser. Doch auch unter Klarnamen verbreitet der Neonazi aus Wien ohne Hemmungen nazistisches Gedankengut: So teilt er auf seinem Pinterest-Account einen ganzen Ordner strafrechtlich relevanter Glorifizierungen der Waffen-SS, Hakenkreuzfahnen, Sig-Runen, SS-Uniformen, SS-Dolche samt SS-Treueschwur, Wehrmachtpropaganda und militanten Antisemitismus in Form von NS-Hetzplakaten gegen Jüdinnen*Juden.

Dass die propagandistische Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts bei Piranty durchaus System hat, zeigt auch seine öffentliche Reproduktion antisemitischer Verschwörungserzählungen. Diese Narrative scheinen durchaus internalisiert und auch handlungsleitend: So sorgte Piranty unter anderem für kleinere Schlagzeilen in den Boulevardmedien, als er eine Blockade der Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“ in Wien, Nähe Wien-Hauptbahnhof wüst beschimpfte, mit Anderen deren Transparent entwendete, die Aktivist*innen filmte und cholerisch herumschrie, man solle die „Arbeitslosen“ einfach überfahren. Auf den sozialen Medien des Neonazis erhält man dann die Erklärung zu seinem Hass auf jegliche Form des linken Aktivismus: Der menschengemachte Klimawandel wäre die Erfindung einer finsteren globalen Elite, die schon seit Jahrzehnten auch über ethnische Waffen verfügen würde, um diese zur Zerstörung der „natürlich starken“ Völker (heißt: Zerstörung der „weißen Völker“) einzusetzen. Auch der Covid-19-Virus wäre die Erfindung einer „globalistischen Elite“ gewesen, deren Ziel die Erzeugung multipler Krisen wäre, um die Bevölkerungen zu unterwerfen und den Plan der „Umvolkung“ voranzutreiben.

Wäre dies nicht schon besorgniserregend genug, verstärkt sich die Gefährdungslage, da Piranty während seiner Hasstiraden oft rund um seine Wohnung in der Herta Firnberg-Straße 16/10 im 10. Wiener Gemeindebezirk spaziert und als von ihm „ausländisch“ wahrgenommene Personen währenddessen filmt und rassistisch beleidigt – hinzukommt seine Gewaltaffinität und der durchaus (laut Eigenaussage sowie belegt durch Ermittlungen der Behörden nach §50 des Waffengesetzes) vertraute Umgang mit (Schuss-)Waffen.

Das Vorhaben des Aufbaus einer völkischen Siedlung und die Verbreitung militant-nazistischer Inhalte durch einen in den organisierten Rechtsextremismus bestens vernetzten Neonazi wären bereits Grund genug, um über das sogenannte Wehrdorf zu berichten. Nun kommt aber hinzu, dass das Anwesen in Szőce eine gewisse historische Bedeutung für den österreichischen Rechtsterrorismus der 1990er-Jahre hat: Ehemaliger Eigentümer des Objekts war zu dieser Zeit Franz Radl sen., der Vater des später im Briefbombenprozess angeklagten und bis heute im organisierten Neonazismus aktiven Franz Radl jun. Radl sen. siedelte 1991 seine Chemie-Firma Biochemie KFT (in den Unterlagen der Behörden teilweise auch „Biotechnika“ genannt) von Fürstenfeld nach Szőce und betrieb diese dort bis 1993. Der Sohn Franz Radl jun., der zeitweise in der Firma des Vaters tätig war und auch plante, diese zu übernehmen, hatte sich im ungarischen Residuum einen kleinen versperrten Arbeitsraum eingerichtet, indem er sich gelegentlich aufhielt, um ungeklärten Betätigungen nachzugehen. Dies führte dazu, dass in der Nacht des 14. Dezember 1993 die österreichische Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) gemeinsam mit ungarischen Behörden das Firmengelände stürmte und durchsuchte. Grund dafür waren die damals laufenden Ermittlungen im Kontext der Briefbombenanschläge des Franz Fuchs und der Verdacht der Behörden, es könnte sich belastendes Material z.B. für den Bau der Briefbomben an dem Ort befinden – dazu später mehr.

Die lange rechtsextreme Kontinuität in Bezug auf das ehemalige Firmengelände in Ungarn wirft so einige Fragen auf und gibt Anlass dazu, einen genaueren Blick auf das Netzwerk von Walter Gerhard Piranty und dessen Verwicklungen in den organisierten Neonazismus in Österreich seit den 1980er-Jahren zu werfen. Ferner legt die rege Involvierung Pirantys in dubiose Kryptowährungsgeschäfte sowie seine aktiven Kontakte zu Gottfried Küssel und weiteren Exponenten der Corona-Querfront und der Ferialverbindung Imperia die Frage nahe, ob die organisierte NS-Szene in Österreich sowohl in dessen Geschäfte, als auch in das anliegende Siedlungsprojekt auf die eine oder andere Art involviert ist. Auch wenn die Frage, wie und wann das Gebäude des Franz Radl sen. in den Besitz von Piranty gelangte, nicht mit Sicherheit beantwortet werden kann, gibt die bis heute anhaltende Beziehung Pirantys unter anderem auch zu Franz Radl jun., – der in den sozialen Medien im Übrigen fast jeden Beitrag Pirantys teilt – Anlass zu der Annahme, dass hinter dem „Wehrdorf“ mehr als nur Pirantys privates Vergnügen, sondern auch die Involvierung breiterer politischer Strukturen steht und so die Gefahr der Etablierung eins Siedlungsprojekts des besonders militanten Arms des österreichischen Neonazismus in naher Zukunft durchaus plausibel ist. Um Walter Gerhard Piranty politisch einzuordnen, dessen Geschäfte offenzulegen und um die lang anhaltenden Beziehungen desselben zu zentralen Akteur*innen der extremen Rechten zu belegen, wird in weiterer Folge auf dessen Biografie, Geschäfte und Netzwerke systematisch eingegangen, um daran anschließend das Phänomen der völkischen Landnahme Ungarns als breites gesellschaftliches Problemfeld zu diskutieren.

Walter Gerhard Pirantys langjährige Involvierung in den Neonazismus und die organisierte Kriminalität

Walter Gerhard Piranty wurde am 1. April 1965 in Frankfurt am Main als Sohn eines österreichischen Handelsvertreters geboren, wuchs jedoch schon kurz nach seiner Geburt mit seinen Eltern und seiner Großmutter in Wien auf. Für die anliegende Recherche wird seine Biografie etwa Mitte der 1980er-Jahre interessant, denn: als sich Piranty 1982 für das österreichische Bundesheer verpflichtete, knüpfte er dort auch erste Kontakte in das Rotlicht-, Türsteher- und Glücksspielmilieu sowie in den organisierten Rechtsextremismus. Pirantys kriminelle Karriere begann als „Aufpasser“ bei Hinterzimmer-Kartenspielen und in Glücksspielhallen, aber auch als Zuhälter im Bereich der illegalen Straßenprostitution – letzteres eine Funktion, die er ausweitete und mit Unterbrechung in legalisierter Form auch heute noch ausübt. Einige Jahre nach seinem Eintritt in das Bundesheer trat Piranty dann mit Robert Rudolph, Eric Pasiecznik und Thomas Reisinger, drei weiteren jungen Männern der Wiener Neonazi-Szene, das erste Mal politisch in Erscheinung: Sie hatten 1988 gemeinsam die Nationalsozialistische Freiheitsfront (NSFF) gegründet, vielfach öffentlich Nazi-Parolen gerufen sowie mehrfach Hakenkreuze in der Öffentlichkeit angebracht. Im Zuge von Hausdurchsuchungen wurden bei den jungen Neonazis und auch bei Piranty selbst NS-Devotionalien gefunden, die ihm eine bedingte Haftstrafe von zehn Monaten einbrachten.

Um das politische Milieu, in dem sich Walter Gerhard Piranty in seinen Jugendjahren bewegte, einordnen zu können, müssen die damals breit stattfindenden Reorganisationsprozesse innerhalb der österreichischen Neonazi-Szene beachtet werden. Bei der NSFF handelte es sich nämlich nur um eine von vielen kleinen neonazistischen Splittergruppen des zunehmend militant auftretenden und durch Konsolidierungsversuche gekennzeichneten NS-Milieus Österreichs. So trat Piranty neben seinen Aktivitäten in der NSFF am 26. August 1988 auch der österreichischen Sektion der neonazistischen Nationalistischen Front (NF) bei, in der Franz Radl jun. eine leitende Funktion innehatte. Wie an dieser Stelle gesehen werden kann, handelt es sich bei der anliegenden Rekonstruktion also nicht um ein bloß zeitgeschichtliches Interesse für die zum damaligen Zeitpunkt sich formierende rechtsextreme Szene, sondern verdeutlicht die personellen Kontinuitäten innerhalb der extremen Rechten, die auch heute noch für die Beurteilung des Gegenstandsbereichs Rechtsextremismus von Relevanz sind – und oft sind es auch heute noch kaum bekannte und etwa durch finanzielle Unterstützungen im Hintergrund operierende Personen aus den „alten Tagen“, die für die aktuelle Analyse rechtsextremer Zusammenhänge von Bedeutung sind und kaum Beachtung finden.

Nachdem die Nationalistische Front am 16. November 1985 als deutschlandweite nazistische Parteiorganisation in Bielefeld gegründet wurde, pochten schon kurz danach führende österreichische Neonazi-Kader darauf, auch in der „Ostmark“ eine Unterorganisation selbiger zu gründen. Diesem Gründungsimpetus stand jedoch entgegen, dass Gerd Honsik bereits 1984 die namentlich leicht zu verwechselnde und das Sektierertum der extremen Rechten illustrierende Nationale Front auszurufen versuchte, die faktische Gründung jedoch an einer unmittelbaren Untersagung seitens des österreichischen Innenministeriums scheiterte. Erst 1987 schien die Führungsriege des späteren NF-Ablegers in Österreich nach mehreren Jahren des Wartens nichts mehr davon abzuhalten, nun auch „offiziell“ als Nationalistische Front aufzutreten. Trotz der direkten programmatischen Ausrichtung an der NSDAP hielt man sich dennoch weiterhin bedeckt, um nicht als Nachfolgeorganisation der von Honsik angestrebten Nationalen Front in den Fokus der Behörden zu rücken.

Unter dem Schirm hochrangiger NF-Mitglieder wie etwa Herbert Schweiger oder Lisbeth Grolitsch schlossen sich vorwiegend junge gewaltbereite Neonazis in der Volkstreuen Jugend Offensive (VJO), der Jugendorganisation der Nationalistischen Front, zusammen – ein Gründungsmoment, den die Führung der NF in Deutschland als ersten Meilenstein der NF-Aktivitäten in der „Ostmark“ verbuchte. Im April 1988 folgten dann mit der neuen Organisierung verbundene Publikationstätigkeiten – zuerst Gerd Honsiks Hetzpostille „HALT“ und in weiterer Folge die vom damaligen VJO-Führungskader Franz Radl jun. herausgegebene Zeitung der österreichischen NF mit dem Namen „Gäck“, beides Blätter voller militantem Rassismus, der systematischen Leugnung der Shoah und der Verherrlichung des NS-Regimes. Nicht nur Franz Radl jun. und Walter Gerhard Piranty, sondern einige auch heute noch aktive und einflussreiche Rechtsextreme sozialisierten sich politisch im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in der NF-Jugendsektion. So etwa Heinrich Sickl (ehem. FPÖ-Gemeinderat, IB-Mäzen und alter Herr der pB! Tigurina zu Feldkirchen in Kärnten) Andreas Thierry (ehemals bei der NPD aktiv), Helmut Adolf Schatzmayr (ebenso alter Herr und Schriftführer der pB! Tigurina zu Feldkirchen in Kärnten) sowie Markus Adam, Ewald Friesacher, Georg Lobnig und viele mehr.

Die jungen Neonazis wurden in die streng hierarchisch strukturierte Organisationen nach Vorbild der NSDAP unter der Verpflichtung des bedingungslosen Gehorsams integriert und von einflussreichen Altnazis rund um die zentrale NF-Führungsfigur Herbert Schweiger, dem ehemaligen SS-Untersturmführer der SS-Division Leibstandarte SS Adolf Hitler, protegiert und gefördert. Auch die Verbindung zu den politischen Tätigkeiten der Kameradschaft IV war für die Jungnazis der VJO von prägender Bedeutung – denn der politische Kampf der K IV um die Rehabilitierung der alt-nazistischen Idole in ihrer Funktion als „Zeitzeug*innen“ gehörte ebenso zum integralen Bestandteil der Agitation der nachkommenden Generation rund um die VJO (nähere Informationen zu dieser Verbindung sind in unserer letzten Recherche zum Begräbnis des Waffen-SS-Veteranen Herbert Bellschan-Mildenburg zu finden).

Gedenkgesteck an die vier ermordeten Roma Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon in Oberwart Februar 1995.

In der Frühphase der NF stießen neben den bereits genannten Kernakteur*innen zahlreiche weitere Neonazis zur österreichischen Sektion hinzu. Als finanzielle Unterstützer*innen oder einfache Mitglieder traten neben Walter Gerhard Piranty vor allem im Jahre 1988 zahlreiche später für die VAPO-Gauorganisation relevanten Akteur*innen wie auch Neonazis anderer politischer Spektren in die NF ein. So finden sich etwa Kurt Hofinger („Gaubeauftragter“ für Wien), Reinhold Kovar („Kameradschaftsführer“ Wien I), Markus Ullmann („Kameradschaftsführer“ Stv. Wien II), Franz Propst („Kameradschaftsführer“ Linz), Rene Lang („Kreisleiter“ Innviertel), Günther Reinthaler („Kameradschaftsführer“ Salzburg), Christian Wilhelm Anderle (späterer technischer Leiter des alpen-donau.info-Projekts), Jürgen Hatzenbichler (zuerst stv. „Bereichsleiter“ der NF-Kärnten, danach neurechter Publizist) und Andreas Zepke (neonazistischer Wiener Hooligan, jetzt SGN-Mitglied näher beleuchtet hier: Rechtsextremer Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistische Vernetzungen) auf der Liste der NF-Zugehörigen.

Pirantys Mitgliedschaft in der NF gibt auch Aufschluss darüber, warum er sich nicht von der ohnehin milden Verurteilung abschrecken ließ: Zu tief war er schon in das Neonazi-Netzwerk integriert und noch tiefer schien er dazu bereit, in dieses einzusteigen: Wie einer Liste sämtlicher Mitglieder und finanzieller Unterstützer*innen der Volkstreuen außerparlamentarische Opposition (VAPO) entnommen werden kann, war Piranty auch Teil von Gottfried Küssels Sektion „Ostmark“ der Gesinnungsgemeinschaft der Neuen Front (GdNF). Gleichzeitig muss für die Beurteilung von Pirantys Involvierung in die österreichische extreme Rechte der 1990er-Jahre davon ausgegangen werden, dass dieser innerhalb der VAPO-Strukturen keinerlei leitende Funktion eingenommen hatte. Wie etwa aus den umfangreichen Ermittlungsakten und der Liste der geladenen Zeug*innen im Zuge der Anklage gegen Peter Binder, Franz Radl jun. und Alexander Wolfert 1993 im Zuge der Briefbombenermittlungen hervorgeht, scheint Walter Gerhard Piranty an keiner Stelle prominent auf und auch sonst gibt es keinen Hinweis darauf, dass dieser führende Positionen innerhalb des sich neuformierenden „dritten“ Lagers innehatte.

Einstieg ins Rotlichtmilieu und illegale Prostitution

Die Abwesenheit des Namens Walter Gerhard Piranty in den betreffenden Unterlagen lässt sich teilweise mit Blick auf seine Biografie erklären. Ab etwa 1991 übersiedelte Piranty auf die Philippinen und arbeitete und lebte dort bis 1993 – eine Zeit, in der er wohl auch erstmals seinen kompletten Lebensunterhalt durch Zuhälterei bestritt. Mit seiner Rückkehr nach Wien im Jahr 1993 wurde neben der Zuhälterei nun auch der professionelle Kreditkartenbetrug zu einer seiner Haupteinnahmequellen, auch wenn die Betrugsmasche bereits Ende 1993 eine Verurteilung zu fünf Jahren unbedingter Haft nach sich zog. Aus der Haft entlassen folgte der Wiedereinstieg ins Rotlichtmilieu in einem Gürtellokal eines berüchtigten Wiener Zuhälters, auch wenn bereits kurze Zeit später eine weitere Verurteilung zu drei Jahren Haft wegen Anstiftung zum Betrug folgte. Pirantys Erzählungen aus der Haftzeit illustrieren die Gewaltaffinität des kriminellen Neonazis, der gerne heroisch von mehreren brutalen Angriffen auf einen Mithäftling vor den Augen der Justizwache berichtet. Auch sonst macht Piranty keinen Hehl daraus, Probleme mit Gewalt zu lösen und auch vor dem Gebrauch von Schusswaffen nicht zurückzuschrecken.

Nach Ende der zweiten Haftzeit erfolgte nun der Aufstieg im Rotlichtmilieu. Zunächst erwarb Piranty 2004 eine Immobilie in der Wiener Leopoldstadt und betrieb dort mehrere Jahre eine „Zimmervermietung“ im damals für das Straßenprostitutionsgewerbe berüchtigten Stuwerviertel. Berüchtigt war das Viertel nicht nur aufgrund des großen Straßenstrichs, sondern auch deshalb, weil Zuhälter und später Etablissements wie das Pirantys keine Scheu zeigten, auch minderjährige Frauen auf den Strich zu schicken bzw. keinerlei Kontrollen vornahmen, wer sich für 10 Euro die halbe Stunde in die heruntergekommen Zimmer einmietete, um dort den Käuferverkehr abzuwickeln. So entwickelte sich unter der Protektion österreichischer Zuhälter und späterer „Immobilienbesitzer“ in der Wendezeit eine Szene an minderjährigen Prostituierten, die vor allem aus den östlichen Nachbarländern Österreichs, dem Balkan und Baltikum stammten. Mit dem Wachstum des Milieus entwickelte sich auch eine zunehmend aggressiv und gewalttätig auftretende Käufer-Szene im Viertel, die auf der Suche nach „verfügbaren“ Frauen durch das Viertel zogen und dabei oftmals auch nicht davor zurückschreckten, wahllos Frauen und Mädchen auf der Straße und im direkten Umfeld von Schulen sexuell zu belästigen – wie mehrfach Medienberichte dieser Zeit belegen.

Medienberichte der 2000er-Jahre geben auch einen Einblick in die für die Entwicklungen im Stuwerviertel konstitutive Funktion Walter Gerhard Pirantys: Er sei einer der ersten Zuhälter gewesen, der das Format der billigen Zimmervermietung umgesetzt hätte und so eine neue Variante zum typischen Bordell (Einmietung der Prostituierten gegen hohe Mieten mit längerer Laufzeit der Verträge) geschaffen habe. Vor allem Boulevardmedien protokollierten die stetig zunehmende Etablierung des Viertels als Wiener Rotlichthotspot: Im Zentrum der Berichte stehen jedoch zumeist die „gewitzten“ und „frechen“ Versuche der dort aktiven Zuhälter, den Eingriffen und Kontrollen staatlicher Behörden zu entgehen – ein in Österreich gängiger Diskurs der Heroisierung und Exotisierung der „Unterwelt“ der „Strizzis“ und „Ganoven“, bei gleichzeitiger Ausblendung der mit dem Geschäft verbundenen Gewalt und Ausbeutung strukturell Benachteiligter. Auch hierfür ist Pirantys geschäftige Umtriebigkeit und seine ans Querulantentum grenzende Bereitschaft, sich mittels rechtlicher Schlupflöcher staatlicher Kontrolle zu entziehen, „stilbildend“: So gründete der Neonazi-Zuhälter u. a. die „Partei für die freie Liebe“, später umbenannt in „Partei gegen Rassismus“, um seine Laufhäuser als „Parteiheime“ anzumelden, wodurch diese vor Eingriffen polizeilicher Organe geschützt werden sollten. Aber auch Piranty konnte sich, so gerne er es gewollt hätte, nicht der staatlichen Sanktionsgewalt entziehen und wurde im März 2007 wegen illegaler Prostitution angezeigt und vorübergehend inhaftiert, wie zum damaligen Zeitpunkt die Zeitung „Österreich“ berichtete – dem vorausgegangen war die viermalige behördliche Schließung des „Stundenhotels“ aufgrund illegaler Prostitution. Im März 2007 war es mit der „Zimmervermietung“ im Stuwerviertel dann für Piranty endgültig vorbei. Diese  und mehr solcher „Strizzi-Geschichten“ beschreibt Piranty in seinem, u.a. im Falter-Shop erhältlichen, Buch.

Walter Gerhard Piranty im Café Singletreff.

Der durch polizeiliche Maßnahmen forcierte Rückzug des Rotlichtmilieus aus dem Stuwerviertel und den damit verbundenen Strafen führten bei Walter Gerhard Piranty allerdings keineswegs zu einem Umdenken. Mittels eines Privatkonkurses gelang es ihm, seine Verschuldung von mehreren hunderttausend Euro aufgrund vermeintlicher Uneinbringbarkeit aufzulösen. Wenige Jahre später folgte prompt die Eröffnung des auch heute noch existierenden Lokals „Café Single Treff“ am Wiedner Gürtel nahe dem Wiener Hauptbahnhof. Der Erfolg des „Single-Treffs“ wie auch sein medialer Bekanntheitsgrad dürften Piranty wohl auch mit anderen Wiener Rotlicht-Größen in Verbindung gebracht haben. Auffallend ist hierbei vor allem seine Freundschaft zum berüchtigten Bordellbetreiber Peter Konstantin Laskaris. Der mehrfach unter anderem wegen Stalking und Sachbeschädigung vorbestrafte Zuhälter Laskaris gehört zu den bekanntesten der Wiener Rotlichtszene, ist trotz Millionenpleite nach wie vor im Geschäft aktiv und wird seit Neuestem auch von ATV gehostet – zusammen mit Walter Gerhard Piranty, dessen militant neonazistisches Weltbild weder für Laskaris noch für den Privatsender ein Problem zu sein scheint. Die verherrlichende sowie verharmlosende Darstellung des „Wiener Strizzis“ auf die Spitze bringend, widmet sich ATV voll der Glorifizierung des Rotlichtmilieus aus unhinterfragter Perspektive der Zuhälter und unter Ausklammerung der mit dem Geschäft verbundenen Ausbeutung und Gewalt. Dass man bei ATV auch bereitwillig einem verurteilten Neonazi wie Walter Gerhard Piranty eine für ihn hochwillkommene Bühne bietet, löst vor dem Hintergrund dieser Ideologieproduktion leider keine Verwunderung mehr aus.

Das (wiederholte) Geschäft mit der Hoffnung

Mitte bis Ende der 2010er-Jahre entdeckte der bereits mehrfach wegen Betruges verurteilte Piranty neben dem Rotlichtmilieu einen weiteren Erwerbsbereich: Den „Handel“ mit Kryptowährungen in sogenannten Ponzi-Systemen (Schneeballsystemen). In einschlägigen Internetforen der Krypto-Szene ist der Name Piranty geläufig und es wird mehrfach vor seinen Praktiken gewarnt. Beteiligt dürfte Piranty an mehreren solcher Systeme gewesen sein – so unter anderem an Questra und PlusToken, Advert International Marketing (AIM) und seit neustem auch Metronix. Um einen Einblick in diese halb-legalen bis illegalen Geschäftsmodelle zu geben, gehen wir an dieser Stelle exemplarisch auf zwei nachweislich mit Piranty verbundene Projekte ein – auch wenn auf eine detailliertere Darstellung aufgrund des Schwerpunkts dieser Recherche auf das Problemfeld Rechtsextremismus verzichtet wird.

Ein von Walter Gerhard Piranty vielfach beworbener Krypto-Dienst war etwa die Mitte 2015 mit Sitz in Spanien gegründete Questra Holding (später auch Questra World Holding) mit späteren Verbindungen nach Russland und Kasachstan. Bereits im Oktober 2016 sprach die österreichische Finanzmarktaufsicht eine Warnung gegen das Unternehmen aus. Einerseits fehlte dem Unternehmen die Lizenz, Banktransaktionen durchzuführen, andererseits widersprachen die Kreditvergaberichtlinien Questras geltendem österreichischen Recht. Etwa 2017 ging es mit Questra dann den Bach hinab und es kam zu massiven Problemen bei der Auszahlung von Kund*innengeldern. Piranty hatte in das System laut Eigenaussage rund 40.000 € investiert, wie viel Gewinn er abschöpfen konnte und inwieweit er von dem drohenden Zahlungsausfall wusste, bleibt unklar. Fakt ist: Piranty machte bis zum bitteren Ende Werbung für das System und versuchte skeptisch gewordene Kund*innen mittels seiner YouTube-Videos zu beschwichtigen und im System zu halten. Seine späteren Vermittlungsversuche von Geschädigten an einen Anwalt erscheinen vor diesem Hintergrund mehr als unglaubwürdig. Und: Mit PlusToken fand sich für Piranty rasch eine Alternative. Auch bei PlusToken handelte es sich um ein Ponzi-System, das primär im asiatischen Raum beworben wurde. Interessant ist hierbei, dass die Hintermänner des Questra-Betruges allesamt auch bei dem „neuen“ Krypto-Dienst vertreten waren. Das Geschäftsmodell hinter den monatlichen Zahlungen von PlusToken war dabei eine Bot-basierte Kryptowährungsarbitrage sowie der Handel mit und das Mining von Kryptowährungen. Mit der Verhaftung von sechs Hauptfiguren des PlusToken-Systems Juni 2019 auf Vanuatu kollabierte jedoch auch dieses System. Die Verluste beliefen sich laut u.a. dem Bundesministerium für Inneres auf 2,9 Milliarden Dollar. Während Piranty zwar keiner der internationalen Köpfe dieser Systeme war, deuten doch Forderungen von Geschädigten und sein Status als „Big Family“-Member an, dass er im deutschsprachigen Raum ein relevanter Akteur innerhalb dieser Systeme gewesen war. Chancen auf Seiten der Geschädigten bezüglich Wiedergutmachung von Schäden sind bei Betrugsmaschen dieser Art allerdings meistens juristisch nicht durchsetzbar und Pirantys Selbstinszenierung als „Mann des Volkes“, der „ja“ auch verloren hätte, tut ihr Übriges.

Doch auch damit schien es Piranty nicht zu genügen: Nach dem Untergang von PlusToken stieg Piranty in das nächste Schneeballsystem ein – Advert International Marketing. Während Questra und PlusToken klar im Kryptowährungsbereich zu verorten sind, präsentiert sich AIM selbst als Marketingunternehmen. In verkürzter Darstellungsweise funktioniert AIM wie folgt: ein Unternehmen will online Werbung schalten und kauft sich deshalb ein Promotion-Package bei AIM. Damit einher geht die Verpflichtung, sich täglich eine vordefinierte Anzahl an Werbungen anderer AIM-Partner*innen anzusehen. Dafür bekommt man die eigenen Werbekosten erstattet, plus einen Gewinn von 10 bis 40% über einen vordefinierten Zeitraum. Laufzeitverlängerungen und Reinvestitionen innerhalb von AIM sind jederzeit möglich. Mit diesem Modell sind weitere Bonussysteme verbunden, die das Anwerben neuer „Partner*innen“ attraktiv machen sollen und nach der Logik von Pyramidensystemen funktionieren: Hat man ausreichend Partner*innen angeworben, die in das System investieren, verdient man mittels Provisionen an deren Tätigkeiten mit. Je weiter oben eine Person in dem System steht, desto mehr verdient diese auch.

Um neue Investor*innen anzuwerben, werden in diesem Geschäft oftmals virtuelle oder reelle Stammtische organisiert, die dazu dienen, interessierte Personen dazu zu bringen, ihr Geld in die jeweiligen Systeme einzuzahlen. Auch Walter Gerhard Piranty organisierte Stammtische dieser Art – zunächst am Wiedner Gürtel 46, 1040 Wien, danach in der Zentagasse 33, 1050 Wien und später im Café Frey in der Favoritenstraße 44, 1040 Wien (dazu später noch mehr) und verteilte dort etwas höher bepreiste Werbegeschenke wie AirPods und Poloshirts, um einen bleibenden Eindruck bei den hoffnungsvollen Teilnehmer*innen der Stammtische zu hinterlassen. Die hier dargestellte Masche ist eine gängige Betrugsform im Krypto-Bereich: Durch ständige Reinvestitionen bleibt letztlich sämtliches Geldkapital innerhalb des virtuell abgeschlossenen Kreislaufs, wodurch die Betreiber*innen meist nur geringe Beträge auszahlen müssen. Sobald eine wie auch immer geartete externe Unsicherheit die Stabilität des System bedroht, folgt meist der sogenannte „Exit-Scam“: Investor*innen erhalten keine Auszahlungen mehr und bleiben auf ihren Kosten sitzen, während die Organisator*innen des Betrugs das gesamte Investment abschöpfen und untertauchen.

Mutmaßliche Opfer Pirantys Betrugs fordern eine Rückerstattung ihrer Investments.

Aktuell bewirbt Piranty mit dem Tradingdienst Metronix ein weiteres Krypto-System, dieses Mal jedoch de facto in führender Rolle – schon 2019 stieg er mit 25% anteilsmäßig bei Metronix ein. Auch hier kommt das altbekannte Verkaufsmuster zum Einsatz: AirPod-Geschenke, Stammtische, Trading-Sessions; alles „seriös und gedeckt“, wie Piranty nicht müde wird zu betonen – immerhin handle es sich bei Metronix auch um ein österreichisches Unternehmen, was wesentlich mehr Sicherheit garantiere. Als Gründer von Metronix tritt Michael Eder auf, ehemaliger Geschäftsführer des nicht minder dubiosen Marketing- und IT-Dienstleistungsunternehmens EdJoWa GmbH mit Sitz in Ansfelden. Metronix hingegen ist als automatisierte Trading-Software konzipiert, die direkt in Kryptobörsen wie „Binance“ integriert ist und mit diesen interagieren kann. Dazu bietet Eder über die von ihm gegründete Big Deal Company – eine Krypto-Coaching-Plattform – die für das Buying-Schema von Metronix passenden Tradingkurse mit einer Kursgebühr zwischen 300 und 3.000€ an. Dass Piranty bei Metronix wesentlich zentraler involviert ist als bei den global organisierten Ponzi-Systemen und Exit-Scams, ist durch dessen enge Verbindung mit Eder belegbar: Nicht nur teilt Piranty permanent Einführungsvideos Eders auf seinen Online-Kanälen, auch war Eder schon Gast in Pirantys Geschäftsräumen in der Wiener Innenstadt. Dort wartete man mit Sekt, Kanapees & Werbegeschenken auf und war bereit, neue Kundschaft zu empfangen – brisant daran auch: Mit anwesend war auch der seit den 1970er-Jahren aktive Neonazi Harald A. Schmidt, doch dazu im nächsten Teil mehr. Bis dato bewirbt Piranty Metronix aggressiv und umfassend, feierte Ende 2022 das mehr als dreijährige Bestehen und kündigte weitere rege Betriebsamkeit für das System an.

Im Dezember 2019, also nur wenige Monate nach dem Einstieg bei Metronix, schien sich Piranty auch wieder auf stabilem finanziellen Fuß befunden zu haben: So kaufte er in der Wielandgasse 1, 1100 Wien, ein ebenerdiges Objekt just gegenüber des Ernst-Kirchweger-Hauses und baute es zum „Mona Lisa Club“ um, wie auch das Single Treff als „Kontaktlokal“ gedacht. Doch dann schlugen Piranty März 2020 die Covid-19-Maßnahmenpakete und Lockdowns ein Schnippchen – er musste seine Lokalitäten wie alle anderen Gewerbe vorübergehend schließen, Corona-Hilfen seitens des Staates konnte er für den neu eröffneten Club jedoch nicht beantragen, da das Lokal aufgrund der erst kurz zuvor vonstatten gegangenen Eröffnung nicht unter den Coronahilfe-Schirm fiel  – so blieb Piranty wiederum auf mehreren zehntausend Euro Schulden sitzen und das Lokal steht bis dato unter der Telefonnummer +436606304039 zur Vermietung frei.

Zur aktuellen Vernetzung Pirantys in den organisierten Neonazismus

Wir widmen uns in dieser Recherche Walter Gerhard Pirantys Vergangenheit sowie dessen Geschäften deshalb so detailliert, weil hierdurch belegt werden kann, dass dieser zum einen seit den 1980er-Jahren intensive Kontakte in den organisierten Neonazismus pflegt und zum anderen sowohl im Bereich des organisierten Betruges als auch der Rotlicht-Kriminalität tätig war bzw. – wenn auch mittlerweile auf halb-legaler Basis – noch immer ist. Für den Gegenstandsbereich Rechtsextremismus ist allerdings nicht nur Pirantys ehemalige Involvierung in den militanten Neonazismus von Relevanz, sondern auch der Umstand, dass auch heute noch sowohl politische wie auch geschäftliche Beziehungen zwischen ihm und mehreren Exponenten der extremen Rechten bestehen.

Fotoaufnahmen vom 12. Oktober 2019 belegen in diesem Kontext die Zusammenkunft von Walter Gerhard Piranty mit dem Neonazi Paul Blang und mutmaßlich auch Thomas Cibulka. Diese waren an dem Tag zu einem „Heldengedenken“ am Grab des Holocaustleugners Gerd Honsik in der Marktgemeinde Königsstetten zusammengekommen. Traditionsbewusst legte man auf dem Grab ein Gesteck in Reichskriegsfarben und den Aufschriften „Schillerbund – Imperia“ und „Knut-Hamsun-Gesellschaft“ nieder. Auf dem zweiten Band des Gestecks fand sich zusätzlich eine Referenz auf den Treuespruch der SS: „Deine Ehre – unsere Treue.“ Zur Erklärung: Die auf dem Gesteck genannten Organisationen können dem österreichischen Neonazismus zugerechnet werden. Während die Ferialverbindung Imperia den Nachfolgeverein der noch zu VAPO-Zeiten gegründeten Ferialverbindung Reich darstellt und vom ehemaligen VAPO-Mitglied Lucas Tuma nach wie vor legalistisch geleitet wird, ist außerdem interessant, dass auch die 1983 von Gerd Honsik ins Leben gerufene Knut Hamsun-Gesellschaft offenbar bis heute noch aktiv ist beziehungsweise sich Personen des neonazistischen Spektrums selbiger zumindest zuzuordnen scheinen.

Unklar bleibt der dem Imperia-Schriftzug vorangestellte „Schillerbund“: Der 1906 von dem militanten Antisemiten Adolf Bartels (tätig als Schriftsteller und Journalist) ins Leben gerufene Deutsche Schillerbund verzeichnete als völkisch-nationalistisches Kulturorgan schon weit vor der Machtergreifung des NS eine einschlägige Geschichte: So agitierte Bartels – der während des NS-Regimes im Übrigen zu einer wichtigen Figur der nationalsozialistischen Literatur- und Kulturpolitik werden sollte – bereits unmittelbar nach der Gründung des Bundes für eine Ausrichtung an den antisemitischen Wagner-Festspielen in Bayreuth, lediglich umgemünzt auf die Dramatik Schillers. Dass dann auf dem Grab des antisemitischen „Dichters“ Honsik ein Gesteck mit einer Referenz auf den für die NS-Kulturpolitik vielleicht wichtigsten deutschen Dichter liegt, verwundert also nicht – offen und zu klären bleibt allenfalls, ob sich hinter dem Schillerbund eine reelle Organisation von nazistischen Akteur*innen verbirgt.

Gruppenfoto des Gedenktreffens zu Ehren Norbert Burgers.

Rund ein Jahr später fand am 26. September 2020 ein weiteres „Heldengedenken“ in Kirchberg am Wechsel statt. Erneut kamen in diesem Zusammenhang Walter Gerhard Piranty, Paul Blang, Thomas Cibulka und dieses Mal auch Richard Fiebicher und Herbert Fritz zusammen, um dem verurteilten BAS-Terroristen und ehemaligen NDP-Vorsitzenden Norbert Burger zu gedenken. Bei Fiebicher handelt es sich um einen ehemaligen VAPO-Militanten mit ehemals guten Kontakten etwa zu dem Vandalen und Vordenker des Rechtsterrorismus Bendix Wendt oder dem ehemaligen stv. Vorsitzenden der Nationalen Alternative Alexander Dietze. Fiebicher ist seit Jahrzehnten integral in die hochgradig militante, um Gottfried Küssel organisierte Neonazi-Szene eingebunden und konnte über die Jahre in beinahe allen wichtigen Organisierungsversuchen dieses Milieus beobachtet werden (als Gottfried Küssel in Haft war, etwa des Öfteren an der Seite von Karin Küssel, z. B. im Rahmen von Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes oder beim Neonazi-Aufmarsch in Spielfeld). Jüngst fiel Fiebicher v. a. im Rahmen von CQ stets an der Seite von Gottfried Küssel auf und sorgte zuletzt medial für größeres Aufsehen, da er als offizieller Security für den freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten Walter Rosenkranz, aber auch für den amtierenden Bundespräsidenten Alexander van der Bellen tätig war. Herbert Fritz wiederum ist noch länger als Fiebicher in der neonazistischen  Szene Österreichs aktiv: Fritz ist alter Herr der aB! Olympia, war als militanter Südtirol-Aktivist, Gründungsmitglied der NDP und späterer Landessprecher der Wiener-Sektion ein Intimus von Norbert Burger, aber auch von Gerd Honsik, den er laut Eigenaussage im Gefängnis 1961 (im Rahmen der Südtirol-Prozesse Anfang der 1960er-Jahre) kennenlernte und auf den er etwa auch 2018 bei der „Gerd Honsik Feier“ des Gedächtnisstätte e.V. in Guthmannshausen, Thüringen eine Laudatio nach Honsiks Abeleben in Sopron hielt (Honsik wiederum widmete Fritz 2009 ein Gedicht). Bis heute ist Fritz neonazistisch engagiert – sein zahlreichen Aktivitäten können in der hier verlinkten Publikation des DÖW nachgelesen werden.

Der Umstand, dass Piranty zusammen mit zentralen Akteuren der österreichischen Neonazi-Szene an szeneinternen, klandestinen Gedenkveranstaltungen und Vernetzungstreffen dieser Art teilnimmt, verdeutlicht also dessen politische Einbindung in das Milieu und seine noch immer guten Kontakte.

Mit dem Erstarken der Corona-Proteste in Wien nahm Piranty zudem sowohl als regulärer Teilnehmer, als auch im Gleichschritt mit CQ rund um Gottfried Küssel regelmäßig an den Demonstrationen teil. Aufnahmen vom 20. März 2021 zeigen ihn so etwa inmitten der CQ-Neonazis Gottfried Küssel, Karin Küssel, Mario Aulabauer, Marco Helfenbein, Lucas Tuma und anderen. Mindestens zweimal nahm Piranty außerdem an den Demonstrationen der Corona-Querfront in Eisenstadt teil und ließ es sich nicht nehmen, sich gemeinsam anlässlich des Besuches von Sebastian Kurz mit Gottfried Küssel, Lucas Tuma und Franz Radl im Schweizerhaus im Wiener Prater aufzuhalten (er postete ein Live-Video von Küssel, der lautstark mit Tuma skandierte), um die Veranstaltung zu stören. Auch an einer von Walter Gerhard Piranty im kleinen Kreis ausgerichteten Feier in einem Bordell anlässlich dessen Geburtstag nahm Gottfried Küssel teil, um mit Piranty zu feiern. Dass Piranty durchaus enge Kontakte zu Küssel pflegt, belegt des Weiteren eine skurrile Begebenheit: Nachdem eine Razzia im Siga Siga in Ternitz stattgefunden hatte (siehe dazu unsere Recherche zu CQ), kontaktierte Piranty Küssel privat, um sich bei ihm zu erkundigen, ob er tatsächlich verhaftet worden sei. Küssel antwortete scherzhaft, dass er davon nichts wüsste, er ihm aber danke, dass Piranty ihn von seiner eigenen Verhaftung wissen lasse. Darauf folgte eine amüsierte Nachricht Küssels mit dem Bild eines Cobra-Beamten mit Schutzschild und dem Text „Vermummter erstürmt Kühlschrank.“

Neben den privaten Kontakten zu Gottfried Küssel pflegt Piranty auch Kontakte zu weiteren alteingesessenen Persönlichkeiten der österreichischen Neonazi-Szene. Interessant ist hierbei vor allem die Beziehung zu dem seit den 1970er-Jahren aktiven Neonazi Harald A. Schmidt, der sich offenbar für mehrere Jahre mit Piranty Büroräume teilte: ein zweistöckiges Büro in der Johannesgasse 21, 1010 Wien, laut Eigenaussage ein Büro im Hotel Imperial am Opernring, 1010 Wien und zuletzt ein Büro in der Mommsengasse 33/5, 1040 Wien. Fotografien, die in den Büroräumlichkeiten in der Johannesgasse aufgenommen wurden, geben Hinweise auf die geschäftliche Verstrickung der beiden Neonazis: Dort sind Schmidt und Piranty etwa zusammen zu sehen, als sie gemeinsam mit einem unbekannten Dritten das Büro eröffnen und noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt mit dem bereits genannten Michael Eder, Gründer von Metronix. Es sind Verbindungen dieser Art, die den begründeten Verdacht nahe legen, dass auch andere rechtsextreme Akteur*innen in die geschäftlichen Machenschaften Pirantys involviert sind. Am Rande: Der Geschäftsmann Michael Eder hat scheinbar kein Problem damit, seine wirtschaftlichen Aktivitäten in Kooperation mit langjährig kriminellen und militanten Neonazis abzuwickeln, die aus ihrer Gesinnung keinen Hehl machen.

Auch in Trumau scheinen Schmidt und Piranty geschäftlich aktiv zu sein.

Bei Walter Gerhard Pirantys Unternehmungen fallen zusätzlich nicht nur dessen Kontakte in die österreichische Neonazi-Szene, sondern auch relevante geografische Überschneidungen mit dieser auf. Seit 2020 organisieren Piranty und Schmidt regelmäßig Metronix-Stammtische im Café Frey auf der Favoritenstraße 44, dem Lokal, in dem über einen längeren Zeitraum bis mindestens 2020 auch Stammtische der Ferialverbindung Imperia stattfanden. Vor dem Hintergrund von Pirantys Kontakten zu Mitgliedern der Imperia und der geografischen Überschneidung mit deren Stammlokal stellt sich zum einen also die Frage, ob auch Piranty innerhalb der Ferialverbindung politisch organisiert ist und zum anderen, ob zwischen der Ferialverbindung Imperia und Walter Gerhard Piranty Gelder geflossen sind. Piranty könnte vor dem Hintergrund seiner ideologischen Überzeugungen als Finanzier neonazistischer Organisationen und Akteur*innen aufgetreten sein, oder diesen mittels seines Ponzi-Systems Investitionsmöglichkeiten abseits staatlicher Kontrolle z.B. gegen Bargeld angeboten haben. Auch wenn auf der Grundlage des aktuellen Informationsstands keine Belege dafür existieren, ist es dennoch notwendig, auf mögliche Finanzierungsstrukturen in diesem Zusammenhang aufmerksam zu machen.

Das Wehrdorf und die Expansion ins heile Ungarn

Abschließend muss der Aufbau von Pirantys völkischer Siedlung im Kontext allgemeiner Trends innerhalb der westeuropäischen extremen Rechten gesehen werden – denn in den letzten Jahren entwickelte sich Ungarn zunehmend zu einer beliebten Destination für rechtsextreme Akteur*innen, die den von ihnen als degeneriert und fremdgesteuert wahrgenommenen westeuropäischen Gesellschaften den Rücken zukehren und versuchen alternative Lebensräume im Osten zu erschließen.

Kommen wir aber zunächst zum Ausgangspunkt dieser Recherche zurück: Bei Walter Gerhard Piranty handelt es sich um einen betrugsaffinen Neonazi mit ausgezeichneten Kontakten in den organisierten Rechtsextremismus, der ein für den österreichischen Rechtsterrorismus historisch relevantes Grundstück in Ungarn mit dem Ziel des Aufbaus einer völkischen Siedlung besitzt. Walter Gerhard Piranty, der auch über Kontakte in die organisierte Kriminalität verfügt, musste sich selbst schon mehrmals in seinem Leben wegen illegalen Waffenbesitzes, Körperverletzung, Betrugsmaschen, illegaler Prostitution und weiteren Delikten vor Gericht verantworten und verbreitet auch heute noch militant-rassistische und militant-antisemitische Inhalte sowie neonazistische Propaganda über seine Social-Media-Kanäle und ist nach wie vor in dubiose Geschäfte verwickelt.

Wir wollen an dieser Stelle vertiefend auf die Hausdurchsuchungen im Jahre 1993 im Zuge der Briefbombenermittlungen und die Rolle Franz Radls eingehen, da eine mögliche Involvierung Pirantys auch schon zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann – zumindest hielt dieser sich zu dieser Zeit wieder in Wien auf und bestritt mittels organisierter Betrugsmaschen seinen Unterhalt in der Wiener Unterwelt. Das zukünftige „Wehrdorf“ von Piranty wurde wie bereits erwähnt in der Nacht vom 14. Dezember 1993 im Rahmen einer groß angelegten Razzia rund vier Stunden lang in Koordination mit den ungarischen Behörden von österreichischen Beamt*innen der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT) durchsucht. Der Aktion war bereits eine fünfstündige Hausdurchsuchung des EBT bei Franz Radl jun. und Johannes Pammer in der Laurenzgasse 6/14, 1050 Wien samt Haftbefehl gegen Radl vorausgegangen. Im Zuge der Durchsuchungen wurden sämtliche Materialien sichergestellt, die in Verbindung mit den Ermittlungen rund um die Anklage gegenüber Peter Binder, Franz Radl und Alexander Wolfert wegen der möglichen Urheberschaft der zum damaligen Zeitpunkt getätigten Briefbombenserien standen. Neben rechtsextremer Propaganda, Disketten, sowie Adress- und Namensverzeichnissen und rechtsextremer Literatur wurden von der Einsatzgruppe auch unterschiedliche Chemikalien zur näheren Untersuchung sichergestellt. Am Grundstück in Szőce blieb man allerdings weitgehend erfolglos – lediglich Honsiks Postille HALT und Druckwerke der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP) wurden von den Ermittler*innen konfisziert.

Im Rahmen der diesen Fall betreffenden Gerichtsverhandlungen wurden alle drei Beschuldigten aufgrund mangelnder Beweislast freigesprochen – trotz der vielfachen Aussagen von Zeug*innen und erdrückender Indizienlage. Wofür und inwieweit das Anwesen in Szőce in weiterer Folge genutzt wurde, lässt sich zum aktuellen Zeitpunkt nicht rekonstruieren. Einige Jahre später (2020/2021) begann Walter Gerhard Piranty allerdings die ersten aufwendigen Umbau- und Renovierungsarbeiten – vor dem Hintergrund der Verfasstheit der Bausubstanz und der großflächigen Verwilderung des etwa 30.000 m² großen Grundstückes kann durchaus angenommen werden, dass dieses über einen längeren Zeitraum nicht genutzt wurde. Auffällig bei den Renovierungsarbeiten ist, dass diese mutmaßlich in zwei Phasen stattgefunden hat. Während das Grundstück nördlich an ein breites Wald- und Moorgebiet grenzt, das Teil des Őrség Nationalpark ist, grenzt der östliche Teil des Grundstücks an die vom Schwertransit geprägte E65 und westlich an Gehöfte des Ortes Szőce. Der nördliche nach dem Wald gehende und nur von diesem aus einsichtige Teil erscheint dabei gut gepflegt und aufgeräumt und wurde im Winter 2022/23 auch weiterhin schon vorangeschrittenen Bauarbeiten unterzogen, während der restliche Teil des Grundstücks erneut verwildert, obwohl Piranty dort bereits mehrfach umfangreiche Gartenarbeiten durchgeführt hatte. Ebenso auffällig ist die breit angelegte Kameraüberwachung des großen, zweistöckigen Hauptgebäudes, in dem in den 1990er-Jahren das Zimmer von Franz Radl angesiedelt war, sowie die im umliegenden Wald zu findenden Spuren der Benutzung, wie etwa in der Umgebung am Boden verteilte, im ungarischen Landkreis nicht erhältliche österreichische Bierdosen, die nahe legen, dass auch die das Grundstück umliegenden Wälder inklusive der schmalen Trampelpfade für die bedenklichen Aktivitäten von Walter Gerhard Piranty und dessen Geschäftspartner*innen bzw. Kamerad*innen genutzt wurden.

Die Historie des Grundstücks, dessen Besitzer sowie die Kontakte desselben geben also Anlass, das „Wehrdorf“-Projekt als potenzielle neonazistische Gefährdung zu betrachten – und auch in Bezug auf das Prostitutionsgewerbe kritisch zu beurteilen. Sollte Piranty seine Pläne tatsächlich umsetzen und in Szőce bis 2025 in der ungarisch-österreichisch-slowenisch-kroatischen Grenzregion ein völkisches Siedlungsprojekt auf mehr als 30.000 m² Land aufziehen, ist durchaus zu befürchten, dass im Schutz provinzieller Abgeschiedenheit und öffentlicher Gleichgültigkeit gegenüber neonazistischen Aktivitäten ein Rückzugs- und Schulungsraum für militante österreichische und ungarische Neonazis sowie auch ein für dessen dubiose Geschäfte attraktiver Netzwerkknoten entstehen könnte – mit transnationalem rechtsterroristischem Potenzial. Anleitungen zum Terrorismus verbreitet Piranty wie schon dargestellt bereits auf seinem Wehrdorf-Kanal und die Gewaltaffinität haben dieser und sein Umfeld mehrfach bewiesen. Es ist außerdem bekannt, dass die österreichisch-ungarische Landesgrenze schon seit Anfang der 1990er-Jahre als Vernetzungsraum der militanten Neonazi-Szene fungiert – man denke etwa an Gottfried Küssels Verbindungen zu dem wegen Mordes verurteilten Neonazi István Györkös sen., der ebenso einen Familienlandsitz nahe Györ bis zu seiner Verhaftung und Inhaftierung 2016 betrieben hatte und in dessen Zusammenhang paramilitärische Trainings der Magyar Nemzeti Arcvonal (MNA) mit österreichischen Neonazis immer wieder Gegenstand medialer Berichterstattung waren. Zu den geschilderten Entwicklung kommt hinzu, dass Piranty neben dem Objekt in Szőce noch weitere Immobilien in Ungarn besitzt, die in Zukunft als Laufhäuser genutzt werden sollen: In Sopron besitzt der militante Neonazi einen Bungalow, den er noch bis Mai 2023 als weiteres „Stundenhotel“ betreiben will, in Mosonmagyarovar existiert außerdem eine Immobilie, deren Nutzung bis dato noch unklar ist.

Das Siedlungsprojekt und der Immobilienankauf Pirantys in Ungarn mag zwar aufgrund dessen intensiver Kontakte in den militanten Neonazismus besonders besorgniserregend sein, steht zugleich aber für eine Entwicklung, die innerhalb der breiten Öffentlichkeit und auch bei Behörden viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Denn hinter Pirantys Ansiedelung steht nicht nur der für den Euroraum günstige Wechselkurs, sondern auch die ideologisch geprägte Imagination Ungarns als noch heile, ethnisch homogene und intakte Gesellschaft, in der im Gegensatz zum westlichen Europa noch wahre Patrioten und Nationalisten an der Macht sind. Diese Vorstellung teilt Piranty mit vielen anderen rechtsextremen Akteur*innen, die sich seit etwa 2014 nicht nur ideologisch, sondern auch geografisch zunehmend in Richtung Ungarn orientieren. So ist bekannt, dass sich die britischen Neonazis der Kinghts Templar International Nick Griffin und James Dowson nach Ungarn abgesetzt haben. Auch den schwedischen und international bekannten Neonazi Daniel Friberg, den US-Neonazi und „Männerrechtler“ Matt Forney, den deutschen Rechtsextremist und Waffenhändler Mario Rönsch sowie den deutschen Shoah-Leugner Horst Mahler, den österreichischen Shoah-Leugner Gerd Honsik (bis zu seinem Tod in Sopron 2018) und den Schweizer Rechtsextremisten und Pegida-Schweiz Gründer Ignaz Bearth sowie einige mehr hat es in den letzten Jahren nach Ungarn verschlagen. Viele andere beschränken sich darauf, Ungarn regelmäßig bei Neonazi-Events zu besuchen oder in Solidarität mit der nationalen Bewegung in Ungarn auf die Revolution in ihrem eigenen Land zu warten.

Gerade Ignaz Bearth versinnbildlicht eine zunehmend bemerkbare Aufbruchsstimmung, die innerhalb einschlägiger Kreise seit der Covid-19-Krise herrscht. Dieser lancierte zeitgleich mit dem Anstieg der Corona-Proteste im deutschsprachigen Raum ein Auswanderungsprogramm für „Patrioten“ und emigrierte mit einer Handvoll Pensionist*innen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich in eine kleine Ortschaft am ungarischen Balaton – eine Region, die seit Jahrzehnten ein beliebtes Reiseziel deutscher und österreichischer Tourist*innen und seit 2014 auch Treffpunkt internationaler Neonazi-Größen ist. In einem Artikel des NZZ-Magazins wurde in diesem Zusammenhang etwa von einer Migrationsbewegung „rechter Rentner“ gesprochen, der Bayerische Rundfunk berichtete davon, dass die meisten dieser Auswanderer aus rassistischen Motiven ihr Land verlassen und daher Ungarn als Zufluchtsort gegen die „Überfremdung im eigenen Land“ auserkoren haben. Einflussreiche Influencer wie Bearth mobilisieren erfolgreich auf ihren Social-Media-Kanälen mit tausenden Mitgliedern für die Auswanderung nach Ungarn und bieten Info-Materialien an, um möglichst rasch in Ungarn Fuß fassen zu können. Mittlerweile existieren etwa 20 intakte und besiedelte „deutschsprachige Stützpunkte“ in Ungarn, zwei Drittel dieser sind rund um den Balaton angesiedelt – 10 weitere wären bereits in Planung. Angetrieben von antisemitischen Verschwörungsmythen, die unter den Begriffen „Great Reset“, „Umvolkung“, „Großer Austausch“ und „Globalisten“ zunehmend aggressiv artikuliert und verbreitet werden, verschlägt es also immer mehr rechtsextreme Akteur*innen in das von Viktor Orbán autoritär geführte Ungarn – dass hierzu kaum öffentlicher Handlungsbedarf seitens Politik und Zivilgesellschaft gesehen wird, ist in diesem Zusammenhang besonders besorgniserregend und garantiert neonazistischen Strukturen weiterhin freie Hand vor Ort.

Resümee

Der Fall Walter Gerhard Piranty verdeutlicht exemplarisch zunehmend relevant werdende Entwicklungen innerhalb des militant neonazistischen Lagers im deutschsprachigen Raum seit den 1990er-Jahren: Gewaltaffine neonazistische Milieus vernetzen sich rege mit Strukturen der organisierten Kriminalität. Die Kontakte rechtsextremer Akteur*innen in das Rotlichtmilieu, den organisierten Drogen- und Waffenhandel, aber auch in den Bereich des organisierten Betruges sind mittlerweile vielfach belegt. Zu diesem Schluss kommt auch eine neue empirische Studie des Counter Extremism Project, die sich in ihrem europaweiten Bericht der Vernetzung rechtsextremer Milieus in Europa mit der organisierten Kriminalität widmet. Oftmals entstehen durch kriminelle Aktivitäten überregionale und transnationale Netzwerkstrukturen, deren Infrastruktur auch für politische Zwecke genutzt werden – etwa durch unregistrierte Cashflows, mittels derer die politische Praxis und der Lebensunterhalt rechtsextremer Gruppen und Einzelpersonen finanziert werden kann.

Die durch die organisierte Kriminalität generierten Gelder fließen so abseits staatlicher Kontrolle in unterschiedliche Aktivitätsbereiche der extremen Rechten: In die Unterstützung von untergetauchten oder inhaftierten Kameraden, die Finanzierung politischer Arbeit, die Bereitstellung von Räumlichkeiten sowie die Produktion von Schulungs- und Propagandamaterialien, den Ankauf von Waffen und Sprengstoff und nicht zuletzt auch in die Finanzierung des Lebens der meist abseits konventioneller Arbeitsverhältnisse agierenden Aktivist*innen der Szene. Fälle wie die des Objekt 21, der Bruderschaft Thüringen (Turonen), der Steeler Jungs und diverse Waffenschieber-Ringe in den letzten Jahren in Deutschland und Österreich verdeutlichen, dass die in der organisierten Kriminalität agierenden Personen und Gruppen der extremen Rechten nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern auf der Grundlage eines militant-nazistischen Weltbildes agieren und eine gewisse Affinität zu rechtsterroristischen Strukturen aufweisen. Während manche Personen sich stärker dem politischen Aktivismus zuwenden, bewegen sich andere vertiefend in der organisierten Kriminalität – die gemeinsame weltanschauliche Basis dient jedoch zugleich als Fundament für geschäftliche und politische Beziehungen.

Die Person Walter Gerhard Piranty illustriert diese Interaktionsdynamik zwischen Rechtsextremismus und organisierter Kriminalität: Das rechtsextreme Weltbild sowie die Kontakte in das NS-Milieu prägten ihn trotz der Verlagerung seiner Aktivitäten in die organisierte Kriminalität seit seinem Einstieg in die neonazistischen Subkulturen der 1980er-Jahre. Auch wenn Piranty seit seiner Zeit als Aktivist nicht mehr als relevanter Akteur der extremen Rechten in Österreich wahrgenommen wurde, blieb dieser doch der Szene erhalten. Der Umstand, dass Piranty seit 2020 den Aufbau einer völkischen Siedlung verfolgt und zunehmend engagiert an Aktivitäten der extremen Rechten partizipiert, verdeutlicht dessen Relevanz für den Gegenstandsbereich Rechtsextremismus – und die Relevanz krimineller oder halb-krimineller Strukturen für die extreme Rechte im Allgemeinen. Die finanziell lukrativen Geschäfte Pirantys bei gleichzeitig regem Kontakt zu rechtsextremen Kadern verstärken das Verdachtsmoment, dass dieser für die Szene kaum nachvollziehbare Investitionsmöglichkeiten geschaffen hat. Seit dem 7. April 2023 geht Piranty nun außerdem einem weiteren „Geschäftsmodell“ nach: die inoffizielle Prostitutionsvermittlung via Telegram-Kanal im Raum Wien, Niederösterreich und Burgenland – es ist davon auszugehen, dass die Gelder unter anderem in sein völkisches Siedlungsprojekt fließen werden.

​​​​​​Ein Blick in Gottfried Küssels Vita verdeutlicht außerdem, dass dieser und die ihn umgebenden Personen immer schon Kontakt zu multikriminellen Milieus gesucht haben. Ein prominentes Beispiel sind etwa die Kontakte zu dem 1997 wegen der brutalen Hinrichtung an der Prostituierten Petra K. verurteilten Zuhälter Georg W., mit dem man sich unter anderem zu gemeinsamen Schießübungen traf. Auch der Rückzug aufs Land an die Ränder kleiner, abgelegener Dorfstrukturen ist für Küssel kein Novum. Nach seiner Haft erstand dieser eine ganze Kellergasse bei Poysdorf und wie wir erst kürzlich dargestellt haben ein Objekt in Purbach am See, das CQ-Kader nutzten und in dem eine Hausdurchsuchung des DSN und Spezialeinheiten der Polizei wegen des Verdachts einer illegalen bewaffneten Gruppierung stattfand. Das wesentlich größere und deutlich abgelegenere Gehöft in Szőce gibt vor diesem Hintergrund noch mehr Grund zur Sorge.

Der Umstand, dass die Überschneidung von rechtsextremen Strukturen mit der organisierten Kriminalität sowie die zunehmend praktizierte Strategie der völkischen Landnahme ein zurzeit umfassendes Problem darstellen, ist evident. Dennoch scheint es in Österreich bis dato kaum einen staatlichen noch zivilgesellschaftlich-politischen Umgang mit diesem Phänomen zu geben. Dass dieses Milieu aber vor allem abseits gesellschaftlicher Beobachtung und Sanktionierung gedeiht,  liegt in der Natur der Sache und erfordert daher gezielte Gegenmaßnahmen. Es ist daher von zentraler Bedeutung dort Aufklärung und Licht zu schaffen, wo sich diese Milieus keines wünschen – denn erst durch die Offenlegung der verdeckten Netzwerke der extremen Rechten wird öffentliche Intervention gegen diese möglich.

Einer der letzten Zeugen der SS: Transnationale rechtsextreme Vernetzung bei Herbert Bellschan-Mildenburgs Bestattung in Celovec/Klagenfurt

Das Begräbnis von Herbert Bellschan-Mildenburg in Celovec/Klagenfurt

Am 12. November 2022 fand am Klagenfurter Friedhof Annabichl das Begräbnis des Waffen-SS-Veteranen Herbert Bellschan-Mildenburg statt. Abseits einer kleinen Traueranzeige in der Kleinen Zeitung Kärnten, erfuhr man in der breiten Öffentlichkeit nichts über die rechtsextreme Gedenkveranstaltung. Die europäische extreme Rechte vermied es, zum Gedenken an ihren Mitstreiter und Helden aufzurufen und sendete klandestin Einladungen zur Bestattung des Veteranen an einen ausgewählten Personenkreis aus. Dem Aufruf folgten zahlreiche rechtsextreme Akteur*innen aus dem In- und Ausland, um sich kurz vor 12 Uhr vor der großen Zeremonienhalle des Friedhof Annabichl einzufinden. Nach einer musikalischen Einleitung folgten die Trauerreden von Angehörigen Bellschans und Vertretern der österreichischen Kameradschaftsszene, vermutlich jenen der Kameradschaft IV, deren offizielles Mitglied der verstorbene Waffen-SS-Veteran war. Die Rede des Vertreters der Kameradschaft stand ganz im Zeichen einer Lobeshymne auf das unverzagte, mutige und tapfere Leben des Herbert Bellschan-Mildenburg – gespickt mit Revisionismus gegen die „Geschichtsverdrehung“ der Feinde des deutschen Volkes, gegen die der Verstorbene zeitlebens angekämpft hatte.

Auffällig bei der Trauerrede war der Umstand, dass der Redner trotz seiner Verachtung für die etablierte Geschichtsschreibung, seine revisionistischen Positionen hinsichtlich des NS-Regimes an manchen Stellen schon fast übertrieben vorsichtig zum Ausdruck brachte. So formulierte dieser verklausuliert, dass der verstorbene Bellschan-Mildenburg nach seiner Zeit beim Wandervogel zu einem Jugendbund ging, „der den Namen des damaligen Reichskanzlers“ trug – also die Hitlerjugend. Warum der Redner es vermied, den Namen Adolf Hitlers auszusprechen, bleibt unklar, folgte darauf doch in revisionistischer Manier die Charakterisierung des Überfalls auf Polen am 1. September 1939 durch die deutsche Wehrmacht „als Antwort auf permanente Übergriffe auf das Reichsgebiet der polnischen Kavallerie“ sowie die Verklärung der Kriegs-einleitenden Worte Hitlers „Ab heute wird zurückgeschossen“ als einen „unglücklichen Ausspruch“, der als „diplomatischer Fehler“ zu betrachten sei. Diesen diplomatischen Fehler hätten die Sieger des Ersten Weltkriegs instrumentalisiert, um Deutschland ein zweites Versailles zu bescheren.

Im Anschluss daran folgte eine Lobpreisung der deutschen Jugend der 1920er und 30er-Jahre, die vor dem Hintergrund von Bellschans Biografie zugleich als Rehabilitierung der Hitlerjugend und der SS-Junkerschulen zu verstehen ist, in welchen der Führungsnachwuchs für den nationalsozialistischen Vernichtungsfeldzug herangezogen wurde und in die Bellschan-Mildenburg maßgeblich involviert war:

Was Dichter und Musiker in das Wort Deutschland hineingelegt haben, hat diese Jugend hineingelebt. Der Schlüssel zum Verständnis jener Jugend liegt nicht bei analytischer Rationalität, sondern im sehnlichen Erlebnis. Volk und Heimat, Deutschland und Vaterland wurden von dieser Jugend konkret erfahren und erlebt, ganz im Sinne Goethes, dessen Geistigkeit sich die Jugend zum Vorbild gemacht hat.

Als paradigmatisch zu betrachten, ist der Rekurs auf und die Affirmation des triebhaften Irrationalismus, im Sinne einer Befreiung von Geist und Körper durch die erneuerte lebensphilosophische Bindung an die vitalisierende Kraft des ursprungsmythologisch gedachten Bodens – nur in der Heimat, im Vaterland würde die Jugend dazu in der Lage sein, den Status quo zu überwinden und an dessen Stelle die deutsche Volksgemeinschaft als Schicksals- und Blutsgemeinschaft zu etablieren. Das in der Rede hervorgehobene „Sehnen“ der Jugend bezieht sich auf den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich – der Überlebenskampf gegen „den Schandvertrag von Versailles“ wirkte daher kraftvoll als „eine Art Ersatzreligion gegen den materiellen Zeitgeist“ resümierte der Redner mit weltanschaulichem Pathos und fügte dem heroisch hinzu, es sei beinahe unbegreiflich „in welcher Liebe zur Heimat und in welcher Opferbereitschaft damals die Jugend war.“

In diesem Duktus setzte sich die Rede des Kameradschaftsvertreters fort, der in seiner Erzählung die Biografie Herbert Bellschan-Mildenburgs stellvertretend für die willensstarke deutsche Jugend Revue passieren ließ: Von der Hitlerjugend über die Waffen-SS bis hin zum Widerstand gegen das Meinungsdiktat der „sogenannten Elite“ wäre er dazu bereit gewesen, für Deutschland sein Leben zu lassen. Als einer der wenigen wäre er nicht davor zurückgeschreckt, dem dominanten Geschichtsnarrativ zu widersprechen und stattdessen die „Wahrheit“ an die neuen Generationen weiterzugeben:

Das war mit der Grund, warum Herbert gegen diese offizielle, von den Siegern diktierte Geschichtsschreibung, wo sie unredlich seiner Meinung nach war, aufgetreten […] ist. Das ist doch ein wichtiges, für einen Patrioten wichtiges, Anliegen. 2012 konnte Herbert die Festansprache auf dem Ulrichsberg halten. Er nutzte diese Festansprache für eine offene Diskussionsmöglichkeit, damit die Geschichte zur Sprache komme. Herbert erwähnte das Menschnrechtskomitee in Genf, das 2011 beschlossen hat und zwar sagte er wörtlich am Ulrichsberg: ‚Wir alten Soldaten anerkennen nämlich voll die derzeit geltenden Gesetze und respektieren diese auch.‘ Obwohl wir nicht ganz verstehen können, warum die Republik Österreich nicht gemeinsam mit den Staaten der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und der Schweiz schon im Juli 2011 in Genf beim UN-Menschenrechtskomitee verbindlich und verpflichtend eine Konvention geschrieben haben, wonach gesetzlich zur Meinungsfreiheit der Ausdruck einer irrtümlich gemeinten und unrichtigen Interpretation vergangener Geschehnisse völkerrechtlich [Anm. d. Verf.: zu ergänzen ‚erlaubt ist‘] und somit nicht bestraft werden darf.‘ Und weiter: ‚Wo aber noch immer und seit vielen Jahren Personen im Gefängnis sitzen, weil sie ihre Wahrheit verkündet haben.‘

Der Verweis auf die Menschenrechte, Meinungsfreiheit und die besagte UN-Konvention sind dabei ganz in der Tradition eines gängigen Argumentationsmusters neonazistischer Akteur*innen nach 1945. Es handelt sich um die bewusste Instrumentalisierung und Verkehrung demokratischer Werte in ihr Gegenteil – die Wehrhaftigkeit der Demokratie gegen jene, die sie zugunsten einer auf Abstammung basierenden Gemeinschaft ersetzen wollen, wird als „Meinungsdiktat“ der „Scheindemokratie“ umgedeutet und die wegen Holocaustleugnung inhaftierten Szene-Ikonen wie Ursula Haverbeck, Horst Mahler, Richard Melisch und viele mehr zu „Freiheitskämpfer*innen“ verklärt. Ein „widerständiger“ Geist wie Bellschan hätte allerdings gewusst, dass „die Geschichtsschreibung nicht der Wahrheit entsprach“ und sich dagegen eingesetzt, dass jene, die für das deutsche Volk kämpften, kriminalisiert und die „Waffen-SS als verbrecherisch“ verleumdet wird.

Auf die Beschwörung der Vergangenheit folgte dann die Darstellung von Bellschans Vision eines zukünftigen „Europas der Völker“, ganz nach dem Vorbild des Europakonzepts der Waffen-SS, in dessen Zentrum kein politisches Gemeinwesen im Sinne einer Assoziation freier Menschen, sondern die Volksgemeinschaft als rassisches Abstammungskollektiv steht: Hinter den in der Rede durchaus subtil gewählten Begriffen steht vor dem Hintergrund von Bellschan-Mildenburgs Biografie kein auf liberalen Werten basierendes Europa-Konzept, sondern die ideologische Internationalisierung des nationalsozialistischen Vernichtungsprojekts durch die SS und Waffen-SS, die als Reaktion auf die Imagination eines global agierenden und daher auch auf selber Ebene zu bekämpfenden Judentums zu verstehen ist. Auch heute noch beziehen sich große Teile des internationalen Neonazi-Milieus auf die Vision eines Zusammenschlusses der vom „Weltjudentum“ unterdrückten „Herrenrassen“ und streben einen gemeinsamen Feldzug gegen den wahnhaft imaginierten, übermächtigen und im Verborgenen agierenden Feind an – also gegen jenen Feind, der mittlerweile schon salonfähig unter dem Begriff des „Globalismus“ Einzug in die breite Öffentlichkeit erhalten hat und letztlich die popularisierte Form der alten antisemitischen Weltverschwörungstheorie darstellt, der Bellschan und seine Kameraden anhängen.

Vor dem Hintergrund dieser internationalisierten Ideologie ist es auch nicht verwunderlich, dass Neonazis aus verschiedenen europäischen Staaten angereist waren, um gemeinsam einem verstorbenen Kameraden zu gedenken – der zeitgenössische Neonazismus ist lokal verankert, international ausgerichtet und transnational vernetzt, was sich nicht zuletzt auch an Zusammenkünften wie diesen zeigt. Die Rede abschließend wendete sich der Kamerad des verstorbenen Waffen-SS-Veteranen, an die zum Gedenken Angereisten und schwor diese auf den Kampf ein, den Bellschan-Mildenburg sein Leben lang geführt hatte. Das Vermächtnis Bellschans sei es, „der Wahrheit zu dienen […] und unserem Volk die Treue zu halten und nie die Worte Friedrich Schillers zu vergessen: ‚Denn wenn kein Mensch mehr die Wahrheit sucht und verbreiten wird, dann verkommt alles Bestehende auf der Erde, denn nur in der Wahrheit sind Gerechtigkeit, Frieden und Leben.'“ Mit dem abgewandelten SS-Treueschwur „Seine Ehre hieß Treue“ beendete der Redner schlussendlich andächtig die Ansprache.

K IV und KAB bilden ein gemeinsames Ehrenspalier beim Hinaustragen der Urne Bellschan-Mildenburgs.

Nach dem Zeremoniell folgte ein Trauerzug zum Familiengrab der Bellschan-Mildenburgs, bei dem unterschiedliche Vertreter rechtsextremer Organisationen aus Österreich, Deutschland, Ungarn und Italien kondolierten und Kränze im Gedenken an den „Kameraden“ niederlegten. Zahlreiche Besucher*innen ließen es sich außerdem nicht nehmen, einige Meter von Bellschan-Mildenburgs Grab entfernt einem weiteren „Ehemaligen“ Ehrenbekundungen zu bezeugen, der jedoch eine deutlich höhere Funktion im nationalsozialistischen Staat innehatte. Die Rede ist von Friedrich Rainer, dem ehemaligen NS-Gauleiter von Salzburg und Kärnten, dessen „Ruhestätte“ eine große Elhaz-Rune und ein Ausspruch Adolf Hitlers „ziert“. Auch dort legte die Kameradschaft IV eine Grabkerze zum Gedenken ab – danach verharrte eine größere Gruppe Grazer, Wiener und Kärntner Neonazis an dem Grab, bevor sie als letzte Gruppe zurück in Richtung Ausgang marschierte. Der Leichenschmaus fand, an das Gedenken anschließend, im nahegelegenen Gasthof Krall statt, bei dem sich auch viele der österreichischen Neonazis einfanden. Das Milieu, welches am Begräbnis des Waffen-SS-Veteranen teilnahm, setzte sich dabei hauptsächlich aus langjährig organisierten Neonazis sowie Gruppierungen, die vornehmlich der österreichischen Kameradschaftsszene zuzurechnen sind, zusammen. Neben der Kameradschaft IV war auch der Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB) mit einigen Mitgliedern, sowie die Kameradschaft der ehemaligen Angehörigen des Gebirgsjäger Regiments 139, einer Wehrmachtskameradschaft, die Teil des Kärntner Kameradschaftsbundes und damit auch Teil des Österreichischen Kameradschaftsbundes (ÖKB) ist, vertreten – nicht zu vergessen der Ulrichsbergveteran und aB! Tauriska zu Klagenfurt Burschenschafter Peter Mussi.

Neben der Kameradschaftsszene fanden sich im Gleichschritt mit Gottfried Küssel und Franz Radl ein Skinhead der Gruppe Sozialismus Jetzt (SoJ) und der Corona Querfront (CQ), einschlägige Neonazis aus dem ehemaligen alpen-donau.info Umfeld Wiens und mit Christoph Schober auch ein Exponent der Grazer Szene rund um alpen-donau.info ein. Küssel samt Anhang marschierten nach der Trauerbekundung direkt zum Grab von Friedrich Rainer: Geleitet wurde die Gruppe neben Küssel von Erika Hannesschläger, der Tochter Friedrich Rainers, die ebenso als „Zeitzeugin“ agiert, aktuell in Klagenfurt wohnhaft ist und das Grab ihres Vaters betreut – ein Umstand, der ihr im Übrigen schon eine Anzeige nach dem Verbotsgesetz eingebracht hat. Weiters nahmen die obersteirischen Neonazis Hans Ploderer und Martin Ploderer, die der in den 2010er-Jahren aktiven neonazistischen Vereinigung Skinheads Steiermark zuzurechnen sind, teil. Auffällig war die Präsenz der Familie Larisch, also Nils Larisch und Conny Larisch samt beider Kinder – Nils Larisch stammt aus dem neonazistischen Hooligan-Umfeld von Lokomotive Leipzig und der lokalen Leipziger NPD-Szene. Mit Peter Dingsleder schaffte es auch ein Aktivist aus dem Umfeld der steirischen Identitären Bewegung (IB) zum Szenetreff in Klagenfurt Annabichl. Dingsleder ist langjähriger Aktivist der Identitären Bewegung, sowie Alter Herr der deutschnationalen Burschenschaft aB! Cheruskia Graz. Auch Tobias Faethe, ein aus München stammenden Neonazi aus dem Umfeld der deutschnationalen Burschenschaft Danubia München, der nun schon seit einigen Jahren in der Steiermark lebt und über gute Kontakte in die völkische und neonazistische Szene verfügt, war angereist. Obgleich die ungarischen und italienischen Kameraden nicht identifiziert werden konnten, zeugten deren Kränze und Symbole von deren Anwesenheit. In dieser Recherche wird auf die unterschiedlichen zu dem Gedenken angereisten Milieus und deren Vernetzung noch vertiefend eingegangen. Für das Verständnis der Zusammenkunft am 12. November ist es aber zunächst notwendig, einen Blick auf Herbert Bellschan-Mildenburgs Biografie zu werfen und seine Funktion innerhalb der europäischen Neonazi-Szene nach 1945 zu beleuchten.

Biografische Skizze Herbert Bellschan-Mildenburgs

Bellschan-Mildenburg mit dem Dortmunder Neonazi Michael Brück, der mittlerweile nach Chemnitz verzogen ist.

Herbert Bellschan-Mildenburg wurde am 24. Juni 1923 als Sohn des Hermann Bellschan von Mildenburg und der Fini Schüst geboren. Er entsprang dem Adelsgeschlecht Bellschan von Mildenburg, das vor allem durch die gefeierte Mahler- und Wagner-Sopranistin Anna von Mildenburg Bekanntheit erlangte. Wie aus der Rede eines Kondolenten zu entnehmen ist, dürfte Herbert Bellschan-Mildenburg schon in seiner frühen Jugend in den österreichischen Wandervogel eingetreten sein, der, wie der Historiker Peter Dudek feststellt, als 1911 gegründeter Ableger des deutschen Wandervogels ideologisch besonders „bewusst deutsch-national und antisemitisch“ auftrat, auch wenn dieser später entgegen der historischen Quellenlage als Opposition zur späteren Hitlerjugend (HJ) und dem Bund Deutscher Mädel (BDM) dargestellt und damit gewissermaßen rehabilitiert wurde. Gerade im Falle Österreichs muss diese historische Einschätzung zurückgewiesen werden. Der Wandervogel wurde zwar auch in Österreich 1938 verboten, legte zugleich aber in Form der völkischen Gesinnung, des Körperkults und der Fixierung auf das Primat des Natürlichen die ideologischen Grundsteine für die Jugend- und Nachwuchsorganisationen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Die nahtlose Integration völkischer Sozialisierung von den Wandervögeln in die Strukturen des NS-Regimes wird auch in der Biografie Bellschan-Mildenburgs sichtbar, dessen frühe ideologische Prägung ihn sein ganzes Leben lang begleitete.

Bevor Bellschan-Mildenburg mit 17 freiwillig in die Waffen-SS eintrat, war er bereits aktives Mitglied des Deutschen Jungvolk (DJ) sowie der Hitlerjugend. Laut eigenen Angaben, die seiner im Dezember im rechtsextremen Nation und Wissen Verlag erschienenen Biografie zu entnehmen sind, sei er (auch schon in der Illegalität) maßgeblich für den Aufbau und die Führung der Klagenfurter HJ-Ortsgruppe mitverantwortlich gewesen – ob dies den historischen Tatsachen entspricht, kann nicht bestätigt werden, zeugt aber von Bellschan-Mildenburgs klarem Bekenntnis zum Hitlerismus, von dem er sich nie loslöste. Im Jahre 1941 wurde Bellschan in den aktiven Dienst der Waffen-SS einberufen und in die 6. SS-Gebirgsdivision „Nord“ eingegliedert, die an der „Finnlandfront“ in Karelien kämpfte und sich ursprünglich aus der 6., 7. und 9. SS-Totenkopfstandarte zusammensetzte. Der Eintritt in den militärischen Verband wäre das Schicksal von Bellschan-Mildenburg gewesen, wie er in einem Interview festhält: „Meine vorangegangenen Jahre, die Erziehung und das Erleben war gar nicht anders möglich, als dass man als Freiwilliger zur Waffen-SS gegangen ist.“ Bellschan selbst brachte es in dem Regiment bis zum SS-Untersturmführer, verbrachte die letzten Kriegsmonate als Lehroffizier an der SS-Junkerschule in Bad Tölz und wurde nach dem Sieg der Alliierten in Kriegsgefangenschaft genommen und nach Hallein überstellt. Die Urkunde der Beförderung zum Untersturmführer, signiert durch den Reichsführer SS Heinrich Himmler höchstpersönlich, bewahrte Bellschan laut Angaben des Rechercheportals Blick nach Rechts bis zumindest 2005 neben anderen Devotionalien in seiner Wohnung als Andenken auf.

Nach der Kriegsgefangenschaft begann für Bellschan-Mildenburg das, wofür er innerhalb rechtsextremer Milieus in ganz Europa und darüber hinaus bekannt werden sollte: Seine Lebensmission bestand darin, die Waffen-SS als vierten Teil der Wehrmacht zu verharmlosen und die von dem nationalsozialistischen Terror-Regime begangenen Verbrechen öffentlich zu leugnen oder zu relativieren. Nachdem er 1947 als unter einem Pseudonym Studierender der Universität Wien vom US-amerikanischen Geheimdienst als entflohener SS-Kriegsverbrecher enttarnt wurde, floh Bellschan ins Ausland. Über zahlreiche Umwege und Langzeitaufenthalte erreichte er 1986 laut der Gazette abc Paraguay, wo er sich, wie so viele andere Kriegsverbrecher auf dem südamerikanischen Kontinent, niederließ und ein Landstück von 1.000 Hektar erstand. Während er zwar sein Haus in Klagenfurt in der Aichelburg-Labia-Straße 18 bis zu seinem Tod besaß, lebte Bellschan-Mildenburg bis etwa 2017 in der Provinz Ciudad del Este in Paraguay, besuchte Europa mehrmals aus geschäftlichen Gründen, oder um Shoah-Leugnern wie Ernst Zündel vor Gericht beizustehen.

In Paraguay wurde Bellschan – wie mutmaßlich auch in anderen Ländern – durchaus ambitioniert als Geschäftsmann tätig: Er erlangte die Stellung eines Vertreters des staatlichen Bahnbetriebes Cooperativa Ferroviaria, Pdte. Carlos A. López, für europäische Belange. Im Auftrag der Coop. Ferroviaria und der staatlichen Bahngesellschaft Ferrocarriles del Paraguay (Fepasa) verhandelte er unter anderem mit Schweizer Investment-Firmen um den Ausbau und die Neu-Erschließung staatlicher Eisenbahn-Linien ausgehend von der Hauptstadt Asunción – das Verhandlungsvolumen betrug mutmaßlich zwischen 600 und 800 Millionen US-Dollar. Als Geschäftspartner führte Bellschan in einem Interview 2014 den Ingenieur sowie RFJ-, FPÖ– und späteren BZÖ-Politiker Karlheinz Klement an, also jenen wüsten Antisemiten, der auch im EA-Komplex (Europäische Aktion) eine nicht geringe Rolle einnahm, da er 2010 das erste Treffen der EA in Österreich mit führenden NVP-Kadern und Bernhard Schaub ausrichtete. Interessant ist die Beteiligung Klements an den Geschäften Bellschan-Mildenburgs alleine schon deshalb, weil Bellschan wohl zeitnah zur Gründung der Europäischen Aktion auf die Idee kam, in Paraguay einen Millionendeal mit Schweizer Partnern zu realisieren und aktiv für den Bau der Bahnstrecke von Ascunión bis Encarnación zu lobbyieren. Als dieser Plan zu scheitern drohte, schickte Bellschan im ersten Quartal des Jahres 2014 Klement nach Asunción, um das Geschäftsmodell mit Fepasa und der Coop. Ferroviaria zu besprechen. Es ist also anzunehmen, dass Klement schon vor der öffentlichen Bekanntgabe durch Bellschan dessen Geschäftspartner war – warum auch sollte Bellschan wahllos einen Bekannten nach Asunción schicken, um einen Millionendeal auszuhandeln. Schlussendlich dürfte der Deal jedoch gescheitert sein, auch wenn Bellschan noch bis 2017 versuchte, die staatlichen Betriebe in Paraguay vom Gegenteil zu überzeugen. Auch wenn in diesem Komplex viele Fragen offen bleiben, so sind die geschäftlichen Tätigkeiten von Bellschan-Mildenburg in Paraguay auch für den Gegenstandsbereich Rechtsextremismus von potenziellem Interesse, steht doch zur Disposition, ob Gelder aus Bellschans Tätigkeiten in die Finanzierung rechtsextremer Strukturen geflossen sind. Auch wenn Finanzierungsmodelle dieser Art aktuell nicht nachgewiesen werden können, ist es dennoch wichtig auf die Möglichkeit hinzuweisen.

Klement bei einer Gedenkveranstaltung des KAB. Oft in seiner Funktion als Chorleiter der Sängerrunde Emmersdorf.

Rückzug nach Europa, Österreich, Klagenfurt

Um das Jahr 2017 kehrte Bellschan dann, womöglich auch auf Grund gescheiterter Geschäfte, wieder nach Europa zurück und dürfte sich von diesem Zeitpunkt an in Österreich, Ungarn und Deutschland aufgehalten haben. Schon vor seiner permanenten Rückkehr war der Waffen-SS-Veteran gelegentlich nach Europa gereist, so zum Beispiel 2012 und 2016, um am Ulrichsbergtreffen eine Festrede zu halten und auch 2016 am Vortag des Treffens an einer klandestin organisierten Zusammenkunft der Kameraschaft IV in Krumpendorf teilzunehmen, bei der er als Szenegröße hofiert und gefeiert wurde. Auch die bayrische Sektion der neonazistischen Partei Der III. Weg lud Bellschan-Mildenburg 2017 nach München ein, wo er im Gasthof Flügelrad vor versammelten Publikum die Hauptrede des Abends hielt. Ebenso 2017 hielt Bellschan einen Vortrag bei der neonazistischen, vom thüringischen Staatsschutz überwachten Burschenschaft Normannia zu Jena, die der Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) angehörte, in der sogenannten Wilhelmsburg tagte wie auch im Braunen Haus in Alt-Lobeda, das auch im Kontext des NSU-Komplexes eine wichtige Rolle spielte. 2019 dann erschien Bellschan auf Einladung der langjährigen Unterstützer*innen rund um die Partei Die Rechte in Dortmund, um dort bei der revisionistischen Vortragsreihe „Soldaten berichten“ als „Zeitzeuge“ aufzutreten – eine Delegation von Die Rechte Rhein-Erft hatte im Übrigen bereits 2016 am sogenannten „Kärntner Abend“ der Kameradschaft IV teilgenommen, an der auch Bellschan-Mildenburg anwesend war und partizipierte am darauffolgenden Ulrichsberggedenken, an dem Bellschan eine Festrede hielt.

Bellschan-Mildenburg war über seine Vortragsreihen hinaus mit Altnazi-Szenegrößen vernetzt, die als intergenerationeller Kitt und ideologische Stichwortgeber der europäischen extremen Rechten fungierten und teilweise immer noch fungieren. So sprach sich Bellschan-Mildenburg etwa mehrfach für den wegen Wiederbetätigung verurteilten und 2021 verstorbenen Shoah-Leugner Wolfgang Fröhlich aus, erschien bei dessen Haftentlassung und lies sich mit ihm gemeinsam vor der Justizanstalt Stein in Krems ablichten. Auch mit dem Altnazi, Auschwitz-Leugner und Szeneanwalt Herbert Schaller war Bellschan-Mildenburg befreundet und pflegte außerdem Kontakte zu Akteur*innen der militanten ungarischen Neonazi-Szene. Darüber hinaus verfügte die K IV über gute Kontakte zur nicht mehr existenten ungarischen MNA (Magyar Nemzeti Arcvonal) unter der Leitung von Györkös István snr., wo sie auch an „Heldengedenken“ in Dég teilgenommen hatte.

Bellschan-Mildenburg vor der JV Krems nach der Haftentlassung von Wolfgang Fröhlich.

Die Vernetzung zu europäischen Neonazi-Gruppen bzw. Personen des rechtsextremen Spektrums Europas, sowie Bellschans Ansehen innerhalb der NS-Szene Europas spiegelt sich auch in den vor seinem Grab niedergelegten Kränzen wieder: Ungarische Kameraden widmeten dem Waffen-SS-Soldaten letzte Grußworte und zeigten sich überzeugt, man würde sich in „Valhalla“ wiedersehen, die Familie Larisch widmete Bellschan einen Kranz in den Farben der Reichskriegsfahne und auch die italienischen Neonazis sowie die Vertreter der Kameradschaft IV und die aus Graz und Wien angereisten Neonazis ließen es sich nicht nehmen, dem Kameraden letzte Worte mitzugeben. Auch online mangelte es nicht an einschlägigen Szenebekundungen: Sowohl Die Rechte, Der III. Weg sowie kuruc.info, das antisemitische Portal des Jobbik-Politikers Novák Előd, bezeugten Kondolenz.

SS-Zeugen zwischen Szenekult und Integrationsfunktion

Bellschan-Mildenburgs Wirken reiht sich in eine Tradition der revisionistischen Zeitzeug*innen ein, die für die nach 1945 agierende extreme Rechten in Europa integral gewesen ist. Er war einer von vielen Überlebenden des Weltkriegs, die nach der Kriegsniederlage ihr Leben ungebrochen der Agitation für den Wiederaufbau der NSDAP widmeten und dem „Ruf des Werwolfs“ folgten. Sie nahmen und nehmen innerhalb der extremen Rechten eine wichtige Scharnierfunktion zwischen der Generation, die den Nationalsozialismus noch erlebte und jenen, die erst nach 1945 politisch aktiv wurden, ein und stehen mit ihrer Biografie und ihren Erfahrungen innerhalb der Szene für die unverfälschte Weitergabe der „wahren“ Geschichte. Vortragende wie Bellschan-Mildenburg konnten über den Nationalsozialismus aus erster Hand berichten, Wissen und Kontakte vermitteln und auf bereits etablierte Netzwerke zurückgreifen, die für die Szene von Relevanz waren – von den gesuchten SS-Männern und anderen hochrangigen Mitgliedern der NSDAP, der Gestapo und des Reichssicherheitshauptamtes über die rechtsterroristischen Werwolf-Gruppen bis hinein in die staatlichen Institutionen der neuen Demokratien.

Symbolisch steht für diesen intergenerationellen Schulterschluss die im vom Antifaschistischen Autorenkollektiv in ihrem Standardwerk zur rechtsextremen Organisierung in Deutschland und Österreich enthaltene Abbildung des schwedischen Altnazis Per Engdahl, der kaum mehr fähig zu gehen, sich auf seinem Stock abstützend, die Hand eines stramm stehenden jungen Neonazis schüttelt mit der Unterschrift, Engdahl würde „Vermögen und Kontakte an die ‚Enkelgeneration'“ weitergeben. Das Modell Engdahl wurde in Europa nach 1945, von vielen ehemaligen Spitzenfunktionär*innen wie Otto Skorzeny, Himmlers Tochter Gudrun Burwitz, dem ehemaligen Kommandeur des Wach-Battalions Großdeutschland Otto-Ernst Remer, dem SS-Untersturmführer der Leibstandarte Adolf Hitler Herbert Schweiger oder dem SS-Sonderführer Thies Christophersen praktiziert – sie alle haben die Formierung des organisierten Neonazismus nach 1945 personell und ideologisch geprägt und mit ihren biografischen Erzählungen zur Etablierung der revisionistischen Gegenerzählung beigetragen. Das Antifaschistische Autorenkollektiv charakterisiert diese Riege an Altnazis als „Kartell“, das über legale und illegale Kommunikationsformate verfügte und sowohl den legalen politischen Kampf als auch die klandestine Organisation von NS-Terrorzellen förderte. Zu diesem weit verzweigten Netzwerk an „Ehemaligen“ dürfte auch Bellschan-Mildenburg gezählt haben, der zugleich aber im Vergleich zu anderen Exponenten relativ wenig wahrgenommen wurde. In dem zitierten Band wird sein Name etwa gar nicht erwähnt, was vermutlich auch dem Umstand geschuldet ist, dass er sich lange Zeit im außereuropäischen Ausland aufgehalten hat. Die Erkenntnis über Bellschan-Mildenburgs Involvierung in millionenschwere Geschäfte bei gleichzeitiger bestehender Vernetzung in die Neonazi-Szene Europas wirft allerdings neues Licht auf diesen Sachverhalt und wirft die Frage auf, ob es sich bei ihm um einen Geldgeber beziehungsweise finanziellen Vermittler der rechtsextremen Szene gehandelt hat.

Fest steht in jedem Fall, dass Bellschan-Mildenburg Teil des engen Netzwerkes an „Ehemaligen“ war. In Österreich war der Waffen-SS-Veteran in der Kameradschaft IV organisiert, die als radikalere Schwesterorganisation der deutschen Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG) eingestuft werden kann und zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Recherche noch im Detail vorgestellt wird. Über die Kameradschaft war Bellschan mit dem bekannten Oberleutnant der Wehrmacht und Szeneanwalt Herbert Schaller eng verunden, sowie mit dem Shoah-Leuner Ernst Zündel. Auch mit dem etwas jüngeren Shoah-Leugner Wolfgang Fröhlich verband Bellschan-Mildenburg eine freundschaftliche Beziehung. Sowohl Fröhlich, als auch Schaller waren im Umfeld beziehungsweise auch als Redner des rechtsextremen Medienkartells Gesellschaft für freie Publizistik (GfP) aktiv, das als zentrales Medium der militanten rechtsextremen Szene Deutschlands und Österreichs galt. Die Gesellschaft gab die Zeitschrift Das freie Forum heraus, vergab den sogenannten Ulrich-von-Hutten-Preis und wurde von dem aus Heidelberg stammenden Neonazi Peter Dehoust geleitet. Die GfP selbst ging aus der Organisation Deutsches Kulturwerk des europäischen Geistes hervor, die von dem „SA-Barden“ Herbert Böhme gegründet worden war. Der in Österreich gegründete Ableger der DKEG war vordergründig in Kärnten aktiv und wurde von Otto Scrinzi sowie der FPÖ-Politikerin Gerhild Mattuschka geleitet, wobei auch Getraud und Manfred Roeder unterstützende Tätigkeiten übernahmen.

Es ist daher auch alles andere als zufällig, dass die militanten neonazistischen Aktivitäten der neuen Generationen in Deutschland und Österreich auf diesen bereits etablierten Strukturen aufbauten. Die Kameradschaft IV beziehungsweise die darin organisierten Waffen-SS-Veteranen galten als Vorbilder der jungen Neonazis und zogen die Mitglieder des österreichischen Ablegers der Nationalen Front (NF), namentlich Franz Radl jun., Helmut Adolf Schatzmayr, Andreas Thierry, Markus Adam, Georg Lobnig jr. und Ewald Friesacher an, die mittels programmatischen Flugblättern wie „Die Wahrheit über die Waffen-SS“ für die gemeinsame Sache kämpften. In diesen Flugblättern hieß es dann etwa: „Der Helden-Ruhm der Waffen-SS wird auch in den Zeiten der geistigen Leichenschänder überdauern, gleichgültig, was die ewig Heutigen, die Menschenjäger auch versuchen“. Jene jungen Neonazis, die sich im Kampf für die „Wahrheit“  besonders hervortaten, wurden dann zu den Tagungen der alten Generation geladen, konnten dort als Securitys tätig sein oder andere Hilfstätigkeiten ausführen. Bei den, für die internationale Neonazi-Szene wichtigen Gästewochen der DKG, die unter der Führung von Lisbeth Grolitsch, der Grazer Leitern des Freundeskreises Ulrich von Hutten zahlreiche bedeutende rechtsextreme Organisationen Europas an einen Tisch holte, ware somit auch der Nachwuchs in Form von Franz Radl. jr., Helmut Adolf Schatzmayr und Georg Lobnig jr. vertreten.

Doch wichtig zu betonen ist, dass das Versterben der alten Nazi-Größen die Szene durchaus trifft und potenziell schwächt, da mit ihnen zentrale ideologische Bezugspunkte und wichtige Projektionsflächen wegbrechen, die für die identitätspolitische Selbstbestätigung der Szene eine zentrale Schlüsselfunktion eingenommen haben. Dies verdeutlicht sich auch in einem Statement der Redaktion von N.S. Heute, Nr. 19 aus dem November/Dezember 2019, das direkt auf Bellschan-Mildenburg und das Ulrichsberg-Treffen Bezug nimmt und die Leerstelle beklagt, die die „Erlebnisgeneration“ hinterlässt:

Der November ist traditionell der Monat des Gedenkens und des Erinnerns. Am Volkstrauertag gedenken wir all jenen, die während und nach den Weltkriegen für Deutschland starben, und am Totensonntag besuchen wir die Gräber unserer verstorbenen Angehörigen und Freunde. Noch leben auch einige Kameraden, die die Zeit des großen Völkerringens aktiv miterlebt haben – doch es werden leider immer weniger, erst vor wenigen Wochen starb unser lieber Kamerad Karl Münter aus Nordstemmen (Niedersachsen) im Alter von 97 Jahren. Unsere Gastautoren Alex, Christoph und Micha waren für uns beim diesjährigen Ulrichsberg-Gedenken in Kärnten, wo sie auf den letzten noch lebenden Lehroffizier der SS-Junkerschule Bad Tölz, Herbert Bellschan von Mildenburg, trafen.

Der Ahnenkult der extremen Rechten und das inszenierte Märtyrertum derer, die für das NS-Regime ihr Leben gelassen haben, verlangt gewissermaßen nach als authentisch wahrgenommenen Bezugspersonen wie Bellschan-Mildenburg, die der Lüge über den Nationalsozialismus durch ihren väterlich-autoritären Gestus erst den Schein von Wahrheit verleihen können. Zugleich stellt sich mit dem sukzessiven Versterben der Kriegsgeneration die Frage, wie die extreme Rechte diese stark integrierende Funktion der Ehemaligen zu füllen versuchen wird. Hinsichtlich der materiellen Dimension ist damit zu rechnen, dass überzeugte, auch noch nach 1945 für die deutsche Volksgemeinschaft kämpfende Akteur*innen ihr Erbe in der Szene verteilt haben und verteilen werden. Gerade jene, wie Gottfried Küssel oder Franz Radl jr., die sich seit vielen Jahrzehnten dem Kampf für die Wiedererrichtung des Deutschen Reiches einsetzen, dürften als geeignet betrachtet werden, das Vermächtnis der Alten weiterzuführen – auch wenn diese mittlerweile selbst gewissermaßen aus der Zeit gefallen sind. Ob die zweite Generation an Überzeugungstäter*innen über die gleiche politische Strahlkraft verfügt, wie ihre Vorbilder der Kriegsgeneration, wird sich erst zeigen, lässt sich aber doch bezweifeln.

Der KAB, die Kameradschaft der ehemaligen Angehörigen des Gebirgsjäger Regiments 139 (K 139) und die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes (OdR)

KAB und K 139 bilden die eine Seite des Ehrenspaliers.

Wie bei dem alljährlichen rechtsextremen Treffen am Ulrichsberg waren auch zu Bellschan-Mildenburgs Begräbnis Kameradschaftsgruppen anwesend, die sowohl dem Österreichischen Kameradschaftsbund (ÖKB) als auch dem Kärntner Abwehrkämpferbund (KAB) zuzurechnen sind. Während sich sowohl der ÖKB als auch der KAB traditionell von rechtsextremen Aktivitäten distanzieren und behaupten, sie würden lediglich Gedenk- und Betreuungsarbeit für ihre älteren Kameraden leisten, bestätigt ihre Anwesenheit beim Ulrichsbergtreffen und ihre aktive Rolle bei dem Begräbnis des Waffen-SS-Veteranen Bellschan-Mildenburg, dass es sich um Verbände handelt, die aktiv am rechtsextremen Geschehen Österreichs partizipieren. In vollem Prunk, mit Fahne und Tracht marschierte der KAB unter der Leitung von Wilhelm Überfellner bei dem Gedenken auf, um das Zeremoniell nach den Trauerreden standesgemäß über die Bühne zu bringen. Schon in der Trauerhalle hatten es sich KAB, K 139 und K IV nicht nehmen lassen, neben der Urne im Appell zu stehen und Bellschan-Mildenburg die letzte Ehre zu erweisen und ihm Kränze zu spenden. Anwesend war Peter Stockner, der Obmann der K 139, sowie Thomas Schinnerl, der Schriftführer der Kameradschaft. Die K 139 ist ein aus ehemaligen Wehrmachtssoldaten bestehender Verband, der wie auch Bellschan an der Finnlandfront eingesetzt wurde und zentral in der Schlacht um Narvik aktiv war. Sie ist Teil der ÖKB-Sektion Kärnten und gut mit dem KAB und anderen Akteur*innen, die regelmäßig am rechtsextremen Ulrichsbergtreffen teilnehmen, vernetzt – so auch mit Peter Mussi, dem alten Herrn der aB! Tauriska zu Klagenfurt, der auch am rechtsextremen und mittlerweile verbotenen Ustaša-Gedenken in Bleiburg/Pliberk teilgenommen hatte und wie bereits erwähnt ebenso dem Begräbnis Bellschans beiwohnte.

Neben den beiden österreichischen Kameradschaften und der Kameradschaft IV nahm eine weitere elitäre NS-Ehrenkameradschaft, die Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes an dem Gedenken teil. Die im Jahr 1954 vom Generaloberst der deutschen Luftwaffe Alfred Keller gegründete Vereinigung besteht nur aus solchen Soldaten der Wehrmacht, Luftwaffe oder Marine, welchen das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, sowie höhere Auszeichnungen, verliehen wurden. Die Orden wurden von Adolf Hitler persönlich ausgehändigt und die Ehrenträger firmierten als Propagandaidole und nahmen an öffentlichen Auftritten, Schulbesuchen und Veranstaltungen der Hitlerjugend teil – manche der Würdenträger besaßen sogar eigene Autogrammkarten. Die Ordensgemeinschaft ist als neonazistisch zu klassifizieren, die in ihren Statuten jene Personen hervorhebt, die sich in besonders großem Ausmaß an der Front für den Nationalsozialismus eingesetzt, oder als Propagandisten der Sache gedient haben. Delegationen der Ordensgemeinschaft nahmen regelmäßig am Ulrichsbergtreffen teil – ihr Erscheinen bei dem Begräbnis von Bellschan-Mildenburg verdeutlicht das hohe symbolische Kapital, über das dieser innerhalb der NS-Szene verfügt haben muss. Im Kontext der Ordensgemeinschaft muss zur Vollständigkeit hinzugefügt werden, dass bis zumindest 2022 der in St. Pölten ansässige Andreas Cesanka der erste stellvertretende Vorsitzende der Ordensgemeinschaft war, dann aber offenbar nicht mehr bestellt wurde und nun als reguläres Mitglied tätig ist. Mit den anderen Kameradschaften gemeinsam trat auch die Kameradschaft IV auf, deren Mitglied Bellschan-Mildenburg war.

Die K IV – rechtsextreme Kameradschaft und Schwesterorganisation der HIAG

Die K IV im Spalier gegenüber von KAB und K 139 am Vorplatz.

Bei dem Bundesverband der Kameradschaft IV handelte es sich um eine 1954 gegründete rechtsextreme Veteranenorganisation ehemaliger Angehöriger der Waffen-SS, die sich in der Nachkriegszeit vor allem durch ihren Revisionismus und die Relativierung und Rechtfertigung der Taten und der Rolle der Waffen-SS im NS-System hervortat. Entgegen der Klassifizierung der Waffen-SS als verbrecherische Organisation durch den Internationalen Militärgerichtshof (IMG) im Rahmen der Nürnberger Prozesse, hielten die Repräsentanten und Mitglieder der K IV daran fest, es hätte sich bei den militärischen Verbänden der Waffen-SS neben Heer, Luftwaffe und Marine bloß um einen vierten Teil der Wehrmacht gehandelt – ein Rehabilitierungsversuch, der nicht nur hinsichtlich der Verharmlosung der Waffen-SS historisch falsch ist, sondern in doppelter Verleugnung außerdem die Beteiligung der deutschen Wehrmacht an der Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten in deutsch-österreichischer Tradition zur Disposition stellte. Wie Anna Giulia Fink unter Verweis auf die historischen Primärquellen belegt, warnte bereits 1955 der Kärntner Friedensrat in einem Rundschreiben davor, dass „es sich bei diesem SS-Verband nicht um eine österreichische Kameradschaftsgruppe handeln kann, sondern um eine Gruppe zur Fortführung der großdeutschen Hitlertraditionen“ – eine Einschätzung, die sich auch heute noch bestätigt.

Trotz der Warnungen etablierte sich unter anderem durch die rege Unterstützung des Kameradschaft vom Edelweiß Mitglieds Balsius Scheicher, dem ehemaliger Vizebürgermeister von Klagenfurt und Mitbegründer der Ulrichsberggemeinschaft, die Kameradschaft IV als erfolgreicher Kameradschaftsverband in Österreich, der über eine hohe Zahl an Mitgliedern, die in relativ autonomen Ortsgruppen und Landesverbänden organisiert waren, verfügte. Als zentrales Publikationsorgan der K IV fungierte die von Günther M. K. Glotz herausgegebene und 2005 eingestellte Zeitschrift Die Kameradschaft, deren Inhalte im Rahmen einer Analyse durch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem bis neonazistisch eingestuft und die Kameradschaft daher auch 1992 wegen der Überschreitung der Vereinsstatuten und rechtsextremer Tätigkeiten angezeigt wurde – eine Einschätzung, die im Übrigen der damals amtierenden Innenminister Franz Löschnak bestätigte, in dem er der Kameradschaft IV die Verharmlosung des NS-Regimes und die Glorifizierung der SS attestierte und eine vereinsrechtliche Überprüfung initiierte.

Auch wenn bezüglich dieser Charakterisierung der K IV weitgehend Einigkeit herrschte, wurde der Herausgeber von Die Kameradschaft, Günther Glotz, freigesprochen und ein Vereinsverbotsverfahren in Folge ruhig gestellt. Das Innenministerium versicherte vor diesem Hintergrund, die Kameradschaft weiterhin zu beobachten und bei neuen Indizien erneut gegen diese vorzugehen. Ein weiteres Vorgehen gegen die legalen Bundesstrukturen erübrigte sich aber insofern, als es im Oktober 1995 zu freiwilligen Selbstauflösung des Bundesverbandes kam. Für die Organisationsentwicklung des österreichischen Rechtsextremismus nach 1945 war infolge dieser Auflösung allerdings von Bedeutung, dass mit dem offiziellen Ende des Bundesverbandes nicht automatisch die Auflösung der relativ autonomen Landesverbände der Kameradschaft IV einherging.

Der politische Charakter der Kameradschaft IV zeigte sich auch an dem Umstand, dass diese entgegen der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS (HIAG), dem deutschen Pendant der K IV, nicht nur als Veteranenorganisation auftrat, sondern auch aktiv Mitglieder für den Verband rekrutierte, die nicht Teil der Kriegsgeneration waren. Dieser Erhaltungsanspruch führte 1991 durch eine Initiative des Landesverbandes Steiermark und Südburgenland auch zu einer Änderung der Vereinsstatuten, sodass neben ehemaligen Soldaten der Weltkriege nun insgesamt „ehemalige und aktive Soldaten“ Mitglieder werden konnten. Trotz dieser großflächigen Öffnung der Kameradschaft IV, nahmen über die Jahre die Mitgliedszahlen doch stark ab, sodass ab den 1990er-Jahren die Landesverbände sukzessive aufgelöst wurden: 1994 der Landesverband Tirol, 2005 der in Wien, 2008 der Landesverband Salzburg. Die einzige Ausnahme bildete der Landesverband Steiermark und Südburgenland, der bis heute besteht und Drehscheibe und Netzwerkknoten des organisierten Rechtsextremismus in Österreich und insbesondere in der Steiermark ist.

Die Kameradschaft IV Landesgruppe Steiermark-Südburgenland

Der K IV Landesverband Steiermark-Südburgenland nimmt innerhalb der Geschichte der Kameradschaft IV eine zentrale Rolle ein, handelte es sich doch stets um den aktivsten und mitgliederstärksten Landesverband der Kameradschaft IV, der mit dem oberösterreichischen Landesverband auch über die meisten Ortsgruppen verfügte. Der Landesverband Steiermark-Südburgenland war entgegen dem Bundesverband außerdem auch vor 1991 statutarisch für Mitglieder geöffnet, die nicht in den Weltkriegen dienten. In den Statuten des Verbandes werden Ziel und Zweck dabei in Paragraph 2 wie folgt bestimmt:

Förderung des traditionellen Kameradschafts, Vaterlands, Heimat und Kulturgedankens unter den ehemaligen Angehörigen aller Wehrmachtsteile der deutschen Wehrmacht und den Teilnehmern des I. Weltkrieges, sowie deren Angehörigen und Nachkommen, den Angehörigen und ehemalig Angehörigen des österreichischen Bundesheeres, Pflege der Kameradschaft unter den Mitgliedern, Zusammenarbeit mit Organisationen die der EuropaIdee dienen, sowie anderen Kameradschaften der Teilnehmer am I. und II. Weltkrieg, sowie am Kärntner Abwehrkampf.

Gerhard Kurzmann mit dem Neonazi und ehemaligen FPÖ-Lokalpolitiker Hans Ploderer.

Hinsichtlich der Mitglieder sind (neben dem derzeitigen statutarischen Leitungsgremium, bestehend aus: Ludwig Wagner (Vorsitzender), Walter Vortisch (Stv. Obmann) und Gustav Bayer (Stv. Obmann)) prominente Personen aus dem FPÖ-Umfeld wie der ehemalige FP-Landesparteiobmann Gerhard Kurzmann, oder der FPÖ-Gemeinderat und bürgerwehr-affine ehemalige Bundesheeroberst, Teutone und Publizist Helge Endres, vertreten. Gerade Gerhard Kurzmann wird uns in dieser Recherche noch an anderer Stelle begegnen, stellte er sich wiederholt schützend vor rechtsextreme und neonazistische Akteur*innen des steirischen Neonazi-Milieus und nahm stets eine zentrale Vermittlerrolle an der Schnittstelle der steirischen FPÖ zum organisierten außerparlamentarischen Rechtsextremismus ein.

Hans Ploderer mit „Skinheads Steiermark“-Shirt in der Silvana-Bar 2010.

Dass es sich gerade bei dem steirisch-südburgenländischen Ableger der Kameradschaft IV um einen intergenerationellen Verband handelt, in den relevante Akteur*innen der rechtsextremen Szene Österreichs eingebunden sind, die die revisionistische Tradition ihrer an der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie partizipierenden „Kameraden“ bis heute fortsetzen, konnte bei dem Gedenken an Bellschan gut beobachtet werden. Während die Gedenkstätte selbst mit den Wappen und Fahnen der Kameradschaft IV geschmückt war, salutierten neben den älteren Kameradschaftsmitgliedern auch zwei bekannte rechtsextreme Akteure, die fester Teil des in Österreich organisierten Neonazismus sind. Wenn sie nicht Mitglieder des revisionistischen Verbandes sind, so stehen sie doch zumindest in einem eindeutigen Naheverhältnis zu diesem: Hans Ploderer und Thobias Faethe.

Die Obersteiermark-Connection

 

Bei Hans Ploderer handelt sich um einen der führenden Köpfe der obersteirischen Neonazi-Szene und einen ehemaligen FPÖ-Funktionär, der bereits in den 2010er-Jahren wegen seines offenen Bekenntnisses zum Nationalsozialismus mediale Aufmerksamkeit erhielt. Die späten 2000er-Jahre waren in der Steiermark insgesamt durch das zunehmend militante und neonazistische Auftreten einiger RFJ-Mitglieder und Funktionäre sowie durch deren Kontakte in das subkulturelle Neonazi-Milieu geprägt, deren Aktivitäten von der damaligen FPÖ-Führungsriege rund um Gerhard Kurzmann, wenn nicht sogar geschützt, so doch eindeutig geduldet wurden – einige der zum Teil außerordentlich gewalttätigen Aktionen werden in dieser Recherche noch thematisiert werden, weil die damaligen Aktivisten heute noch Teil des organisierten Rechtsextremismus sind und bei dem Gedenken an Bellschan teilweise auch personell vertreten waren.

Zwei Exemplare der „Sammlung“ Ploderers.

In der Obersteiermark galt Mariazell zu dieser Zeit und inbesondere die von Silvana Wallmann, der damaligen Jugendreferentin der FP-Ortsgruppe Mariazell, geführte „Silvanabar“ als beliebter Szenetreffpunkt der regionalen Neonazi-Szene. Auf der Facebook-Seite der Bar konnte man Fotos von feiernden Skinheads mit T-Shirts der rechtsextremen Bands „Landser“, „Skrewdriver“ und auch „Faustrecht“ sehen. Einige der Neonazis wurden auch bei dem Zeigen des Hitlergrußes abgebildet. Von einem 2007 in der Silvanabar stattgefundenen Konzert der Neonazi-Band „Agiator“ tauchten weiters Fotos auf, die unter anderem Hans Ploderer zeigten, der in dieser Zeit auch als FP-Spitzenkandidat von St. Sebastian im Bezirk Bruck an der Mur kanditierte. Auf einem der Fotos war Ploderer in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Skinheads Steiermark“, dem steirischen Wappen und einem SS-Totenkopf zu sehen, die durch Recherchen von Grazer Antifaschist*innen an die Öffentlichkeit gelangten. In selbigen Recherchen wurde auch publik gemacht, dass Dominik Ungerböck, der Schriftführer der FPÖ-Ortsgruppe auf der Seite der FPÖ-Ortsgruppe selbst in einer Jacke mit Lorbeerkranz und der neonazistischen Zahlenkombination 88 („Heil Hitler“) posierte.

Lange Freundschaften prägen das obersteirische Neonazi-Milieu. V.l.n.r.: Ungerböck, Ploderer, Tobias Weissensteiner (siehe unten).

Bei den Skinheads Steiermark handelte es sich um eine konspirativ organisierte Gruppe nach dem Vorbild von Blood & Honour, die in der Steiermark und Umgebung Rechtsrock-Konzerte veranstaltete und sowohl im In- als auch Ausland an Szeneveranstaltungen teilnahm. Es wäre nicht verwunderlich, wenn Hans Ploderer tonangebend in die Gruppe involviert war, tauchte sein Name in vielen Zusammenhängen, unter anderem auch im Rahmen eines Hacking-Angriffs, im Verzeichnis eines internationalen B&H-Forums auf. Ein weiterer Akteur der obersteirischen NS-Szene, der ebenfalls bei dem Gedenken an Bellschan neben Küssel und Konsorten teilnahm und in den letzten Jahren bei internationalen Neonazi-Vernetzungstreffen wie dem Tag der Ehre in Budapest im Gleichschritt mit Andreas Linhart identifiziert wurde, ist Martin Ploderer, der mutmaßliche Bruder von Hans Ploderer. Auch wenn die Obersteiermark vor allem in den 2010er-Jahren durch eine aktive Neonazi-Szene aufgefallen ist, belegt die Anwesenheit der Ploderer-Brüder, dass diese nach wie vor Teil der NS-Szene sind, auch wenn sie vorsichtiger geworden sind und nach außen hin nicht mehr mit derselben Militanz auftreten wie in ihren Jugendjahren.

Martin Ploderer (rote Jacke) neben Andreas Linhart 2020 beim Beginn des Ausbruchsmarsches.

Die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung, internationalen Vernetzungstreffen der Neonazi-Szene und die Partizipation an Demonstrationen belegen, dass die obersteirische Zelle nach wie vor aktiv ist und auch gute Kontakte zu den „Ehemaligen“ pflegt – Hans Ploderer hat sich mehrmals mit Bellschan selbst ablichten lassen und fühlt sich offenbar dazu verpflichtet, sich in die revisionistische Tradition der „Erlebnisgeneration“ zu stellen. Neben den Kontakten zum Kameradschafts-Milieu sind die Ploderer-Brüder außerdem eng über obersteirische Kameraden aus der Jugendzeit mit neonazistischen Hooligans der Alten Garde (AG) des SK Rapids vernetzt. Dabei dürfte der Kontakt primär über drei Kameraden laufen, die – wie die Ploderer Brüder – aus der Obersteiermark stammen und wohl dem Skinhead-Milieu der Silvana-Bar zugerechnet werden können: Andreas Durchlaufer und eine Person, die unter dem Spitznamen „Zrissl“ bekannt ist, sowie Mario Schliber, der wohl nicht als Mitglied der AG aktiv ist, sich aber in deren Umfeld bewegt.

Während die obersteirischen Kameraden ihre Gesinnung mittlerweile nicht mehr mit der gleichen Aggressivität nach außen tragen wie in ihren Jugendjahren, besteht dennoch kein Zweifel hinsichtlich ihrer rechtsextremen Weltanschauung. Neben der Selbstbeschreibung als „Kategorie C“ und der Vernetzung in das rechtsextreme Hooligan-Milieu treffen sich die alten Kameraden auch gerne für Bergwanderungen oder Leistungsmärsche in den obersteirischen Wildalpen oder auch in Ungarn: Einem Foto kann etwa entnommen werden, dass Martin Ploderer, „Zrissl“ und Schliber im Rahmen der neonazistischen Festivitäten rund um den „Tag der Ehre“ am 10. Februar gemeinsam einen 60 Kilometer langen „Aufbruchsmarsch“ bestritten haben – gemeinsam mit dem ebenso aus Mariazell stammenden Neonazi Tobias Weissensteiner und dem hinlänglich bekannten Wiener Neonazi Wolfgang Lechner, der sich seit vielen Jahren im direkten Umfeld Gottfried Küssels bewegt. Die obersteirische Zelle rund um die Ploderers hat sich also keineswegs aus dem organisierten Rechtsextremismus zurückgezogen, sondern partizipiert weiterhin aktiv an neonazistischen Events und ist bestens in den organisierten Rechtsextremismus vernetzt.

V.l.n.r.: Schliber, Weissensteiner, „Zrissl“, Ploderer, Lechner.

Von der Danubia in die Ostmark

Die zweite Person, die neben Hans Ploderer mit den alten Mitgliedern der Kameradschaft IV bei der Gedenkveranstaltung für Bellschan salutierte, war Tobias Faethe, ein aus Deutschland stammender Neonazi, der nun schon seit einigen Jahren in der Steiermark lebt und in die dort ansässige völkische NS-Szene involviert ist. Faethe wurde in den letzten Jahren bei Veranstaltungen der Identitären Bewegung (IB), wie etwa der Demonstration am 16.11.2015 gemeinsam mit dem ehemaligen Grazer FP-Vizebürgermeister Mario Eustacchio, dem Identitären Peter Dingsleder und dem Grazer FP-Gemeinderat mit intensiven Kontakten in das neofaschistische Milieu Heinrich Sickl in Spielberg gesehen. Auch am bereits erwähnten Tag der Ehre im Jahr 2020 marschierte Tobias Faethe mit anderen österreichischen Neonazis wie Richard Pfingstl, Christoph Schober und Benni Wolf uniformiert und im Gleichschritt mit hunderten Neonazis aus ganz Europa durch Budapest. Für die Einordnung von Tobias Faethe ist weiters wichtig zu wissen, dass der als Entwicklungsingenieur bei Siemens Graz (mutmaßlich in der Suspensionsabteilung) tätige Aktivist bereits vor seinem Umzug nach Österreich in Deutschland rege in die organisierte extreme Rechte eingebunden war.

Vorne Faethe, rechts dahinter Schober, verdeckt hinter Schober, Wolf, mit Brille links hinter Schober Pfingstl beim Tag der Ehre 2020.

Faethe war Sprecher der Burschenschaft Danubia München, in der viele Rechtsextreme Kader wie Walter Post, Karl Richter, Michael Vogt und Hans-Ulrich Kopp Mitglieder waren bzw. sind. Die Burschenschaft Danubia wird vom bayrischen Verfassungschutz als „rechtsextremistische Organisation“ eingestuft und tat sich in der Vergangenheit nicht nur durch die rechtsextreme bis neonazistische Weltanschauung ihrer Mitglieder, sondern auch ihre Verbindungen zu rechtsterroristischen Akteur*innen hervor. Der im Jänner 2001 stattgefundene rassistische Mordversuch von 18 rechtsextremen Schlägern an dem Griechen Artemios T. ging etwa von Gästen einer gemeinsamen Feier des Danubia-Burschenschafters Reiner Mehr und dem Rechtsterroristen Martin Wiese aus. Auch der zu 6 Jahren Haft verurteilte Neonazi Christoph Schulte konnte sich im Haus der Danubia verstecken, bevor er sich in den Niederlanden absetzte um den deutschen Behörden zu entkommen. Dass Tobias Faethe Sprecher der Danubia war und nun in Österreich in die neonazistische Szene involviert ist, ist also alles andere als ein Zufall, sondern bestärkt die Einschätzung, dass es sich bei ihm um einen hochideologisierten und potenziell gefährlichen Neonazi mit guten Verbindungen nach Deutschland handelt.

Neben seiner Tätigkeit für die Burschenschaft Danubia München war Faethe außerdem laut der Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München (a.i.d.a.) in der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) aktiv, einem neonazistischen Jugendverband der militärische Sommerlager für Kinder und Jugendliche abhielt und im März 2009 behördlich verboten wurde. Vor diesem Hintergrund ist es auch wenig verwunderlich, dass Faethe in Österreich Kontakte zu alteingesessenen Neonazis wie Gottfried Küssel und Franz Radl, aber auch jüngeren Aktivisten der NS-Szene wie Richard Pfingstl pflegt, die bereits als Jugendliche bei den Sommerlagern des 2007 aufgelösten Bund Freier Jugend (BfJ) teilnahmen – das österreichsiche Äquivalent zur HDJ und die Jugendorganisation der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP), eine der zentralen Drehscheiben des organisierten Rechtsextremismus in Österreich nach 1945. Schon in der Zeit vor den behördlichen Vereinsverboten bestanden grenzübergeifende Kontakte zwischen den beiden neonazistischen Jugendorganisationen. Im Falle der in dieser Recherche behandelten Akteur*innen, bestehen diese auch heute noch.

Alpen-donau.info Graz und Wien – Abwesenheit mit Ausnahmen

Dass auch Neonazis aus der Organisationsriege von alpen-donau.info beim Begräbnis von Bellschan-Mildenburg Präsenz zeigen würden, war durchaus erwartbar – hervorgehoben werden sollte aber eher die auffallende Abwesenheit vieler amtsbekannter Akteur*innen aus diesem Umfeld. Dass es sich weder Gottfried Küssel noch Franz Radl jr. nehmen lassen würden, beim Heldengedenken teilzunehmen und gemeinsam mit dem jungen Neonazi, der aus den Reihen von SoJ und CQ stammt, aus Wien in Küssels Dacia anzureisen, liegt auf der Hand. Küssels Auftritt lässt ferner ahnen, dass er sich weiterhin als Führer des österreichischen Neonazismus fühlt und inszeniert und Radl nach wie vor in der ihm seit jeher zugeteilten Rolle des „Leibfuchs des Küssel“ agiert – wie es in alten Ermittlungsakten hieß. Dennoch ist im Falle Wiens auffällig, dass zahlreiche langjährig aktive Kader absent waren: So etwa Wolfgang Lechner, Andreas Linhart, Paul Blang, Thomas Cibulka sowie diverse deutschnational-nazistische Burschenschafter, die sich im Umfeld Küssels bewegt haben. Womöglich versuchen die genannten Personen nicht allzu auffällig am Szene-Geschehen mitzumischen, stehen sie doch aktuell am Radar der Behörden und müssen beziehungsweise mussten sich vor dem Gericht verantworten.

Entgegen der Abwesenheit vieler amtsbekannter Neonazis war der ebenso bereits seit vielen Jahren als rechtsextremer Aktivist bekannte Christoph Schober aus Graz-Umgebung angereist, dessen politische Aktivitäten so wie die der obersteirischen Neonazis rund um Hans Ploderer in den 2010er Jahren das erste mal dokumentiert wurden. Der am 30. März 1990 in Graz geborene und aktuell als Stahlbautechniker in Gratwein arbeitende Christoph Schober bewegte sich in seinen Jugendjahren im Umfeld der steirischen Neonazi-Aktivisten von Alpen-Donau.info und war maßgeblich an den brutalen Attacken im Rahmen einer Geburtstagsfeier am 30. Jänner 2010 in dem Grazer Lokal Zeppelin und den Übergriffen bei einem Public-Viewing-Event im Rahmen des WM-Spiels Deutschland gegen Ghana am 23. Juni 2010 in der Grazer Innenstadt beteiligt. Schon im Mai 2009 waren RFJ-Mitglieder in Bomberjacken am Grazer Hauptplatz bei einer FPÖ-Kundgebung mit Hitlergrüßen aufgefallen, bevor sie mit dem vielfach erwähnten FP-Landesobmann Gerhard Kurzmann Bier trinken gingen. Obwohl Kurzmann während der Kundgebung neben den RFJ-Nazis fotografiert wurde, wollte er auf Medienanfragen nichts über die Hitlergrüße seiner jungen Kameraden wissen – ein altbekanntes Muster.

Zu den Attacken unter Schobers beteiligung selbst: Gemeinsam mit u.A. dem ehemaligen RFJ-Mitglied und amtsbekannten Neonazi Richard Pfingstl, dem ehemaligen Obmann der RFJ-Deutschlandsberg, Burschenschafter und mittlerweile im Umfeld der Identitären Bewegung angekommenen Stefan Juritz, seinem ebenso korporierten Bruder Christian Juritz und dem Neonazi-Kickboxer Gerhard Taschner attackierte Schober am Abend des 30. Jänner 2010 mehrere Personen, die sich bei einer Geburtstagsfeier in dem Grazer Lokal Zeppelin zusammengefunden hatten. Als Reaktion darauf, dass die Geburtstagsgäste den Anti-Nazi-Song „Schrei nach Liebe“ abspielten, positionierten sich die halbuniformierten Neonazis mit gehobenem Arm in dem Lokal und antworteten mit dem verbotenen Horst Wessel Lied und Heil-Hitler-Rufen. Daran anschließend griffen die Neonazis die Partygäste an und fügten diesen durch gezielte Faustschläge und Tritte gegen den Kopf und Oberkörper schwere Verletzungen zu. Das Resultat der brutalen Attacke: Nasenbeinbruch, der Bruch beider Augenhöhlen, der mehrfache Bruch des Nasenbeines, Prellungen und Blutergüsse bei einem der Opfer sowie zahlreiche Prellungen und Blutergüsse bei den anderen und schwere psychische Folgeschäden bei den Attackierten bis hin zur posttraumatischen Belastungsstörung.

Auch hier herrschen lange Bekanntschaften vor: Ganz rechts Taschner neben dem jungen Pfingstl, im braunen Hemd Küssel und neben ihm Budin bei einem Sommerlager des BfJ 2010.

Dass es sich bei diesem Übergriff um keinen spontanen Raufhandel handelte, sondern um die vorsätzliche politische Gewalt militanter Neonazis belegt der Umstand, dass einige der Beteiligten inklusive Richard Pfingstl und Christoph Schober bereits am 23. Juni 2010 bei einem Public-Viewing-Event erneut zuschlugen. Die Parolen „SS-SA die Wehrmacht ist da“, „SS-SA wir sind wieder da“ rufend attackierten die Neonazis einen Zuseher bei dem Event und fügten ihm unter Todesdrohung eine schwere Körperverletzung zu. Seit den Attacken sind 12 Jahre vergangen und doch sind einige der damals militant auftretenden Aktivisten nach wie vor aktiv. Christoph Schober wurde etwa gemeinsam mit Richard Pfingstl und dem Neonazi-Nachwuchs der Roten Armee Graz (RAG) rund um Benni Wolf, einem großteils rechtsextremen Fanclubs des Grazer GAKs, in alpen-donau.info-Shirt beim Schild und Schwert-Festival im April 2018 in Ostritz gesehen (auch wenn Schober selbst eine Jacke über seinem T-Shirt trägt, ist davon auszugehen, dass er ebenso den alpen-donau.info-Aufdruck trug, hatten alle anderen angereisten Kameraden doch dasselbe T-Shirt an). Wäre dies nicht ohnehin Beweis genug, reiste Schober mit Pfingstl und Wolf zum „Ausbruchsmarsch“ während der „Feierlichkeiten“ rund um den Tag der Ehre 2020 nach Budapest, um die 60 Kilometer in paramilitärischer Kleidung zu bestreiten. Auch Christoph Schober ist also ein alter Bekannter, der nach wie vor im rechtsextremen Milieu mitmischt und an internationalen Großevents der Neonazi-Szene und klandestinen Gedenken wie der an den Waffen-SS-Veteranen Bellschan-Mildenburg partizipiert.

Hier besser sichtbar: Wolf neben Pfingstl, davor wieder Schober und Faethe.

Neben Christoph Schober war ein weiterer rechtsextremer Aktivist aus Graz beziehungsweise Graz-Umgebung bei dem Gedenken an Bellschan-Mildenburg anwesend: Peter Dingsleder. Wie die Kolleg*innen von Recherche Graz bereits aufgearbeitet haben, bewegte sich Peter Dingsleder seit ihrer Gründung 2012 in den Strukturen der steirischen Identitären Bewegung. Dingsleder nahm bei so gut wie allen Aktionen der IB in der Steiermark teil und wurde wegen der Besetzung der Grünen Parteizentrale auch im Rahmen der IB-Prozesse angezeigt. Er agierte als Kassier des identitären Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit und nahm innerhalb der IB Steiermark eine zentrale Rolle ein. Entgegen den meisten rechtsextremen Akteur*innen aus der Steiermark war/ist Dingsleder nicht innerhalb der RAG des GAKs organisiert, auch wenn er mit deren Umfeld über den organisierten Neonazismus Kontakt hat, sondern kommt aus dem Umfeld der Leibnitzer SK Sturm Fan-Szene (SWS), wurde aber schon seit längerem nicht mehr im Stadion beziehungsweise in Fußballzusammenhängen gesehen.

Stockner nach dem Gespräch mit Dingsleder, direkt hinter der Gruppe um Küssel.

Neonazismus aus Leipzig: Familie Larisch und Bellschan-Mildenburg

Dass die alpen-donau.info-Kerngruppe aus Wien Kontakte nach Deutschland hat, ist bekannt. Im gegenständlichen Fall beschäftigt uns konkret jene Connection von Gottfried Küssel nach Leipzig, die schon oft zu Zusammenkünften am Ulrichsberg führte: Zentraler Knotenpunkt ist der Leipziger Neonazi Riccardo Sturm, der neben Küssel auch Hans-Jörg Schimanek jr. zu seinen Bekannten zählt. Schimanek jr., der schon seit seiner vorzeitigen Haftentlassung 1999 in Sachsen wohnhaft ist, betreibt eine Baufirma in Leipzig Lindenthal, ist aber seit seinem letzten Auftritt am Ulrichsberg kaum mehr öffentlich zu sehen. Die Genese Sturms sparen wir hier aus, wollen aber auf die zahlreichen Artikel im AIB zur Person Sturms verweisen – wichtig ist für die vorliegende Analyse seine Begleitung am Ulrichsberg 2017: Dort erschien er u. a. mit dem Leipziger NPD-Langtagsabgeordneten Nils Larisch und dessen Ehefrau Conny Larisch.

Larisch ist im Raum Sachsen durchaus als Szenegröße zu begreifen und sein neonazistischer Werdegang lang: politischer Ursprung in der neonazistischen Hooligangruppierung Blue Caps Lok, darüber hinaus Mitbegründer von Lokomotive Leipzig, über die Szene Kontakt zum Blue Caps-Capo Enrico Böhm. Auch Böhm ist in der NPD aktiv, genauer in der Odermannstraße 8, saß für die NPD im Leipziger Stadtrat und betreibt den nazistischen Buchversand Der Schelm. 2014 dann tritt Larisch mit dem Leipziger Neonazi Mirko Beier als Organisator eines Lunikoff Verschwörung-Konzerts in Zobes, Sachsen, auf – er wickelt den Kartenvorverkauf selbstständig ab, während die Rechte das Konzert offiziell ausrichtete. Dass Larisch mit der Band mehr als nur die Organisation dieses Events verbinded, beweist seine Leitung des in Leipzig ansäßigen Hermannsland-Versandes: Offizielle angemeldet hat das Label zwar ex-Spreegeschwader-Mitgründer Alexander Gast, der nun mit Michael Regener bei Lunikoff Verschörung spielt, im Impressum allerdings wird als Betreiber Nils Larisch und die Odermannstraße 8 genannt – Larisch dürfte so eine durchaus zentrale Rolle im Vertriebsnetzwerk von Regener einnehmen.

Dass Larisch seine politische Agitation offenbar auch auf das Unterstützen von bedeutenden Altnazis ausdehnt, zeigt u. a. die Lancierung einer Kampagne für den Kriegsverbrecher und ehemaligen SS-Hauptsturmführer Erich Priebke: Im Rahmen einer Reihe von „Zeitzeugen“-Vorträgen in der Odermannstraße 8 präsentierte Larisch die Kampagne „Freiheit für Erich Priebke“, bewarb u. a. Solidaritäts-Shirts und einen eigens etikettierten Wein, der sich – besonders originell – „Erich Priebke Wein“ nannte. Larischs Kampagne endete unfreiwillig erfolglos, als Priebke 2013 verstarb. In diesen Rahmen passt auch die Beziehung der Familie Larisch zu Bellschan-Mildenburg: Auffälig ist, dass Larisch beim Verlassen der Zeremonienhall weint – als einziger (und Nicht-Familienanghöriger, wie etwa Elke Bellschan-Mildenburg). Schon 2017 hatte Larisch fröhlich zusammen mit Bellschan-Mildenburg und Sturm am Ulrichsberg posiert – offenbar waren die Verbindungen Larischs zu Bellschan ausführlich und gut. Das verdeutlicht auch der Kranz, den die Familie eigens spendete, in den Farben der Reichskriegsfahne und mit letzten Wünschen von „Nils und Conny“.

Nachbetrachtung und Ausblick

Was bleibt vom Begräbnis des einflussreichen „Zeitzeugen“ der Waffen-SS ist zweifelsohne die Bestätigung, wie intergenerationell und transnational vernetzt die rechtsextreme Szene Österreichs ist und dass es weiterhin wenige Bruchlinien zwischen Kameradschaften von Ehemaligen, neonazistischen Aktivist*innen, die sich schon seit den Anfängen der transnationalen Organisation rund um die NSDAP-AO nazistisch betätigen und einer jungen Generation, die sich durch hohe Gewaltaffinität und einen starken direkten ideologischen Bezug auf den NS auszeichnet, gibt. Ganz im Gegenteil werden bei Veranstaltungen wie dem Gedenken an Bellschan-Mildenburg personelle Kontinuitäten und Überschneidungen sichtbar, die den organisierten Rechtsextremismus in Österreich kennzeichnen. Wichtig ist auch die Feststellung, dass solche Szene-Veranstaltungen deutlich werden lassen, dass sich viele der langjährig Aktivist*innen vielleicht oberflächlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen haben, aber nach wie vor einer neonazistischen Weltanschauung anhängen, sowie weiterhin Kontakte in den organisierten Rechtsextremismus pflegen.

Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.

„Corona Querfront“ – Die neonazistischen Netzwerker*innen der Corona-Demonstrationen

Zum 91. Mal – so die Eigenwerbung auf dem hauseigenen Telegram-Kanal – hatte die Gruppe „Corona Querfront“ (CQ) am 31. Juli 2022 in der Eisenstädter Innenstadt ihren Infotisch aufgebaut. Bei den freitäglichen Veranstaltungen handelt es sich auf den ersten Blick um nichts allzu Spektakuläres: Tisch, das (nun sattsam aus Wien und Eisenstadt bekannte) gelb-schwarze Banner, rundherum 3-4 Aktivist*innen, die ihr „Wissen“ rund um eine Covid-19-Verschwörung zum Besten geben. Es sind meist keine bekannten Rechtsextremist*innen, die da auftreten, sondern ältere Leute, szenepolitisch unbekannt, oft aus der Region (Eisenstadt und Eisenstadt-Umgebung) stammend, die mit ihrer „Erfahrung“ rund um das Einspruch-Einlegen gegen Verwaltungsstrafen werben (etwa wegen fehlender Maske in öffentlichen Verkehrsmittel o. Ä.) und mit angeblichem Insider-Wissen rund um die globale Corona-Verschwörung regelrecht protzen. Die gekonnte Inszenierung zeichnet ein Bild, das nicht von dem abweicht, was sich in dutzenden anderen Städten und Dörfern in kleinerem wie größerem Ausmaß wöchentlich abspielt: SARS-Covid-19 lediglich eine Verschwörung, die Maßnahmen der Regierung ein Mittel zum Zweck der Errichtung einer Diktatur, die nach globalem Geheiß operiert.

Das Bild der bemühten Corona-Aufklärer*innen brechen jedoch die veranstalteten Demonstrationen der gleichen Gruppe, die seit 06. Februar 2021 jeden ersten Samstag im Monat stattfinden: Denn dort lassen sich ab etwa 14:30 seit Jahrzehnten aktive, international vernetzte Neonazi-Kader antreffen, um mit einem Pritschenwagen durch die Hauptstraße Eisenstadts zu marschieren. Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass das Küssel-Ehepaar, Gottfried und Karin, diese Gruppe aufgebaut hat und als legalistischen Arm in ihrem Kampf um die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes einsetzt. Doch die Küssel-Familie ist nicht der einzig bekannte Cluster an Akteur*innen aus dem neonazistischen Spektrum, die die burgenländische Hauptstadt monatlich in Beschlag nimmt und zur Projektionsfläche ihrer Politik des Hasses macht. Im folgenden Text widmen wir uns dem Corona Querfront-Netzwerk, dessen zentrale Akteur*innen, Verbindungen und Überschneidungen zu weiteren neonazistischen Gruppierungen sowie der Funktion von CQ im neonazistischen Milieu Österreichs und in der Corona-Rechten.

Erste öffentliche Auftritte absolvierte CQ seit Beginn der sogenannten „Corona Demonstrationen“ in Wien: Am 06. Juni 2020 marschierte Harald A. Schmidt, lang gedienter Wiener Neonazi, gemeinsam mit jungen Neonazis und Identitären durch den 01. Wiener Gemeindebezirk (Innenstadt), das mittlerweile bei allen Veranstaltungen von CQ in Szene gesetzte Transparent vorantragend. Mit Schmidt am Transparent konnten u. a. der aB! Albia-Burschenschafter und AfDler Florian Köhl, der Wiener Neonazi Bernhard Burian, der Identitäre Andrei Pavan, der neonazistische Runentattoos trägt und der junge Neonazi-Hooligan Dominik Wendel identifiziert werden (Näheres siehe weiter unten, Kapitel zu den Verbindungen von CQ zu jungen Neonazis). Zu diesem Zeitpunkt war der einizige direkte Exponent der „alten“ Neonazi-Szene Schmidt, doch dessen Geschichte ließ schon zu diesem Zeitpunkt die Vermutung zu, dass da noch mehr kommen würde:1 Im alpen-donau.info Forum „alinfodo“ hatte Schmidt unter dem Pseudonym „Athanarich“ Hitler-Zitate verbreitet. Vermutet wird auch, dass er unter dem gleichen Pseudonym schon im Thiazi-Forum geschrieben hatte. 2011, nach der staatlichen Sprengung des alpen-donau.info-Komplexes, lief dann ein Verfahren nach §3g Verbotsgesetz gegen Schmidt. Davor war Schmidt in den 70er-Jahren beim RFJ gewesen, dann bei der ANR und Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre in der „Ausländer Halt“-Bewegung des verurteilten Südtirol-Terroristen und NDP-Aktivisten Norbert Burger und der internationalen Neonazi-Szenegröße Gerd Honsik 2.

Hinter dem CQ-Komplex selbst steht der Verein „Iuvalex – Gesellschaft für juristische Zusammenarbeit und Rechtshilfe Wien“, der – nicht weiter verwunderlich – an Schmidts Wohnadresse im 23. Wiener Gemeindezirk Liesing, Stachegasse 1/5/2, vereinspolizeilich gemeldet ist. In mehrfacher Hinsicht ist das Entstehungsdatum interessant: Es lautet auf den 24. Jänner 2020, datiert also in jenen Zeitraum, in dem das SARS-Covid-19-Virus gerade erst europaweit zum Problem werden würde; in Österreich wurden die ersten Fälle erst am 25. Februar 2020 gemeldet. Warum Iuvalex initial gegründet worden ist, muss also Spekulation bleiben – der Titel jedoch legt nahe, dass die Planung möglicherweise auf die Etablierung einer neonazistischen Rechtshilfe abzielte, wo Schmidt sein Wissen als ehemaliger Anwalt in Funktion einer Szene-Rechtsberatung einbringen hätte können. Klar dürfte allerdings sein, dass die Gründung des Vereins nicht per se auf CQ abgestimmt worden war.

Wirklich Fahrt nahm das Projekt dann im kommenden Winter auf: Das lag zum Einen daran, dass ab dem Sommer die Corona-Demonstrationen in Frequenz und Regelmäßigkeit sowie in ihrer personellen Masse abnahmen – was auf gelockerte Maßnahmen zurückzuführen war wie auf die Möglichkeit, draußen soziale Kontakte zu pflegen und abends etwa an öffentlichen Orten auszugehen. Mit Herbst und insbesondere Winter 2020 nahmen die Demonstrationen wieder zu, v. a. nachdem publik wurde, dass mit Anfang November wieder ein „Lockdown light“ und nur wenige Tage später ein „harter“ Lockdown verordnet werden würde. Ab den Protesten gegen den harten Lockdown nach Weihnachten 2020 (ab dem 26. Dezember) intensivierten sich die Auftritte von CQ, wodurch ab diesem Zeitpunkt auf eine konsistent arbeitende Gruppe hinter dem CQ-Logo geschlossen werden konnte.

Alte Bekannte in neuem Format

Dass CQ keine personell genuin neue Organisierung darstellte, war mit dem Erscheinen des ex-ANR-Mitglieds Schmidt als erstinstanzlicher Akteur von Vornherein klar – als überraschend aber kann die personelle Bündelung der Neonazis bezeichnet werden, da seit den gescheiterten Organisierungsversuchen rund um PdV, Pegida und FHB kaum aktive Gruppen-Präsenz auf der Straße wahrgenommen werden konnte. Zur öffentlichen Absenz dürften auch die langjährigen unbedingten Haftstrafen von Küssel, Budin und Wilhelm Christian Anderle sowie der Anhang an weiteren Verfahren nach dem Verbotsgesetz im Rahmen der alpen-donau.info-Zerschlagung beigetragen haben. Dabei darf die öffentliche Absenz jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Hintergrund etwa die klandestine Unwiderstehlich-Organsierung abspielte und zu mehrfachen Angriffen auf linke Projekte führte. Interessant ist jedoch die Aufteilung der Akteur*innen: Schnell lag auf der Hand, dass Küssel gezielt ganz bestimmte Leute öffentlich in Szene setzte, andere koordiniert nicht im Vordergrund tätig würden. Es scheint bei CQ aus mehrfachen Gründen eine gewisse Trennung zu geben zwischen solchen Aktivist*innen, die Strukturen im Hintergrund aufbauen und sich für (spärliche) klandestine Aktionen verantwortlich zeichnen und jenen, die sich möglichst bürger*innennah gerieren und durch freundliches, lockeres Auftreten (oft ältere Kader) über den harten Neonazismus hinwegzutäuschen suchen.

Zum öffentlichen Kern von CQ gehört neben Schmidt und Gottfried Küssel zum Ersten die Familie Küssel. Karin Küssel, geborene Schinner, war bereits in der VAPO aktiv und dort zahlreiche Male im sog. „Paulinenstüberl“ anzutreffen, wo regelmäßig nicht rein organisatorische Treffen der Wiener VAPO-Kameradschaften stattfanden, aber auch im Kameradschaftskeller in der Hornbostelgasse, 1060 Wien, wo es dezidiert um Politik und Organisierung  ging. Seit dieser Zeit ist Karin Küssel als integrale Kraft der österreichischen Neonazi-Szene zu betrachten und kann nach Gottfried Küssel wohl als eine der ranghöchsten Neonazist*innen Österreichs gelten. Während Gottfried Küssel 1992 dann in Haft musste, heirateten beide noch während der Haftperiode und zogen nach Gottfrieds Enthaftung – sie kauften ursprünglich vier Wohnungen vom Vorsitzenden der neonazistischen Wiener Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“  Wilhelm Ehemayer in der Oberen Donaustraße 39 – in den zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dort betrieb Karin Küssel dann bekanntlich den „Nationalen Bioladen Naturnah“, der auf ihre Mutter, Erika Schinner, angemeldet worden war. 2001 und 2003 bekamen die Küssels zwei Kinder, Gudrun und Gerolf3 – beide Kinder waren und sind auf Corona-Demos anzutreffen, beide waren darüber hinaus auch in Eisenstadt bei den hauseigenen Kundgebungen von CQ vor Ort. Karin Küssel war dann natürlich auch im alpen-donau.info-Komplex tätig, wie auch während der Haft von Gottfried Küssel: So etwa war sie ebenso an den Organisierungsversuchen rund um den PdV-Komplex und an den Kundgebungen des Grazer Ablegers beteiligt. Bisher war Karin Küssel bei jeder Demo und jedem Autokorso in Eisenstadt anwesend, zumeist holte sie mit Gottfried zusammen auch den Pritschenwagen von der Firma „Priline“ aus Gänserndorf, um diesen nach Eisenstadt zu fahren.

Mit Lucas Tuma findet sich ein weiterer lang angedienter Neonazi in den Reihen von CQ. Schon Tumas Vater Otto war in den alten neonazistischen Kreisen Wiens aktiv, als Rechtsanwalt verteidigte er u. a. sowohl Gottfried (1992) als auch Karin Küssel (1998) bei deren Anklagen wegen Verstoßes nach §3g Verbotsgesetz. Lucas Tuma selbst war bereits in VAPO-Kameradschaften aktiv, nahm dort u. a. an Wehrsportübungen am Ottensteiner Stausee teil. Darüber hinaus teilte er mit einem weiteren VAPO-Kameradschaftler aus Eckartsau, Hermann Bahr, der auch das berüchtigte „Paulinenstüberl“ in Wien Währing betrieb, die Leidenschaft fürs Fliegen: Beide waren Mitglieder beim „Union Sportfliegerclub Eisenstadt“ und besaßen am Trausdorfer Flugfeld zwei Cessna (150 & 172) sowie eine Piper PA-28, mit denen sie als Privatpiloten Stadtflüge über Wien anboten. Unklarheit besteht für die Periode zwischen der Selbstauflösung der VAPO nach den zahllosen Verhaftungen und Verfahren gegen die Köpfe der Organisation – Tuma taucht dann in der Periode vom 25. Juli 2009 wieder als Vorsitzender der „Wiener Akademischen Ferialverbindung Reich“ auf 4, bis zur „freiwilligen“ Selbstauflösung dieser durch den sich erhöhenden Druck der Repressionsbehörden am 01. August 2011. Neben ihm war Viktor Hammermayer als stv. Vorsitzender eingetragen, Schriftführer und Kassier machte Gottfried Küssel. Nach der Zerschlagung wurde dann etwas mehr als zwei Jahre später die nächste Ferialverbindung eingerichtet: Diesmal hieß sie „Ferialverbindung Imperia Wien“, Meldeadresse noch immer die Lichtenauergasse 4, zweiter Wiener Gemeindebezirk. Da bei Vereinsmeldungen keine konkreten Haustürnummern angegeben werden müssen, bleibt die völlig exakte Örtlichkeit des Imperia-Vereins unklar, aber es kann eine begründete Spekulation angestellt werden: Von den alten Kaderwohnungen, derer es ingesamt 9 in diesem Block gab (Küssel: vier Wohnungen, ex-VAPO Stefan Tanczos: vier Wohnungen 5, Felix Budin: eine Wohnung), sind nur noch drei insgesamt im Besitz der Truppe. Auf Gottfried Küssel lauten zwei Wohnungen, auf Budin noch immer die eine, deren exakte Adresse Lichtenauergasse 4/1/22 sein dürfte.

Tuma selbst war neben Schmidt wohl der zweite Altnazi-Kader, der bereits im Frühstadium der Corona-Proteste in unterschiedlichsten Gruppen und Unterorganisationen der Corona-Rechten rekrutierte und Netzwerke schuf: ob als Redner in Kontakt mit Rutter und den Fairdenken-Organistor*innen, in kleinerem Format mit Jennifer Klauninger und der „Team HC Strache“ (THC)-Kandidatin Christina Kohl oder in Eisenstadt und Wien hinter dem Banner von CQ – Tumas Engagment für die Proteste kann als umfassend betrachtet werden. Wir werden auf die vielschichtigen Verbindungen der alten Kader weiter unten eingehen, vorab wollen wir etwas genauer die identifizierten Aktivist*innen von CQ darstellen.

Damit die Infotische, Demonstrationen und Autokorsos in Eisenstadt und Umgebung laufen, benötigt es Personen, die solche Veranstaltungen bei der zuständigen Behörde polizeilich anzeigen. Die Kundgebungen und anschließenen Demonstrationen meldete der aus Eisenstadt Umgebung stammende Neonazi Peter Rennmayr an. Rennmayr ist CQ-Aktvist der ersten Stunde, trat öffentlich in Eisenstadt als Anmelder auf, hielt jedes Mal einen der ersten Redebeiträge. Rennmayr dürfte enge Kontakte zu Gottfried und Karin Küssel pflegen (was bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegt) und war auch beinahe jedes Mal am CQ-Transparent bei den Aufmärschen der Corona-Rechten in Wien zu sehen.

Den Part, die Autokorsos polizeilich anzuzeigen, übernimmt – seit der Erweiterung des Aktionsfeldes seitens CQ im Format der sogenanneten „Nordburgenland Aktionstage“ – die hinlänglich bekannte Neonazistin Anita Barilich. Auch wenn rezent weniger im Rampenlicht als die bisher genannten Aktivist*innen, war Barilich schon im Rahmen der Gründung der neonazistischen „Partei des Volkes“ (PdV) involviert, in der u. a. der verurteilte österreichische Rechtsterrorist Gabor Söregi aktiv war. Barilich hatte durchwegs Zugang zu den Spitzen der PdV, wie etwa ein kolportiertes Interview mit Walter Wolfgang, einem PdV-Kader und Rechtsmilitanten aus Neusiedl am See, zeigen.

Nun ist Barilich bei CQ aktiv, erneut in zentraler Rolle: Wie sie selbst in einer Telegram-Chatgruppe offenlegte, meldet sie regulär jeden Autokorso an – perfider Grund: Einige Leute würden wohl etwas scheu sein, wenn die Familie Küssel auftauchen würde und gegebenenfalls fernbleiben, wenn Gottfried Küssel die Veranstaltung auch noch selbst angezeigt hätte. Deshalb meldet Barilich an (wohl auch um Komplikationen mit dem DSN zu meiden) und tut dies „unsicheren“ Corona-Maßnahmen-Kritiker*innen kund, um mehr Klientel anzulocken. Darüber hinaus gibt Barilich auch den Polizeikontakt bei den Demonstrationen und agiert gewissermaßen als Puffer, wenn etwa die anwesenden Skinheads Journalist*innen zu stark bedrängen: So etwa versuchte Barilich öfters eine lockere, harmlose Gesprächbasis zu etablieren, bot u. a. Polizist*innen Tee oder Essen an, oder plauderte mit Beamt*innen der burgenländischen Bereitschaftseinheit „WULKA“ über deren Einsatz bei Corona-Demonstrationen in Wien.

Liiert ist Barilich mit Mathias Albrecht, auch er war zentrales Gründungsmitglied der PdV. Die Kolleg*innen der Recherche Graz haben zu Albrecht bereits ein Dossier erstellt: So war Albrecht Ordner bei PdV-Kundgebungen, bedient offen und schamlos geschichtsrevisionistische Positionen, fordert die Wiedervereinigung Tschechiens und Österreichs mit dem „Deutsch Reich“ und hat eine Vorliebe für die Waffen-SS sowie Rechtsrock, v. a. für die 2000 aufgelöste österreichische Neonazi-Band „Schlachthaus“. Albrecht war beinahe bei jeder Demo von CQ anwesend, kann so durchaus zum Stammklientel gezählt werden.

Zum engsten Klientel dürfte auch der Neonazi, Biker und MC-Enthusiast Josef Witzani zählen. Witzani war bei jeder Demo stets von Beginn weg anzutreffen und dürfte mit Gottfried Küssel in gutem Kontakt stehen. Witzani entspringt dem Biker-Milieu und scheint v. a. Kontakte zur rechten MC-Szene in Deutschland zu pflegen, aber auch zum österreichischen Suporter*innen-Netzwerk des „Hells Angels“ MC. Darüber hinaus dürfte er in legalistischem Rahmen Obmann des Iuvalex-Vereins sein. Darüber hinaus konnte Witzanis Motorrad des Öfteren direkt neben Küssels Motorrad in der Fruchtgasse (Quergasse zur Unteren Donaustraße) gesehen werden, was zumindest offenlegt, dass Witzani des Öfteren in Wien bei Küssel gastieren dürfte.

Ebenso freundschaftlich ist Witzani mit jenem namentlich (noch) unbekannten Neonazi verbunden, der wohl als eine Art Leibwächter für Gottfried Küssel fungiert. Stets schwer vermummt und in Funktionskleidung dürfte er v. a. für die Absicherung der öffentliche Auftritte verantwortlich sein: So etwa koordiniert er in Eisenstadt meist jene Neonazis, die Journalist*innen bedrängen und am Arbeiten hindern, oder aber versucht – wie im Falle der antifaschistischen Proteste gegen den rassistischen Aufmarsch der „Freiheitlichen Jugend Burgenland“ in Deutschkreutz – linke Aktivist*innen im Rahmen von Anti-Antifa-Arbeit zu fotografieren. Dieser Funktion kam er u. a. auch bei der linken Kundgebung während des zweiten Prozesstages gegen angeklagte Antifaschist*innen nach: Dort tauchte jener Neonazi mit zwei weiteren beim Alten AKH auf, um mit Teleobjektiv die Kundgebung und ankommende Linke zu fotografieren. Darüber hinaus trat er als Ordner bei mindestens einer Demonstration von Martin Rutter auf, wo er Objektschutz für das massive Sound-Equipment machte, das vermutlich der Involvierung der FPÖ und deren finanziellen Mitteln geschuldet ist.

Zum Absicherungsteam in Eisenstadt gehört u. a. auch der Neonazi Andreas Balluf sowie seine – uns namentlich unbekannte – Lebensgefährtin, die eine schwarze Sonne auf der Brust tättoowiert trägt. Beide waren auf zahlreichen Demos der rechten Szene auch abseits der Corona-Demonstrationen zu treffen: So etwa konnte Balluf und seine Partnerin sowohl bei der IB-Symbolverbotsdemo am 31. Juli 2021 gesehen werden, wie auch in Deutschkreutz bei der rassistischen Kundgebung der FJ Burgenland. Auch online bewirbt Balluf die Autokorsos und Demonstrationen viel und ausladend – Balluf ist Anhänger diverser Verschwörungserzählungen, u. a. mit Bezug auf Q-Anon- und Finanzelitenverschwörungsnarrative. Darüber hinaus dürfte er des Öfteren längere Survivaltrainings absolvieren und einem mystischen Naturfetisch anhängen: Immer wieder verkündet Balluf seinen „Ausstieg“ aus der Gesellschaft und den Rückzug in eine als rein imaginierte Natürlichkeit.

Auch die beiden Neonazi-Kader und engen Vertrauten der Küssel-Truppe Paul Blang, der als intensiver Netzwerker in der neonazistischen Szene Wiens angesehen werden muss, sowie der hinlänglich bekannte Thomas Cibulka konnten in Eisenstadt angetroffen werden. Sie kamen zumindest zwei Male zusammen mit dem neonazistischen Austria-Hooligan Michael „Junior“ (Nachname zu diesem Zeitpunkt unbekannt) in einem Auto aus Wien angereist. Blang und Cibulka dürften grundsätzlich als freundschaftlich verbunden angesehen werden, sind sie doch zumeist zu zweit unterwegs, in rezenterer Zeit auch in der Ostkurve im Block der „Viola Fanatics“ sowie im Sektor der „Ultras Slovan Pressburg“, oder aber bei einem Konzert nahe Brno. Ihr Engagement in der neoazistischen Szene ist hinreichend bekannt und beleuchtet worden: Dass sie auch mit CQ vernetzt sind, ist deswegen nicht weiter verwunderlich, da beide unter Gottfried und Karin Küssel bereits seit Jahren Szenepolitik betreiben.

Auch ein weiterer lang bekannter Neonazi ist – bzw. war – in den Reihen von CQ aktiv: der ehemalige NVP und JNVP-Kader Mario Aulabauer. Dieser kann ebenso auf eine lange Vergangenheit in der neonazistischen Szene zurückblicken: Ab Mitte/Ende der 2000er war er im Rahmen der NVP (geboren 1989) inbesondere in seiner Funktion als Jugendsprecher aktiv gewesen, wo er u. a. für den Aufbau der JNVP zuständig hätte sein sollen. Bereits 2008 jedoch erfolgte die erste Verurteilung, die sich noch auf eine Bewährungsstrafe belief: Aulabauer dürfte Kopf einer Gruppe junger Neonazis gewesen sein, die im Raum Wr. Neustadt unter dem Namen „Weißer Widerstand Österreich“ für zahlreiche Sachbeschädigungen und Wiederbetätigunsgdelikte angeklagt worden waren. 2009 dann schon erfolgte – noch auf Bewährung – die nächste Anklage, die diesmal auch ins unmittelbare Umfeld und Zentrum der alpen-donau.info-Vernetzung führte: Gegen Aulabauer wurde erneut wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Wiederbetätigung und ungefugten Waffenbesitzes ermittelt, diesmal im Rahmem der Gruppe „Freie Aktivisten Wiener Neustadt“. Aulabauer wurde (er saß nach seiner Festnahme in U-Haft) auf vier Jahre unbedingte Haft verurteilt, mildernd fiel u. a. aus, dass er sich geständig zeigte und „reumütig“ aussagte: Dies wiederum missfiel der NVP gleichermaßen wie den Köpfen von alpen-donau.info, allen voran dem Grazer Neonazi Richard Pfingstl. Denn der Verbund der „Freien Kameradschaft Wiener Neustadt“ – nicht nur Aulabauer zeigte sich geständig, um ein milderndes Urteil zu erlangen – war Teil der alpen-donau.info-Koordination und als solcher ließen es sich weder NVP-Kader Christian Hayer und Robert Faller, noch die Köpfe der alpen-donau.info-Seite nehmen, Drohungen an weitere mögliche Zeug*innen auszusprechen, und: Kurz nach dem Prozess wurde ein Zeuge kurzer Hand brutal zusammengeschlagen, die Täter*innen entkamen unerkannt.

Das nächste Mal dann tauchte Aulabauer in den Kontakten des rechtsterroraffinen ex-NVP-Neonazis Rudolf Prinesdomu auf: Laut Aussagen des informierten Beamt*innenvertreters des LVT Burgenland hatte Prinesdomu Aulabauer gekannt und auch in Wr. Neustadt besucht. Darüber hinaus sagte Prinesdomus Sohn aus, sein Vater habe Aulabauer größere Mengen potentes THC verkauft (kein Beweis durch das zuständige LKA). In einer kleinen Seitenbemerkung tat der Beamt*innenvertreter dann noch kund, dass Aulabauer erneut in Wr. Neustadt in Haft säße, wiederum wegen Vergehen nach §3g Verbotsgesetz. Das deckt sich grundlegend mit Informationen, dass Aulabauer 2020 erneut zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden war. Die Aussage des LVT-Beamten muss allerdings als teilweise falsch klassifiziert werden, denn feststehend ist, dass Aulabauer mehrfach an Aufmärschen von CQ teilnahm – sowohl in Eisenstadt wie auch in Wien. Das heißt im Umkehrschluss: Entweder a) waren die Informationen des aussagenden Beamten inkorrekt punkto des Haftantritts oder aber b) Aulabauer muss seine Strafe erst antreten – denn die letzten Aktivitäten Aulabauers in den Sozialen Medien datieren ins Jahr 2022.

Ebenso oft im Rahmen von CQ konnte der junge Neonazi mit Affinität für den III. Weg Marco Helfenbein gesehen werden: Helfenbein ist der Sohn der „PEGIDA Vorarlberg“-Gründerin Susanne Andrea Helfenbein, die auch auf Corona-Demonstrationen in Wien als Rednerin aufgetreten war. Die aus Hohenems stammende Neonazistin versuchte Pegida mit deutschen und schweizer Aktivist*innen (Ignaz Bearth und Michael Stürzenberger) im Dreiländereck aufzubauen, was bekanntermaßen kollosal scheiterte und zu einer Flut an internen Spaltungen der Pegida Österreich-Aktivist*innen führte. Wir verweisen für die komplexe Geschichte der Pegida-Bewegung in Österreich, deren Mobilisierungspotenzial deutlich kleiner als das in Deutschland ausfiel, auf die Berichte von SdR sowie für die Grazer und Wiener Sektion jeweils auf die Rechercheblogs der Kolleg*innen aus den jeweiligen Städten, da eine Aufschlüsselung hier den Rahmen sprengen würde. Wichtig ist für CQ nämlich v. a. Helfenbeins Sohn Marco: Denn dieser musste sich bereits am Landesgericht Feldkirch 2016 wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Schändung eines jüdischen Friedhofs, Wiederbetätigung und versuchter schwerer Körperverletzung verantworten. Helfenbein war dabei schon in seinen Jugendjahren in der harten Vorarlberger-Neonaziszene aktiv, seine Mutter förderte dies aktiv: So dürfte Marco Helfenbein im Umfeld der „Nationalen Aktion Vorarlberg“ (NAV) organisiert gewesen sein und hatte zumindest online regen Kontakt zum „Freien Netz Süd“, das wiederum eng mit der NAV kooperierte – bekanntermaßen gingen NAV und Freies Netz Süd in der heutigen Parteistruktur „III. Weg“ auf. Die polizeiliche Einvernahme und eine psychiatrische Begutachtung ergaben, dass Helfenbein bereits mit seinen jungen 17 Jahren ein absolut gefestigter Neonazi sei, der im vollen Umfang den NS-Staat verteidigt und wieder herbeiführen wolle. Dies zeigte sich etwa auch bei der Festnahme: Dort attackierte er die anwesenden Polizist*innen mit einer Zeltstange – Ergebnis der Verhandlung: Zwei Jahre Haft, acht Monate davon unbedingt. Bei den CQ-Aufmärschen in Wien konnte Helfenbein konstant – und somit auch ideologisch stringent – mit einer grünen Haube des III. Weges gesehen werden. Darüber hinaus ist er mittlerweile auf Facebook in der Gruppe „Kriegerdenkmäler in Niederösterreich“ aktiv und posiert vor diesen des Öfteren in Pullovern und Shirts des III. Weges.  Helfenbein ist derzeit in Niederösterreich, 2231 Strasshof a. d. Nordbahn bei Wien, wohnhaft und dürfte mitterweile im Raum Gänserndorf auch arbeitstätig sein.

Neben den nun aufgeschlüsselten bekannten Aktivist*innen konnten wir einige neue Gesichter in den Reihen von CQ idenitifizieren, wobei wir hier nach der Frequenz des Erscheinens, Funktion bei den Aufmärschen, Verhältnis zu anderen bekannten Kadern, Verhältnis zur Küssel-Familie und Auftritt im Social Web 2.0 beurteilt haben, ob die Personen von politischer Relevanz sind und somit hier genannt werden. So wollen wir hier an dieser Stelle die CQ-Aktivist*innen Thomas Dunkl, Ute Stockreiter, Katharina Rosenauer, Bianca Lörner, Rene Beisteiner, Rudolf Hendling, Marlen Dorn und Jörg Schüller anführen.

Rene Beisteiner taucht seit den ersten Stunden der Demonstrationen der Corona-Rechten in Wien und Eisenstadt auf: So etwa zeigt ihn das unten angeführte Bild direkt neben Identitären bei einer der ersten Kundgebungen am Ballhausplatz, an der auch Wolfang Lechner teilnahm, darüber hinaus dürfte er die Küssels persönlich kennen.

Thomas Dunkl war auf beinaher jeder Demonstration in Wien und Eisenstadt zu sehen: Er hat v. a. guten Kontakt zu Josef Witzani und zu den Küssels. In Wien ging er fast immer am Fronttransparent von CQ. Darüber hinaus tauchte er mit Andreas Balluf, dessen Lebensgefährtin, Mathias Albrecht und Anita Barilich bei der Kundgebung der Freiheitlichen Jugend in Deutschkreutz auf, was auf klare rassistische Positionen schließen lässt.

Ähnliches gilt für Rudolf Hendling: V. a. in Wien war Hendling bei zahllosen Demonstrationen anwesend, zu Küssel zeigte sich v. a. in Eisenstadt freundschaftlicher Kontakt. In einem Auftritt in der ATV-Sendung „Alles Liebe“ zeigte Hendling besonders virulenten Sexismus sowie seine fundamentale Überzeugung vom bevorstehenden „Great Reset“.  Auf seinem Facebook-Profil postet er darüber hinaus auch (mutmaßlich) nicht-konsensuell aufgenommene Fotos von Frauen am Strand. Darüber hinaus trägt er auf seinem Unterarm ein Tattoo von Friedrich Ludwig Jahn (besser bekannt als „Turnvater Jahn“).

Bei Bianca Lörner handelt es sich ebenso um eine überzeugte Rechtsextremistin. Schon ihr Social Media-Auftritt zeugt von rechtsextremer Gesinnung, spätestens ein Blick in die Freund*innenlisten und Interaktionen zeichnet ein noch eindeutigeres Bild: Dort tummeln sich bekannte Neonazis und Rechtsextremist*innen und auch Lörner betreibt eifrige Online-Praxis. Auf den Eisenstädter Demos war sie zahlreiche Male anwesend und konnte stets als Teil der angeführten Kerngruppe beobachtet werden: So konnte Lörner auch beim Gespräch mit den Neonazi-Kadern Blang und Cibulka sowie Erich Weber (siehe weiter unten) beobachtet werden.

Lörner links mit Erich Weber (SGB-Medie, siehe untern).
Lörner mit Erich Weber (SGB, siehe unten).

Ute Stockreiter konnte ebenso bei beinahe allen Veranstaltungen von CQ in Eisenstadt gesehen werden: Als eine der Ersten trug sie die gedruckten Shirts von CQ und gab Instruktionen an Mitdemonstrierende. Sie dürfte Kontakt zu diversen Exponenten der ostösterreichischen Corona-Leugner*innen-Szene haben wie etwa der bekannten Aktivistin Jennifer Summer, die auch an mindestens einem Autokorso in Eisenstadt teilnahm.

Auch Katharina Rosenauer, die in Purbach am See den Lebensmittel- und Gärtnereiladen „Landprodukte Rosenauer“ betreibt, konnte bei sämtlichen Demos von CQ in Eisenstadt angetroffen werden, wo sie stets entweder Flaggen oder Transparente hielt, oder aber in Richtung anwesender Journalist*innen pöbelte. Sie ist überzeugte Corona-Leugnerin, affiziert die Impfung mit Verschwörungserzählungen und vertritt nationalistische Positionen – auch bewirbt sie die Veranstaltungen von CQ regelmäßig online.

Marlen Dorn ist ebenso dem Eisenstädter Corona-Leugner*innen-Milieu zuzuordnen und reproduziert krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon Bereich sowie Inhalte des wegen Wiederbetätigung verurteilten Zahnarztes Jaroslav Belsky. Sie konnte v. a. in Wien in den Frontreihen von CQ beobachtet werden, hat Kontakt zur unmittelbaren CQ-Gruppe wie auch zu bekannten Exponenten der Corona-Rechten wie etwa dem Klauninger- und SGB-Umfeld zugehörigen Aktivist Marek Kostyrk.

Enger bekannt mit Marlen Dorn dürfte auch Jörg Schüller sein: Ebenfalls in Purbach ansäßig, betreibt Schüller den Familienbetrieb „Malerei Schüller“ in Purbach am See. Schüller war mehrfach sowohl in Wien als auch in Eisenstadt im direkten Umfeld von CQ und Gottfried Küssel zu sehen, auch trug Schüller mindestens ein Mal das Front-Transparent von CQ in Eisenstadt.

Unterstützer*innen und Umfeld von CQ

Neben den oben abgebildeten Akteur*innen, die eine Art Kernformation der CQ-Gruppierung konstituieren, die sowohl organisatorische Abläufe regelt, die Bespielung des Telegram-Kanals sowie die Bewerbung von Kundgebungen, Infotischen und Autokorsos, hat sich ein kleineres Netzwerk an rechten bis rechtsextremen Untersützer*innen gesponnen, die die Kundgebungen und Korsos vor Ort unterstützen. Zentral wollen wir hier auf zwei Organisationen verweisen, die sowohl in Eisenstadt vor Ort als auch in Mobilisierungschats besonders engagiert dabei waren, CQ bei ihren Aktivitäten zu unterstützen.

Zum Einen – und nicht weiter verwunderlich – findet sich seit der Etablierung des Ablaufs „Autokorso durch Nordburgenland –> Kundgebung ab 14:30 an der Kreuzung Laschoberstraße/Ödenburger Straße –> Demo durch Eisenstadt samt Abschlusskundgebung am gleichen Ort“ die Medienplattform AUF1 des ehemaligen „Bund freier Jugend“ (BfJ)-Neonazis Stefan Magnet vor Ort ein, um live zu berichten. In Bezug auf Magnet und dessen Anbindung an den ehemaligen BfJ wollen wir auf den informativen Artikel der Kolleg*innen von SdR verweisen, wo alle wichtigen Infos zusammengetragen sind und darüber hinaus in Bezug auf AUF1 auf eine Artikelserie, die ebenfalls bei SdR erschienen ist. Nur soviel sei hier gleich erwähnt: Magnet hatte/hat via den BfJ gute Kontakte zu Küssel- und dem alpen-donau.info-Umfeld (etwa Felix Budin), sowie zu neonazistischen Burschenschaftern, die in der FPÖ Politik machen. Darüber hinaus stammt ein Teil der momentanen Redaktion auch aus dem Milieu der deutschen und österreichischen Corona-Rechten: So arbeiten mittlerweile Edith Brötzner, Manuel Mittas und Vivien Vogt bei AUF1. Erstere entstammen dem österreichischen Rechtsextremismus-Klientel (siehe weiter unten), Vogt dagegen der Passauer rechtsesoterischen Szene. Da hier Verbindungen nicht weiter verwunderlich sind und auch bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegen, gehen wir hier nicht weiter auf AUF1 ein, da auch alle dort angestellten Redaktionsmitglieder singulär bereits sattsam bekannt sind (siehe SdR).

AUF1-„Impfbus“ in Eisenstadt am 07. März 2022.

Auffälliger ist die intensivere Verbindung zu einem obskuren Teil der ostösterreichischen Corona-Rechten: Es handelt sich um die Medienplattform und St. Georgs-Ritterschaft „SGB Media“. Ihres Zeichens nach handelt es sich bei SGB um eine Organisation, die für zweierlei Aufgaben zuständig ist: sogenannten „unabhängigen“ Journalismus und Ordner*innen-Dienste bei Demos wie Kundgebungen sowie zeitweise im Auftrag der Stadt Wien auf der Donauinsel und im Rahmen des Donauinselfests. Eingegliedert sind beide Teile in die „St. Georgs-Ritterschaft Ostarrichi“: ein Verein, der dem Habsburg-Monarchismus anhängig ist und diese reakionäre Ideologie in Form von Ritterkostümspielen und -festen auslebt. Aufgefallen war SGB Beobachter*innen der Corona-Rechten erst während der Corona-Demos 2021/22 – dort waren vielfach Ordner*innen vertreten, die sich als Truppe von SGB auswiesen, und ein Tross an Fotografen, die ebenfalls SGB als ihre Redaktion angaben. Die SGB-„Redaktion“ selbst ist personell noch etwas umfänglicher besetzt. Auf den Corona-Demos erschienen allerdings stets die gleich SGB-„Journalisten“: Erich Weber, Stephan M. Bako, Daniel Muhr, Markus Hafner und Christian Mondre. Dabei scheint sich mittlerweile der signfikante Teil der „Arbeit“ von SGB (Stadt Wien-Aufträge blieben und bleiben aus) auf die propagandistische Berichterstattung von Corona-Demos zu fixieren, wobei einzelne Exponenten auch in Rednerfunktionen oder als eigenständige Organisatoren von Demonstrationen auftreten (siehe unten). Anzumerken ist, dass die ansonsten nicht allzu schillernde Ordner*innentruppe von SGB auch erst deshalb einen weiteren Bekanntheitsgrad erlangt hat, weil sie regelmäßig den OE24-Reporter und Vermarkter der Corona-Rechten Mike Vogel (in „Ungeimpft Österreich“-Westen) oder aber die Trucks mit den massiven Soundsystemen schützten (etwa den sogenannten „Freedom Truck“).

Kopf bzw. laut Eigenbezeichnung „Chefredakteur“ der Gruppe „SGB-Media“ ist Erich Weber. Weber schreibt als „Journalist“ hauptsächlich für Wiener Bezirkszeitungen, wohnhaft dürfte er im 05. Wiener Gemeindebezirk, 1050 Margareten, sein. Schon beim Durchsehen der „Zeitungsartikel“ für die Wiener Bezirksblätter fällt auf, dass Weber eine Affinität zur FPÖ, den „Blauen“ wie er sie nennt, pflegt. Der Eindruck verstärkt sich auf der hauseigenen Webpage, die SGB betreut: Dort tut Weber ganz offen seine Sympathie für die Demonstrationen der rechtsextremen Querdenken-/Fairdenken-Gruppe um Martin Rutter, Hannes Brejcha, Jennifer Klauninger und Manuel Mittas kund – sogar ein vorformuliertes Formular zwecks Einspruch gegen diverse  Verwaltungsübertretungen publizierte Weber unter seinem Namen. Ganz klar offenbart Weber auf der Webpage von SGB, dass er mit seinem journalistischen Aktivismus dazu beitragen will, die „Corona-Maßnahmen“ zu sprengen und sich gegen die damals im Raum gestandene Impfpflicht zur Wehr zu setzen. Munter und fröhlich manipuliert er auch sämtliche Zahlen an Demonstrant*innen, spricht so am 01. Mai 2022 von 15.000-20.000 Menschen in der Demonstration von Rutter und propagiert offen die Unterstützung der Covid-Leugner*innen. Doch Webers Interessen am rechten Spektrum wie auch konkrete Verbindugen in selbiges reichen noch um Einiges weiter: Zum Einen pflegt er gute Kontakte ins Bundesheer-, Polizei- und Kameradschaftsmilieu (das spiegelt sich auch in seinen online Bekanntschaften wider), was nicht weiter verwundert, war Weber laut eigenen Angaben doch selbst Polizist, bis er wegen langjähriger Erkrankung aus dem aktiven Dienst ausscheiden musste. Zum anderen ist er mittlerweile gut mit den Kadern von CQ bekannt: In einer Chatgruppe für die Mobilisierung zu den Autokorsos in Eisenstadt-Umgebung ist Weber äußerst engagiert, oft kommen allein von SGB vier Autos, um am Korso teilzunehmen. Auch mit Gottfried Küssel ist Weber persönlich bekannt, und noch mehr: Er koordiniert bei den Korsos und mittlerweile auch Demonstrationen die Ordner*innen-Struktur in Eisenstadt. Auch hat Weber keine Hemmungen, Küssel selbst in seiner Berichterstattung positiv in Szene zu setzen: So etwa dokumentiert er Küssels Reden, zahlreiche Fotos von Küssel „in action“ finden sich online verfügbar.

Neben Weber arbeiten als scheinbar reguläre Journalisten noch weitere Fotografen, die jedoch allesamt nicht so illustre Figuren wie Weber abgeben. Dennoch tauchten einige des Öfteren in Eisenstadt auf, um an den Märschen bei CQ teilzunehmen oder sogar für Videomitschnitte verantwortlich zu zeichnen. V. a. Stephan Bako sowie Daniel Muhr sind häufige „Gäste“ in Eisenstadt: Bako selbst dürfte als Fotograf zum Einen freiberuflich tätig, andererseits in einem Fotostudio im zweiten Wiener Gemeindebezirk, 1020 Leopoldstadt, „Foto Fally“ fix angestellt sein. Für SGB betreibt er sowohl Foto- als auch Videoreportage und dürfte darüber hinaus auch die Website und Domain von SGB (sgb-media.at) betreuen. Der zweite Fotograf, der regelmäßig bei CQ aufschlägt und sich dort wahlweise auch als Ordner betätigt, ist Daniel Muhr. Muhr ist kein Berufsfotograf und dürfte bei SGB „nur“ seinem Hobby nachgehen. Muhr selbst gibt an, bei „SOCIUS“ zu arbeiten, einem „sozial-ökologischen Verein“, der auf Armutsbekämpfung, Reinstandsetzung von alten elektronischen Geräten sowie neuerdings in der Geflüchtetenhilfe in Bezug auf die Ukraine-Krise aktiv ist.

Vom Ordnerdienst der SGB war v. a. Helmut Dohnal, der in Wien dutzende Male als leitender Ordner von SGB aufgetreten war und v. a. das Sichern unterschiedlicher Trucks durchführte, mehrfach bei den Aufmärschen von CQ anwesend. Dort trat er jedoch in keinem Fall selbst als Ordner auf, sondern eindeutig als Sympathisant und war darüber hinaus sogar früher als die meisten anderen SGB-Exponenten bei den Kundgebungen und Demos von CQ anwesend.

Helmut Dohnal bei der CQ-Demonstration in Eisenstadt.

Zwar nicht direkt in Eisenstadt aktiv, doch wichtiger Exponent von SGB grundsätzlich, ist des Weiteren Markus Hafner. Er gehört zur Ordner- und Fotografen-Truppe von SGB: In diesem Rahmen sicherte er wie auch Dohnal bei diversen Demos in Wien den sogenannten „Freedom Truck“, trat jedoch auch als besagter Personenschützer von Mike Vogel auf. Eine Zeit lang dürfte Hafner auch Lebensgefährte der Rechtsextremistin Jennifer Klauninger gewesen sein, die grundsätzlich über gute Verbindung zu SGB verfügt. Seinen Ordnerdienst absolvierte Hafner fast immer  im Shirt von „Ungeimpft Österreich“, dessen Logo in schwarz-weiß-roter Fraktur gehalten ist (unter diesem Logo traten auch weitere SGB-Ordner*innen auf unterschiedlichen Auto-Korsos öffentlich auf).

„Ungeimpft Österreich“ dürfte dabei auf eine kleinere, aber personell relativ konstante Gruppe von Aktivist*innen rekurrieren, dazugehörig ist allerdings auch eine semi-öffentliche Facebook-Gruppe, die mehrere tausend Mitglieder zählt. Darin tummeln sich neben bekannten Corona-Rechten und SGB-Exponenten auch Rechtsextremist*innen sowohl aus Österreich wie aus Deutschland. Manche dieser Profile sind voll mit Inhalten, die den Rahmen der Wiederbetätigung erfüllen, rassistische Hetze an der allgemeinen Pinnwand gegenüber Persons on the move, FPÖ-Propaganda zur sogenannten „Überfremdung der Heimat“, Transphobie und Hetze gegen LGBTIAQ*-Personen stellen die Regel, nicht die Ausnahme dar. Admin ist der bekannte rechtsextreme Corona-Leugner Peter Leis, der regelmäßig für die Veranstaltungen von CQ aufruft, gegen „die Antifa“ mit Bildern hetzt, die im neonazistischen „Infokanal Deutschösterreich“ (siehe unten, Kapitel zur Ideologieanalyse von CQ) publiziert werden und krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon-Spektrum bedient. Mit Markus Hafner dürfte Leis gut bekannt sein und auch Hafner dürfte zum inneren Kreis der „Ungeimpft Österreich“-Gruppe zählen. Zu den Kernaktivitäten der Organisierung zählen v. a. die Veranstaltung von Autokorsos in Wien und Niederösterreich, die unter dem nämlichen Titel abgehalten werden. Sowohl Hafner wie auch Leis dürften nebst anderen besonders darauf gepocht haben, die Trucker-Proteste und -Blockaden von Ottawa auch in Wien umzusetzen: Die unter dem „Freedom Day Konvoi“ angezeigte Veranstaltung, die eine ausgewiesene Kooperation mit „Ungeimpft Österreich“ darstellte, konnte bei ihrem Versuch, Wien am 11. Februar 2022 „lahmzulegen“, zwar nicht genügend Trucks aufstellen, das Aktionsformat spiegelt allerdings die Mentalität der Gruppe und ihre politischen Intentionen wider.

Darüber hinaus war Hafner auch mit Weber und dem bekannten Corona-Leugner Marek Kostyrk bei der Demo des „Lobau bleibt!“-Bündnisses vor der SPÖ-Zentrale, wo Weber offensichtlich versuchte, die Kundgebung für SGB zu dokumentieren. Auch Kostyrk ist seit jüngerer Vergangenheit dem SGB-Klientel zuzuordnen. So etwa tauchte er bei der CQ-Kundgebung am 05. Februar 2022 mit Weber und Muhr in Eisenstadt auf und hielt auch kurzfristig das Hochtransparent von CQ.

Obgleich mittlerweile auf der Hand liegt, dass SGB alles andere als ein unpolitischer, liebenswürdiger Provinzialjournalismus-Verein ist, soll folgendes Fallbeispiel nochmals klar machen, dass SGB seit 2022 auch als eigenständiger Akteur der Corona-Rechten zu betrachten ist (alle Tätigkeiten bei SGB werden ausschließlich „ehrenamtlich“ verrichtet, was das ideologische Moment unterstreicht): Am 15. Jänner 2022 organisierte Markus Hafner, der nicht als SGB-Media-Angehöriger bei der lokalen Bezirkshauptmannschaft antrat, eine Kungebung samt Demonstration im Zentrum von Baden, Titel: „Wir kämpfen für: Frieden, Freiheit, Demokratie“. Ziel u. a.: Mobilisierung für die Tags darauf stattfindende Demo am 16. Jänner in Wien. Ordnerdienste koordinierte Helmut Dohnal, Kundgebungsleitung vor Ort übernahm Erich Weber. Sowohl Martin Rutter, Hannes Brejcha als auch Jennifer Klauninger waren bei der Demo anwesend und hielten Reden. Angekündigt war auch der ehemalige FPÖ-NÖ-LAbg. Martin Huber, der wegen Verstoßes gegen §3g Verbotsgesetz  zu 12 Monaten bedingter Haft verurteilt worden war – Huber jedoch konnte seine Rede nicht halten.

Besondere Aufmerksamkeit ist auch dem Vereinssitz von SGB sowie der Person, die diesen zur Verfügung stellt, zu widmen: Tatsächlich trifft sich SGB für deren Sitzungen mittlerweile bei Ioannis Palaiologaros, bekannt auch unter seinem Pseudonym „Der Demo-Grieche“ und als Betreiber der – wegen der jüngst stattgefundenen Hausdurchsuchungen durch die COBRA ebenso bekannten – Lokalität „Siga Siga“ in St. Johann am Steinfelde (Puchberger Straße 18, 2630 Ternitz). Neben SGB trafen sich dort Aktivist*innen diverser Corona-leugnender Bündnisse – mindestens vier Razzien führten Polizeikräfte in der Lokalität durch: Bei der letzten Razzia wurde dann auch Konstantina Rösch, ehemalige Ärztin und bekannte Corona-Leugnerin (ihre Beziehung zu Küssel schlüsseln wir weiter unten auf) und Gottfried Küssel angetroffen, was dann auch das LVT Niederösterreich auf den Plan rief, nicht zuletzt, da es bereits zu Drohgebärden gegenüber dem SPÖ-Bürgermeister seitens des Siga Siga-Klientels gekommen war. So kann angenommen werden, dass das „Siga Siga“ zumindest in der unmittelbaren Corona-Rechten eine wichtige Rolle als Vernetzungspunkt gespielt haben dürfte und die dort anwesenden keinerlei Berührungsängste mit lang gedienten Neonazis aufwiesen. Was im Fall Palaiologaros sowieso nie glaubhaft war, denn: Zuvor schon trat dieser mit Küssel und Monika Donner, der ex-Mitarbeiterin des Wiener Landesamtes für Verteidigung und virulenten Geschichtsrevisionistin, in Manuel Mittas‘ „Out of the Box“-Kanal auf (zu Mittas siehe weite unten). Palaiologaros selbst erschien dann auch folgerichtig zum vierten „Nordburgenland-Aktionstag“ von CQ am 11. Juni 2022 selbst: Was seine laschen Versuche, sich öffentlich von Küssel und Vorwürfen, Sympathisant neonazistischer Politik und revisionistischer Strömungen zu sein, als besonders unglaubwürdig markiert und letztlich als juristische Schutzbehauptung  demaskiert.

Ebenso in Ternitz gemeldet, allerdings in der Franz Samwald-Straße 53, ist der Ableger von SGB-Media, „panorama media pictures“, der von SGB-Ordner Helmut Dohnal betrieben wird. Via Panorama wurden zumindest die zwei Proteste in Baden (siehe oben) beworben und angekündigt, wodurch angenommen werden kann, dass das Label vor allem dazu dient, die unmittelbaren politischen Aktivitäten einzelner SGB-Exponenten von SGB unabhängig (und damit auch der internationalen St. Georgs-Ritterschaft) publik zu machen, um Angriffsflächen für SGB zu reduzieren.

Zuletzt müssen wir leider noch auf die besonders unrühmliche Rolle der Pritschen- und Van-Vermietung „Priline“ in der Wienerstrasse 82, 2230 Gänserndorf, hinweisen. Nachdem Antifaschist*innen die Eigentümer*innen darauf aufmerksam gemacht hatten, dass sie Monat um Monat direkt an Gottfried und Karin Küssel Pritschen für deren Kundgebungen in Eisenstadt vermietet hatten, reagierte Priline pikiert und arg verharmlosend: Man würde an alle „Parteien“ vermieten, auch an „Global 2000“, „Greenpeace“ und für die Pride – man denke nicht daran, Küssel keine Pritschen mehr zur Verfügung zu stellen, da Österreich „eine Demokratie sei“ samt dem Hinweis (Mailaustausch während der Lockdown-Perioden): „auch wenn das so wie jetzt gerade nicht immer eindeutig erkennbar ist.“

Das Aufmarschgebiet von CQ: Eisenstadt, Eisenstadt-Umgebung und Purbach am See

Warum sich CQ ausgerechnet Eisenstadt als Kernaufmarschgebiet ausgesucht hat, lässt mehrere grundsätzliche Überlegungen zu: Eine sehr plausible Erklärung liefert zu allererst einmal pragmatisch die Tatsache, dass vor den Demonstrationen und Infotischen von CQ in Eisenstadt keine sogenannten „Corona-Demos“ stattgefunden haben. Obwohl in allen anderen Bundesländern noch in den kleinsten Städten Organisierungen aufgeploppt waren, blieb es in Eisenstadt und dem Burgenland vergleichsweise still – ein Vakuum, das sich durch CQ gut füllen ließ. Ein mögliche Verbindungsrolle könnte auch Peter Rennmayr gespielt haben: Wie oben schon erwähnt, stammt er aus Eisenstadt Umgebung und ist bereits länger im Umfeld von Küssel aktiv. Wird zusätzlich die momentane Struktur und ihre Konstanz in Bezug auf die Akteur*innen seit Beginn der CQ-Veranstaltungen in Betracht gezogen, muss geschlussfolgert werden, dass sich wohl ein Organisierungsprozess noch vor den ersten Demonstrationen in Eisenstadt abgespielt hat, dessen lokales Zentrum Eisenstadt-Umgebung darstellt – wodurch Eisenstadt aufgrund der geografischen Nähe schon grundlegend naheliegen wäre.

Ein weiterer Vorteil dürfte die völlige Absenz informierter Medienberichterstattung in Eisenstadt darstellen: Denn wird von dem einen Termin abgesehen, an dem der ORF-Burgenland mit einem Zwei-Personen-Filmteam vertreten war (unmittelbar von Josef Witzani und jenem namentlich unbekannten Neonazi drangsaliert), gab es abseits der Berichterstattung des unabhängigen „Presse Service Wien“ keinerlei mediale Aufmerksamkeit rund um CQ. Das dürfte v. a. Küssel sehr recht sein, denn sein Bekanntheitsgrad erlaubt es ihm in den meisten Städten Österreichs nicht, unerkannt oder ohne historische Einordnung, öffentliche Aktionen umzusetzen. Die umfassende Apathie gegenüber politischen Inhalten, die strukturelle Rechtsgerichtetheit ruraler und von Landwirtschaft geprägter Gebiete (Stichwort Bauernbund) sowie völlig falsch verstandene demokratische „Toleranz“ befördern die Versuche von rechten Akteur*innen, abseits größerer Städte Organisierungen aufzubauen.

Witzani und weiterer unbekannter Küssel-Intimus bedrängen ORF-Burgenland.

Die Geschichte rechter Umtriebe in Österreich bestätigt dies auch auf internationalem Maßstab: Das vorherrschende Klima des Schweigens und Wegschauens bisweilen sogar aktiven Akzeptierens eignete sich seit jeher für neonazistische Aktivist*innen, die sich politisch aufgrund von drohender oder einsetzender Repression zurückziehen mussten: Prominente Beispiele stellen etwa der deutsche Rechtsterrorist Ekkehard Weil nach seiner ersten Haft in Berlin, FAP-Kader Karl Polacek nach seiner Abschiebung nach Österreich, ebenso FAP-Mann Dirk Winkel und die ehemalige THS-Aktivistin Corinna Görtz oder aber – etwas rezenter – die Rückzugspläne in die österreichischen Alpen des Uniter e.V. im Hannibal-Netzwerk dar.

Für österreichische Rechtsextremist*innen spielt die Provinz aber eine ebenso integrale Rolle bezüglich ihrer Aktivitäten und Organisierungs- wie Rekrutierungsprozesse. So auch im Falle des momentanen Küssel-Netzwerkes und von CQ: Zentral für die Mobilisierung von CQ dürfte der kleine Ort Purbach (7083, Bezirk Eisenstadt Umgebung) sein. Es konnte festgestellt werden, dass CQ-Aktive dort regelmäßig in einem Objekt in der Sätzgasse 12 ein- und ausgingen, auch Beamt*innen des LVT Burgenland konnte in dem kleinen Ort beobachtet werden. Besonders brisant wurde dies allerdings, als LVT und LKA Mitte Juni eine bewaffnete Razzia im nämlichen Objekt durchführten: Man hatte seitens LKA und LVT aufmunitioniert, denn der Vorwurf lautete auf §279 StGB, „Bewaffnete Verbindung“ und: Man hätte mit der Möglichkeit massiver bewaffneter Gegenwehr gerechnet.6 Der Sachverhalt gibt Anlass zur Besorgnis: Küssels Affinität zu Wehrsport ist seit ANR-Zeiten gegeben, zahlreiche weitere alte VAPO- und alpen-donau.info-Kader sind im Umgang mit Waffen geschult, haben Wehrsportübungen unter Anleitung von Militärs besucht; Kader wie etwa Wolfgang Lechner haben Kenntnisse und umfangreiches Interesse an Kampfmitteln und deren Einsatz im politischen Kontext. Zusätzlich in Betracht zu ziehen, sind die massiven Mengen an sicher gestellten Kampfmitteln im Laufe der letzten Jahre in rechtsextremen Milieus Österreichs – hier geben bekanntlich v. a. drei solcher Funde konkrete Hinweise auf eine Verbindung zum Küssel-Klientel.

Hausdurchsuchung in einer von CQ genutzten Immobilie in Purbach (Nr. 12, gelbes Haus links).

Zum Einen sind da die Großfunde in den Räumlichkeiten des Peter Binder zu nennen: In dessen Umfeld kam es mehrfach zu Ermittlungen und zahlreichen Hausdurchsuchungen, mehrfach wurden enorm große Mengen von (Kriegs-)Waffen, Sprengmitteln und anderen Nahkampfgeräten sowie NS-Materialien gefunden. Darüber hinaus bestand eine Zeit lang die Vermutung, die ursprünglich vom BMI publik gemacht worden war, dass Binder eine neonazistische „Miliz der Anständigen“ aufbauen wollte, um den Systemumsturz in Deutschland und Österreich durchzuringen. Wir gehen an dieser Stelle nicht genauer auf die exakte Chronologie der Ereignisse ein, sondern verweisen auf den gut strukturierten Artikel der Kolleg*innen Moritz Eluek und Karl Öllinger – hervorgehoben muss für unsere Zwecke Folgendes werden: Die Waffendepots von Binder wurden in einem geplanten Schlag (erste Tranche in Binders Wohnung) und in einem Zufallsfund (zweite Tranche bei Binder in ehemaliger Wohnung und Keller der Eltern Binders) gefunden, nachdem die Behörden auf einen Verfassungsschützer des DSN (damals noch BVT) aufmerksam geworden waren, der für Binder Waffen und Munition akquiriert hatte. Danach kam es zu konzertierten Hausdurchsuchungen in insgesamt zwei Aktionen: Hier wurden in Wien, Niederösterreich, Burgenland und Oberösterreich sowie in Deutschland Objekte durchsucht, insgesamt 15 Verdächtige festgenommen, darunter neben Binder laut BMI amtsbekannte Neonazis sowie Personen des 1%-MC-Spektrums.

Kontextualisiert man dies nun mit der klammheimlich durchgeführten Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf §279 StGB in Purbach, ergibt der ganze Komplex ein neues Bild der Dringlichkeit möglicher bewaffneter Verbünde: Zwar wurden konkret vor Ort keine Waffen sicher gestellt, die Ermittlungen aber halten an, der Verdacht sei keinesfalls aufgehoben. So muss geschlossen werden, dass u. U. Eisenstadt und das Nordburgenland sowie die Grenze in den Süden Niederösterreichs für CQ nicht nur aus agitatorischen Gründen interessant war: Es wird unklar bleiben, wozu genau das Objekt in Purbach gedient haben möge, doch die Häufung der Punkte neonazistischer Interaktion lässt Spielraum für Bedenken. Erhärtet werden diese Bedenken u. a. durch den Prozessbericht von Prozessreport zu Binders letzter Verhandlung wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung in Wiener Neustadt: Dort stellte sich heraus, dass Binder in rezentem Kontakt zu Karin Küssel gestanden hatte und bezüglich alltäglicher Dinge mit ihr korrespondiert hatte, zusätzlich wurde auch noch die Telefonnummer von Felix Budin auf Binders beschlagnahmtem Gerät aufgefunden.

Wie problematisch der Waffen-Komplex ist, zeigt sich anhand der mannigfaltigen Verbindungen, die CQ und allen voran Gottfried Küssel in der Corona-Rechten aufgebaut hat: Die meisten bekannten und für die Organisierung wichtigen Akteur*innen der Corona-Rechten sind mit Küssel bekannt, die meisten Durchschnittsdemonstrant*innen wiederum haben keinerlei Hemmung neben militanten Neonazis zu laufen. Wenn dann im Hintergrund dieser ohnehin schon extrem gefährlichen Situation noch möglicherweise bewaffnete Verbindungen und Bestrebungen zur Miliz-Gründung bestehen, wird das Gemisch der Corona-Rechten noch explosiver als es ohnehin gewesen ist / u. U. noch sein wird.

Küssels Beziehungen zu diversen Akteur*innen der Corona-Rechten

Neben Eisenstadt spielten auch die Demos der Corona-Rechten in Wien eine gleichermaßen wichtige Rolle für CQ und Küssel. Bei sämtlichen größeren Events marschierte die CQ-Fraktion mit Transparent auf, spätestens ab dem 20. November 2021 lief CQ dann mit einer länglichen Burgenland-Flagge als Frontransparent des CQ-Blocks. Dies dürfte in Anlehnung an jene regionalpatriotische Tiroler Aktivist*innen-Gruppe geschehen sein, die sich bei jeder Demo in Wien, zu der sie anreisten, mit einer überdimensionalen Tirol-Flagge inszenierten (obligatorisch verbunden mit Glorifizerung von Andreas Hofer usw.). Man hoffte wohl durch legeren Regionalpatriotismus Menschen über die eindeutig neonazistischen Akteur*innen hinwegzutäuschen, um so vorab Leute an die Gruppe zu binden – ideologische Schulungen, dass wusste schon die ANR, waren nachrangig handzuhaben. Scheinbar war CQ allerdings stets darum bemüht, relativ unbekannte bzw. geschichtlich nicht bekannte Menschen in die Frontreihe zu holen: So waren zwar manchmal Thomas Dunkl oder Josef Witzani am Burgenland-Transparent zu sehen, doch es überwogen stets noch unbekannte Gesichter jüngerer und älterer Corona-Rechter.

Doch betrachtet man v. a. Gottfried Küssels Verhalten auf den Demos näher, dann wird eine – in den Einzelfällen von diversen Kommentator*innen ohnehin schon bemerkte – tiefere Verbindung zur Szene rund um „Corona Widerstand“, „Fairdenken“, „Querdenken“ und einzelnen Akteur*innen der Corona-Rechten offenkundig, denn: Fast alle Personen, die als organisatorische Köpfe der österreichweiten Corona-Demos in Wien angesehen werden können, hatten durchaus vetrauten bisweilen freundschaftlichen Kontakt zu Küssel selbst, in manchen Fällen aber auch zu den alten Neonazi-Kadern Lucas Tuma und Harald Schmidt. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Gruppen, zu denen näherer Kontakt seitens Küssel bestand, auflisten und teils auf historische Kontinuitäten der Verbindungen einzelner Rechtsextremist*innen zu Küssel hinweisen.

Wir wollen an dieser Stelle betonen: Der folgenden Part speist sich aus der aufmerksamen Beobachtung zahlreicher Journalist*innen und Aktivist*innen. Hervorheben wollen wir aber Schwurbelwatch Wien, die Twitter-Seiten der Journalist*innen und Aktivist*innen Hilde Harmlos und Dietmar Mühlbock sowie Stoppt die Rechten von denen wir zahlreiche Infos hierher übernommen haben, um auch diesen Teil der Recherche zu möglichster Vollständigkeit – bemessen am Stand vorhandener Informationen – zu führen.

a) Der Corona Widerstand-Komplex um Martin Rutter und der Fairdenken-Komplex um Hannes Brejcha: Rutter ist im österreichischen Rechtsextremisumus- und Neonazismus-Spektrum kein unbekannter. Seit 2017 war Rutter regelmäßiger Redner der Ulrichsberggemeinschaft, wo er den sogenannten „Kärntner Abwehrkampf“ glorifizierte und diesen als Vorbild eines rassistischen europäischen „Abwehrkampfes gegen die Massenmigration“ inszenierte. Durch die Ulrichsberggemeinschaft und die neonazistischen Kameradschaftverbände (etwa „Ehemalige der Waffen-SS“) dürfte Rutter an weitere Kontakte zur neonazistischen Szene Ostösterreichs gelangt sein, allerdings spielte Rutter bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie keine große Rolle im Bereich rechtsextremer Politik. Wie weit Rutters Verbindungen jedoch Stand 2022 in die höchsten Kreise der neonazistische Szene reichen, zeigen die geleakten Chats und Sprachnachrichten zwischen ihm und Brejcha: Dort etwa fragte Brejcha Rutter nach der „Nummer vom Gottfried“, damit man ihm im Vorfeld der Demo mitteilen könne, „um was es geht“. Rutter antwortet, dass er sowieso in Kontakt sei und mit „Gottfried“ wegen der Demo korrespondiert und ihn auch gebeten hätte, er möge an einer konkreten Stelle der Demo gehen. Bei der Korrespondenz ging es um die Demo am 13. Februar 2021 – dort marschierte Küssel dann vor einer Kette von rund 20 vermummten Personen des Hooligan-Spektrums und übernahm die Verhandlungen mit jenem polizeilichen Einsatzleiter, der über beste Kontakte ins Milieu der Corona-Rechten verfügt; um genau diese Demo-Formation dürfte es in den Gesprächen gegangen sein. Wichtig zu bemerken, ist auch: Im Abgleich zu den anderen Chats, wo Rutter niemanden etwas „bittet“, sondern kategorisch anschafft, befiehlt oder absägt, tritt das gewendete Autoritäts-Verhältnis hier klar zu Tage. Zweifel, ob es sich um Gottfried Küssel handelt, waren spätestens dann beseitigt, als sich Rutter und Brejcha zu den neuesten Covid-19-Auflagen auf die „Expertise“ von CQ verließen und dabei direkte Kontakte offenbarten.

Über den Einsatz der sogenannten „taktischen Hools“ hatten wir schon in unserem Beitrag zur Partizipation rechtsextremer Hooligans an den Corona-Demos berichtet, hier wollen wir noch auf Rutters Vorstellung seiner Rolle bei gewaltsamen Auseinandersetzungen hinweisen: Rutters Plan sah für die Corona-Demos – v. a. wenn es zu Gewalt käme – eine Rolle vor, die er als „Führer“ bezeichnete. Dabei dürfte er, wie ein geleaktes Papier zeigte, sich selbst im Sinn gehabt haben: So unterzeichnet er unter dem Titel „Führer“ mit seinem Namen, darunter steht „Obersalzberg“ geschrieben, dahinter ein Bild von den Stollen im sogenannten historischen „Führersperrgebiet Obersalzberg“, wo Hitler seinen „Berghof“ und Martin Bormann den repräsentativen Sitz, genannt „Kehlsteinhaus“, zu Ehren Hitlers  errichten ließ. Wird dann noch in Betracht gezogen, dass Rutter mindestens einmal mit Reichsflagge auf einer Corona-Demo gesehen worden ist, wird klar, dass hier nicht nur eine Zweckgemeinschaft mit CQ und inbesondere Küssel getroffen worden ist.

Doch auch Hannes Brejcha dürfte sich sukzessive eine eigene Verbindung zu Küssel augebaut haben: Der FPÖ-Anhänger (ob Parteimitglied, unklar) und fanatische Antisemit mit massivem Hang zu Verschwörungsnarrativen des Q-Anon-Spektrums konnte des Öfteren mit Küssel beim Gespräch gesehen werden. Besonders deutlich zeigte sich etwa ein Naheverhältnis als Küssel mit seinem Leibwächter direkt neben der Redner*innentribüne stand, wo Brejcha gerade Instruktionen erteilte. Dennoch dürfte er selbst keinerlei karrieristische Ambitionen punkto rechter Bewegungen wie etwa Rutter pflegen – Brejcha dürfte sich in der Rolle des volksnah-kollegial auftretenden Netzwerkers wohlfühlen und mit schwer autoritären Typologien à la Rutter oder Küssel gut umgehen können.

b) Ebenfalls gute Kontakte bestehen zu der szenebekannten ehemaligen Ärztin Konstantina Rösch und ihrem Weggefährten, dem Anwalt und „Anwälte für Aufklärung“-Aktivisten Roman Schiessler. Beide waren zu Beginn bei MFG aktiv gewesen, waren dann aber aus der Partei ausgeschlossen worden. Rösch stellt wie auch Peer Eifler, der nun auf der Flucht vor den österreichischen Behörden in Tansania lebt, einen der wichtigen ideologischen Anhaltspunkte der Corona-Rechten dar: Durch ihr vermeintliches Fachwissen als offiziell zugelassen Mediziner*innen galten sie für viele als Autoritäten der Impfverweigerung aus vorgegaukelt naturwissenschaftlichen Gründen. Wie wichtig sie für die Szene sind/waren, zeigt etwa die für Rösch und Eifler von Brejcha und Rutter veranstaltete Demo vor der Ärzt*innenkammer am 17. September 2020. Anlass war die Kündigung der beiden Ärzt*innen sowie der Entzug ihrer Approbation. Ein entlarvendes Bild gab auch die beinahe überschwängliche Begrüßung Röschs durch Küssel bei der Demo vom 09. November 2021: Dieser begrüßte sie und Schiessler direkt, was auf eine längere vorhandene persönliche Bekanntschaft hindeutet und zeigt, wie weit verzweigt Küssels Netzwerk sein dürfte.

c) Nächster Fall: Der politische Obskurant Manuel Mittas, der sich selbst als freier Journalist beschreibt und v. a. für seinen Kanal „Out of the Box Media TV“ bekannt ist. Mittlerweile ist Mittas allerdings auch beim rechtsextremen Medium AUF1 untergekommen und berichtet für AUF1 live von Demonstrationen. Mittas widmete Küssel bereits am 31. Jänner 2020 ein Interview vor der Wiener Staatsoper, wo der Modus des Interviews auf ein freundschaftliches Verhältnis schließen ließ. Die Verbindung dürfte sich seither intensiviert haben: Immer wieder konnte Küssel mit Mittas bei Demos gesehen werden, doch der Höhepunkt dürfte jenes Video knapp ein Jahr später darstellen, das bei „Out of the Box“ am 30. Dezember 2021 erschien: Dort fantasierte Mittas mit Küssel Arm in Arm über Sprengstoffanschläge und die gewaltsame Absetzung der Regierung und des Parlaments. Statt zu einer Krise in der Beziehung zu führen – die anhänigigen Ermittlungsn des DSN dürften nicht gerade im Sinn Küssels liegen – intensivierte sich die Kooperation stattdessen: Ganze drei Male trat Küssel bei Mittas auf, gemeinsam mit der rechtsextremen Revisionistin Monika Donner – und beim dritten wie vierten Mal auch im Siga Siga in Ternitz. Dort war auch der Eigentümer Ioannis Palaiologaros und dessen Ehefrau anwesend, beide diskutierten aktiv mit Donner, Küssel und Mittas.

d) Doch nicht nur Küssel arbeitet eifrig als Netzwerker: Auch die beiden Altnazis Lucas Tuma und Harald Schmidt versuchen, sich regelmäßig bei anderen Organisationen und Akteur*innen einzubringen. Am 10. September 2020 trat Harald Schmidt bei einer Pressekonferenz von Jennifer Klauninger auf, die dort im Zuge ihrer Anklage wegen Verdachtes auf Verhetzung (Zerreißen der Pride-Flagge mit Manuel Mittas) öffentlich Stellung bezog. Schmidt, der zwar nicht mehr als Anwalt praktizieren darf (wegen der Verurteilung im Fall der Unterstützung von Elfriede Blauensteiner), war jedoch als Rechtsbeistand von Klauninger anwesend. Doch nicht nur zu Klauninger hatte Schmidt Connections aufgebaut: Auch mit Edith Brötzner, die mittlerweile für report24 und AUF1 arbeitet, gab es schon früh einen Schulterschluss durch gemeinsame Pressekonferenzen. Brötzner war im Rahmen der Corona-Rechten v. a. für die öffentliche Vermarktung der Corona-Demos zuständig und organisierte zahlreiche Pressekonferenzen. Die illustren Gesprächsrunden sahen etwa so aus: Inge Rauscher, seit Jahrzehnten bekennende Neonazistin und Gründerin des neonazistischen Initiative „Heimat und Umwelt“, im Gespräch mit Peer Eifler, WAB-Funktionär Christian Zeitz und Rudolf Gehring (Funktionär der rechten, antifeministischen „Christlichen Partei Österreichs“ (CPÖ), u. a. REKOS- und FPÖ-nahe), um das Anti-Impf-Volksbegehren zu promoten. Doch auch mit Herbert Kickl trat Brötzner im Rahmen von FPÖ-TV auf und stellte ihre Inititiave „Österreich ist frei“ (Öif) vor: Diese war von gängigen antisemitischen Verschwörungsnarrativen rund um einen globale „Corona-Diktatur“ getragen und erreichte v. a. durch besonders krasse Aktionsformate öffentliches Aufsehen: So etwa posierte die von Öif gestartete Aktionsform „Corona-Zombies“ – in weiße Gewänder verhüllte Gestalten, die die neue „Gleichschaltung“ aller Büger*innen durch die Corona-Diktatur abbilden sollte – in Braunau vor Adolf Hitlers Geburtshaus, den rechten Arm merkwürdig in die Luft gestreckt. Brötzner wurde daraufhin wegen Verdachts auf Wiederbetätigung nach §3g VbtG angezeigt.

e) Neben Schmidt fiel v. a. auch Lucas Tuma durch sehr öffentliches Auftreten und ständiges Bemühen um Kontakte in die Corona-Rechte auf. V. a. zu Jennifer Klauninger dürfte Tuma  engere Verbindungen aufgebaut haben: So etwa spazierte Tuma als Kleingruppe mit Klauninger und Christina „Kiki“ Kohl, THC-Kandidatin, durch die Wiener Innenstadt, Parolen brüllend und nahm an einer der ersten Demos der Corona-Rechten mit Klauninger am Donaukanal teil. Darüber hinaus hielt Tuma am 31. August 2020 eine Rede bei einer – damals noch von der Großgruppe „Querdenken 1 Wien AT“ veranstalteten – Corona-Demo und wurde ganz offen von Rutter angekündigt.

Junge Neonazis an der Seite der alten – CQ als Anziehungspunkt

Nicht regelmäßig, aber dennoch immer wieder, fanden sich an der Seite von CQ – v. a. bei den von ihnen öffentlich angegebenen Sammelpunkten für die größeren Corona-Demos in Wien – junge Neonazis aus unterschiedlichen Spektren ein, die im Kielwasser von CQ an den Aufmärschen der Corona-Rechten teilnahmen. Exemplarisch wollen wir hier auf drei öffentliche Auftritte von CQ eingehen – zwei Demos, die relativ am Beginn der CQ-Organisierung stehen und eine, die bereits eine mehr entwickelte Struktur seitens CQ aufweist.

Am 06. Juni 2020 marschierten neben Harald Schmidt der mittlerweile bei der AfD aktive Florian Köhl und der IB-Faschist Andrei Pavan am Transparent von CQ sowie Dominik Wendel und Bernhard Burian. Der dem Tanzbrigade- und Eisern-Wien-Spektrum zugehörige Neonazi Bernhard Burian haben wir schon des Öfteren beleuchtet, weshalb wir seine vielfältige neonazistischen Aktivitäten hier nicht nochmals aufschlüsseln (siehe vergangene Artikel zur IBÖ, rechtsextremen Hooligans und zur SGN). Wichtig ist hier v. a. zu bemerken: Burian trug mindestens ein weiteres Mal das Transparent von CQ, konnte beim Flyer-Verteilen für CQ gesehen werden und dürfte direkten Kontakt zu Gottfried Küssel pflegen, wie Aufnahmen bei der Demo vom 29. August 2020 – einer Querdenken-Kundgebung im Wiener Resselpark – nahelegen. Das ist insofern von großer Bedeutung als Burian als Scharnier zum jungen, „erlebnisorientierten“ Milieu betrachtet werden muss, aber eben auch zur IBÖ und dem akademischen Burschenschaftsmilieu. Als in diesem Sinne zentral dürfte Burians Aktivität für die neonazistische „Tanzbrigade“ gelten: Dort bringt er aktiv unterschiedlichstes Klientel zusammen, von Sparta Praha-Hooligans bis zu bourgeoisen IB-Faschisten. Dass nun auch mehr oder weniger direkte Verbindungen zu Küssel und CQ bestehen, beweist bloß einmal mehr, wie gut vernetzt die Wiener-Neonaziszene mittlerweile abseits tradierter Richtungsstreitigkeiten agiert.

Dominik Wendel kann folgerichtig dem gewaltaffinen Hooliganmilieu der Wiener Klubs zugerechnet werden, bzw. deren Überschneidungsmenge mit den ostösterreichischen IB-Sektionen – auf zahlreichen Demos der Corona-Rechten konnte Wendel in szenetypischer Kleidung, schwer vermummt im gewaltsuchenden Milieu beobachtet werden, u. a. im Tanzbrigade-Spektrum sowie im Umfeld des neonazistischen Rapid-Hooligans Michael Petrzela (aus dem Milieu der „Alten Garde“ stammend).

Dass die IB mittlerweile keinerlei öffentliche Berührungsängste mit bekannten Neonazis hat, zeigte auch eine Kundgebung am 01. Mai 2020 am Ballhausplatz: Dort konnte erneut Florian Köhl und der IB-Aktivist Jan Staudigl, der auch für die FPÖ-Landstraße kandidiert, im Gespräch mit dem alpen-donau.info-Neonazi Wolfgang Lechner gesehen werden. Lechner hielt sich fast die ganze Kundgebung über bei der IB auf, anwesend waren auch Martin Sellner (den Lechner noch aus den Jahren rund um 2010 kennen dürfte, siehe Fußnote 1), die IB-Faschisten Nikolaus Schmidt, Sebastian (Nachname unbekannt), Bernt-Pascal Stöger sowie Jakob Gunacker. Des Weiteren finden sich im Umfeld der IB zwei weitere Neonazis, die auch schon mit Thor Steinar-Schlauchschaal auf einer CQ-Kundgebung in Eisenstadt aufgetaucht sind. Davor waren beide zumeist in den Reihen der IB zu finden (auf mehreren Corona-Demos), auf der Kundgebung der FJ Burgenland in Deutschkreutz hielten sie sich dann sowohl bei der CQ-Fraktion wie auch bei eingefleischten IB-Kadern auf.

Am 31. Jänner 2021 gab CQ einen Vorab-Treffpunkt für eine geschlossene Anreise zur Demo vor der Wiener Staatsoper aus. Dort tauchten neben dem Kern von CQ auch zwei weitere – ursprünglich aus anderen Milieus bekannte – Gesichter auf: der aB! Olympia-Burschenschafter Daniel Konrad und der Neonazi Viktor Erdesz. Erdesz ist im Wiener Milieu spektrenübergreifend anzutreffen: Neben dem Burschenschafts-/IB-Milieu, wo Erdesz als aB! Olympia-Korporierter ein- und ausgeht und etwa mit dem IB-Faschisten Gernot Schmidt (auch Schmidt aB! Olympia korporiert) auch auf Urlaub nach Dalmatien fährt, ist Erdesz genauso bekannt mit dem Tanzbrigade-Spektrum (v. a. dem jüngeren Nachwuchsklientel um den Wiener Neonazi Bernhard Burian). Auf Wiener Corona-Demos konnte Erdesz darüber hinaus sowohl im Umfeld rechtsextremer Austria-Hooligans (etwa Marcel Stindl) sowie mit Thomas Cibulka gesehen werden. Kürzlich auch hat Erdesz für den einschlägigen Verlag „KL Militaria“, der in Themar ansässig ist, die Memoiren des SS-Panzergrenadiers Adolf Peichl herausgegeben. KL Militaria führt große Mengen solcher Neuherausgaben, allesamt thematisieren sie glorifizierend die Wehrmacht oder inszenieren sie als Kriegsopfer, v. a. aber die SS (Fokus auf Totenkopf-SS und allgemeiner Waffen-SS) – darüber hinaus bezeichnet sich KL Militaria legalistisch als „Antiquariat“, weshalb sie ohne weitere Probleme alte, unkommentierte Ausgaben von „Mein Kampf“ verkaufen können, diverse andere Hetzschriften des NS-Regimes sowie diverse NS-Orden und andere Devotionalien. 2020 trat Erdesz auch als Spitzenkandidat des „Team HC Strache“ für den 06. Wiener Gemeindebezirk, Mariahilf, an.

Daniel Konrad entstammt ebenso dem Burschenschaftsmilieu: Er dürfte auch bei der aB! Olympia korporiert sein und bewegt sich ebenso im Umfeld der IB, auch hier liegen Verbindungen zum IB-Faschisten Gernot Schmidt (und dessen Bruder, auch IB-Aktivist, Gerfried) vor. Beim Treffpunkt von CQ tauchte Konrad mit einem Pullover der französischen neonazistischen Vereinigung „Bastion Social“, dem offiziellen Nachfolger der „Groupe Union Défense“ (GUD) auf. Die GUD war eine neonazistische Studierendenorganisation, deren Logo ein schwarz-weißes Keltenkreuz darstellte – 2017 dann gründeten GUD-Mitglieder, nachdem sie ein Haus in Lyon besetzt hatten (18 rue Port-du-Temps, Lyon, wurde nach zwei Wochen geräumt), das Nachfolge-Projekt „Bastion Social“, das jedoch per Verbot 2019 bereits aufgelöst wurde, da gegen zahlreiche Mitglieder Verfahren wegen rassistischer Gewalttaten geführt worden waren. Zentrale Themen waren u. a. Remigration und die Verteidigung Europas gegen „Masseneinwanderung“ sowie die Priorisierung Weißer Europäer*innen in jeder Hinsicht. Ähnlich wie etwa „Casa Pound“ in Italien okkupierte man tradiert linke Praxisformen, wie u. a.  Hausbesetzungen und Verrichtung sozialer Arbeit (bei  Casa Pound und Bastion Social gewendet rein zugunsten Weiß wahrgenommener Menschen, als „Nicht-Weiß“ wahrgenommene Subjekte wurde mit massivster Gewalt begegnet), um ein rechtsextremes Äquivalent zur solidarischen Nachbar*innenschafts- und Kommunalarbeit zu etablieren.

Nach der umfassenden Analyse der Beziehungen und Bemühungen um Connections zu diversen rechten Splittergruppen und Einzelakteur*innen, muss sich ein*e Szenebeobachter*in die Frage stellen, warum Küssel und weitere Kader von CQ sich diese Mühe machen – und dann konsequenterweise klären, welche ideologischen und politischen Überlegungen dahinter stehen. Interessant ist die scheinbare Ablösung des Frontkonzeptes, das die konsequente Mitarbeit in nationalistischen, aber rechtsstaatlichen Parteien als essentiell vorsieht (siehe alpen-donau.info): Vom klassischen Hitlerismus scheint Küssel nach dem alpen-donau-Projekt abgekommen zu sein, denn schon der Name von CQ gibt einen neuen Turn vor: die Querfront verweist auf eine gänzlich andere Konzeption politischen Kampfes.

Was genau das bedeutet und wie CQ und v. a. Küssel ideologisch genauer einzuordnen sind, scheint uns von großer Wichtigkeit, um antifaschistische Gegen-Praxis zu entwickeln und zu reflektieren. Diesem Sachverhalt wollen wir uns im letzten Teil dieses Artikel widmen – dieser wird etwas theoretischer angelegt sein, da wir uns dem Begriff der „Querfront“ historisch annähern wollen.

Die ideologische Ausrichtung von CQ und die Frage nach Strategie und Taktik des NS-Milieus

Das Konzept der Querfront entstammt polithistorisch der Zeit der Weimarer Republik. Bereits ab Anfang der 1920er-Jahre beschäftigten sich gewisse Flügel und Gruppen der sogenannten „Konservativen Revolution“ mit einem möglichen Politkonzept, das – in den Worten des rechten Reichskanzlers und Hindenburg-Intimus Kurt von Schleichers – politische Lager diagonal vereinen sollte: Dabei aber ist kein Schluss von rechts bis links gemeint, sondern ein Schulterschluss der extremen Rechten mit rechten, bürgerlichen und linksliberalen (angedacht waren v. a. sozialdemokratische Gewerkschaftsverbände) Politgruppierungen zu verstehen, um zum Einen der radikalen Linken Öffentlichkeit und Anhänger*innenschaft zu entziehen, aber auch rechtsextreme Positionen weiter salon- und anschlussfähig zu machen. Dabei sollen „die Mitte“, liberale Kräfte und auch Gewerkschaften zum Legitimationsfaktor rechtsextremer Positionen werden, rechts-revolutionäre Teile der Konservativen Revolution versuchten darüber hinaus, klassisch linke Gesellschaftkonzepte (v. a. Spielarten des Sozialismus) aus typisch linken Politgefügen ideologisch herauszulösen.

Während Schleichers faktischer Versuch einer Umsetzung allein dazu dienen sollte, gemeinsam mit dem nationalrevolutionären NS-Flügel um Gregor und Otto Strasser, SA, deutschnationalen Fraktionen bishin zu sozialdemokratischen Gewerkschaften die politische Achse Hitler-Franz von Papen zu unterminieren, um dem NSDAP-Kader Strasser den Griff zur Macht zu ermöglichen, liegt der Ursprung genuiner neonazistischer Querfront-Ideologien (nationalrevolutionärer Flügel der NSDAP) in dem strategischen Versuch, den internationalistischen Sozialismus in einen national gedachten Sozialismus mit Fokus auf Volk und Volkskampf umzumodeln. Entgegen der Befreiung aller Menschen setzten die Ideolog*innen der Konservativen Revolution darauf, den Sozialismus vom Marxismus und Kommunismus abzulösen, um einen „deutschen Sozialismus“ aufzubauen.

Dabei kam es v. a. auf zwei Dinge an, die notwendig waren, um einen „deutschen Sozialismus“ erstens theoretisch und zweitens auch praktisch umsetzbar zu machen: erstens, die Ersetzung des internationalistischen Klassenbegriffs durch einen Volksbegriff und daran logisch anknüpfend zweitens, der Kampf des unterjochten Volkes gegen internationales Großkapital (national vs. international). Internationalismus wurde als Doktrin des weltumspannenden Finanzkapitals gebrandmarkt, das von Jüd*innen gelenkt würde, um die Völker der Erde zu knechten und leicht ausbeutbar zu machen. Zentral in der Erzählung war die sogenannte „Dolchstoßlegende“, die den Verlust des Ersten Weltkrieges und die massiven Reparationszahlungen als ersten Akt jüdischer Unterminierung des deutschen Volkes betrachtete, gegen den es mit allen Mitteln anzukämpfen gelte. Diesen Kampf müssten die Völker, deren lebendiger Ausdruck ein starker Nationalstaat sei, um jeden Preis mit vollem Bewusstsein und hohem Einsatz führen: Da die jüdische Verschwörung als global angelegt markiert war und deren Mission die totale Knechtschaft Deutschlands und der Welt darstellte, formulierte der sogenannte „nationalrevolutionäre“ Flügel der NSDAP, die Notwendigkeit, durch eine gewaltsame Revolution zum deutschen Sozialismus zu gelangen, der sich schließlich weltweit ausbreiten sollte.

Wichtige Figuren waren hierbei die Brüder Otto und Gregor Strasser sowie der SA-Gründer und Anführer Ernst Röhm. Gerade ex-Weltkriegssoldaten wie Röhm waren besonders affin für gewaltorientierte Umsturzfantasien, da sie an Kriegsgewalt gewöhnt waren und zumeist über umfangreichen Zugang zu Waffen verfügten. Zusätzlich hatten zahlreiche ehemalige Weltkriegssoldaten keinerlei oder kaum Perspektiven für ein weiteres Auskommen – was sie noch leichter empfänglich für einen raschen, gewaltvollen Systemwechsel machte und sie leicht in paramilitärische Verbände eingliedern ließ.

Die Vertreter*innen nationalrevutionärer Theorie  verstanden das „deutsche Volk“ dabei als von eben jenen getragen, die sie als Hauptverlierer*innen der Republik betrachteten: Die deutsche städtische Arbeiter*innenschaft und die – oben schon erwähnten – ex-Soldaten wurde so als revolutionäre Avantgarde des deutschen Volkes proklamiert, dessen geschichtliche Mission darin läge, Deutschland gegen die jüdischen Finanzeliten zu verteidigen und diese letzten Endes zu vernichten, um die Welt bereit zu machen für die Herrschaft des deutschen Volkes. Die in den Augen der Nationalrevolutionären moralisch verkommenen Eliten und die abgehobene, als verweichlicht dargestellte und ebenso jüdisch affizierte Bourgeoisie sollte durch die rohe, männliche Kraft des arbeitenden, schaffenden deutschen Volkes überwunden werden. Ziel war in Anlehnung an die stalinistische Sowjetunion (ein wichtiges Vorbild für Strasser und nationalbolschewistische Ideolog*innen) die permanente Konservierung der Diktatur des deutschen Proletariats (gedacht als autoritärer Terror-Staat ohne Parteien), der den Nationalsozialismus nach Durchführung der Revolution absichern sollte, um das deutsche Volk aus der wahrgenommenen „Verstümmelung“ durch die Versailler Verträge zu erneuerter politischer Kraft zu führen.

Doch dem Staat kommt in nationarevolutionärer Theoriebildung deutlich mehr Selbstzweck zu, als in der leninistischen Konzeption der Diktatur des Proletariats, die in dessen Schaffen aus der Notwendigkeit der gewaltvollen Übernahme der Staatsapparate und der Staatsmacht durch die revolutionäre Klasse geboren wurde und der Sicherung der Macht gegen sogenannte konterrevolutionäre Elemente und imperialistische Militärmissionen galt. Denn – wie der Begriff schon nahelegt – der deutsche Sozialismus baut fundamental auf ethnischer „Artgleichheit“ als absoluter Grundlage. Ein Begriff, den v. a. Carl Schmitt in seiner Rechtsphilosophie theoretisch fundiert hat, um diesen gegen – republikanisch verstandene – „Gleichartigkeit“ abzusetzen und der sich nun auch durchgängig in zeitgenössischen NS-Ideologemen wiederfindet. Der Staat müsse direkter Ausdruck des deutschen Volkes sein, der Souverän muss gerade das „Deutsch-Sein“ selbst widerspiegeln.

Querfront, hitleristischer Staat und die Strasser-Ideologie

Historisch gesehen kamen Querfront-Konzeptionen tatsächlich nur für den nationalrevolutionären Flügel der NSDAP infrage: Hitler selbst wollte mit solchen Taktiken wenig bis nichts zu tun haben, für ihn kam allein uneingeschränkte, gebündelte Macht infrage – der Souverän sollte Hitler und nur er selbst sein (durchaus ein Teilprodukt der Suche nach einem „Messias für das deutsche Volk“ durch Dietrich Eckart)7. Hitlers Lösung des oben gestellten Problems lag in einer strikt völkischen Ausrichtung des zu schaffenden Staates, der allein Ausdruck einer germanischen Rasse sei, deren Ursprung – hier kommen die späteren elitären Mythologien von Heinrich Himmler und der SS-Ordensideologie ins Spiel – in der Ethnie der „Arier“, einem mythischen Übermensch-Konzept, läge. Diese hätten in harmonischem Einklang mit der Natur gelebt, die ihre Stärke aus der Verbindung der „Arier“ mit „arischem Boden“ bezogen hätten (Lebensraum-Theorie, siehe nächster Absatz; die Thule-Gesellschaft etwa glaubte in bewusster Verdrehung einer obskuren Stelle im Werk Platons, die Arier lebten auf der bisher unentdeckten Insel „Atlantis“)8. Letzten Endes dann könne, wenn der deutsche Volkskörper bereinigt würde und wieder „arisch“ sei, das deutsche Reich zum Weltreich und Endpunkt aller Geschichte werden, heißt: der Lebensraum der Arier als Herrschaft über die Welt (vgl. etwa das von Hans Baumann komponierte berüchtigte NS-Lied „Es zittern die morschen Knochen“, wo die berüchtigte Stelle zu finde ist: „heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“). So legitimierte Hitler seinen  Terror-Staat durch einen mythisch überhöhten Volksbegriff und sein glühender Antisemitismus wurde problemlos zur Schmittschen Notwendigkeit, als Souverän einen absoluten Feind (innerlich wie äußerlich) zu bestimmen, was bekanntlich in den menschenverachtenden antisemitisch-rassistischen Tiraden in „Mein Kampf“ kumulierten Ausdruck fand. Die „Agenda“ des „Weltjudentums“ sei einzig und allein, den deutschen Volkskörper und -willen zu sabotieren und letzten Endes zu zerstören. Der durch alle Klassen wüst grassierende Antisemitismus in der Weimarer Republik kam diesen Ansinnen bestens zugute und ist ja gerade strukturelle Grundlage für die Möglichkeit der NS-Herrschaft überhaupt sowie strukturelle Bedingung für derartig ausschlagenden Antisemitismus.

Strasser kam schon früh in ideologischen Konflikt mit Hitler: Bis zum Scheitern des Putsches 1923 waren fast alle von einem revolutionären Umsturz der Regierung überzeugt, da man sich in der „Hauptkampflinie“ an Benito Mussolinis „Marsch auf Rom“ orientierte – doch in der Haft in Landsberg am Lech lernte Hitler den Geographen Karl Haushofer via Rudolf Heß kennen. Dieser war schon früh ein Theoretiker des geopolitischen „Lebensraum“-Konzepts, das annahm, dass eine soziale Gruppe eine fundamentale stoffliche Basis in jenem Lebensraum (Biotop) besitze, in der sie sich über lange Perioden aufhält und ohne die eine Gruppe nicht sein könne, was sie ist (= Blut und Boden-Ideologie). Bekanntermaßen wurde dieses krude Konstrukt Hauptideologem des Hitler-Faschismus und war Grundlage des „Generalplan Ost“ sowie auch des fanatisch antisemitisch-rassistischen Hasswerkes des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Dem folgte postwendend auch eine Neubestimmung der Funktion der Partei, die in einer neuen Gründung der NSDAP gipfelte: Nicht mehr solle sie revolutionär sein, indem sie Ausdruck der sprengenden Kraft der deutschen Arbeiter*innenschaft sei, sondern solle auf demokratischem Wege die Demokratie selbst überwinden und somit das totalitaristische Potenzial der Weimarer Gesellschaft schlechthin offenlegen. Das widersprach grundsätzlich dem, was Röhm und Strasser (sowie anfangs der junge überzeugte nationalrevolutionäre NSDAP-Redner Joseph Goebbels, der für Strasser arbeitete und ein ausgesprochenes Faible für die prügelden SA hegte) sich erwarteten und als essentielles Programm der NSDAP ansahen. Zwischen Hitler und Röhm kam es zu einem Bruch: Noch immer favorisierten die Nationalrevolutionären den Kampf auf der Straße gegen die Republik und das als bourgeoise und jüdisch imaginierte Großkapital zum Einen, gegen Kommunist*innen auf der anderen Seite. Die Neusetzung des Souveräns auf Basis der Vertreibung des internationalen jüdischen Großkapitals müsse dann – nach wiederum revolutionärer Vorstellung – aus dem Zerstörten das positiv Neue schaffen (hier natürlich auch der Gegensatz schaffendes – raffendes Kapital als Analogon zu national – international, der ebenso für Hitler konstitutiv war, der nur auf anderem Wege zum gleichen Schluss gelangt).

Springen wir an dieser Stelle – das oben angeschnittene Feld ist reichlich komplex und es gäbe noch Unmengen an Differenzierungen zu betrachten, doch glauben wir, dass an dieser Stelle die ideologische Differenz genügend herausgearbeitet worden ist, um im Text weiterzugehen – nun in die Zeit nach 1945, so spielt auch dort die Spaltung in hitleristische und nationalrevolutionäre Lager eine gewichtige bis zentrale Rolle. Wenn etwa der ANS/NA und spätere FAP-Kader Ewald „Bela“ Althans in Michael Schmidts Dokumentation aussagt, er habe sich von Michael Kühnen distanziert, weil:

Althans: He [Kühnen, Anm. d. Verf.] tried to make a so called special line in the fight, a revolutionary line, Ernst Röhm, Strasser and so on, which was not my line.

Interviewer: What was your line?

Althans: My line was that I was very hitleristic and I said that everything Hitler did was correct. And he said Hitler made mistakes“,9

dann wird deutlich, wie grundlegend die theoretische und ideologische Diskussion dieser Positionen noch in den 80er-Jahren in Top-Neonazi-Kreisen war (und in Althans Falle, der selbst homosexuell war, spielte Kühnens Sexualität keine Rolle). Dass v. a. die Ideologie-Frage in der FAP eine große Rolle spielte, zeigte dann auch die Spaltung ehemaliger ANS/NA-Kameraden: Während Kühnen, der nach seiner Haft die Strasser-Doktrin full-on als Hauptkampflinie der FAP durchzusetzen trachtete (mit Christian Worch und Thomas Brehl), wollten sowohl Althans als auch Jürgen Mosler dies nicht mittragen. In Moslers Fall dürfte das Coming-Out Kühnens eine größere Rolle gespielt haben, hängt aber insofern mit der Strasser-Doktrin zusammen, als Kühnen sich nach der Haft sehr stark auf Röhms SA und die Idee des reinen Männerbundes bezog. So verkündetet er u. a., dass gerade die sexuelle Bindung unter Männern als Ideal aller Sexulität zu sehen sei, da sich dort abseits der Sexualität zwischen Mann und Frau (rein funktionelle Reproduktion des arischen Menschen) schaffender Geist gegenseitig stärke – für typologischen Hitlerismus natürlich eine krasse Abweichung.

Ein anderes Beispiel ist eine an sich hinlänglich bekannte Begebenheit, die jedoch selten in ihrer Tragweite erfasst wird: Als der (mittlerweile verstorbene) Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt im Dortmunder Stadtrat gegenüber Spiegel TV 10 sarkastisch aussagte, er sei über seinen Beinamen „SS-Siggi“ unglücklich, weil er lieber „SA-Siggi“ heißen würde, dann ist das nicht nur krass, sondern klares Zeugnis einer nationalrevolutionären Ausrichtung. Entlarvend auch Borchardts Aussage an späterer Stelle selbiger Reportage: Auf die Frage, wie lang er denn weiter so aktiv in den Straßen der Dortmunder Nordstadt sein wolle, antwortet Borchardt: „Ja bis ich … ja … bis zur Revolution, was soll man machen. Ich hab nix Andres gelernt, als Revolution-Machen [lacht].“ Ähnliches dürfte auch für Gottfried Küssel sowie diverse andere langjährige österreichische Altkader gelten: Ein Ausschnitt aus einer Rede in Berlin vor GdNF-Kameraden verdeutlicht Küssels Rhetorik und Einstellung.

Ja wenn sie nicht unsere Freunde sein wollen, dann sind sie eben unsere Feinde, ist mir auch egal. Dann müssen sie aber mit unserer geballten Kraft rechnen, dann müssen sie damit rechnen, dass es mal Haue gibt, und dann brauchen sie nicht draussen auf der Straße schreien „Tod dem Faschismus!“ und sich aufregen, wann wir daherkommen und ihnen aufs Maul hauen! [Beifall] Wann dieses deutsche Volk endlich mal kocht, dieses Ding ist noch zu lau, heiß werden muss es, kochen muss es, es muss vor Liebe glühen, gemeinsam sind wir unausstehlich. Wir sind unausstehlich […].11

Küssel, der seine Wehrsportübungen unter Anleitung des VAPO-Kaders und ehemaligen Bundesheerlers Hans-Jörg Schimanek jun. auch in den braunen Hemden der SA durchführen ließ, war schon seit seinen Aktivitäten bei der ANR dafür bekannt, einen Hang zum nationalsozialistisch-nationalrevolutionären Proletenkult zu pflegen. Darüber hinaus spricht die Gründung der GdNF als „neue SA“ klare Worte: Auch die VAPO war Teil der GdNF, Bereich „Ostmark“. Natürlich bekennt man sich wie auch Röhm und Strasser vollumfänglich zu Hitler, aber ideologisch folgte die GdNF Kühnens Strasserismus.

Auch Küssels gekonnte Selbstinszenierung verdeutlicht seine politisch Herangehensweise: Der leichte österreichische Akzent, der sich klar abhebt von der deutlichen, rhetorisch einwandfreien Sprache eines Ewald Althans oder Christian Worch sowie das stete Rekurrieren auf politische Gewalt gegenüber Linken dürfte dabei einen Teil der Anziehungskraft Küssels im organisierten Neonazi-Netzwerk ausgemacht haben. Auch der ehemalige Neonazi und Aussteiger aus VAPO-Kreisen Stefan S. hat ähnliches in einem Interview, das im AIB erschienen ist, kundgetan:

Der [Gottfried Küssel, Anm. d. Verf.] hat sich hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, daß er sich nachher [nach Wehrsport-Übungen der ANR in einem Steinbruch südlich von Wien, Anm. d. Verf.] bis zur Bewußtlosigkeit zugeschweißt hat. Deswegen haben sich viele „Kameraden“ von ihm distanziert. Der war nicht vertrauenswürdig. Die anderen waren fast alle Jus-Studenten aus guten Familien. Der Küssel, der galt als Vertreter des Proletariats. Alle anderen waren „rich kids“. Der Küssel, der hat derbere Späße draufgehabt. Der hat z.B. im Vollrausch auf der Höhenstraße Autos zusammengehaut.

Wichtig anzumerken ist, dass dies noch für die Zeiten galt, als ANR-Kader (Herman Plessl, Egon Baumgartner, Günther Bernard, Franz Koci, Bruno Haas, Michael Witt, Martin Neidhart) neben der „Volkssozialistischen Partei“ (VSP, von der ANR als „Apfelgruppe“ klandestin bezeichnet wegen ihres Parteilokals in der Wiener Apfelgasse) die Wiener Szene organisierten – Stefan S. attestiert Küssel schon mit der Gründung der VAPO nach dem Modell der „Freien Kräfte“ bzw. „Freien Kameradschaften“, seine Strategie verfeinert und die unkontrollierten Gewaltausbrüche beendet zu haben. Und betrachtet man die Organisierungen, die aus dem Umfeld von Küssel respektive durch Küssel selbst entstanden sind, so muss man klar sehen, dass Küssel sich nach jedem Repressionsschlag neu orientiert wie auch seine Strategie wohl immer nachhaltiger, vorsichtiger und langfristiger ausgelegt hat und ein rasches Gespür für Adjustierungen an gesellschaftlich-diskursive Themenschwerpunkte entwickelt hat.

Eine solche Adjustierung dürfte auch CQ darstellen: Denn kaum waren die ersten Kungebungen der Corona-Rechten abgehalten, trat auch Küssel auf den Plan. Mit einer erstaunlich diversen und umfassenden Gruppe an neonazistischen Aktivist*innen trat er nach Jahren der Haft und des Unsichtbar-Seins direkt wieder ins Rampenlicht und schon Ende August konnte Küssel auf der Redner*innenbühne von Querdenken gesehen werden. Der Aufbau zahlreicher Bekanntschaften und Bündnisse deutet auf eine klare politische Linie hin: Vereinigung rechter, nationalistischer, esoterisch-apolitischer und scheinliberaler Kräfte der Mitte, um unter gemeinsamen Bannern vorab „nur“ gegen die Regierung auf die Straße zu gehen. Die Inszenierung als Befreiungsbewegung und revoltierendes Volk gegen die Obrigkeit kann hierbei als nationalrevolutionäre Ideologie eingeordnet werden: Denn auch im Querdenken-Milieu zweifelte man bald an der friedlichen Strategie – viele sinnierten schon da einen militant herbeigeführten Systemwechsel herbei.

Fassen wir dies nochmals unter den ideologischen Dimensionen der Corona-Rechten zusammen, ist das Bild ebenso präsentativ: eine nationalrevolutionäre Querfront, die nach außen hin zahlreiche soziale Gefüge der Gesellschaft im Kampf gegen eine Weltverschwörung und einen international gelenkten, korrupten Staat eint, der durch eine Regierungsclique beherrscht würde, die wiederum nur auf Anweisung globaler Finanzelite agieren und handeln würde, die nun versuchen würde durch die Zwangsimpfung einen leicht kontrollierbaren „Globohomo“ zu erzeugen (die Analogie zur Strasser-Ideologie ist bestechend). Logisch konsequent erschien dann im Fortlauf der Proteste eine neue Website im Umfeld neonazistischer Telegram-Kanäle (mittelfristig gelöscht, nun aber wieder online): „Sozialismus Jetzt!“. Dazugehörige Sticker und mindestens zwei öffentliche Aktionen wurden unter dem Label betrieben. Der Eingangstext eines Videos stellt wiederum klare nationalrevolutionär-antisemitische Ideologie dar, die den klassischen NS-Topos der Jüd*innen als „heimatloses Trabantenvolk“ bemüht, das nur durch die Ausbeutung ethnisch-homogener Völker überleben könne:

In Wien hat es sich eine kleine Clique wurzelloser Spekulanten zur Aufgabe gemacht Mietshäuser anzukaufen, die Bewohner systematisch hinaus zu ekeln und anschließend die so frei gewordenen Grundstücke finanziell auszubeuten!

Darauf folgte die Forderung: „Enteignet die Bonzen!“, danach eine Transparent-Aktion mit bengalischen Flammen, auf dem Transparent zu lesen: „Sozialismus Jetzt!“ Die Website samt Aktion wurde allerdings nicht auf den Kanälen von CQ selbst lanciert: Denn CQ steht als politische Kraft in direkter Verbindung zu weiteren neonazistischen Kanälen und Websites, zwischen denen hintergründig starke Wechselwirkung angenommen werden muss. Denn – wie uns zugespielte Bilder zeigen – handelt es sich bei den Aktivist*innen von „Sozialismus Jetzt“  um die gleichen, die auch konstant bei den Demonstrationen von CQ in Eisenstadt in direktem Kontakt mit den Küssels stehen.

Wie die Aktionen der „Sozialismus Jetzt“ Gruppe zeigen, spielt die Gegend rund um Küssels Wohnung eine Rolle für die Durchführung von Aktionen. Auch kann in Bezug auf neonazistisches Treiben rund um das Objekt in der Unteren Donaustraße angemerkt werden, dass die Gegend zwischen Praterstraße und Unterer Donaustraße im Areal Nestroyplatz bis Praterstern meist zugepflastert ist mit neonazistischen Stickern der „Tanzbrigade“, „Eisern Wien“, „Identitären“ und von „Unwiderstehlich“ (dazu unten mehr). Dies wiederum deckt sich auch mit uns zugespielten Erkenntnissen einer antifaschistischen Gruppe: Der Gruppe ist es gelungen, Neonazis aus dem militanten Umfeld von Gottfried und Karin Küssel aus der Unkenntlichkeit in die Öffentlichkeit zu zwingen und aufzuzeigen, dass das Gewaltpotenzial der Gruppe über die Jahre keineswegs geringer geworden ist. Auf eine antifaschistische Initiative hin, die Anrainer*innen im Czernin-Grätzl ermuntern sollte, Neonazi-Aktivitäten in der Leopoldstadt zu dokumentieren, erfolgte eine gefälschte Antwort unter der Identität einer vermeintlichen Hausbewohnerin.

Die Antifaschist*innen ließen sich auf die Mail ein, in dem Bewusstsein dass es sich um eine Falle handeln könnte – der Falle allerdings wurde ebenso großer Erkenntniswert attestiert. Ein Treffen am Donaukanal zur vermeintlichen Infoübergabe wurde arrangiert, der Platz lag unmittelbar unterhalb von Küssels Haustür in der Unteren Donaustraße 39. Statt der vorgegebenen Hausbewohnerin kamen jedoch rund 25 schwer vermummte Neonazis in drei koordinierten Gruppen samt Späher*innen zum vereinbarten Treffpunkt (insgesamt etwa 30 Neonazis), zum Teil auch direkt aus dem Stiegenhaus der Küsselschen Wohnung.

Den Antifaschist*innen gelang es, das Auftauchen der Rechtsextremen zu dokumentieren, selbst aber komplett unerkannt zu bleiben. Folgendes Video wurde uns von der Gruppe übermittelt und zeigt das Auftreten der ersten eintreffenden Gruppe am ausgemachten Ort.

Beziehen wir dies auf die eingangs gestellte Frage, was nun eine „Querfront“ als politisches Modell tatsächlich erreichen will und was eben nicht. Wichtig ist hier die genaue Analyse der politischen Situation und das Erkennen der pluralen, aber konzertierten Mehrgleisigkeit neonazistischer Polit-Strategie im Angesicht des Erscheinens der Corona-Rechten: Oft ist zu lesen, Neoanzis nationalrevolutionärer Prägung würden nach einem Bündnis mit der radikalen Linken streben. Bezogen wird sich dabei meist implizit (ohne irgendeinen Nennung) auf eine kurze Periode in der politischen Konzeption der „Nationalen Front“ (NF), die etwa mit Slogans wie „Die Grenze verläuft nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen oben und unten!“ für Aufsehen sorgte. Doch auch diese Phase wurde bald zugunsten einer Waffen-SS-Ideologie (Stichwort Europa-Konzeption) ab etwa Mitte 1988 für beendet erklärt. Ähnliches versuchte kurzfristig auch die „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA), doch hier zeigt sich, was auch für CQ und „Sozialismus Jetzt“ veranschlagt werden muss: Das nicht öffentlich Motto der SrA lautete „Die linke Unruhe mit linken Mitteln nach rechts umfunktionieren“, was klar abbildet, worin die SrA die Nutzbarkeit linker Politik sah – das folgende Zitat verdeutlicht das nochmals auf besonders anschauliche Art und Weises:

Daß Grams [gemeint ist der RAF-Militante der 3. Generation Wolfgang Grams, Anm. d. Verf.] auf der falschen Seite stand, würden wir eher als Zufall bezeichnen […] Weiter müssen wir feststellen, daß wir uns genetisch und biologisch in keinster Weise von Linken unterscheiden – wohl aber  können wir Unterschiede zwischen uns und den HERREN DIESES Systems ausmachen. Das bedeutet für uns zweifelsfrei: Der Feind ist nicht im eigenen Volk zu suchen […] Wir sind bereit, mit dem ‚Teufel‘ [gemeint sind Linke, Anm. d. Verf.] ein Bündnis einzugehen, wenn es der nationalen Bündnisbewegung unseres Volkes nützt.

Schon im Konzept der SrA wird klar, dass man nicht versucht, eine gewissermaßen polit-neutrale Querfront aufzubauen, sondern gezielt politische Dimensionen der radikalen Linken zu okkupieren, zu übernehmen und für eigene Zwecke umzumodeln. Zwar war es für manche SrA-Kader wohl theoretisch denkbar gewesen, tatsächlich mit Linken politsch zu arbeiten, aber zweifelsohne bleibt der massive Antikommunismus (verstanden als anti-linke Ideologie generell) ein zentraler Stein in der Grundlegung neonazistischer Politprogramme. Umgelegt auf CQ bedeutet das: Man will unter keinen Umständen mit linken Gruppierungen kooperieren – was man will ist: sozialistische Positionen für sich nutzbar und der Linken abspenstig machen, um politische Hegemonie zu erlangen. Zwar ist dies nicht explizit durch inhaltliche Arbeit auf den unmittelbaren Propagandakanälen vermittelt, jedoch durch die Verbindungen zu anderen Kanälen, die im kommenden Abschnitt noch dargelegt werden.

Interessant ist in Bezug auf den Telegram-Kanal von CQ noch zu erwähnen, dass bei der Bewerbung von CQ und deren Veranstaltungen besonders niederschwellige Mobilisierungsmethoden angewandt werden: Weniger konkret Ideologisches ist dort vorzufinden, denn alltägliche Hetze auf Politiker*innen, oftmals im Format von Witzen oder Parodisierungen verklausuliert. Offenbar versucht man gezielt, klar rechtsextreme Inhalte subtil und indirekt zu vermitteln – meist erfolgt dies über den Umweg „impfskeptischer“ oder „impfkritischer“ Inhalte, die Rassismus, Antisemitismus und Sexismus ironisiert oder parodisiert aufscheinen lassen. Möglichst zugänglich für den diskriminierenden Alltagshabitus in Österreich und diskursiv locker gestrickt, dürfte es CQ so ein Anliegen sein, Personen unmittelbar dort abzuholen, wo sie stehen. Doch auch der ausgewählte Ort der lokalen Aufmärsche von CQ dürfte hierfür eine Rolle spielen: Mit Eisenstadt hat CQ die kleinste Bundeshauptstadt gewählt, das ländliche Gebiet erfordert nochmals andere Mobilisierungsstrategien als etwa die Metropolregion Wien.

Das Verhältnis von CQ & „Sozialismus Jetzt“ zu „unwiderstehlich.online“ und dem „Infokanal Deutschösterreich“

Neben den oben genannten Konstellationen gibt es noch zwei weitere Telegram-Kanäle, die als konstitutiv für den österreichischen Neonazismus erfassbar sind. Gemeinhin wird in Publikationen zumeist von Unwiderstehlich und der dahinter agierenden Neonazi-Gruppe als „Sprachrohr“ des österreichischen Neonazismus gesprochen – doch dieses Urteil greift zu kurz: Denn zumindest zwischen dem Infokanal und Unwiderstehlich gibt es starke Verbindungen – permanent werden die Inhalte der jeweils anderen Gruppe geteilt, ständig wird sich aufeinander bezogen. Wenn auch zum momentanen Zeitpunkt nicht klärbar ist, wer die beiden Kanäle konkret betreibt – eine ältere Einschätzung zum Klientel der ersten Unwiderstehlich-Gruppe findet ihr bei den Kolleg*innen sowie durch angefertigte Mitschnitte aus dem rechtsextremen „Reconquista Germanica“-Forum – so liegt im Mindesten die Vermutung nahe, dass beide Kanäle aus dem direkten Umfeld von Küssel stammen. Das Klientel, das die Kolleg*innen annahmen, führt direkt in den innersten Kreis der alpen-donau.info-Gruppe und auch die angehängten Screenshots des Reconquista-Forums legen nahe, dass zwischen der alpen-donau-Truppe und Unwiderstehlich eine personelle wie ideologische Kontinuität festzustellen ist.

Auch ist es wichtig zu bemerken, dass sowohl Unwiderstehlich als auch der Infokanal zwei Seiten einer Medaille ganz gezielt bedienen: Während Unwiderstehlich hauptsächlich in Bezug auf das politische Tagesgeschehen nationalrevolutionäre Einordnungen und Kommentare bringt, die zumeist die Themen Korruption, Finanzeliten und Migration bespielen, ist der Infokanal als rein ideologische Inhaltsschleuder zu betrachten. Dort findet sich ganz offen neonazistische Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Transphobie und neonazistische Verschwörungs-Ideologeme in Bezug auf SARS-Covid-19 und die Impfung gegen das Virus.

Zwar wurde auf dem Telegram-Kanal von CQ nur ein einziges Mal Content des Infokanals geteilt (Unwiderstehlich-Inhalte zweimal), allerdings wurden die Veranstaltungen von CQ mehrfach im Infokanal beworben: Betrachtet man dann aber das ideologische Textmaterial im Archiv des unwiderstehlich.online-Page wird ein mögliches Nahverhältnis luzider. Dort referiert Unwiderstehlich ganz klar und offen auf Querfront-Ideologien und nationalrevolutionäre Konzeptionen. In ihrem Artikel „Weltbild und Weltanschauung I – Dogma gegen Aufklärung“ etwa findet sich abseits der grundlegenden Rassenlehre als ordnende Struktur der Geschichte (Religion und Aufklärung als Störung der Entwicklung natürlicher, erbbiologischer Rassen nach dem Gesetz des Stärkeren) der konkrete Hinweis auf die Notwendigkeit der Etablierung eines Volkes- anstelle internationalen Klassenkampfes. Dieser sollte die Herrschaft der kapitalistischen und imperialistischen Moderne beseitigen und ermöglichen, dass die europäischen Rassen sich wieder frei nach ihrer rassischen Veranlagung entwickeln könnten. Dabei wird erneut ein nationaler Sozialismus als integral definiert: Denn mit Werner Sombart (einem bedeutenden Theoretiker der Konservativen Revolution) stellt Unwiderstehlich fest, dass der Marxismus nicht den wahren Sozialismus abbilde, sondern dieser erst zu seiner Vollendung in einer nationalen Gemeinschaftordnung finden könne, die ihre rechtliche Ordnung nach dem Dienste des Einzelnen am Kollektiven misst („Liberalismus vs. Konservativismus – Sozialismus“). Daran anschließend wird auch eine pragmatische Querfront für durchaus sinnvoll befunden, die mit rechten, patriotischen und nationalen Parteien und Gruppierungen eingegangen werden könnte, um zumindst vorübergehend mehr Stärke im politische Alltag auf der Straße demonstrieren zu können und der Linken gesellschaftliches Pontenzial abspenstig zu machen – die Lösung allerdings liegt für Unwiderstehlich einzig und allein in der Schaffung eines nationalen Sozialismus, der vermöge eines diktatorischen Souveräns als verbindliche Verfassung gesetzt werden muss.

Naheliegend ist eine Praxis der Aufteilung der Rekrutierung und Propaganda auch aus einem recht banalen Grund: Schon die ANR hatte ihre Rekrutierungsarbeit immer damit begonnnen, neue potenzielle Mitglieder nicht ideologisch abzuholen, sondern über das Simulieren eines Gemeinschaftsgefühls, das auf dem Modus von Schmitts Freund-Feind-Dichotomie beruhte. Das bestätigt auch Stefan S.: Auf die Frage, wie schnell ideologische Elemente in der ANR gegenüber neuen Rekrut*innen verbreitete wurden, antwortet S.: „In der Anfangsphase kaum. Das Politische war mir damals wurst, ich bin von denen nur sehr langsam indoktriniert worden. Die Kameradschaft, die hat gezählt.“

So liegt aus obigen Gründen die Vermutung nahe, dass die drei Kanäle ein politisches Ganzes darstellen, das äußerst akkurat als Propagandamaschine genutzt wird, während auf der Straße vorab allein unter dem Logo der zugänglichen CQ-Gruppe aufgetreten wird.

Zwar handelt es sich um keinen Beweis, dass eine konkrete Interaktion zwischen den tatsächlichen Akteur*innen der Kanäle stattfindet, dennoch ist mit der Einschätzung der Kolleg*innen sowie der kurzen Aufschlüsselung der Ähnlichkeit der politischen Praxis erwiesen, dass ein Naheverhältnis angenommen werden muss.

Fazit

Wir wollen die Analyse von CQ an dieser Stelle mit einem Hinweis respektive einer Einschätzung schließen: Die Gruppe CQ zeigt exemplarisch, wie salonfähig Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft des postnazistischen Österreich noch immer sind. Diese Feststellung wurde vielfach im Rahmen der Corona-Demonstrationen belegt und expliziert – aber anhand von CQ kann ganz konkret gezeigt werden, wie schnell sich rechtsextreme Seilschaften bilden und wie gewillt rechte Akteur*innen sind, Kooperationen und Bündnisse einzugehen, um einem höheren Ziel entgegenzuarbeiten. Auch wenn die Zielsetzungen variieren und der Grad an Extremismus ebenso, ist diese Tendenz zu Querfront-Bildung bis ins mitte-liberale Lager hinein etwas, wogegen gesellschaftliche Gegenstrategien gefunden werden müssen, die abseits trivialer Einordnungen dieses Klientels als unzurechnungsfähig (Stichwort der gern verwendete Begriff „Covidioten“, vom Begriff des „Idiotismus“ ganz abgesehen), bildungsfern u. ä. liegen. Denn zum Einen verharmlost das die politische Dimension, die in zahllosen Fällen klar zutage trat und nimmt – durch den elitären Moralismus, der sich in diesen Begriffen und Aussagen entäußert – auch die Möglichkeit solche Bewegungen kritisch zu begreifen.

Zum Abschluss wollen wir wieder um Mitarbeit bitten – auch hier konnten wir nicht alle faschistischen Akteur*innen bestimmen, die Bilder dieser findet ihr untenstehend. Wenn ihr Menschen erkennt, meldet euch bei uns via eingerichtetem Kontaktfeld!

Unbekannte Neonazis:


1 Im Folgenden greifen wir etwa für Harald A. Schmidt oder etwa Lucas Tuma sowie an der einen oder anderen Stelle auf den reichen Informationsfundus von „Stoppt die Rechten“ zurück, werden das aber nicht an jeder Stelle direkt erwähnen. Deshalb wollen wir das an dieser Stelle tun – konkrete Artikel jedoch, auf die wir uns beziehen, werden selbstverständlich als solche verlinkt und gekennzeichnet.

2 Bekannt wurde Schmidt einer weiteren Öffentlichkeit, da er als Anwalt der wegen mehrfachen Mordes verurteilten Elfriede Blauensteiner dabei half, die Testamente in den Besitz Blauensteiners zu bringen, was ihm einen Haftstrafe einbrachte.

3 Wir erwähnen Küssels Kinder hier allein deshalb, weil durch die Dichte der Besuche von einschlägige politischen Veranstaltungen, keinerlei vorliegender Distanzierung vom Gedankengut der Eltern oder wenigstens Desinteresse an politischer Betätigung seitens Gudrun und Gerolf Küssel vorliegt. Wir müssen sie deshalb als bereits eigenständige Akteur*innen im neonazistischen Netzwerke Österreichs betrachten, die – davon ist zum jetzigen Zeitpunkt auszugehen – die nächste Führungsriege des NS-Spektrum darstellen wird.

4 Zur Wortklärung: Bei einer „Ferialverbindung“ handelt es sich um eine solche Art der Korporation, die nicht in einer Stadt gestiftet worden ist, in der die Korporierten direkt auch universitär immatrikuliert sind. Oft wurden sie von Burschenschaftern gegründet, die sich während der Universitätssemester in größeren Städten korporiert aufhielten, über die Semesterferien allerdings zurück zu ihren Familien in ihrer Heimatstädte reisten. Damit sie dort ebenso den Korporationsalltag aufrecht erhalten konnten, wurden sogenannten „Ferialverbindungen“ gestiftet, die entweder pennal „pF!“ oder akademisch „aF!“ konstituiert werden konnten. Dementsprechend wäre eine „aF! Wiener Reich“ eine geschichtlich inkorrekte Korporationsform, da Wien zum Einen über dutzende deutschnationale aB! verfügt, zum anderen eine der bekanntesten und ältesten Universitätsstädte Europas ist. Erklärt werden kann dies jedoch, indem das Rekrutierungsmilieu und die Strategie der Küssel-Truppe betrachtet wird: Küssel bildete seit jeher durch sein Charisma und seine persistente Umtriebigkeit eine Schnittstelle für das akademische wie aber auch proletarischere rechtsextreme Milieu; und so ist eine offene Ferialverbindung optimal geeignet, für diverse Typologien rechtsextremer Biografien als Anlaufstelle zu dienen. Wie wichtig auch das junge deutschnationale – sowohl pennale als auch akademische – Burschenschaftsmilieu für die alpen-donau.info-Organisierung war, zeigen etwa die folgenden Fälle: Benjamin Fertschai (ehemals aB! Silesia), Martin Sellner (ehemals aB! Olympia), Horst Pilz (ehemals aB! Olympia), Sebastian Ploner (ehemals aB! Olympia) oder aber der pennale Burschenschafter Thomas Cibulka (ehemals pB! Franko-Cherusker) – und auch das Umfeld ist gespickt mit Burschenschaftern: Angeführt seien hier zwei: Gernot Schandl (aB! Gothia), ein guter Bekannter des Autobombenfetischisten Wolfgang Lechner und der Unsterblich Wien-/Ballermann Jungs-Kader Christian Marinics (aB! Silesia). Hier findet ihr die ursprüngliche Recherche und die dazugehörigen Bilder.

5 Tanczos hatte an einer seiner Adressen dort auch einen Kommanditgesellschaft betrieben. Zweiter Kommanditist war neben Tanczos der ehemalige Vorsitzende der „National-Konservativen Union“ (NAKU) und der neonazistischen Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“ Wilhelm Ehemayer, der auch ein Intimus des im Sopron lebenden Neonazis Gerd Honsik war und für diesen die Einladungspolitik der neonazistischen Burschaft „Tafelrunde Ödenburger Markomannen“ organisiert hatte.

6 Das geht aus einem Kürzestbeitrag im Radio Burgenland hervor, wobei der Redaktion nicht klar war, dass die Hausdurchsuchung ein Neonazi-Objekt betraf.

7 Das zeigt sich etwa historisch anhand der Episode, als der DAP-Mitbegründer Anton Drexler versuchte, Hitler zurückzudrängen, um sich selbst mit Hilfe einer Koalition mit weiteren deutschnationalen und rechtsextremen Parteien die Macht in der NSDAP zu sichern. Hitler erklärte daraufhin seinen Austritt, einzig eine Bedingung würde ihn an die Spitze zurückholen: Drexlers Rücktritt vom Vorsitz und die alleinige Bündlung der Macht unter Vorsitz Hitlers.

8 Die Ideen gingen teilweise so weit, dass etwa der nazistische Geheimbund „Thule Gesellschaft“ annahm, dass es eine Form von „Atlantis“ tatsächlich gäbe oder gegeben habe, wo die „Arier“ weiterhin lebendig seien.

9 Wahrheit macht frei, Regie von Michael Schmidt (Kanal 1 des Schwedischen Fernsehens, 1991), 47:57 bis 48:21, https://youtu.be/l1NMuVMPw8w.

10 Nazi-Kiez in Dortmund – wo sich „SS-Siggi“ und der „Holland-Hitler“ wohlfühlen, Regie von Spiegel TV (Spiegel TV, 2019), 09:31-10:12, https://youtu.be/8OR2la_Dk1o.

11 Wahrheit macht frei, 33:18 bis 33:35.