Die Palästina Solidarität Österreich zwischen Antisemitismus, Islamismus und Antiimperialismus. Pro-palästinensische Mobilisierungen seit dem 7. Oktober 2023.

Einleitung

Seit dem Angriff der Terrororganisation Hamas und anderer militanter palästinensischer Gruppierungen auf Israel und der darauffolgenden militärischen Intervention der israelischen Regierung im Gazastreifen ist Europa zum Schauplatz pro-palästinensischer Massenmobilisierungen mit der regen Beteiligung islamistischer und antisemitischer Akteur*innen geworden. Während der 7. Oktober 2023 für die einen als der größte koordinierte Massenmord an Jüdinnen*Juden seit 1945 in die Geschichte einging, verklärten andere die systematische Ermordung, Schändung, Vergewaltigung und Entführung von jüdischen und nicht-jüdischen Zivilist*innen als „kraftvollen“ Akt des palästinensischen Widerstands.

Anstatt den gezielten Angriff der Terrororganisation Hamas als Ausdruck der von dieser seit ihrer Entstehung propagierten antisemitischen Vernichtungsideologie zu erkennen und bedingungslos zu verurteilen, folgten von vielen bald Relativierungen und Täter-Opfer-Umkehrungen als Rationalisierungsversuche der Verbrechen. Wie es immer der Fall ist, wenn sich der Konflikt im Nahen Osten zuspitzt, brach in den Tagen und Wochen nach dem 7. Oktober auch eine Welle des offen artikulierten Antisemitismus über Europa herein, von der Jüdinnen*Juden real bedroht und betroffen sind – die zahlreichen dokumentierten antisemitischen Äußerungen, Übergriffe und Anschläge auf jüdisches Leben in Europa und auch in Österreich belegen dieses historisch eingeübte Muster.

Wie diese Recherche zeigt, konnten auch bei vielen Schlüsselpersonen der pro-palästinensischen Proteste in Österreich Verharmlosungen und antisemitische Deutungen der Geschehnisse dokumentiert werden. Sie prägen mit ihren Reden, Postings und organisatorischen Funktionen die öffentlichen Veranstaltungen und tragen wesentlich dazu bei, dass diese weniger als glaubwürdige Solidaritätsbewegung mit der palästinensischen Bevölkerung verstanden werden sollten, denn vielmehr den Charakter einer antizionistischen und antisemitischen Mobilisierung angenommen haben. Auch lassen viele der zentralen in Österreich mobilisierenden Akteur*innen eine glaubhafte Distanzierung von der systematischen und auf die Vernichtung Israels gerichteten Gewalt der Hamas vermissen oder befürworten diese gar. Die palästinensische Zivilbevölkerung, die aktuell unter katastrophalen humanitären Bedingungen um ihr Leben kämpft, wird damit einmal mehr zum Spielball ideologischer Verklärung. Selten wird tatsächliche Trauer um die Zivilbevölkerung artikuliert, ohne diese in den Dienst von Hamas-Propaganda zu stellen.

Diese Recherche versteht sich zugleich nicht als Debattenbeitrag zu der Frage, wie und in welcher Form Protest gegen die israelische Regierung und ihre politischen und militärischen Entscheidungen legitim oder auch notwendig ist. In den letzten Jahren sind hunderttausende Israel*innen regelmäßig auf die Straße gegangen, um für den Erhalt der israelischen Demokratie einzustehen und sich gegen die rechtsextreme Regierungskoalition unter Benjamin Netanyahu auszusprechen. Auch in Europa und in Wien haben jüdische Gemeinden und Organisationen zu Solidaritätskundgebungen mit der israelischen Demokratiebewegung aufgerufen und sich deutlich gegen die aktuelle israelische Regierung, die israelische Siedlungspolitik und für einen nachhaltigen Frieden ausgesprochen – ohne dabei dem einzigen jüdischen Staat dieser Welt das Existenzrecht abzusprechen oder dessen Vernichtung zu fordern.

Im Gegensatz dazu ist es auffallend ruhig, wenn es um Proteste aus der palästinensischen Diaspora und den sich mit dem palästinensischen „Volk“ solidarisierenden Gruppen geht, wenn es um eine Kritik an der autoritär-islamistischen Herrschaft der Hamas und deren systematische Unterdrückung und Ausbeutung der palästinensischen Bevölkerung in Gaza geht. Man muss über keine fachkundige Expertise verfügen, um zu erkennen, dass unter der Herrschaft der Hamas alle emanzipatorischen und demokratischen Bestrebungen im Keim erstickt und nicht nur Jüdinnen*Juden, sondern auch selbstbestimmt lebende Frauen, sexuelle Minderheiten sowie säkulare, liberale, sozialistische und um den Frieden bemühte Bewegungen zu erklärten Feinden der islamistischen Sittenwächter erklärt und verfolgt werden. Das zum Gegenstand der Kritik zu machen, wäre eine Minimalbedingung, um glaubhaft vermitteln zu können, dass es um „Frieden“ und „Freiheit“ für alle in der Region lebenden Menschen geht – insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Führung der Hamas wiederholt das Angebot eines Waffenstillstands gegen die Befreiung der entführten Geiseln ausgeschlagen hat.

Die vorliegende Recherche verfolgt somit das Ziel, die für den Protest zentralen Personen, Personengruppen und Gruppierungen in Österreich zu benennen, deren ideologischen Hintergründe offenzulegen und auf deren interne Vernetzung hinzuweisen. Wir konzentrieren uns auf jene Akteur*innen, die aufgrund ihrer antisemitischen Aussagen und Kontakte in islamistische, nationalistische und faschistische Milieus problematisiert werden sollten und sind uns darüber bewusst, dass auch andere Initiativen existieren, die sich etwa in universitären Kontexten der palästinensischen Sache verschrieben haben, aber in dieser Recherche keine Erwähnung finden – auch wenn einige von ihnen aufgrund ihrer antizionistischen und antisemitischen Agitation kritikwürdig wären. Wie wir in dieser Recherche zeigen, sind es im Falle Österreichs immer wieder dieselben altbekannten und eng vernetzten Akteur*innen, die unter dem Vorwand der Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung auf die Straße ziehen, um ihre antizionistischen Hassbotschaften zu verbreiten. Wie wir in dieser Recherche ebenfalls zeigen, pflegen einige der Schlüsselpersonen selbst enge Kontakte in islamistische Milieus oder sind diesen zuzurechnen, weisen eine Nähe zu der Hamas und anderen islamistischen Gruppierungen auf und sind auch selbst vom Vorwurf der Verbreitung antisemitischer und islamistischer Propaganda nicht freizusprechen.

Mobilisierung in Österreich

Während aufrichtige und bestürzte Reaktionen auf den 7. Oktober innerhalb der in dieser Recherche diskutierten Milieus bescheiden beziehungsweise in der Regel weitgehend ausblieben, dauerte es nur kurze Zeit, bis die ersten Demonstrationen und Kundgebungen in Österreich ins Leben gerufen wurden, um das Verhalten der Hamas zu rechtfertigen oder in eingeübter Täter-Opfer-Umkehr den „Zionismus“ für das Geschehene verantwortlich zu machen. Bereits am Tag des Massakers rief die in dieser Recherche noch vielfach diskutierte Dachorganisation Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) zu einer Kundgebung auf der Wiener Mariahilferstraße auf, an der etwa 40-50 Aktivist*innen teilnahmen. Wie der Presseservice Wien dokumentierte, wurde bei der Kundgebung positiv auf die terroristischen Angriffe der Hamas Bezug genommen und diese als „Befreiungsaktion“ des palästinensischen Volkes verklärt.

Nach Abschluss der Kundgebung versammelten sich einige der Teilnehmer*innen auf und um das Denkmal für Verfolgte der NS-Justiz am Ballhausplatz in Wien und feierten singend und tanzend, die palästinensische Flagge schwingend, den erwachten „Widerstand“ gegen den verhassten zionistischen Feind. Auch am 8. Oktober 2023 versammelte sich eine kleine Gruppe von Aktivist*innen beim Denkmal für Verfolgte der NS-Justiz und verteidigte vehement die Ermordung, Schändung, Vergewaltigung und Entführung von jüdischen und nicht-jüdischen Zivilist*innen als legitimen Akt des palästinensischen „Widerstands“. Unter ihnen auch Personen, die sich, wie schon am Tag zuvor, in den folgenden Wochen aktiv in die Koordination und Organisation der Demonstrationen und Kundgebungen der PSÖ in Wien und Österreich involvieren würden.

Langjähriger BDS-Aktivist mit BDS-Flagge, rechts daneben Nicole Schöndorfer und neben ihr PSÖ-Aktivist und Kampfpsortler Khaled al Makdah.

Es dauerte keine Woche, bis es zur ersten großen Mobilisierung der sich formierenden Bewegung kam. Am 11. Oktober 2023 versammelten sich etwa 500 Personen zu einer behördlich untersagten Kundgebung am Wiener Stephansplatz, zu der die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) und die ihr zuzurechnenden Organisationen und Einzelpersonen aufgerufen hatten. Während zeitgleich die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) am Ballhausplatz eine Gedenkveranstaltung für die Terroropfer abhielt, kam es unter der Beteiligung von islamistischen Akteur*innen am nur wenige Gehminuten entfernten Stephansplatz zu Gewaltaufrufen und antisemitischen Sprechchören. Die pro-palästinensische Mobilisierung als Reaktion auf den 7. Oktober war damit in Österreich ins Leben gerufen und von den ersten Minuten an bereits durch Terrorverherrlichung und antizionistischem Antisemitismus geprägt. Daran sollte sich auch in den folgenden Wochen wenig ändern.

Seither finden in ganz Österreich wöchentlich Demonstrationen, Kundgebungen, Informationsveranstaltungen und aktivistische Interventionen statt, die sich oberflächlich gegen die israelische Politik, den israelischen Staat und für die palästinensische Bevölkerung bzw. die palästinensische Sache aussprechen. Abgesehen von der Forderung nach einem Waffenstillstand – die sich an Israel und nicht an die Hamas richtet – und der Dämonisierung des „Zionismus“ als „Fremdkörper“ im Nahen Osten, der für alles Leid in der Region verantwortlich sei, haben die äußerst heterogenen Milieus, die sich an den Protesten beteiligen, wenig gemeinsam. Es handelt sich um palästinensische Vereine wie das Koordinationsforum zur Unterstützung Palästinas, offizielle Politiker*innen wie der palästinensische Botschafter Salah Abdel Shafi, islamistische Akteur*innen wie Adel Abdallah Doghman oder Yasser Gowayed, antiimperialistische Kleinstgruppen wie die Antiimperialistische Koordination (AIK) oder die Revolutionär-Kommunistische Organisation zur Befreiung (RKOB), salafistische Prediger wie Khalid Ott, queerfeministische Gruppierungen wie Queers4Palestine, Millî Görüş-nahe türkische Nationalist*innen, lokale Politiker*innen und Parteien wie die UID-nahe SÖZ unter Hakan Gördü, Personen des Reichsbürger*innemilieus wie etwa der Shoah-Leugner Peter Eckhardt und einzelne in der Öffentlichkeit stehenden Personen wie die Anwältin Astrid Wagner oder die muslimische Influencerin Baraa Bolat und einige mehr.

Neben vielen seit Jahren bekannten Akteur*innen haben sich seit dem 7. Oktober graswurzelartig zudem zahlreiche Initiativen gegründet, die versuchen in ihrem Sinne über den Konflikt aufzuklären, zu Protesten zu mobilisieren und regionale sowie überregionale Vernetzungsstrukturen zu schaffen. Auch in den sozialen Medien wurden zahlreiche Kanäle auf TikTok, Instagram und Telegram gegründet, die gegen den „Zionismus“ und für die „palästinensische Sache“ mobilisieren. Mit Blick auf die den Protest tragenden Organisationen wird gleichzeitig schnell klar, dass es sich immer wieder um dieselben handelt, die die Bewegung zusammenhalten und inhaltlich prägen. Die zentrale Dachorganisation hierfür ist die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ), auf deren Struktur und Zusammensetzung in dieser Recherche daher vertiefend eingegangen wird.

Die PSÖ – Dachorganisation für propalästinensische Agitation

Die Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) besteht in etwa seit dem Jahr 2019 und fungiert auch im Rahmen der aktuellen Mobilisierungswelle als zentrale Dachorganisation für verschiedene Personen und Personengruppen, um gemeinsam öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen im Sinne einer „Sensibilisierung“ für die Situation der palästinensischen Bevölkerung in der Westbank und in Gaza durchzuführen. Es ist davon auszugehen, dass BDS Austria bereits mit dieser Intention gegründet wurde, jedoch nicht in der Lage war, innerhalb des durchaus heterogenen Milieus der in Österreich im Sinne der „palästinensischen Sache“ auftretenden Gruppierungen einen Konsens herzustellen.

Unter dem ideologisch dünnen Mantel der PSÖ organisiert man seit dem 7. Oktober ein- bis zweimal pro Woche Demonstrationen, Kundgebungen und teilweise auch Veranstaltungen in den Landeshauptstädten (Wien, Graz, Salzburg, Innsbruck). Programmatische und inhaltliche Auseinandersetzung abseits eingeübter Allgemeinplätze sucht man mit Blick auf den Dachverband vergebens – die Website der PSÖ wird beinahe ausschließlich zur Bewerbung von eigenen Veranstaltungen genutzt. Als zwei programmatische Bezugspunkte gelten, wie es auf der Website der PSÖ heißt, lediglich die Agitation gegen den „Zionismus, dem jüdisch-ethnozentrischen Nationalismus und seinem ungebrochenen Streben nach einer apartheidförmigen, ethnisch-religiösen Dominanz über das gesamte Land“ und der Widerstand gegen die EU-Politik, die sich bedingungslos solidarisch mit „der israelischen Machtelite und Propaganda“ zeige. Sensibilisierung für die Situation von Palästinenser*innen in Gaza und der Westbank meint vor diesem Hintergrund also in erster Linie eines: die einseitige Agitation gegen Israel unter der systematischen Exklusion innerpalästinensischer Konflikte und den innerhalb dieser vorherrschenden Kräfteverhältnisse.

Leiter Franz Sölkner auf PSÖ-Kundgebung 2020 im Wiener Votivpark.

Online bezeichnet sich die PSÖ als „Plattform“, die gruppenübergreifend „solidarische Parteilichkeit“ demonstriert, um den Aufbau einer „international gut vernetzten Palästina-Solidaritätsbewegung“ zu befördern. Für jede Dependance der PSÖ existiert eine leitende Ansprechperson, während die konkrete Organisation von einem harten Kern – in Wien sprechen wir hier etwa von 10 bis 15 Personen – koordiniert, vorbereitet und durchgeführt wird. Überregionale Koordinationspersonen für Wien sind die Aktivisten der Antiimperialistischen Koordination (AIK) Martin Weinberger und Willi Langthaler, für die Steiermark der Leiter der Steirischen Friedensplattform Franz Sölkner, für Tirol und Vorarlberg der BDS-Aktivist Gerhard Summer, für Salzburg der Junge Linke-Aktivist Simon Macheiner, sowie für Oberösterreich Hafsa Zaki. Auf einige von ihnen werden wir in dieser Recherche noch vertiefend eingehen.

Die personelle Aufstellung spiegelt den Plattform-Gedanken der PSÖ wider, sind hier doch zentrale, langjährige Aktivist*innen des pro-palästinensischen Spektrums vereint. Wesentlich ist zudem der Umstand, dass es sich in der ersten Reihe ausschließlich um Akteur*innen handelt, die nicht direkt der palästinensischen Diaspora entstammen, sondern sich als Teil der internationalen Solidaritätsbewegung mit Palästina verstehen. Wichtig zu betonen ist allerdings, dass bei der Gründung der PSÖ selbst auch die Vereine der palästinensischen Community in Österreich anwesend waren, die über einen vereinsübergreifenden Aktionsausschuss (siehe nächstes Kapitel) maßgeblich in die Organisierung und Koordination der Demonstrationen involviert sind und diese auch personell prägen.

Die PSÖ fungiert so als „Brückenkopf“ zwischen der sich als antiimperialistisch verstehenden palästinensischen Solidaritätsbewegung und den Vereinsstrukturen der palästinensischen Community, wobei sich zweitere hinsichtlich der Anmeldung von Demonstrationen und der offiziellen Vertretung der PSÖ eher im Hintergrund halten, zugleich aber bei den Kundgebungen in der Regel als organisierende Kraft auftreten und mutmaßlich auch bei internen Entscheidungsprozessen gewichtige Stimmen sind. Neben den antiimperialistischen Gruppierungen der PSÖ werden daher auch die palästinensischen Vereine in dieser Recherche behandelt sowie deren Führungspersonen, die sich in vielen Fällen dezidiert antizionistisch und antisemitisch betätigen und auch Kontakte in islamistische Milieus innerhalb und außerhalb der palästinensischen Gruppierungen pflegen.

Wie zentral antizionistischer Antisemitismus als weltanschauliches Element im politischen Kampf der PSÖ ist, lässt sich anhand der Wiener PSÖ-Gruppierung illustrieren: Zumeist wird der israelische Staat und der Zionismus als absoluter und überhistorischer Feind identifiziert. Die Dämonisierung und Delegitimierung Israels und dessen Politiker*innen ist im Online-Diskurs der zentralen PSÖ-Funktionär*innen ubiquitär und äußert sich häufig in der Gleichsetzung Israels mit dem Nationalsozialismus oder dem Islamischen Staat (IS). Auch antisemitische Karikaturen, die Verbreitung antisemitischer Verschwörungsmythen und die Propagierung eines radikalen Vernichtungsantisemitismus lassen sich auf den Social-Media-Seiten einschlägiger Akteur*innen finden. Die Betätigung der PSÖ-Akteur*innen geht weit über die Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung hinaus und äußert sich häufig in antisemitischer Agitation.

So posteten etwa die PSÖ-Aktivist*innen Ghalia Katja Hermannová und ihr Ehemann Ahmad Hilal Todesurkunden des Staats Israels mit der Ankündigung, dass dessen Existenz bald sein Ende findet. Charakteristisch für die medial orchestrierten Hetzkampagnen der PSÖ ist auch die Gleichsetzung Benjamin Netanyahus mit Adolf Hitler, oder gar die wüste Behauptung, das Vorgehen des israelischen Staates würde über die Verbrechen des Nationalsozialismus hinausgehen. In weitverbreiteten Sharepics wird so etwa verkündet, dass die Zahl der täglich in Gaza getöteten Kinder die Zahl der in Auschwitz ermordeten bei Weitem überschreiten würde – die angeblich gezielte Vernichtung palästinensischer Kinder durch die israelische Armee also über den bürokratisch geplanten und industriell vollzogenen Massenmord des NS-Regimes hinausgehen würde.

Zeitgenössisch verpackter Antisemitismus ist dabei auch als vereinendes Element des heterogenen politischen Spektrums zu erachten: Ob hochrangige Mitglieder großer palästinensischer Vereine, antiimperialistische Linke oder postkoloniale Aktivist*innen – die Dämonisierung Israels sowie schockierend offener, wüster Antisemitismus werden medial aufbereitet und mit der Öffentlichkeit geteilt. Kleinere Gruppen wie das Wiener Handala-Kulturforum liefern passende – oftmals wüst antisemitische – Social-Media-Grafiken, die dann zahllose Male repostet und verteilt werden. Dass der verbreitete Antisemitismus auch von einem real-politischen Programm konturiert wird, zeigt ein Blick auf die in der PSÖ aktiven palästinensischen Vereine – ist doch das dort vorherrschende Klima geprägt von Terror-Apologetik.

Die PSÖ-nahen palästinensische Vereine in Wien und deren Akteur*innen auf den Demos der PSÖ.

Neben antiimperialistischen Gruppierungen, die sich pro-palästinensisch betätigen, sind es also Organisationen der palästinensischen Community, die als zentrale Kraft der PSÖ auftreten. Wesentliche Akteur*innen auf Vereinsebene sind dabei die Palästinensische Gemeinde Österreichs (PGÖ), die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung (PÄAV), die Demokratische Palästinensische Vereinigung Österreich (DPFÖ), das Handala Kulturforum, das Koordinationsforum für die Unterstützung Palästinas (KFUP) und die Palästinensische Jugend Österreichs (PJÖ). Diese Vereine sind unter sich wiederum im sogenannten Gemeinsamen Palästinensischen Aktionsausschuss (GPA) zusammengeschlossen und entfalten über diesen auch eine gewisse Vormachtstellung innerhalb der PSÖ. Teil des Aktionsausschusses sind Mitglieder des Hamas-nahen KFUP, der Fatah-nahen PGÖ, der nicht definitiv zuordenbaren PÄAV und der DFLP-nahen DPFÖ. Eine detaillierte Analyse der Organisationen folgt im Zuge dieser Recherche.

Der GPA, v. l. n. r.: 3. v. l. Kamal Hachicho, Shadi Abu Daher, Haitham Awartani, Adel Doghman, unbekannt, Imad Samour und Munther Merai.

Dass im GPA die drei zentralen politischen Lager der palästinensischen Politik zumindest strategisch vereint sind, spiegelt die realpolitische Bedeutung des Ausschusses wider – oftmals sind es nämlich innerpalästinensische Konflikte und historisch bedingte Kooperationsschwierigkeiten (Stichwort Hamas-Putsch 2007 sowie die sukzessive Ausschaltung aller progressiven Kräfte in Gaza, unabhängiger Medienagenturen, Journalist*innen, Einführung islamischen Rechts und Sittenwacht usw.), die das pro-palästinensische Milieu in unvereinbare Blöcke zerfallen lässt. Wenn es gegen Israel geht, ist man aber dazu bereit, Konflikte ruhigzustellen, und als geeinter Block nach außen aufzutreten.

Bei der Gründungsveranstaltung der Palästina Solidarität Österreich (PSÖ) traten der GPA als Zusammenschluss der palästinensischen Vereine und die Funktionäre Adel Abdallah Doghman (KFUP) und Haitham Awartani (DPFÖ) als Redner auf. Aufgrund der personellen und organisatorischen Stärke der PGA ist davon auszugehen, dass diese innerhalb der Palästina Solidarität Österreich tonangebend sind und sich nur strategisch im Hintergrund halten – proportional gesehen verfügen die antiimperialistischen Gruppen über keine politische Mehrheit innerhalb des Dachverbandes. Neben den Mitgliedsvereinen der PGA sind für die Beurteilung der internen Strukturen der PSÖ zudem die Palästinensische Jugend Österreich (PJÖ) und der Verein Handala relevant: Bei der PJÖ handelt es sich um eine politisch nicht klar strukturierte Gruppierung, die jedoch – darauf deutet ihr öffentliches Auftreten hin – eine Nähe zu türkisch-nationalistischen Kräften aufweist. Handala wiederum ist für die Öffentlichkeitsarbeit und die Erstellung von Grafiken relevant und stellt teilweise militanten Vernichtungsantisemitismus in lockeren Cartoons und Animationen für die mediale Aufbereitung und Inszenierung bereit.

KFUP-Leiter Adel Doghman (li.) und DPFÖ-Leiter Haitham Awartani auf der Gründungsveranstaltung der PSÖ.

Die PGÖ. Fatah-nahe, übergreifende Community-Organisation.

Die Palästinensische Gemeinde Österreich (PGÖ) ist bei Demonstrationen der PSÖ regelmäßig mit Transparenten und Schildern vertreten, auf denen Israel als „Kindermörder“, faschistischer Staat und Völkermörder oder Benjamin Netanjahu als „Sheytan“ bezeichnet wird. Bei der PGÖ handelt es sich um einen eingetragenen Verein, der über eine große Mitgliederzahl verfügen dürfte und dessen Funktionär*innen regulär gewählt werden. Auf weltanschaulicher bzw. politischer Ebene ist der Verein überwiegend der Fatah und DFLP zuzuordnen, auch wenn Exponenten wie Adel Abdallah Doghman eine Nähe zur Hamas aufweisen. Derzeitiger Präsident der PGÖ ist satzungsgemäß der Allgemeinmediziner Sami Ayad, der regelmäßig als Redner bei Veranstaltungen der PSÖ auftritt und die Gemeinde in der Öffentlichkeit vertritt.

Die Nähe der PGÖ zur Fatah und zur Palästinensischen Autonomiebehörde lässt sich an zwei zentralen Akteuren näher beleuchten: Sowohl der Schriftführer Imad Samour als auch der ehemalige Vorsitzende Munther Merai (auch Abu Zeid genannt) sind regelmäßige Gäste der Palästinensischen Autonomiebehörde und teilen häufig die offiziellen Stellungnahmen der Fatah. Darüber hinaus zeigen Fotos Imad Samour mit Yasser Arafat und Mahmoud Abbas, und auch Merai scheint bei zweiterem zu Gast gewesen zu sein. Die Funktionäre der PGÖ sind also international vernetzt und repräsentieren nicht nur die Anliegen der palästinensischen Community in Österreich, sondern treten auch als Sprachrohr der palästinensischen Politik auf. Imad Samour unterhält zudem enge Beziehungen zu dem rechtsextremen Antisemiten Dr. George Nicola und der PÄAV, auf die im weiteren Verlauf dieser Recherche noch näher eingegangen wird.

Alzaharna bei Aktion von BDS.

Von Relevanz ist ferner der gewählte PGÖ-Funktionär Quasem Alzaharna, der auch als wichtiger Organistor des PSÖ-Auftritts fungiert und Videos sowie Streams für den Social Media-Auftritt der PSÖ anfertigt. Früher war Alzaharna Vorstand der PJÖ – dort forcierte er die enge Kooperation mit BDS Austria und dem KFUP, regelmäßig etwa kam man mit BDS zu Aktionen und Kundgebungen zusammen, während man mit dem KFUP u. a. ein alljährlich stattfindendes Familienfest organisiert. Zur politischen Gesinnung Alzaharnas lässt sich wenig sagen, vor dem Hintergrund der PGÖ wird sicherlich eine gewisse Fatah-Nähe zu konstatieren sein, wenn auch die enge Kooperation mit dem Hamas-nahen KFUP zumindest auf eine mutßmaliche Indifferenz gegenüber der islamistischen Ausrichtung des KFUP hindeuten.

Alzaharna auf dem Lautsprecherwagen, die ersten Reihen der Demonstration koordinierend.

Die DPFÖ. Österreichisch-schweizerischer Ableger der DFLP.

Awartani auf einer Demonstration der PSÖ.

Bei der DPFÖ handelt es sich um eine primär marxistisch-leninistisch sowie maoistisch ausgerichtete Gruppierung, die ideologisch der palästinensischen Terrororganisation DFLP nahesteht. In leitender Funktion dürfte Dr. Haitham Awartani tätig sein, der regelmäßig bei Demonstrationen der PSÖ und des APC anwesend ist und dort auch als Redner auftritt. Awartani agiert jedoch nicht nur als pro-palästinensischer Aktivist: Wie Bilder eines Treffens mit dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun vom November 2016 zeigen, scheint Awartani zur Führungsriege der Terrororganisation DFLP selbst zu zählen und Kontakte zu hochrangigen Mitgliedern des Politbüros der DFLP zu unterhalten. Zudem teilt Awartani regelmäßig DFLP-Propaganda auf seinen Social-Media-Seiten.

Zum Hintergrund der DFLP: Einer der Anschläge, für den diese am bekanntesten ist, war das Massaker von Ma’alot im Jahr 1974, bei dem 25 Schulkinder und Lehrer getötet wurden. Bei der Aktion drangen drei als IDF-Soldaten verkleidete DFLP-Kämpfer in Ma’alot ein, töteten eine israelisch-arabische Familie und ihren vierjährigen Sohn, drangen in ein Schulgebäude ein und nahmen 115 Minderjährige als Geiseln, um inhaftierte DFLP- und JRA-Aktivisten (Japanische Rote Armee) freizupressen. Bei einem Befreiungsversuch durch israelische Spezialkräfte ermordeten die DFLP-Kämpfer 21 minderjährige Schüler*innen und 10 weitere Personen und verwundeten 60 schwer.

Das Auftreten Awartanis, aber auch anderer Personen wie der ebenfalls der DPFÖ zuzurechnende Wesam Rafeh, die wie im Falle Awartanis als auch Rafehs in zentralen Funktionspositionen bei Veranstaltungen der PSÖ agieren, bestätigt die Einschätzung, dass es sich bei der PSÖ um ein zwar legalistisch vom antiimperialistischen Spektrum getragenes, aber durchaus von den palästinensischen Vereinen strukturiertes Unternehmen handelt. Wie krude und menschenverachtend das Weltbild der betreffenden Akteur*innen oft ist, zeigt ein Posting von Rafeh, in dem die drei Kämpfer der „Kamal Nasser Einheit“, die für das Massaker von Ma’alot verantwortlich waren, als „rechtschaffene Märtyrer“ und „Helden“ glorifiziert werden. Das sind also unter anderem die zentralen Organisator*innen hinter den Protestmobilisierungen seit dem 7. Oktober und auch im Falle des Angriffs der Hamas verklären sie den gezielten Mordanschlag auf Zivilist*innen als Befreiungsakt.

Rafeh beim Koordinieren von Ordnern auf PSÖ-Demonstration.

Die PÄAV. Antisemitismus, Rechtsextremismus und Salafismus.

Eine mindestens ebenso wichtige organisatorische Rolle in der aktuellen Mobilisierungswelle spielt die Palästinensische Ärzte- und Apothekervereinigung (PÄAV), die bei fast allen Demonstrationen präsent ist. Der offiziell eingetragene Verein setzt sich mutmaßlich aus einigen Angehörigen medizinischer und pharmazeutischer Berufe zusammen und stellt bei den seit dem 7. Oktober stattfindenden Demonstrationen meist ein bis zwei Redner*innen. Die PÄAV ist wie die anderen palästinensischen Vereinigungen seit vielen Jahren eine aktive mobilisierende Kraft, wenn es um Demonstrationen, Kundgebungen und Veranstaltungen gegen Israel und für die palästinensische Sache geht. Er wurde am 12. Jänner 2020 mutmaßlich von dem Internisten Dr. Shadi Abu Daher, der derzeit als Kassier fungiert, und dem bereits erwähnten Dr. Georg Nicola gegründet und hat seinen Vereinssitz in der Kegelgasse 25, 1030 Wien. An dieser Adresse ist laut Vereinsregister auch die PGÖ eingetragen – man teilt sich also die Räumlichkeiten und auch die Gründungsveranstaltung der PSÖ fand an dieser Adresse statt.

Shadi Abu Daher bei Rede auf Demonstration der PSÖ am 09. Dezember 2023 in der Wiener Innenstadt.

Sowohl Abu Daher als auch Nicola fielen und fallen immer wieder durch rabiaten Antisemitismus und Holocaustleugnung auf, im Falle Nicolas auch durch Kontakte ins rechtsextreme und antisemitische Burschenschafts- und Landsmannschaftsmilieus. Schon ein kurzer Blick auf Abu Dahers Facebook-Auftritt zeigt sein von militantem Antisemitismus geprägtes Weltbild: Gleichsetzungen des Staates Israel mit Hitler-Deutschland und Netanjahus mit Hitler sowie die „Feststellung“, der Staat Israel ermorde täglich mehr Kinder als Hitler in Auschwitz, sind an der Tagesordnung. Vergleiche des israelischen Bombardements mit dem Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sind ebenso zu finden wie die symbolische Darstellung des Staates Israel als Pistole, die Neugeborene hinrichtet. Auffällig scheint auch eine Affinität zur salafistischen Szene: So teile Abu Daher Videos des deutschen Salafi-Predigers Pierre Vogel, der sich wie viele andere Kalifatsakteure des Nahost-Konflikts bedient, um Anhänger*innen für radikalislamistische Ideenwelten anzuwerben. Auch von der PFLP-Terroristin Leila Khaled zeigt sich Abu Daher begeistert: Als Khaled 2016 auf Einladung des OKAZ (Österreichisch-Arabisches Kulturzentrum in Wien) und Handala Wien besuchte und einen Vortrag hielt, war auch Abu Daher unter den zahlreichen Besucher*innen und erschien nachher freundschaftlich verbunden mit Khaled auf einem aufgenommenen Gruppenfoto.

Auffällig ist auch, dass Abu Daher in den sozialen Medien Inhalte des ehemaligen Identitären und nunmehrigen Leiters des Suworow-Instituts, Alexander Markovics, teilt: Markovics, der sich über die Jahre zu einem Anhänger Dugins (Eurasien-Ideologie) entwickelt hat, fällt nicht nur immer wieder durch diverse explizit pro-islamistische Aussagen, sondern vor allem durch offen artikulierten Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus auf. Auch zum Überfall der Hamas auf Israel äußerte sich Markovics am 8. Oktober: Der Hamas-Angriff habe Israel „kalt erwischt“ und sei als militärische Reaktion auf eine „erneute Schändung der al-Aqsa-Moschee“ durch israelische Soldat*innen zu werten. Der „vermeintliche“ Terror gegen Israel sei legitimer Widerstand, da Israel ein Terror- und Apartheidstaat sei, dessen Ziel es sei, einen „schleichenden Genozid“ am palästinensischen Volk durchzuführen. Damit perpetuiert Markovics durchaus das, was auch auf den Veranstaltungen der PSÖ im Allgemeinen ideologisch vertreten wird. Die Tatsache, dass Abu Daher den wenig bekannten Faschisten Markovics zu kennen scheint und dessen Outlets verfolgt, gibt sowohl Aufschluss über die Anschlussfähigkeit der von Markovics propagierten neuen „multipolaren“ Weltordnung – die im Nahen Osten übrigens die Unterstützung des iranischen Regimes bedeutet – als auch über den politisch in allen Spektren grassierenden Antisemitismus, der als Bindeglied zwischen den verschiedenen ideologischen Lagern fungiert.

Die Ansichten Abu Dahers stellen jedoch innerhalb der PÄAV keine Ausnahme, sondern eher die Regel dar. Auch George Nicolas‚ Weltbild ist offensichtlich von antisemitischen Verschwörungsmythen geprägt. So feierte er – wie auch die später behandelte Antiimperialistische Koordination (AIK) – Al-Qaida für den Anschlag vom 11. September 2001, verbreitete die wüste antisemitische Verschwörungstheorie, Israel habe den Anschlag insgeheim gesteuert, um die USA zu manipulieren, glorifizierte den irakischen Diktator Saddam Hussein und unterhielt zumindest in der Vergangenheit beste Kontakte zur rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM). Mit dieser veranstaltete er beispielsweise im Haus der Heimat in Wien Landstraße eine Podiumsdiskussion zum Thema „Von Beneš zu Sharon. Sudetendeutsche und Palästinenser – entrechtet und vertrieben“. Diese Gleichsetzung verdeutlicht einmal mehr die revisionistische Gesinnung Nicolas‘, aber auch der PÄAV und zeigt, wie tief rechtsextreme Denkfiguren das Handeln eines ehemaligen zentralen Funktionärs der Vereinigung prägen.

Auch die derzeitige Vorsitzende der PÄAV, die Notfallmedizinerin Dr. Rula al-Harbi, belegt die Kontinuität rechtsextremen Gedankenguts in der sich neutral und humanitär gebenden Organisation: Ihr öffentliches Auftreten schreckt nicht vor Gleichsetzungen des Staates Israel mit Hitler-Deutschland sowie Dämonisierungen des Staates Israel und der hebräischen Sprache im Allgemeinen zurück. Darüber hinaus identifiziert sich al-Harbi inhaltlich offenbar mit der militanten salafistischen Szene: So teilte sie ein TikTok-Video des salafistischen Predigers Yasin Bala aus Göttingen, der unter dem Pseudonym Yasin al-Hanafi seine „Lehre“ im Internet verbreitet. Al-Hanafi ist Mitglied der norddeutschen Gruppierung Im Auftrag des Islam (IADI), die aus der von Cemaleddin Kaplan (ehemaliger Weggefährte von Necmettin Erbakan) und später von dessen Sohn Metin Kaplan absolutistisch geführten Gruppierung Kalifatstaat Köln hervorgegangen ist. Nach der Verhaftung Metin Kaplans wegen Anstiftung zum Mord und seiner Abschiebung in die Türkei in den 2000er Jahren übernahm die IADI dessen Nachfolge im Geiste Cemaleddin Kaplans (zur IADI und ihrer Geschichte siehe hier). Gefordert wird ein islamisches Kalifat, das absolutistisch von einem Kalifen nach den Gesetzen der Schariʿa regiert wird. Doch worum geht es in dem konkreten Video, das al-Harbi geteilt hat? Al-Hanafi leugnet darin die Möglichkeit eines „islamistischen Antisemitismus“ – denn zum einen seien alle Araber*innen Semiten und zum anderen sei eigentlich der Rassismus der „zionistischen Juden“ antisemitisch, da schließlich vor allem Araber*innen Semiten seien.

Das KFUP. Hamas-Unterstützung und Muslimbruderschaft-Propaganda.

Ein weiterer wichtiger, wenn nicht der zentrale Akteur der PSÖ ist das Koordinationsforum für die Unterstützung Palästinas (KFUP), das bereits in den 2000er Jahren gegründet wurde. Es wird von dem der Hamas und den Muslimbrüdern nahestehenden Aktivisten Adel Abdallah Doghman geleitet. Doghman ist eine national und international in verschiedenen politischen Spektren vernetzte Persönlichkeit. Mitte der 2010er Jahre war er Vorsitzender der Palestinians in Europe Conference (PEC), einer jährlich stattfindenden internationalen Konferenz, die von der europäischen Hamas-Zentrale, dem Palestinian Return Centre (PRC) mit Sitz in London, in verschiedenen europäischen Metropolen organisiert wird und an der regelmäßig internationale Spitzenpolitiker*innen unter anderem aus dem Libanon und Marokko teilnehmen. Nach Ablauf der Legislaturperiode des PEC wurde Doghman von seinem niederländischen Bekannten Amin Abu Rashed abgelöst – Abu Rashed, der wegen Terrorfinanzierung in den Niederlanden inhaftiert ist, ist bis heute offizieller Leiter des PEC. Sowohl Abu Rashed als auch Doghman waren bereits mindestens einmal bei Hamas-Führer Ismail Haniyeh zu Gast – ausgerechnet im November 2012, als die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel intensiviert wurden. Ein weiteres Foto belastet Doghman hinsichtlich seiner Beziehungen zu islamistischen Kreisen: Ebenfalls 2012, mutmaßlich im Rahmen derselben Reise, ist dieser bei einer öffentlichen Veranstaltung mit Haniyeh und dem ägyptisch-österreichischen Muslimbruder und Vertrauten des damaligen ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi, Ayman Ali, zu sehen.

Ali mit Haniyeh und Doghman rechts.

Zentrale Wirkungsstätte Doghmans scheint aber Wien geblieben zu sein: Bereits 2003 meldete das US-Finanzministerium über die Intelligence Community an das damalige BVT (heute DSN), dass der von Adel Abdallah Doghman geleitete Palästinensische Verein in Österreich (PVÖ) über die sogenannte „Union of the Good“ Spendengelder an die Hamas weiterleite. Vermutlich aufgrund des Repressionsdrucks löste sich die PVÖ auf und gründete in der Folge den Palästinensischen Humanitären Verein (PHV), zu dem auch die PGÖ unter Munther Merai enge Kontakte unterhielt. Doghman fungierte nun nicht mehr als offizieller Leiter, sondern der muslimische Religionslehrer Hani Abdelhalim und der ehemalige PVÖ-Funktionär Osameh Atiq übernahmen das Präsidentenamt. Beteiligt waren auch Al Hajj Salih Tartusi, ebenfalls muslimischer Religionslehrer, und Usama Schumriyah. Sowohl Abdelhalim, Tartusi als auch Schumriyah waren zentrale Akteur*innen, die in dem Bericht der US-Geheimdienste identifiziert wurden. Alle drei sollen laut US-Diensten Hamas-Vertreter sein, die Geld für den militanten Kampf gegen den Staat Israel sammeln.

Während diese Verbindungen bei Tartusi und Schumriyah kaum nachweisbar sind, stellt sich die Situation bei Abdelhalim anders dar. Denn Abdelhalim war nicht nur ein enger politischer und ideologischer Weggefährte Doghmans, wie etwa Fotos mit Doghman bei Spendenveranstaltungen im Jahr 2009 belegen, sondern pflegt auch selbst beste Kontakte in militante Muslimbruderschaftskreise. Dies zeigte unter anderem eine Podiumsdiskussion mit dem ehemals hochrangigen militanten ägyptischen Muslimbruder Kamel al-Helbawy an der Universität Graz im Rahmen einer Veranstaltungsreihe 2005-2008, die vom führenden Vertreter der Liga Kultur, Kamel Mahmoud, und der IGGiÖ unter Anas Shakfeh organisiert wurde. Al-Helbawy galt lange Zeit, auch zum Zeitpunkt der Veranstaltung, als führender Kopf der ägyptischen Muslimbruderschaft. Bemerkenswert an der Vita al-Helbawys ist auch, dass er 1988 als Vertreter der ägyptischen Muslimbruderschaft zu Abdallah Azzam nach Peschawar geschickt wurde, um dort den Einfluss der Muslimbruderschaft auf die militante jihadistische Mudschaheddin-Szene der Maktab al-Chadamat um Azzam und Osama bin-Laden zu stärken.

Während lange Zeit weder gegen die Vereine noch gegen die dahinter stehenden Akteure konkrete Beweise für die Weiterleitung von Spenden an indizierte Vereine vorlagen, änderte sich dies im Jahr 2007, da die genannten Wiener Akteure weiterhin im Visier der internationalen Intelligence Community standen und auch das österreichische BVT diesen Personenkreis beobachtete. Im Jahr 2007 ging dann eine Spende von mindestens 40.000 € an das „Al Salah Islamic Committee“, das von einem Mitglied des Politbüros der Hamas, Ahmad al-Kurd, geleitet wird. In der Folge wurden auch die österreichischen Behörden aktiv. Noch 2007 kam es laut Zeit-Bericht zu Hausdurchsuchungen bei Doghman, Abdelhalim und Tartusi. Der Verein löste sich wieder auf – ob es zu Verurteilungen von Abdelhalim, Tartusi, Atiq oder anderen Beteiligten kam, ist unklar. Doghman ging jedoch erneut ungeschoren aus den Ermittlungen hervor. In der Folge scheint er mit zwei weiteren Akteuren, nämlich Bouazizi Tahar und Kamal Hachicho, das KFUP gegründet zu haben, während Osameh Atiq mit Ergün Bilic, dem Funktionär der Islamischen Föderation in Wien (IFW, offizielle Verbandsstruktur von Milli Görüş in Österreich) den Verein Human Help gründete, dem sich diese Recherche zu einem späteren Zeitpunkt noch widmen wird.

Ab Mitte der 2000er Jahre spielte das KFUP eine wichtige politische Rolle innerhalb des pro-palästinensischen Spektrums in Österreich: Es organisierte jährlich kleinere Palästina-Konferenzen analog zur internationalen PEC-Konferenz in Wien, die regelmäßig von hochrangigen Funktionären der Muslimbruderschaft nahestehender Parteien und Organisationen aus dem Maghreb und Europa besucht wurden. In diesem Zusammenhang ist vor allem die 27. Konferenz im Jahr 2016 zu erwähnen, bei der Scheich Abdel Fattah Moroh, der Gründer der der islamistischen Muslimbruderschaft nahestehenden tunesischen Partei Ennahda, Mohamed al-Yatim, der Vorsitzende der ebenfalls diesen nahestehenden marokkanischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, sowie Dr. Mazen Kahel, der Vorsitzende des von mehreren westlichen Staaten als Terrororganisation gelisteten Comité de Bienfaisance et de Secours aux Palestiniens, als Referenten geladen waren. Aber auch in der Vergangenheit traten fragwürdige Gäste auf der Konferenz auf, so z.B. 2013 der der Muslimbruderschaft nahestehende britische Politiker Dr. Azzam al-Tamimy oder 2018 der Mitbegründer des PRC Dr. Majed Alzeer.

Der islamistische Einschlag der Ereignisse ist angesichts der Akteure des KFUP nicht verwunderlich, da neben Doghman auch Hachicho einschlägige islamistische Töne anschlägt: So teilt Hachicho online Hamas-Propaganda, die heroisch zeigt, wie Hamas-Kämpfer Raketen bauen, bekennt sich zum iranischen Mullah-Regime, verbreitet antisemitische Hassbotschaften, relativiert die Shoah und dämonisiert den Staat Israel. Und auch Bouazizi agiert ähnlich: So finden sich Postings des Hizbollah-Gründers Sobhi al-Tufayli, Bewerbungen islamistischer tunesischer Ennahda-Politiker aus dem direkten Umfeld des Ennahda-Führers Rached Ghannoushi oder eine in Wien abgehaltene Veranstaltung mit Abdel Fattah Moro und einem weiteren Ennahda-Politiker zum Thema Arabischer Frühling in seinem Social-Media-Auftritt. Auch in diesen Fällen wird deutlich, dass für die Akteur*innen des KFUP Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung ohne die Affirmation islamistischer Propaganda und antisemitischer Vernichtungsphantasien kaum denkbar ist.

Ob und wie viele weitere Personen im KFUP aktiv sind, ist nicht bekannt – das KFUP führt jedoch regelmäßig öffentliche Veranstaltungen durch, was angesichts der ideologischen Verstrickungen als höchst problematisch anzusehen ist. So organisiert das KFUP neben den jährlichen Konferenzen auch verschiedenste Panels zu diversen Themen, die thematisch bis hin zur Gefährlichkeit des Covid-19-Virus reichen. Darüber hinaus stellt das KFUP ein wichtiges Zugpferd in der österreichischen pro-palästinensischen Protestlandschaft dar: Nahezu jede öffentliche Protestveranstaltung trägt das Logo der KFUP, man ist untereinander gut vernetzt und bis 2020 finden sich regelmäßig Livestreams von PSÖ-Demonstrationen auf der KFUP-Homepage, wofür vor allem Kamal Hachicho verantwortlich sein dürfte.

Doghman mit türkischem Staatspräsidenten Erdoğan.

Dennoch scheint die KFUP grundsätzlich von Doghman abhängig zu sein: Dieser kann als international bedeutende Figur innerhalb der palästinensischen Diaspora angesehen werden, der Kontakte zu diversen Diaspora-Organisationen in Europa, der Türkei und dem Libanon sowie Verbindungen in die Spitzenpolitik Marokkos, Tunesiens, des Libanon, der Türkei, aber auch von EU-Staaten unterhält. Hervorgehoben seien hier nur zwei Fotos: Das erste ist undatiert, zeigt aber Doghman vor einem Parteigebäude der Saadet Partisi mit zwei namentlich genannten Funktionären. Bei Saadet handelt es sich um jenen Teil der Millî-Görüş-Bewegung, der sich aktiv für eine islamistische parteipolitische Ausrichtung entschied, während der zweite Teil der Bewegung unter Cemaleddin Kaplan in einer Kalifatsbewegung aufging. Das zweite Foto zeigt Doghman mit dem AKP-Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei einer Gewerkschaftsveranstaltung der palästinensischen Diaspora. Doghman brachte seine Freude über die Unterstützung des türkischen Staatspräsidenten für die Organisation des palästinensischen Widerstands zum Ausdruck.

Abdallah Doghmans Sympathie für Millî-Görüş und Erdoğan kommt nicht von ungefähr: Nicht nur aufgrund ideologischer Gemeinsamkeiten zwischen Millî-Görüş und Hamas-nahen Agitatoren oder der aktiven Unterstützung militanter palästinensischer Gruppen durch Erdoğan und Ali Erbaş‘ Diyanet lässt sich ein Naheverhältnis ableiten – denn gerade in Wien und Österreich gab es immer wieder gute Kontakte zwischen Akteur*innen der Muslimbruderschaft, die sich insbesondere im Liga Kultur Verein sammelten, und der IFW, vor allem im Rahmen der Organisation der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Während noch in den 2000er Jahren Akteur*innen aus dem Umfeld der Muslimbruderschaft die religiös-politische Ausrichtung der IGGiÖ prägten, übernahmen in den 2010er Jahren sukzessive Vertreter der IFW die Führung der IGGiÖ. Die Kontakte bestehen aber weiterhin. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Kontakte Doghmans auch hier über die Grenzen Österreichs hinausreichen – denn der Besuch Doghmans bei Millî-Görüş fand offenbar direkt in der Türkei statt, was auf einen direkten Kontakt zu Funktionären des türkischen Staates hindeutet.

Die PJÖ & Rahma. Zwischen KFUP, Antisemitismus und türkischem Nationalismus.

Rede von PJÖ-Funktionär Basel Ayosh am 02. Dezember 2023 auf PSÖ-Demonstration.

Abschließend soll an dieser Stelle noch die Palästinensische Jugend Österreich (PJÖ) angeführt werden, bei der es sich um eine Jugendorganisation handelt, die keinem anderen politischen Dachverband eindeutig zuordenbar ist, innerhalb der aktuellen Mobilisierungen aber eine relevante Stellung einnimmt. Mutmaßlich handelt es sich um einen losen Zusammenhang, der nicht als eingetragenen Verein agiert – lediglich Quasem Alzaharna als ehemaliger Leiter der PJÖ sowie der am 02. Dezember 2023 für die PJÖ als Redner aufgetretene Basel Ayosh lassen sich eindeutig zuzuordnen. Gleichzeitig fällt die PJÖ durch ihre mediale Präsenz und die rege Bewerbung von PSÖ-Veranstaltungen, wie die Nutzung deren Logos auf. Wichtig ist zudem, dass sie aktiv antisemitische Hetze verbreitet: Israel wird so etwa in Social-Media-Postings als Krake symbolisiert, der die türkisch-palästinensische Freedom-Flottilas noch vor ihrer Ankunft vernichtet. Die IDF wird als eine Armee von bestialischen Hunden dargestellt und Israel regelmäßig als Terrorstaat verunglimpft. Immer wieder bewarb die PJÖ auch die Konferenzen der KFUP, an denen – wie bereits dargestellt wurde – namhafte Akteur*innen der Muslimbrudscherschaft und deren Umfeld partizipieren. Wie auch das KFUP verbreitet die PJÖ zudem vielfach Spendenveranstaltungen des Hilfsvereins Rahma, der sich als humanitäre Hilfsorganisation von für in Not geratene muslimische Communitys in Afrika und Asien einsetzt und eine Zweigstelle in Istanbul betreibt.

Der Verein Rahma weist dabei Verbindungen zum Umfeld der KFUP und auch der PGÖ auf. So fungiert der ehemalige PGÖ- und PHV-Funktionär Osameh Atiq als Kassier und war vor einiger Zeit auch Vorsitzender des Vereins. Der PGÖ-Funktionär Hermas Hermas fungiert als stellvertretender Kassier, Hassan Taher als Geschäftsführer, Ömer Batur als Stellvertreter und Ayse Akay als Schriftführerin. Darüber hinaus gibt es Verbindungen von Rahma in islamistische Kreise: So wird in den 2010er-Jahren  regelmäßig mit der Jugend der Kulturliga, der Jugendorganisation des österreichischen Zentralverbandes der Muslimbruderschaft, zusammengearbeitet, um Spendenaufrufe zu bewerben. Mit Osameh Atiq findet sich zudem ein Abdallah Doghman nahestehender Akteur im Verein, der dem Spektrum der Hamas-Unterstützer zuzuordnen ist. Auch zu türkisch-turanistischen Vereinigungen unterhält Rahma rege Beziehungen: So organisierte sie gemeinsam mit der Avrupa Türk Konfederasyon (ATK), die als transnationaler europäischer Dachverband der faschistischen MHP auftritt, und der Avusturya Türk Federasyon (ATF), dem österreichischen Dachverband der turanistischen Ülkücü-Bewegung („Graue Wölfe“), der auch über einen eigenen Moscheeverein bzw. Moscheenverband verfügt, dem 29 Moscheevereine in Österreich angehören, ein gemeinnütziges Fußballturnier auf der Wiener Donauinsel, bei dem Geld-, Kleider- und Lebensmittelspenden gesammelt werden sollten.

Zu der Kleidersammlung auf der Donauinsel hatte auch eine weitere Akteur*in des pro-palästinensischen Spektrums aufgerufen. Es handelt sich um Hanife Adaa, Vorständin von Yetis Bacim Dernegi, einem Verein, der Frauen aus Gewaltbeziehungen helfen soll. Adaa vertritt sowohl privat, als auch mit ihrem Verein regelmäßig undifferenzierte pro-palästinensische, wie auch türkisch-nationalistische Positionen und kooperierte mehrfach mit Rahma. So posierte sie etwa bei einer Veranstaltung des AKP-Lobbyvereins UID, glorifizierte den türkisch gestützten Einmarsch Aserbaidschans in Bergkarabach, nimmt an Empfängen der türkischen Botschaft in Wien teil und verbreitet Propaganda von Erdoğans Leibarzt und parteilosem Gesundheitsminister Fahrettin Koca. Auch bei Demonstrationen der PSÖ war Adaa anwesend, trug Hochtransparente und scheute sich nicht davor zurück, ihren Verein für die Propaganda zu instrumentalisieren.

Die linke Querfront. AIK, RKOB/RCIT, APC und der Kampf gegen den westlichen Imperialismus.

Als sich der Dachverband Palästina Solidarität Österreich im Jahre 2019 in den Räumlichkeiten der PGÖ/PÄAV in der Kegelgasse 25 gründete, waren linke, antiimperialistische Gruppierungen aus Wien erwartungsgemäß rege daran beteiligt. Lokal bekannte, aber darüber hinaus realpolitisch und innerhalb der organisierten Linken irrelevante Funktionär*innen antiimperialistischer Kleinstgruppen, die vor allem durch politische Kooperationen mit islamistischen, meist der Muslimbruderschaft nahestehenden Vereinen und rechtsextremen Akteur*innen, sowie ihrem vulgärmarxistischen Antisemitismus aufgefallen waren, reihten sich in die PSÖ ein und agieren bis heute als primäre Ansprechpersonen des Dachverbands.

Als Kopf der PSÖ tritt zumindest legalistisch der 1969 in Graz geborene Wilhelm Langthaler auf, der Leiter der Antiimperialistischen Koordination (AIK) sowie führender Publizist des zur AIK zugehörigen Magazins Intifada ist.  Blickt man in der Hierarchie der PSÖ etwas weiter nach unten, so finden sich weitere Aktivist*innen der Antiimperialistischen Koordination, der Revolutionär-Kommunistischen Organisation für Befreiung (RKOB) um Michael Pröbsting, der Steirischen Friedensplattform, Personen, die BDS Austria zugerechnet werden können und ein weniger bekannter und in dieser Recherche nachrangig behandelter Aktivist aus dem Umfeld der Jungen Linken und der KPÖ Salzburg, die alle als Ansprechpersonen für die regionalen Ableger der PSÖ agieren.

So unterschiedlich die politischen Positionen der genannten Organisationen auch sein mögen, so eint sie doch ein reduktionistisches und manichäisches Weltbild, das in der Feindbestimmung eines westlichen und von den USA dominierten Imperialismus kulminiert, der die Völker dieser Erde unterdrücken würde und daher bekämpft werden müsse. Unter Berufung auf Lenin, geht man davon aus, dass der „siegreiche Sozialismus […] nicht nur vollständige Gleichberechtigung der Nationen realisieren, sondern auch das Selbstbestimmungsrecht der unterdrückten Nationen durchführen, das heißt das Recht auf freie politische Abtrennung anerkennen [muss].“ Die dabei entstehende Verschiebung der Analyse des kapitalistischen Gesellschaftsverhältnisses als widerspruchsvolle Klassengesellschaft zu einer Geschichte des Kampfes zwischen imperialistischen (moralisiert böse) und als unterdrückt wahrgenommenen (moralisiert guten) Völkern, kritisierte auch Olaf Kistenmacher rezent in der Jungle World: „Das Grundproblem des klassischen Antiimperialismus besteht darin, dass er vornehmlich Nationalstaaten oder Volksgruppen kennt“, und weiter: „1920 einigte sich die Kommunistische Internationale auf seine Forderung, sich nicht nur mit dem Proletariat in jedem Land zu solidarisieren, sondern auch mit ‚unterdrückten Völkern‘. Dass nationale Bewegungen gegen ‚den Imperialismus‘ kämpfen, sollte ausreichen, um sie als Bündnispartnerinnen zu akzeptieren – ganz egal, ob sie ansonsten eine linke Politik verfolgten.“ Aus dieser Widerstandslogik heraus solidarisieren sich diese Gruppen somit häufig mit antikolonialen und um nationale unabhängig bemühte Organisationen, unabhängig deren weltanschaulichen Orientierung und Ausrichtung.

AIK und APC. Rigoroser Antizionismus, Rechtsextremismus und Volkssolidarität.

Und so verwundert es nicht, dass AIK oder RKOB/RCIT auch politische Islamisten, salafistische Dschihadisten und islamistisch regierte Staaten zu ihren Verbündeten erklären und sich dazu hinreißen lassen, verheerende Terroranschläge wie den 11. September 2001 zu antiimperialistischen Widerstandsakten zu verklären. Gegen den überhistorischen „Hauptfeind der Völker“ (AIK), den US-Imperialismus und seine Agenten, ist schließlich alles erlaubt, was den imperialistischen Block als „verwundbar“ markiert. Ob es sich dabei um Terrorakte des salafistischen Dschihadismus handelt, wie sie im Afghanistan der 1980er-Jahre zu beobachten waren, um Anschläge der von eliminatorischen Antisemitismus geprägten al-Qaida oder um die gezielte Tötung von Zivilist*innen durch islamistische Organisationen im Nahen Osten, die mit Terrorkampagnen gegen Israel agitieren, ist zweitrangig – der Zweck ist sakrosankt, die gewählten Mittel sind zweitrangig. Der Staat Israel spielt in diesem dichotomen Weltbild der AIK eine zentrale Rolle: Denn Israel wird als geopolitischer Stellvertreterstaat („Brückenkopf“) des US-Imperialismus, der europäischen Staatengemeinschaft und der NATO betrachtet, der gezielt militärisch hochgerüstet und mit Atomwaffen ausgestattet wird, um die revolutionäre nahöstliche Welt des Trikonts in Schach zu halten und die politische Großwetterlage bzw. die Raumverhältnisse zugunsten des Amerikanismus zu stabilisieren.

Diese angenommene Stellvertreterfunktion erklärt sich für die AIK grundsätzlich aus der historischen Ausprägung des Zionismus selbst: Dieser sei die „historisch offensichtlich […] falsche Antwort“ gewesen, da „diese politische Ideologie von Anfang an Ausgrenzung, Rassismus und Rechtfertigungsideologien des europäischen Kolonialismus auf vielfältige Weise übernommen“ habe. Hier findet sich das für antiimperialistische Organisationen charakteristische Argumentationsmuster, das den Zionismus als direktes Nachfolgeprojekt des europäischen Kolonialismus begreift. So sei auch die Kernannahme des Zionismus, „die Antwort auf den Antisemitismus müsse ein eigener Nationalstaat sein“ falsch gewesen – eine durchaus bemerkenswerte Feststellung vor dem Hintergrund, dass man jedem unterdrückten Volk einen staatlichen organisierten Raum zugesteht. Doch offenbar gilt dies für Jüdinnen*Juden nicht – ein mustergültiges Beispiel für den projektiven Charakter im Umgang mit dem Staat Israel, den der jüdische Widerstandskämpfer und Auschwitz-Überlebende Jean Améry prägnant als „die Aktualisierung des uralten, offensichtlich unausrottbaren, ganz und gar irrationalen Judenhasses von eh und je“ erfasste. Verhärtet hätte sich Israels Funktion als Brückenkopf-Kolonialstaat ferner durch die Staatsgründung 1948: „Die Staatsgründung [Israels, Anm. d. Verf.] hat im Übrigen viel mit den Interessen der europäischen Kolonialstaaten und all derjenigen Staaten zu tun, die sich den Verfolgten gegenüber verschlossen, und kaum etwas mit Schutz und Hilfe.“ Eine dreiste Verdrehung geschichtlicher Tatsachen, die den ideologischen Gestus enthüllt – der antikoloniale Kampf von Jüdinnen*Juden auf dem Gebiet des heutigen Israel um Selbstbestimmung und Sicherheit gegen Großbritannien wird weggeleugnet und just die Rolle der europäischen Kolonialmächte, allen voran Großbritanniens, beinahe in ihr historisches Gegenteil verdreht.

Die Konsequenzen dieser Weltsicht sind freilich gravierend: Wenn Israel als böser Unterdrücker in Erscheinung tritt, der die arabischen Völker an der Kandare hält, dann gilt das Recht auf Widerstand. Denn das stehe jedem unterdrückten Volk von Natur aus zu – und wenn, so die AIK, „friedliche Mittel nichts erreichen, hat eine unterdrückte Nation allerdings auch das Recht, den Befreiungskampf bewaffnet zu führen.“ Damit erklärt sich auch die menschenverachtende Erklärung, die das AIK-Magazin Intifada zum 7. Oktober veröffentlichte: „Der palästinensische Widerstand hat in der Nacht auf heute, dem Jahrestag des Jom-Kippur-Krieges, den größten Angriff seit Jahren gegen die israelische Besatzungsmacht geführt.“ Einen besonders bitteren Beigeschmack bekommt dieses Zitat noch durch ein weiteres, das wiederum von der menschenverachtenden Doppelmoral im Umgang mit Israel, israelischem und jüdischem Leben zeugt – offenbar müssen dort nicht einmal mehr völkerrechtliche Standards eingehalten werden, Gnade vor Recht wird der Zivilbevölkerung verweigert. So steht es in der allgemeinen Grundsatzerklärung der AIK, die auch als Terrorverherrlichung bewertet werden kann: Der bewaffnete Kampf gegen die Repressionsorgane der Unterdrücker muss sich allerdings an die Regeln des Völkerrechts halten. Ist dies nicht der Fall oder halten sich einzelne Akteure des Widerstands nicht an diese Regeln, so erschwert dies die Solidarität, darf aber nicht die grundsätzliche Beurteilung eines kolonialen Konflikts ändern. Terror gegen Zivilbevölkerung lehnen wir klar und eindeutig ab [Hervorhebungen durch die Verf.]“. In Bezug auf Israel fällt die AIK dabei weit hinter ihre eigenen Ansprüche zurück.

Getragen wird die AIK von einer kleinen, eingeschworenen Gruppe sektiererischer Aktivist*innen, die relational zur österreichischen Linken betrachtet verschwindend klein ist und sich auf die Arbeit weniger engagierter Akteur*innen beschränkt. Neben Langthaler, zählen dazu u. a. die PFLP-nahen Leitungspersonen des Arabischen Palästina Clubs (APC) Mohamed Aburous und Malak Bastoni, die als zentrale Annmelder*innen der abendlichen Sonntagskundgebungen in der Wiener Innenstadt fungier(t)en, der tunesische „Linksoppositionelle“ Imad Garbaya, der österreichische Antiimperialist Martin M. Weinberger, der nicht weiter einordenbare Julian al Jafaari, die bekannten antizionistischen Publizist*innen Leo Xavier Gabriel und Hannes Hofbauer sowie die maoistischen Historikerinnen Andrea Komlosy und Irina Vana. Zentrale Aktivitäten der AIK erstrecken sich dabei weitgehend auf die Organisation von antiamerikanistischen und antisemitischen Veranstaltungen, die auf Solidaritätsbekundungen mit unterschiedlichen unterdrückten Völkern und Volksgruppen abzielen. Darunter finden sich Solidarität mit Russland und den Volksrepubliken im Donbass, Leugnung des Genozids von Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen unter Radovan Karadžić, Solidarität mit dem Kriegsverbrecher Karadžić während seines Prozesses in Den Haag, einschließlich der Vergleiche des Internationalen Gerichtshofs mit der NS-Justiz, Solidaritätsbekundungen mit dem serbischen Volk im Rahmen der jugoslawisch-österreichischen Solidaritätsbewegung, Zusammenarbeit mit dem faschistischen Suworow-Institut und dem Nationalbolschewisten Patrick Poppel, Solidaritätsbekundungen mit dem iranischen Regime und volle Unterstützung des palästinensischen „Widerstands“.

Dass man dabei nicht nur vor russischen oder serbischen Nationalist*innen oder Islamist*innen nicht zurückschreckte, sondern auch aktiv mit rechtsextremen Akteur*innen und Gruppierungen kooperierte, zeigen zwei Episoden aus den 2000er Jahren. So unterzeichneten Langthaler und Weinberger 2003 gemeinsam mit französischen Holocaustleugner*innen und italienischen Neofaschist*innen eine Unterstützungserklärung für den „irakischen Widerstand“ gegen den US-Imperialismus. Im Jahr 2007 ging man noch einen Schritt weiter: Gemeinsam mit AfP-Nachwuchskadern, namentlich Martin Sellner und Norbert Bichelhuber, und Helmut Müller, Chefredakteur des rechtsextremen Eckartboten (der in der ÖLM samt Veranstaltungssaal beheimatet ist), organisierten Langthaler und RKOB-Chef Pröbsting eine Solidaritätskundgebung mit dem iranischen Atomwaffenprogramm. Anlass war eine Kundgebung der jüdischen Gemeinde Wiens gegen ebendieses Programm. Wichtig ist hier die Analyse der ideologischen Schnittmengen zwischen islamistischen Akteur*innen und Neonazis, aber auch mit dem linken Antiimperialismus: Oft werden bei ersterem Männerbündelei und Antifeminismus als zentrale Merkmale hervorgehoben, dabei aber jener Faktor übersehen, der auch den schnellen Brückenschlag ins antiimperialistische Milieu ermöglicht (und auf den Volker Weiss bereits ausführlich hingewiesen hat) – nämlich die an Carl Schmitt orientierte Annahme einer imperialistischen „Großraumordnung“ der Welt unter der Ägide des Amerikanismus und des Westens. Diese negierten – mit Schmitt – das seit der „Monroe-Doktrin“ historisch etablierte Gebot, als politisch raumfremde Macht auf fremdem Boden zu intervenieren (zugunsten von Machtgewinn, Ausweitung der politischen Einflusssphäre, Erschließung von Rohstoffquellen usw.).

In der Kritik an Dekadenz, männlicher Verweichlichung, dem Aufstieg von Feminismus und Queerfeminismus, moralischem Verfall, Seinsvergessenheit und der Zerstörung von Heimat und Tradition wenden sich die drei Akteure damit gegen den Westen und den Amerikanismus und sagen – in durchaus unterschiedlichen Theorietraditionen – der amerikanistischen „Homogenisierung“ aller Menschen den Kampf an. Sie alle eint die Sehnsucht nach dem „defensiv-autochthonen Verteidiger der Heimat“, wie Carl Schmitt diesen in seiner Partisanentheorie ausgearbeitet hat. Die vulgärpersonalisierende Elitenkritik, die die kapitalistische Gesellschaftsordnung nicht als historische Entfaltung der kapitalistischen Warenlogik zu ihrem allgemeinen Begriff in Form kapitalistischer Gesellschaftsverhältnisse begreift, sondern als Verschwörung gieriger Großkapitalisten, kann als strukturell antisemitisch angesehen werden, die auch immer wieder in offenen Antisemitismus umschlägt. Damit wird auch deutlich, wie Antisemitismus und antisemitisch aufgeladener Antiamerikanismus zur Bündnisbildung über politische Lagergrenzen hinweg führen und eine negative Sinnstiftungsfunktion erfüllen.

Langthaler war und ist nicht der einzige AIK- bzw. AIK-nahe Akteur, der durch direkte Kontakte ins rechtsextreme Milieu auffällt – auch der langjährige antiimperialistische Aktivist, Verleger und Publizist Hannes Hofbauer pflegt enge Kontakte ins nationalbolschewistische und verschwörungsideologische Spektrum und ist zudem Anhänger der Wagenknecht-Linken. So veröffentlichte Hofbauer 1994 gemeinsam mit dem heutigen Compact-Herausgeber Jürgen Elsässer ein Pamphlet zum „Krisenherd Europa“, war zuvor in der Redaktion der direkt von Muammar al-Gaddafi finanzierten MOZ tätig, arbeitete später für den russischen Propagandasender RT und trat mehrfach bei Ken Jebsens Sender Ken FM auf. Für besonderes Aufsehen sorgte Hofbauer, als er 2005 als Geschäftsführer des Wiener Promedia-Verlags die wüste antisemitische Hetzschrift Blumen aus Galiäa von Jören Jermas alias Israel Shamir veröffentlichte. Darüber hinaus vertritt Hofbauer in Anlehnung an Elsässer einen offensiven antisemitischen Antiamerikanismus und folgt dieser Linie auch in seiner Palästina-Position.

Hofbauer bei Rede auf PSÖ Kundgebung am 14. Oktober 2023 in Wien, Favoriten.

Wohl auch deshalb ist Hofbauer ein gern gesehener Gast bei Kundgebungen und Demonstrationen der Palästina Solidarität Österreich oder bei Veranstaltungen des pro-palästinensischen Milieus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Überschneidung mit dem Corona-Demonstrationsmilieu: Wie Langthaler publiziert Hofbauer regelmäßig im verschwörungsideologischen Medium TKP, wobei es sich zumeist um Putin-affine, NATO-kritische und die Neutralität Österreichs betreffende Artikel handelt. Bezeichnend ist auch, dass Hofbauer mit der AIK-Aktivistin und Historikerin Andrea Komlosy liiert ist. Die Maoistin Komlosy ist für ihren israelbezogenen Antisemitismus bekannt: sie bezeichnete Israel mehrfach als NATO-Brückenkopf, der nur aufgrund der Shoah Legitimität besitze, denn „eigentlich“ sei Israel ein „Fremdkörper“ in der Region. Zudem stellte Komlosy die Staatsgründung Israels in eine Reihe mit der Judenvernichtung des Hitler-Regimes und postulierte, dass mit dem Staat Israel Hitlers Pläne langfristig aufgegangen seien.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der Politikwissenschaftler Gabriel: Der sich als Südamerika-Spezialist ausgebende Publizist gilt als glühender Anhänger des Saddam-Ba’athismus und tritt regelmäßig für die Errichtung eines ausschließlich arabisch-palästinensischen Staates „zwischen Jordan und Mittelmeer“ ein. Ebenso ist er ein gern gesehener Gast bei Veranstaltungen der Palästina Solidarität Österreich, wo er sich nicht scheut, seinen israelbezogenen antisemitischen Forderungen öffentlich Nachdruck zu verleihen. Im Jahr 2008 nahm Gabriel an einer antizionistischen Konferenz in Beirut teil, bei der auch hochrangige Vertreter von Hizbollah und Hamas anwesend waren und die Al-Aqsa-Intifada verherrlicht wurde. Wahlweise tritt Gabriel auch als Redner bei Veranstaltungen der PSÖ auf: Dort glorifizierte er u.a. den Terrorangriff der Hamas als Widerstandsakt des palästinensischen Volkes, identifizierte die Bevölkerung von Gaza mit dem Hamas-Terror und der Hamas selbst, rief mehrfach die Parole „from the river to the sea“ und forderte ein Ende des deutsch-österreichischen „Schuldbewusstseins“.

Martin Weinberger ist weniger publizistisch als vielmehr als Aktivist auf der Straße aktiv. Zwar finden sich einige Artikel von ihm auf dem Intifada-Portal, doch hat er es im Gegensatz zu den Vorgenannten nicht zu szeneübergreifender Bekanntheit gebracht. Dennoch ist ein Artikel erwähnenswert, in dem Weinberger nur knapp daran vorbeischrammt, die Machtübernahme der Taliban in Afghanistan zu feiern. Dort hätte nämlich „das US-Imperium […] eine gewaltige Niederlage erlitten und die Aufständischen […] einen großen, einen schnellen Sieg [errungen] – ohne Rückhalt breiter Bevölkerungsschichten wäre das nicht möglich gewesen“, konstatiert Weinberger dazu. Auffallend ist auch hier, dass Weinberger den Einmarsch der UdSSR mit keinem Wort erwähnt – es habe zwar seit 1978 Krieg gegeben, aber der „eigentliche“ Krieg habe begonnen, als sich die USA als „Weltpolizist“ sahen und sich als führende Weltmacht etablieren wollten. Und auch Weinberger kommt nicht umhin, den islamisch-erzkonservativen Stammesstrukturen, aber auch den islamistischen Milizen seine Solidarität auszusprechen: „Es ist im Westen leicht, mit dem Finger auf das ‚wilde‘, ‚rückständige‘, ‚patriarchalische‘ Stammes-Afghanistan zu zeigen – wenn diese Strukturen vielfach die einzigen sind, die der Bevölkerung Versorgung und Schutz zu bieten vermögen. Es ist leicht, den konservativen Islam der Taliban zu kritisieren, wenn deren religiös legitimiertes Gesetz an vielen Orten das einzige Rechtssystem bietet“.

Weinberger mit Langthaler und al Jaafari bei PSÖ-Kundgebung.

Weinbergers Logik ist fatal – wenn es in den entlegenen Randgebieten Afghanistans kein Rechtssystem außer der Schari’a gibt, dann muss eben die Schari’a für Ordnung sorgen. Und auch das Bekenntnis zu den Stammesstrukturen gibt wesentliche Aufschlüsse über Weinbergers politische Orientierung: Zwar finden sich in ihren Reihen auch Mudschaheddin, die gegen die Taliban agieren und versuchen, das Land zu halten, aber zweifellos auch solche, die – wie übrigens auch im Jemen – islamistischen Akteuren à la Al-Qaida oder den Taliban bereitwillig Deckung und Schutz bieten. Dass es für Weinberger undenkbar erscheint, Solidarität etwa mit Frauenrechtlerinnen und politischen Frauengruppen zu zeigen, ist bezeichnend für das tagespolitische Handeln von AIK-Vertretern, denen die Unterstützung von Feinden Israels und der USA gleich welcher Couleur wichtiger ist als die von echten emanzipatorischen Kräften. Weinberger ist dabei nicht nur ideologisch, sondern gerade in seiner Funktion als Aktivist und Kernakteur sowohl der AIK als auch der PSÖ zu sehen – er ist regelmäßig bei öffentlichen Auftritten präsent, ließ sich sogar aus Protest gemeinsam mit Langthaler kurzzeitig festnehmen und erkennungsdienstlich behandeln, als eine Kundgebung der PSÖ im Wiener Vogelweidpark wegen Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ polizeilich verboten wurde.

Dass durchaus reaktionäre Positionen, solange sie nur irgendwie antiamerikanisch klingen, in der AIK eher die Norm als die Abweichung darstellen, zeigt auch der tunesische Linksoppositionelle Imad Garbaya. 2020 vertrat er die kuriose Ansicht, dass der aktuelle tunesische Präsident Kais Saied, der zu diesem Zeitpunkt gerade das Parlament mehr oder weniger ausgeschaltet hatte, als progressiv zu bewerten sei, da er gegen die herrschende Korruption vorgehe. Was viele Tunesier*innen vor Ort befürchten ließ, dass damit alle Errungenschaften des Arabischen Frühlings zunichte gemacht würden, beunruhigte Garbaya kaum. Auch zu Saieds „sozialen“ Positionen konnte und wollte er sich nicht äußern, da diese angeblich „nicht bekannt“ seien – dass dies nicht stimmt, zeigen öffentliche Äußerungen Saieds, die sich gezielt gegen die Gleichberechtigung der Frau wie auch gegen jede Form diplomatischer Normalisierungsprozesse mit Israel richteten. Und obwohl sich Garbaya zumindest gegen die rechtsislamistische Ennahda-Partei ausspricht, verherrlicht er den islamistischen Terror gegen Israel: So sprach er auf Kundgebungen der PSÖ von der „längsten Besatzung des 20./21. Jahrhunderts“, die seit über 70 Jahren andauere „und die einzige Besatzung [sei], wo, wenn das Volk Widerstand leistet, [dies] als Terror bezeichnet wird“. Garbaya erklärt auch das „palästinensische Volk“ als „an der Front des Kampfes des globalen Südens“ stehend, das „ganz normalen Widerstand“ leiste. Es leide jedoch besonders unter der westlichen, imperialistischen Propaganda, da jede politische Handlung, „auch die Demonstrationen in Jerusalem, in al Quds, […] als Terror bezeichnet“ werde.

Garbaya auf untersagter PSÖ-Kundgebung in Wien, Rudolfsheim.

Abschließend soll im Rahmen der Darstellung der AIK auf Mohamed Aburous und Malak Bastoni eingegangen werden, die die führenden Köpfe der APC sind. Die APC ist personell eine kleine Organisation, die nur über einen bescheidenen Facebook-Auftritt verfügt. Aburous publiziert jedoch regelmäßig in der Intifada, tritt als Redner für den AIK-Ableger Selbstbestimmt Österreich auf, agiert gemeinsam mit Bastoni häufig in organisatorischer Funktion bei Demonstrationen der PSÖ und tritt als Anmelder für die sonntäglichen Kundgebungen des APC in der Wiener Innenstadt auf. Aburous, der ideologisch wohl auch dem antiamerikanistischen Antiimperialismus zuzurechnen ist, etablierte u.a. nach dem Verbot des Slogans „from the river to the sea“ den ideologisch wesentlich eindeutigeren Slogan „Vom Jordan zum Mittelmeer, keinen Zionismus mehr“ – ein Slogan, der gewissermaßen als Leitbild für die politische Rhetorik und Aktivität von Aburous und Bastoni zu verstehen ist. So zierte die antisemitische Terroristin Leila Khaled Transparente der APC oder plakative Parolen à la „Zionismus ist Faschismus“. Ein anderes Mal bezeichnete Aburous den Einmarsch der Hamas als legitime „Demütigung“ der israelischen Armee, die sich nun mit gezielten Massakern an der palästinensischen Bevölkerung rächen wolle, um gnadenlos „Blutrache zu nehmen“ und „um das Abschreckungsmonopol des Westens mit aller Gewalt wiederherzustellen“.

Die Steirische Friedensplattform. Relativierung von Antisemitismus und Terrorapologie.

Die AIK ist jedoch – wie bereits angekündigt – nicht der einzige Akteur des antiimperialistischen Spektrums, der sich organisatorisch und ideologisch in die pro-palästinensische Mobilisierung und Debatte einbringt. Ein weiterer Akteur, der sowohl personell als auch ideologisch der AIK nahesteht, ist die Steirische Friedensplattform (StFP), die mehr oder weniger im Alleingang von Franz Sölkner geführt wird. Sölkner selbst entstammt der ökumenisch offenen christlich-sozialen Organisation Pax Christi und ist in der Vergangenheit als Tier-, Umwelt- und Friedensaktivist in Erscheinung getreten – die Praxis der StFP zielt dabei vor allem auf den Israel-Palästina-Konflikt bzw. dessen einseitige Lösung zugunsten eines wie auch immer gearteten freien Palästina ab. Ideologisch sieht sich Sölkner von einem „Erweckungserlebnis“ geleitet: Bis 1974 sei er israelsolidarisch gewesen, sagt er, doch nach einem Besuch in Israel und Palästina habe er die bittere Realität vor Ort erst richtig begriffen. Nach dem Oslo-Friedensprozess 1993 habe er dann begonnen, sich für Palästina einzusetzen.

Als zentralen Angriffspunkt seines politischen Handelns sieht Sölkner den Kampf gegen die Instrumentalisierung des „realen“ westlichen Antisemitismus durch den israelischen Zionismus, der ersteren nur instrumentalisiere, um mehr jüdische Personen in Israel anzusiedeln. Der Zweck liegt für Sölkner offen zutage: den Siedlerkolonialismus zur Unterdrückung der Palästinenser*innen zu stützen und auszubauen. Die Landnahme Israels erinnert Sölkner an jenes Regime, das in Europa für die Shoah verantwortlich war – eine für das Milieu typische Umdeutung, wird doch der Zionismus geschichtsrevisionistisch als direkter Nachfolger des europäischen Kolonialismus und als Vermächtnis des Nationalsozialismus gesehen. Auch Sölkner sieht Antisemitismus in den meisten Fällen als reines Herrschaftsinstrument des israelischen Staates, um vermeintliche Kritiker*innen zu delegitimieren – auch dieser Argumentation ist hinlänglich bekannt. In ähnlicher Manier meinte beispielsweise ein englischsprachiger jüdischer Antizionist am 9. Dezember 2023 in Wien am Herbert Karajan-Platz, dass es zweifellos antisemitisch sei, wenn Burschenschaften den Akademikerball abhalten, aber ganz sicher nicht antisemitisch, sich für den palästinensischen „Widerstand“ einzusetzen.

Sölkner bei AIK-Kundgebung im Wiener Prater.

Wenig verwunderlich ist es daher, dass Sölkner selbst immer wieder als Gastautor der Intifada in Erscheinung trat – umgekehrt publizierte auch Langthaler im Online-Outlet der StFP: Von besonderer Bedeutung ist vor allem ein Artikel über den in Graz-Karlau zu lebenslanger Haft verurteilten Hamas-Aktivisten Abdelkarim Mohammed Abu Habel. Dieser hatte in der Justizanstalt Graz-Karlau unter anderem Kontakt zu Lorenz K., einem österreichischen IS-Dschihadisten, der von den Behörden bei dem Versuch festgenommen worden war, einen zwölfjährigen Jungen mit einem Selbstmordattentat in Ludwigshafen zu beauftragen und selbst einen Sprengstoffanschlag auf die US-Air Base Ramstein zu verüben. Nachdem K. aufgrund von Terrorplanungen, die er in der Haft mit dem georgischen IS-Terroristen Sergo P. getroffen hatte, in die Justizanstalt Krems Stein überstellt worden war, traf er Abu Habel in der Justizanstalt Karlau. K. übermittelte Abu Habel Bombenbauanleitungen, die dieser an Hamas-Sympathisanten im Westjordanland weiterzugeben versuchte. Für Langthaler und die StFP sind die ganz konkreten Tatsachen und Drohungen, die auf eine ausgeprägte Verbindung Abu Habels zur dschihadistischen Terrorszene hindeuten, jedoch nichts anderes als „Kolonialjustiz“. Besonders unglaubwürdig sei der ganze Fall vor allem deshalb, weil Abu Habel bereits im Alter von 14 Jahren von einem israelischen Gericht wegen Terrorunterstützung verurteilt worden sei – was zeige, dass auch die österreichische Justiz völlig von der israelischen vereinnahmt sei, weshalb es angezeigt sei, das Urteil wegen Befangenheit abzulehnen. Dass in der Zelle von Abu Habel auch Elektronikteile und Patronen gefunden wurden und der IS-Jihadist K. Abu Habel ein Handy besorgt hatte, ist für StFP und Langthaler irrelevant.

Sölkner scheint auch Mitglied des AIK-Ablegers „Selbstbestimmtes Österreich zu sein“.

Realpolitisch spielt die StFP vor allem für das Protestgeschehen in Graz eine wichtige Rolle. Nach Wien finden hier die meisten und am besten besuchten pro-palästinensischen Kundgebungen und Demonstrationen statt. Dabei kommt vor allem Sölkner eine zentrale Rolle zu: Er kann als Vermittler zwischen unterschiedlichen Milieus angesehen werden. So verfügt die StFP über ihre Anbindung an die Friedensbewegung sowohl über Kontakte ins Umfeld der KP/KJ-Graz, zu antisemitisch-antiimperialistischen und geschichtsrevisionistischen Organisationen wie dem Funken, zu christlichen Akteur*innen über Pax Christi und gleichermaßen zu Aktivist*innen der palästinensischen Diaspora und der PSÖ. Sölkner gilt laut AIK-Aussendung auch als Teil des Gründungsgremiums der PSÖ überhaupt, was seine starke Einbindung verdeutlicht. Auffallend ist auch eine weitere Kooperation mit dem wegen Drogenhandels und antisemitischer Hetze verurteilten Rapper und Kampfsportler Yasser Gowayed, der im Internet regelmäßig seine ideologische Nähe zur islamistischen Kalifatsbewegung Hizb ut Tahrir bekundet und Teil der Mobilisierungskampagne Graz4Palestine ist. Auf seine Verstrickungen und Kontakte wird noch näher eingegangen werden. Die StFP und insbesondere Franz Sölkner sowie Helga Suleiman, eine zentrale Aktivistin des steirischen Ablegers der PSÖ, sind aber auch regelmäßig in Wien zu Gast, um dort Reden für das hiesige Demonstrationsgeschehen zu liefern.

Sölkner bei RTV mit Schott und Machl.

Relevant ist auch, dass Sölkner nicht davor zurückschreckt, Kontakte zur verschwörungstheoretischen und rechtsextremen Szene zu knüpfen, um für seine Sache zu werben: So trat Sölkner am 31. Oktober 2023 gemeinsam mit report24.news-Chef Florian Machl bei Nicolas Schotts Sender RTV auf. Schott ist mit seinem Regionalsender RTV seit einiger Zeit regelmäßiger Gast bei rechtsextremen Veranstaltungen des IB-Spektrums sowie der „alternativen Medien“, zuletzt etwa beim rechtsextremen Treffen der Avanti NeoCultura im Castell Aurora in Steyregg oder bei der rechtsextremen Runde der Chefredakteure alternativer Medien am 7. April 2023 gemeinsam mit Michael Scharfmüller, Florian Machl, Philipp Huemer und Stefan Magnet. Machl betreibt gemeinsam mit Edith Brötzner den Sender report24.news, der in enger Kooperation mit AUF1 eine zentrale Rolle bei der Mobilisierung der Corona-Proteste spielte und gezielt antisemitische und rassistische Verschwörungserzählungen verbreitet. Huemer ist langjähriger Kader der Identitären Bewegung Österreich und fungiert als Chefredakteur des rassistischen Hetzblattes Heimatkurier.

Die RCIT/RKOB: Pro-Islamismus, Militanz und Antisemitismus.

Die RCIT unter der nunmehrigen Leitung des Generalsekretärs Michael Pröbsting ist aus der trotzkistischen Wiener Gruppierung Arbeiterinnenstandpunkt um das Jahr 2011 entstanden, wobei die RCIT eine kleine Splittergruppe darstellt, die – wie Andreas Peham vom DÖW festellt – v. a. von Pröbstings „maßlose[r] Selbstüberschätzung, die ihn im Ausland als relevanten Sprecher relevanter Gruppen erscheinen lassen“, lebt. Neben Pröbsting, der sich selbst auf seiner eigenen Website als „politischen Schriftsteller und Aktivist“ inszeniert, zählen Almedina Gunic und Marek Hangler zur RKOB – als öffentliches Gesicht ist jedoch v. a. Pröbsting selbst präsent. Zu Pröbsting und zur RKOB ist bereits hinlänglich viel bekannt, ihre ideologische Verfassung ist dabei auch von der Politologin Tina Sanders umfassend kritisiert worden. Dennoch seien hier kurz einige besonders gravierende antisemitische bzw. pro-islamistische Vorfälle genannt, um in gebotener Kürze ein Bild der Organisation, v. a. aber von Pröbsting zu malen: Noch als Mitglied des Arbeiter*innenstandpunkts griff er eine Veranstaltung des Café Critique zum iranischen Atomwaffenprogramm mit weiteren Mitgliedern des Arbeiter*innenstandpunkt an, verletzte dabei eine Anwesende tätlich und wurde danach wegen Körperverletzung rechtskräftig verurteilt.

Pröbsting in der Mitte bei untersagter PSÖ-Kundgebung in Wien, Rudolfsheim.

Nach seinem Ausschluss aus der AST forderte Pröbsting die Wiedereinsetzung des Muslimbruders Mohammed Mursi als regulärer Präsident Ägyptens, solidarisierte sich 2012 öffentlich mit dem Wiener IS-Dschihadisten Mohamed Mahmoud, der zusammen mit dem Deutschen Denis Cuspert (alias Rapper Deso Dogg) die Organisation Millatu Ibrahim gründete, um Mitglieder für den IS zu rekrutieren. Gemeinsam mit Cuspert reiste Mahmoud nach Syrien ins „Kalifat“ des IS und starb im Kampf für den IS. Im Jahr 2014 sorgte ein Jugendfunktionär mit antisemitischer Hetze für Aufsehen: Marc H. forderte auf einer Schüler*innendemo Jugendliche und Kinder der jüdisch-sozialistischen Pfadfindergruppe Hashomer Hatzair auf, die Veranstaltung zu verlassen, da sie „Kindermörder“ und „Faschisten“ seien. Im Jahr 2016 liefen Pröbsting und weitere Mitglieder der RKOB bei einer Bleiberechtsdemonstration in Wien Mariahilf mit einem Transparent mit dem Symbol „R4bia“ – dem internationalen Erkennungszeichen der ägyptischen Muslimbruderschaft, aber auch der weltweiten Muslimbruderschaftsbewegung – auf. Auch danach fanden regelmäßig Kundgebungen der RKOB mit anderen migrantischen Organisationen, die der Muslimbruderschaft nahestehen, statt, bei denen das R4bia-Symbol stets zu sehen war. Ebenfalls 2016 reiste Pröbsting zu einer „antiimperialistischen“ Konferenz nach Beirut, die sich mit Amerikanismus und Israel befasste. Mit Beginn der Covid-19-Pandemie machte die RKOB dann – wie u.a. auch die AIK – Stimmung gegen die Maßnahmenpakete und marschierte einmal mehr an der Seite von rechtsextremen Gruppierungen und Anhänger*innen diverser antisemitischer Verschwörungserzählungen. Seit dem 7. Oktober ist Pröbsting auf nahezu jeder Kundgebung zu finden, die den Israel-Gaza-Krieg thematisiert – oft scheint Pröbsting auch ein Auto zur Verfügung zu stellen, das als Soundmobil genutzt wird, ebenso häufig tritt er als Redner sowohl bei Kundgebungen der PSÖ als auch der APC auf.

Die GÖAB. Antiimperialistischer Diktatorenkult und Intifada-Glorifizierung.

Ein weiterer seit Jahren wichtiger Akteur im Rahmen diverser pro-palästinensischer Organisationen ist der Antiimperialist Fritz Edlinger, der als Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen tätig ist. Über Edlingers Aktivitäten ist vor allem durch die kritischen Artikel von Karl Pfeifer und Thomas Schmidinger bereits viel bekannt – hier soll nur exemplarisch auf die wichtigsten Erkenntnisse zu Edlinger hingewiesen werden. Mediale Berühmtheit erlangte der ehemalige SP-Vertreter in der Sozialistischen Internationale und als Vertrauter Karl Blechas im Zuge der internationalen Aufdeckung der klandestinen Schmiergeldpolitik des irakischen Diktators Saddam Hussein. Saddam hatte Edlinger nämlich über das nur scheinbar humanitäre Hilfsprogramm Oil for Food über Scheinfirmen privat 100.000 € zukommen lassen. Zuvor hatte sich Edlinger – einmal mehr unter dem Deckmantel des geopolitischen Antiamerikanismus – bemüht, Saddam als fortschrittlichen Widerstandspolitiker darzustellen, da sich das Saddam-Regime schließlich gegen den US-Imperialismus zur Wehr gesetzt habe.

Edlinger bei Rede auf PSÖ-Demonstration am 13. Jänner 2024.

Auch zum Nahostkonflikt bezieht Edlinger spätestens seit 1982 klar Stellung: Israel sei nichts anderes als ein zionistischer Siedlerstaat, dessen politisch-soziales Ziel die Unterdrückung der arabischen Welt sei. 1982 – im Zuge des Libanonkrieges – warf er dem österreichischen Staat vor, „billige und oberflächliche Appelle an das schlechte Gewissen beziehungsweise die Verpflichtung zur Wiedergutmachung an die österreichische […] Bevölkerung” zu richten – ein Diskursstrang, der auch heute immer wieder auftaucht und den Edlinger unter anderem in seiner Rede bei einer Kundgebung der PSÖ am 13. Jänner 2024 am Platz der Menschenrechte einmal mehr präsentierte. Im Jahr 2005 war Edlinger gemeinsam mit Hannes Hofbauer zentral an der Herausgabe der antisemitischen Hetzschrift von Israel Shamir (siehe oben) beteiligt – nach Kritik an der Herausgabe äußerte sich Edlinger dahingehend, dass Antisemitismus in Shamirs Werk „hineininterpretiert“ werde, um Kritik an der Politik Israels zu verunmöglichen.

Edlinger wickelte 2012 über die GÖAB mit dem Bundesheer einen humanitären Einsatz in Libyen ab. © Gunther Putsch

Edlinger ist auch als Journalist, Autor und Kulturmanager tätig, der sich mittlerweile sowohl im Bereich der AIK als auch der palästinensischen Vereine bewegt – seine Publikationen erscheinen gesammelt im Promedia Verlag. Edlinger tritt auch als Redner bei öffentlichen Protestveranstaltungen und als Organisator von Kundgebungen auf. So etwa bei einer Demonstration im Juni 2010, bei der Edlinger und der SP-Politiker Omar al Rawi Reden hielten, während im Publikum Transparente gezeigt wurden, auf denen etwa der Davidstern mit dem Hakenkreuz gleichgesetzt wurde, obskure Vergleiche Israels mit Hitler-Deutschland gezogen und Hamas-Fahnen geschwenkt wurden. Auch im Rahmen der pro-palästinensischen Mobilisierung 2021 trat Edlinger als Organisator in Erscheinung: Die Kundgebung in der Wiener Innenstadt am 21. Mai 2021 wurde jedoch aufgrund der massiven antisemitischen Hetze der vorangegangenen Demonstrationen verboten – zuvor war etwa auf der Mariahilfer Straße „Chaibar, Chaibar, ya yahud, dschaisch Mohammed saya’ud!“ gerufen worden und im Publikum befanden sich neben IS-Sympathisant*innen auch Anhänger*innen der Muslimbruderschaft sowie Vertreter*innen der ATF/ATK.

Edlinger mit PRC-Funktionär Dr. Ali Huweidi bei DaJ-Vortrag.

2021 trat Edlinger bei einer Kundgebung der PSÖ auf, wo er verkündete, Israel und die Israelis seien nichts anderes als brutale Schlächter, die sich nicht für Menschenrechte interessierten und mit Menschen nicht anders umzugehen wüssten, als sie zu unterdrücken. 2022 erklärte er, Palästina habe wie die Ukraine das Recht auf uneingeschränkte Selbstverteidigung und Widerstand und auch bei der aktuellen Mobilisierungswelle der PSÖ ist Edinger regelmäßig zu Gast. Dort attackiert er vor allem die politische Haltung Österreichs zum israelischen Gaza-Krieg und die erodierende Neutralität des österreichischen Staates, die durch die israelsolidarische Haltung zugunsten der Unterstützung des genozidalen kolonialistischen Siedlerstaates Israel völlig verloren gegangen sei. Darüber hinaus betreibt Edlinger seit kurzem ein eigenes Youtube-Format und äußert sich regelmäßig auf dem Verschwörungstheorieportal Nachdenkseiten zu verschiedensten geopolitischen Themen. Relevant ist auch, dass Edlinger 2022 als Organisator des palästinensischen Kanaan Filmfestivals auftrat, das von der Stadt Wien offiziell gefördert wurde.

BDS und Dar al Janub – linker Antisemitismus im scheinbar progressiven Gewand.

Wichtige Akteur*innen der pro-palästinensischen Aufmärsche stellen auch die internationale BDS-Bewegung sowie der – seiner Zeichens nach „antirassistische“ – Verein Dar al Janub (DaJ) dar. Zu beiden Vereinigungen ist bereits viel geschrieben worden, erst kürzlich veröffentlichte die Dokumentationsstelle Politischer Islam (DPI) einen kurzen Bericht zur Genese von DaJ. Wie im Falle der RKOB wollen wir hier nur zentrale Akteur*innen sowie zentrale Aktivitäten schlaglichtartig erwähnen. Wir behandeln BDS und DaJ gemeinsam, da sich die Akteur*innen stark überschneiden und mit Oliver Farid Hashemizadeh, der sowohl bei BDS als auch bei DaJ zentrale Positionen innehatte und als politisch-ideologisches Zugpferd gilt, eine elementare Schnittmenge besteht.

BDS-Akteur*innen auf PSÖ-Demonstration.

Bislang sind sowohl BDS als auch das DaJ wichtige Akteure pro-palästinensischer Organisierung in Österreich – während das DaJ vor allem ideologische und gemeinschaftsorientierte Arbeit leistet, zeichnet sich BDS durch den Versuch einer populär inszenierten, medienwirksamen und spektakulären Agitation aus: Neben regelmäßigen Kundgebungen gehören auch Flashmobs, sogenannte „Die-Ins“ und Protesttheateraufführungen, die die israelische „Apartheidpolitik“ symbolisieren sollen, sowie Scheinhinrichtungen palästinensischer Geiseln durch israelische Soldat*innen zum Repertoire des österreichischen Ablegers. Dabei ist man stets bemüht, sich als antiimperialistisch-antikapitalistische Grassroots-Initiative zu inszenieren, die sich zivilgesellschaftlich-übergreifend für die Rechte des palästinensischen Volkes einsetzt. Die tatsächliche Geschichte der BDS-Entwicklung weist diese Darstellung allerdings als schlichte ideologische Verzerrung aus: Nicht nur baute man mit der Idee des sozioökonomischen Boykotts Israels sowie israelischer und jüdischer Konzerne auf antisemitische Boykott-Traditionen der Arabischen Liga zwischen 1963 und 1993 auf, unter den unterzeichnenden Organisationen des Gründungsaufrufes des „zivilgesellschaftlichen“ BDS National Committee fanden sich ferner auch sämtliche Terrororganisationen des palästinensischen Raumes (Islamic Jihad, Hamas, PFLP, Fatah und weitere) sowie weitere anti-israelische Kräfte des Nahen Ostens – also eindeutig politisch-militärische Akteure und beileibe keine ziviligesellschaftlichen. Wichtiger Akteur sowohl des DaJ als auch von BDS Austria war und ist bis dato Oliver Farid Hashemizadeh – jener Aktivist, der auch bei Ismail Haniyeh zu Gast war.

Der Anführer des Angriffs auf das Novemberpogromgedenken 2003.

Hashemizadeh war vermutlich bereits Mitglied des Vorgängervereins von DaJ, Sedunia. Sedunia geriet in die Schlagzeilen, als eine Truppe von Vereinsmitgliedern eine Gedenkveranstaltung zum Novemberpogrom 2003 störte und tätlich angriff (was u.a. von österreichischen Neonazis wohlwollend aufgenommen wurde). Interessant ist auch, dass der GÖAB-Vorsitzende Fritz Edlinger regelmäßiger Gast bei Sedunia war und diese unterstützte. Das DaJ wurde drei Jahre vor der Auflösung von Sedunia 2003 gegründet, Sedunia selbst war zumindest legalistisch noch bis 2006 aktiv. BDS etablierte sich erst mehr als zehn Jahre nach der Gründung des DaJ als österreichischer Ableger des Palestininian BDS National Committee – auch hier dürfte Hashemizadeh stark involviert gewesen sein. Auf genaue Ausführungen zur ideologischen Positionierung von BDS wird an dieser Stelle verzichtet, da dazu bereits an anderer Stelle ausführlich gearbeitet wurde (exemplarisch sei hier auf die Studie von Feuerherdt und Markl, erschienen 2020, verwiesen), zu DaJ kann auf die oben verlinkte Studie des DPI verwiesen werden.

Im Falle des DaJ sind nur nur zwei Personen eindeutig zuzuordnen, nämlich der Vereinsvorsitzende Peter Leidenmühler sowie Manuel Dede – Leidenmühler galt in den 2000er Jahren zusammen mit Hashemizadeh als Redaktionsleiter der Perspektive Süd, der Vereinszeitung von Sedunia. Diese hatte ihre Redaktionsräumlichkeiten ab 2003 in denenen des DaJ, ferner hostete Sedunia die Webpage des DaJ – die Domain lief damals auf die Sedunia-Aktivistin Sabine Bacher. Wie engmaschig die Kooperation von Sedunia und DaJ ablief, verdeutlicht auch, dass sie gemeinsam Veranstaltungen organisierten und Ausstellungen wie etwa „Aidun – Wir kehren zurück“ kuratierten. Über Dede, den Schriftführer und Finanzreferenten des DaJ, ist nichts weiter bekannt. Gegenteilig verhält es sich im Falle von BDS, das von einigen wenigen Aktivist*innen betrieben wird: Neben Hashemizadeh sind dies Nicole Schöndorfer, Iman Elghonemi, Marco van Jura, Gerhard Summer, Salih Degerli und Mario Motelli (der auch bei DaJ aktiv ist), gute Kontakte bestehen auch zum Gründungsmitglied von Boycott from Within, Ronnie Barkan.

Schöndorfers ideologische Position ist hinlänglich bekannt, auch hier verweisen wir auf die DPI-Studie, wollen aber zugleich eine neue Stufe der Radikalisierung feststellen: Am 16. Dezember postete Schöndorfer vor einem Bild von Lenin die Aussage, dass seine Feinde (in diesem Fall Israel) „ontologically evil“ seien und es gegenüber diesen keine Handlung gäbe, die falsch bzw. moralisch unvertretbar wäre. Israel gilt Schöndorfer als „absoluter“ Feind, der das ontisch Böse verkörpert, gegenüber dem keine noch so grausame Gewalttat ein negatives Werturteil zulässt – man kann hier durchaus von einem Vernichtungsantisemitismus sprechen, der den Staat Israel als das absolut Böse, als das Gegenteil von Sittlichkeit und Moral imaginiert. Auch dieses krude Bild, das historisch auf dem antisemitischen Diskurs vom Judentum als „Gegenrasse“ fußt, macht deutlich, wie tief Schöndorfer bereits in ihrer Radikalisierungsspirale steckt. Dass damit natürlich auch die Terrorakte der Hamas legitimiert und quasi als Notwendigkeit, als Abwehr des Bösen glorifiziert werden, liegt auf der Hand.

Mit ihrem ausgeprägten Pro-Islamismus ist Schöndorfer allerdings nicht allein: Auch der DaJ- und BDS-Aktivist Mario Motelli gibt sich als antiamerikanistischer Antiimperialist, der nahezu jede Gewalttat, die sich gegen die Aktivitäten Israels und der USA richtet, positiv bewertet. So äußerte er noch vor der Eroberung Kabuls durch die Taliban die Hoffnung auf einen baldigen Sieg der Islamisten, verherrlichte Hamas-Kämpfer wie Abu Obaida, zeigte sich verärgert über die Verhaftung eines Militanten des Islamischen Dschihad, postete Bilder des Hamas-Vordenkers Ahmad Yasin und erklärte Ulrike Meinhof kurzerhand zur „Schahid“. Israelsolidarische Linke, die gegen ein Protesttheater von BDS demonstrierten (gespielt wurden Scheinhinrichtungen von Palästinenser*innen durch die IDF), verglich er bildlich mit Reichsführer SS Heinrich Himmler und bezeichnete sie als „Israel-Identitäre“.

Marco van Jura, Gerhard Summer sowie Iman Elghonemi bedienen dagegen etwas weniger offen pro-islamistische Diskurse, agieren aber in typischer BDS-Manier: Alle treten regelmäßig als Redner*innen für BDS Austria auf, Israel wird als rassistischer Apartheidstaat und US-Brückenkopf dargestellt, den es zu blockieren und in seiner Arbeit zu behindern gilt. Dabei wird unter anderem die Hamas als Widerstandsorganisation verklärt und Terror gegen Israel legitimiert. Van Jura postete beispielsweise ein Video, auf dem Jugendliche mit Hamas-Fahnen eine israelische Flagge verbrennen, und machte sich über die europäischen „Snowflakes“ lustig, die sich über diese antiisraelische Hetze aufregen würden, während das Leid der Palästinenser*innen niemanden interessiere. Summer soll auch eine größere Rolle bei der Mobilisierung der PSÖ in Westösterreich spielen: Er ist als Ansprechpartner der PSÖ für Tirol und Vorarlberg gelistet – und scheint dort auch der vornehmliche Agitator und Organisator pro-palästinensischer Aktivitäten zu sein.

Von Relevanz für die Mobilisierung in Wien ist auch der Hamas-nahe Islamist Salih Degerli: Der tritt in der Öffentlichkeit relativ offen islamistisch auf, teilt Botschaften des Hamas-Sprechers Abu Obaida, Propaganda der vom Iran unterstützten jemenitischen Ansar-Allah-Bewegung („Huthi-Rebellen“), militärische Propaganda der Hezbollah zur Aufrüstung des Südlibanon an der Grenze zu Israel und vergleicht liberale Kritik an israelbezogenen Antisemitismus mit der Propaganda Hitler-Deutschlands. Er dürfte sowohl bei BDS als auch DaJ aktiv sein, ferner scheint er auch über einen guten Draht zur PGÖ zur verfügen, trat Degerli doch mindestens einmal als Redner für die PGÖ auf.

Das salafistische Milieu rund um die PSÖ.

Neben verschiedenen palästinensischen Vereinen, der Muslimbruderschaft nahestehenden Akteuren und linken antiimperialistischen Gruppierungen sind jedoch auch salafistisch einzuordnende Personen im Umfeld und bei Veranstaltungen der PSÖ anzutreffen. Ein diesbezüglicher Höhepunkt war zweifellos die Demonstration in Wien am 25. November 2023, bei der mit Wilhelm „Willi“/“Khalid“ Ott und Yasser „El Masry“ Gowayed zwei bekannte und bekennende Islamisten und Gewalttäter Reden hielten. Es war jedoch nicht das einzige Mal, dass islamistisch-salafistische Akteure bei Kundgebungen der PSÖ auftraten: Zu Beginn der pro-palästinensischen Mobilisierungen konnten beispielsweise zwei Männer mit einer kalligrafischen Schahada, die dem Logo der Hizb ut Tahrir ähnelte, beobachtet werden, und auch eine junge Erwachsene, die – mittlerweile verurteilte – IS-Sympathisantin Sarah M. (siehe Instagram-Posting von Kollektiv Negativ), trat bis Jänner 2024 regelmäßig als Ordnerin auf den Kundgebungen der PSÖ auf.

Zentral für die pro-palästinensische Mobilisierung aus dem salafistischen Milieu in Österreich sind zweifellos die beiden Kampfsportler Ott und Gowayed. Über Ott wurde bereits mehrfach berichtet – der wegen schwerster Gewalttaten bereits zu insgesamt zehn Jahren Haft verurteilte Ott wurde im Gefängnis durch Da’wah-Aktivitäten zum muslimischen Konvertiten. Während er einige Zeit in Indonesien lebte und dort Kontakte zu dortigen Salafisten und MCs pflegte, kehrte er 2022/23 aufgrund einer Privatinsolvenz nach Österreich zurück. Nun ist Ott wieder im St. Pöltner Instinct Gym als Headcoach aktiv und betreibt darüber hinaus die Jugendkampfsportveranstaltung Smash Time, die nicht nur wegen des islamistischen Settings, sondern auch wegen der akuten Gewaltverherrlichung als jugendgefährdend einzustufen ist (Mobilisierungsvideos für die unseriöse Veranstaltung zeigen etwa Boxkämpfe von Minderjährigen in Parks, bei denen auf Betonboden im Vollkontakt gekämpft wird).

Erst kürzlich gab Ott bekannt, dass er gemeinsam mit anderen Gläubigen Spenden für den Erwerb eines eigenen Moscheegebäudes in St. Pölten sammelt – ein für die Öffentlichkeit höchst gefährliches Unterfangen, da Ott mittlerweile in die Nähe einschlägiger Prediger der salafistischen DMG Braunschweig gerückt werden kann: So teilt er regelmäßig die TikTok-Predigten des Salafisten Ahmad Armih alias Abul Baraa (zu Armih siehe hier), indoktriniert Jugendliche mit seiner salafistischen Koranauslegung im Instinct Gym (Gebetssitzungen während des Trainings) und bekennt sich öffentlich zur Schari’a als Gegenentwurf zu Demokratie und Rechtsstaat. Dass eine solche Ideologie bei Veranstaltungen der PSÖ unkommentiert hofiert wird, zeugt von der weitgehenden Akzeptanz vieler Akteur*innen gegenüber dem Islamismus und insbesondere dem Salafismus, teilweise dürfte Otts Gedankengut auch auf aktive Zustimmung stoßen. Dass sich daran nicht einmal (queer-)feministische Gruppen stören, muss allerdings obskur erscheinen – Frauenrechte oder gar Rechte für homosexuelle oder queere Menschen duldet Ott in keiner Weise. In seinem Weltbild haben Frauen Hijab und wahlweise Niqab zu tragen und werden privat, beruflich und gesellschaftlich auf die Organisation des häuslichen Bereichs sowie das Kinderkriegen und -erziehen reduziert.

Von besonderer Relevanz ist auch ein Ott sehr nahestehende Rapper und Aktivist: Der gebürtige Ägypter Yasser Gowayed stammt aus der Grazer OK-Szene, in der sich auch Ott zeitweise bewegte (siehe unsere Recherche hier). Yasser trat auch als Rapper in Erscheinung, wo er unter anderem gemeinsam mit dem Rapper Ozman im Song „An meine Brüder“ den Staat Israel wüst beschimpfte, das Judentum als „gottlose Rasse“ bezeichnete, in einem anderen Song „im Jihad sterben will“ und in einem weiteren den Verkauf und Vertrieb von Suchtmitteln verherrlichte. Bereits der Drogenhandel hatte Gowayed ein Jahr Haft eingebracht, weitere elf Monate kamen wegen Verhetzung gegen Israel durch die Texte seiner Rapsongs hinzu – unter anderem berichtete die Grazer Annenpost darüber. Mit dem Terrorangriff der Hamas und dem darauffolgenden Krieg in Gaza wurde Yasser – wie auch Ott – rasch aktiv: Mit Bekannten und Verbündeten gründete er Graz4Palestine und trat als Redner bei PSÖ-Veranstaltungen sowie bei Demonstrationen des Funken Graz auf. Online radikalisiert sich Yasser zusehends: Neben Aufrufen zur Vernichtung des Staates Israel teilt Gowayed vermehrt Posts aus den Outlets der Hizb ut Tahrir, die den Gazakrieg instrumentalisieren und emotional aufladen, um vor allem Jugendliche via Instagram und TikTok für die Kalifatsbewegung zu begeistern sollen.

Auch die Figur Gowayeds passt gut in das manipulative Diskursschema: Wie Ott gibt er sich geläutert, er habe Drogen, Rap und dem lasterhaften, kriminellen Leben den Rücken gekehrt, nun lebe auch er nach den Regeln der Sunna – so suggeriert Gowayeds Auftreten, es sei eine Frage religiöser und moralischer Prinzipien, sich mit aller Kraft für Palästina einzusetzen, den Zionismus, Israel und all seine Bürger*innen radikal zu bekämpfen und auf der Seite der palästinensischen Muslim*innen und der Umma zu stehen. Ob dies auch für Gowayed – wie im Falle der Hizb ut Tahrir – nur ein praktischer und propagandistisch verwertbarer Zwischenschritt auf dem Weg zum globalen Kalifat ist, kann nicht abschließend beantwortet werden. In jedem Fall handelt es sich um einen potenziell gewalttätigen, mehrfach wegen Antisemitismus auffällig gewordenen Akteur mit einem Bekenntnis zu fundamentalistischen Glaubensvorstellungen und einer Nähe zu salafistischen Akteur*innen.

Neben Gowayed und Ott ist zumindest ein weiterer medienwirksamer islamischer Fundamentalist, der unter anderem auch von Ott online beworben wird, regelmäßig auf öffentlichen Veranstaltungen der PSÖ und anderer pro-palästinensischer Organisationen zu sehen: der Instgram- und TikTok-Prediger Omar Elattar, der im regulären Berufsleben als Social-Media- und Marketing-Spezialist tätig ist. Elattar hat nach eigenen Angaben einen BA-Abschluss in islamischer Theologie an der Universität Wien und agiert – wie viele andere fundamentalistische oder islamistische Online-Prediger -, indem er Fragen, die User*innen stellen können, beantwortet oder selbst zentrale Konzepte des Islam präsentiert, meist in einer stark fundamentalistischen Auslegung. So empfiehlt er Frauen, den Hijab zu tragen, um ein würdiges und moralisches Leben zu führen, schlägt Kindern, die Opfer häuslicher Gewalt geworden sind, ein Gespräch mit einem Imam als Konfliktlösung vor, warnt aber davor, dass Kinder ihren Eltern den Gehorsam verweigern könnten, postet Interviews mit Konvertiten, die den Übertritt zum Islam als Allheilmittel für diverse Schwierigkeiten im eigenen Leben propagieren, bezeichnet den Islam als die einzig wahre Religion und Allah als den einzig wahren Gott oder gibt in Moscheen Seminare zur psychischen Gesundheit auf der Grundlage des Koranstudiums.

Elattar in der zweiten Reihe, 3. v. r.

Von Bedeutung ist zumindest auch eine Moschee, in der Elattar am 20. Dezember 2023 ein Seminar abgehalten hat: Dieses fand nämlich in der Hauptmoschee der IFW, der Mescid-i Aksa Moschee, der österreichischen Sektion der Milli-Görüş-Bewegung, statt. Dies ist nicht verwunderlich, da die IFW durchaus gute Kontakte zu den genannten palästinensischen Vereinen pflegt, wie auch über die IGGiÖ. Darüber hinaus dürfte Elattar auch regelmäßiger Gast bei Info- und Podiumsveranstaltungen aus dem Spektrum der PSÖ, DaJ, BDS sowie der AIK sein, wie Live-Videomitschnitte aus den Veranstaltungsräumen der PSÖ in der Rögergasse, 1090 Wien, zeigen. Dennoch bezieht Elattar jegliche Form politischer Praxis auf seine Auslegung des Korans und eines gottesfürchtigen Lebens: Palästina-Aktivismus steht für Elattar im Zeichen der Umma, also der Gemeinschaft aller Muslim*innen der Welt, alles Handeln ist am Koran orientiert. Dennoch bleibt unklar, ob Elattar als islamistisch oder „nur“ als fundamentalistisch beschrieben werden kann – denn er fordert Muslim*innen durchaus auf, sich in die westliche Industriegesellschaft einzugliedern, Berufe zu erlernen und erfolgreich zu sein, um letztlich als Gläubige Präsenz in der Gesellschaft zu erlangen. Ob diesem Plan in gewisser Weise ein langfristiger Islamisierungsprozess ideologisch zugrunde liegt, ist schwer zu beantworten, aber nicht auszuschließen.

Es muss nicht betont werden, wie gefährlich die Situation einzuschätzen ist, wenn bekennende Antisemiten, Islamisten, Gewalttäter (mit sportlicher Kompetenz im MMA-Bereich) und religiöse Fundamentalisten als ganz zentrale Akteure öffentlicher Veranstaltungen auftreten und dabei auch noch von linken Organisationen hofiert werden. Das Radikalisierungspotenzial, das von Akteuren wie Ott, Gowayed oder Elattar ausgeht, dürfte schon immer hoch gewesen sein, sich aber mit der Zunahme pro-palästinensischer Agitation nach dem 7. Oktober noch vervielfacht haben. Vor allem die Akzeptanz von Gowayed und Ott könnte u.a. dafür sorgen, dass sich gerade islamistische Akteur*innen bei Veranstaltungen u.a. der PSÖ willkommen fühlen und somit ein gezielter Anknüpfungspunkt geschaffen wird: Darauf deutet u.a. die Anbindung der IS-Anhängerin Sarah M. hin, über die u.a. „Kollektiv Negativ“ auf Instagram berichtete. Die junge IS-Anhängerin trat regelmäßig am Lautsprecherwagen der PSÖ sowie als Ordnerin in Graz (im Rahmen von Gowayeds Initiative Graz4Palestina) und Wien auf. Mittlerweile wurde sie laut Eigenaussage allerdings der Demonstrationen verwiesen und aus dem Organisationsteam ausgeschlossen. Aus welchen Gründen das geschehen ist, bleibt unklar.

Sarah M. am Lautsprecherwagen beim Durchgeben von Parolen.

Reichsbürger*innen und Verschwörungsmedien. Hamas-Propaganda, Anti-Amerikanismus und Täter-Opfer-Umkehr.

Die letzte Gruppierung, auf die wir in der vorliegenden Darstellung eingehen wollen, ist eine Hand voll Akteur*innen, die aus dem Reichsbürger*innenmilieu sowie verschwörungsideologischen Medienprojekten stammen. Sie partizipieren regelmäßig und in hoher Frequenz an den öffentlichen Veranstaltungen der PSÖ, reproduzieren auf ihren Kanälen die Propaganda der PSÖ, teils auch unmittelbar der Hamas‘ und sehen in Israel den Feind und Besatzer, der alleinig für das Leid der Palästinenser*innen Schuld hat. Dabei entstammen alle im Folgenden genannten dem Milieu der Corona-Demonstrationen rund um Martin Rutter und Fairdenken, sind dort auch noch immer aktiv und verbreiten parallel strukturell antisemitische Verschwörungserzählungen rund um das Covid-19-Virus wie auch die Covid-Impfung.

Primär involviert sind dabei die beiden Portale Freiland FM sowie Babenberg Agency International – ersteres wird von Leo Klinke geleitete, der auch schon als Redner bei PSÖ-Veranstaltungen aufgetreten ist; letzteres wird von Martin Strobl betrieben, der wahlweise auch für Freiland FM arbeitet. Während man bei Freiland  noch ein einigermaßen „seriöses“ Image wahrt, ist der Anspruch bei Babenberg und Strobl völlig absent – neben Wahlwerbung für die FPÖ, Interviews mit Hannes Brejcha und Fotos mit FPÖ-Funktionären bewirbt Strobl auch die Österreichisch-Abchasische Gesellschaft. Relevant ist das deshalb, weil Leiter der Gesellschaft der Suworow-Funktionär Patrick Poppel ist – jener nationalbolschewistische pro-Putin-Agitator, der auch mit dem AIK eng kooperiert.

Martin Strobl von Freiland FM und der Babenberg Agency. ©Theo Winkler

Freiland FM dagegen geriert sich als seriöses Blatt, das regulären Journalismus betreiben würde – thematisch bewegt man sich in den für das Milieu typologischen Rahmen: Corona- und Corona-Impfverschwörungen, Anti-Lockdown-Rhetorik, „Klima-Hysterie“ und pro-russische Propaganda strukturieren den publizistischen Output des verschwörungslastigen Mediums. Von Bedeutung für den hiesigen Kontext ist jedoch,  dass auf der Frontpage Hamas-Propaganda, ja sogar ein ganzes Hamas-Statement affirmierend reproduziert wird, inder die Terror-Operation „Al Aqsa-Flut [… zum] natürliche[n] Schritt im Rahmen der Abschaffung der Besatzung“ verklärt wird. Israel und die USA dagegen seien die  wahren Bösen, die USA sei ferner „mitschuldig“ an den „israelischen Massakern an Zivilisten in Gaza“. Bezeichnend ist, dass der erste Artikel zum Thema Palästina, am 09. Oktober 2023 erschien, also zwei Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel. Die Hamas wird dabei als „palästinensische Gruppe“ dargestellt, die Raketen und Angriffe auf die „israelische Besatung“ durchgeführt habe, von den Gräueln und barbarischen Morden durch die islamistische Miliz findet sich kein Wort. Und so verwundert es auch nicht, dass Freiland regelmäßig Überblicke über palästina-„solidarische“ Veranstaltungen in Wien publiziert und aktiv aufruft, an diesen teilzunehmen.

Leo Klinke bei einer Rede auf einer PSÖ-Kundgebung in Wien, Favoriten.

Neben den beiden Medien finden sich ferner auch einige wenige, bekannte Reichsbürger*innen in den Reihen der PSÖ-Aufmärsche: So der v. a. bei Corona-Demonstrationen sehr aktive Peter Eckhardt, der dort stets mit Reichsflagge auftauchte und April 2023 wegen Holocaustleugnung nach §3g Verbotsgesetz angeklagt und verurteilt wurde, ferner ein Fairdenken-Aktivist, der zumeist mit Trommel unterwegs ist und dies auch bei der PSÖ zusammen mit dem PSÖ-Aktivisten Faris Rida tut, sowie ein Reichsbürger, der u. a. bei Kundgebungen der Corona Querfront in Eisenstadt gesichtet worden war. Die Motivation hinter ihrer Anwesenheit kann nicht vollends geklärt werden, dennoch liegt die Mutmaßung nahe, dass gerade Personen, die Reichsbürger-Ideologie stark verinnerlicht haben, strukturell bis offen antisemitische Weltbilder kultivieren. Angenommene Elitenverschwörungen, die zumeist die USA, Israel und das Judentum als Feindbild bedienen ermöglichen so eine rasche Anbindung an das – ebenso von wüstem Antisemitismus geprägte – prop-palästinensische Umfeld der PSÖ.

Ausblick.

In dieser Recherche haben wir uns auf die Identifizierung der zentralen Akteur*innen konzentriert, die seit dem 7. Oktober das pro-palästinensische Protestgeschehen organisieren, prägen und dabei dargestellt, warum diese aufgrund ihres Antisemitismus, sowie der Nähe zu islamistischen Organisationen zu problematisieren sind. Es ist außerordentlich bedenklich, dass islamistische Akteur*innen, diverse Terror-Apologet*innen, unterschiedlichste Hamas-Unterstützer*innen, linke antiimperialistische Politsekten und verschwörungsideologische Personengruppen ihren Antisemitismus und Menschnverachtung weitgehend unkommentiert, öffentlich, in hoher Frequenz, unverhohlen zur Schau stellen können. Insbesondere, da die dramatische und hochkomplexe Situation im Nahen Osten viele Menschen aus unterschiedlichen Motiven emotional tief ergreift und gerade auch Jugendliche in sozialen Medien mit völlig einseitiger Propaganda konfrontiert werden, stellt die völlig einseitige, Hamas-verherrlichende Darstellung sowie die ideologische Indienstnahme des Israel-Gaza-Krieges durch die PSÖ ein akut bedrohliches Szenario dar. Denn die besprochenen Akteur*innen besitzen weitgehende Deutungshoheit innerhalb des sich Palästina-solidarisch gerierenden Lagers und erreichen mit ihrem verkürzten und zumeist von antisemitischen und islamistischen Motiven geprägten Botschaften eine große Anzahl an Personen. Insbesondere für in Österreich lebende Jüdinnen*Juden stellen diese Entwicklungen eine reale Gefahr dar: Der enorme Anstieg dokumentierter antisemitischer Übergriffe seit dem 7. Oktober 2023 verdeutlicht diesen Umstand. Antifaschistische Praxis muss bedeuten, unabhängig von politischer Ideologie menschenverachtende Umtriebe als solche kenntlich zu machen, zu kritisieren, zu verurteilen und dagegen aktiv zu werden. Im Falle der aktuellen pro-palästinensischen Mobilisierungen in Österreich soll diese Recherche dahingehend einen Beitrag leisten.

„Corona Querfront“ – Die neonazistischen Netzwerker*innen der Corona-Demonstrationen

Zum 91. Mal – so die Eigenwerbung auf dem hauseigenen Telegram-Kanal – hatte die Gruppe „Corona Querfront“ (CQ) am 31. Juli 2022 in der Eisenstädter Innenstadt ihren Infotisch aufgebaut. Bei den freitäglichen Veranstaltungen handelt es sich auf den ersten Blick um nichts allzu Spektakuläres: Tisch, das (nun sattsam aus Wien und Eisenstadt bekannte) gelb-schwarze Banner, rundherum 3-4 Aktivist*innen, die ihr „Wissen“ rund um eine Covid-19-Verschwörung zum Besten geben. Es sind meist keine bekannten Rechtsextremist*innen, die da auftreten, sondern ältere Leute, szenepolitisch unbekannt, oft aus der Region (Eisenstadt und Eisenstadt-Umgebung) stammend, die mit ihrer „Erfahrung“ rund um das Einspruch-Einlegen gegen Verwaltungsstrafen werben (etwa wegen fehlender Maske in öffentlichen Verkehrsmittel o. Ä.) und mit angeblichem Insider-Wissen rund um die globale Corona-Verschwörung regelrecht protzen. Die gekonnte Inszenierung zeichnet ein Bild, das nicht von dem abweicht, was sich in dutzenden anderen Städten und Dörfern in kleinerem wie größerem Ausmaß wöchentlich abspielt: SARS-Covid-19 lediglich eine Verschwörung, die Maßnahmen der Regierung ein Mittel zum Zweck der Errichtung einer Diktatur, die nach globalem Geheiß operiert.

Das Bild der bemühten Corona-Aufklärer*innen brechen jedoch die veranstalteten Demonstrationen der gleichen Gruppe, die seit 06. Februar 2021 jeden ersten Samstag im Monat stattfinden: Denn dort lassen sich ab etwa 14:30 seit Jahrzehnten aktive, international vernetzte Neonazi-Kader antreffen, um mit einem Pritschenwagen durch die Hauptstraße Eisenstadts zu marschieren. Es ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass das Küssel-Ehepaar, Gottfried und Karin, diese Gruppe aufgebaut hat und als legalistischen Arm in ihrem Kampf um die Wiedererrichtung eines nationalsozialistischen Regimes einsetzt. Doch die Küssel-Familie ist nicht der einzig bekannte Cluster an Akteur*innen aus dem neonazistischen Spektrum, die die burgenländische Hauptstadt monatlich in Beschlag nimmt und zur Projektionsfläche ihrer Politik des Hasses macht. Im folgenden Text widmen wir uns dem Corona Querfront-Netzwerk, dessen zentrale Akteur*innen, Verbindungen und Überschneidungen zu weiteren neonazistischen Gruppierungen sowie der Funktion von CQ im neonazistischen Milieu Österreichs und in der Corona-Rechten.

Erste öffentliche Auftritte absolvierte CQ seit Beginn der sogenannten „Corona Demonstrationen“ in Wien: Am 06. Juni 2020 marschierte Harald A. Schmidt, lang gedienter Wiener Neonazi, gemeinsam mit jungen Neonazis und Identitären durch den 01. Wiener Gemeindebezirk (Innenstadt), das mittlerweile bei allen Veranstaltungen von CQ in Szene gesetzte Transparent vorantragend. Mit Schmidt am Transparent konnten u. a. der aB! Albia-Burschenschafter und AfDler Florian Köhl, der Wiener Neonazi Bernhard Burian, der Identitäre Andrei Pavan, der neonazistische Runentattoos trägt und der junge Neonazi-Hooligan Dominik Wendel identifiziert werden (Näheres siehe weiter unten, Kapitel zu den Verbindungen von CQ zu jungen Neonazis). Zu diesem Zeitpunkt war der einizige direkte Exponent der „alten“ Neonazi-Szene Schmidt, doch dessen Geschichte ließ schon zu diesem Zeitpunkt die Vermutung zu, dass da noch mehr kommen würde:1 Im alpen-donau.info Forum „alinfodo“ hatte Schmidt unter dem Pseudonym „Athanarich“ Hitler-Zitate verbreitet. Vermutet wird auch, dass er unter dem gleichen Pseudonym schon im Thiazi-Forum geschrieben hatte. 2011, nach der staatlichen Sprengung des alpen-donau.info-Komplexes, lief dann ein Verfahren nach §3g Verbotsgesetz gegen Schmidt. Davor war Schmidt in den 70er-Jahren beim RFJ gewesen, dann bei der ANR und Ende der 80er-/Anfang der 90er-Jahre in der „Ausländer Halt“-Bewegung des verurteilten Südtirol-Terroristen und NDP-Aktivisten Norbert Burger und der internationalen Neonazi-Szenegröße Gerd Honsik 2.

Hinter dem CQ-Komplex selbst steht der Verein „Iuvalex – Gesellschaft für juristische Zusammenarbeit und Rechtshilfe Wien“, der – nicht weiter verwunderlich – an Schmidts Wohnadresse im 23. Wiener Gemeindezirk Liesing, Stachegasse 1/5/2, vereinspolizeilich gemeldet ist. In mehrfacher Hinsicht ist das Entstehungsdatum interessant: Es lautet auf den 24. Jänner 2020, datiert also in jenen Zeitraum, in dem das SARS-Covid-19-Virus gerade erst europaweit zum Problem werden würde; in Österreich wurden die ersten Fälle erst am 25. Februar 2020 gemeldet. Warum Iuvalex initial gegründet worden ist, muss also Spekulation bleiben – der Titel jedoch legt nahe, dass die Planung möglicherweise auf die Etablierung einer neonazistischen Rechtshilfe abzielte, wo Schmidt sein Wissen als ehemaliger Anwalt in Funktion einer Szene-Rechtsberatung einbringen hätte können. Klar dürfte allerdings sein, dass die Gründung des Vereins nicht per se auf CQ abgestimmt worden war.

Wirklich Fahrt nahm das Projekt dann im kommenden Winter auf: Das lag zum Einen daran, dass ab dem Sommer die Corona-Demonstrationen in Frequenz und Regelmäßigkeit sowie in ihrer personellen Masse abnahmen – was auf gelockerte Maßnahmen zurückzuführen war wie auf die Möglichkeit, draußen soziale Kontakte zu pflegen und abends etwa an öffentlichen Orten auszugehen. Mit Herbst und insbesondere Winter 2020 nahmen die Demonstrationen wieder zu, v. a. nachdem publik wurde, dass mit Anfang November wieder ein „Lockdown light“ und nur wenige Tage später ein „harter“ Lockdown verordnet werden würde. Ab den Protesten gegen den harten Lockdown nach Weihnachten 2020 (ab dem 26. Dezember) intensivierten sich die Auftritte von CQ, wodurch ab diesem Zeitpunkt auf eine konsistent arbeitende Gruppe hinter dem CQ-Logo geschlossen werden konnte.

Alte Bekannte in neuem Format

Dass CQ keine personell genuin neue Organisierung darstellte, war mit dem Erscheinen des ex-ANR-Mitglieds Schmidt als erstinstanzlicher Akteur von Vornherein klar – als überraschend aber kann die personelle Bündelung der Neonazis bezeichnet werden, da seit den gescheiterten Organisierungsversuchen rund um PdV, Pegida und FHB kaum aktive Gruppen-Präsenz auf der Straße wahrgenommen werden konnte. Zur öffentlichen Absenz dürften auch die langjährigen unbedingten Haftstrafen von Küssel, Budin und Wilhelm Christian Anderle sowie der Anhang an weiteren Verfahren nach dem Verbotsgesetz im Rahmen der alpen-donau.info-Zerschlagung beigetragen haben. Dabei darf die öffentliche Absenz jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Hintergrund etwa die klandestine Unwiderstehlich-Organsierung abspielte und zu mehrfachen Angriffen auf linke Projekte führte. Interessant ist jedoch die Aufteilung der Akteur*innen: Schnell lag auf der Hand, dass Küssel gezielt ganz bestimmte Leute öffentlich in Szene setzte, andere koordiniert nicht im Vordergrund tätig würden. Es scheint bei CQ aus mehrfachen Gründen eine gewisse Trennung zu geben zwischen solchen Aktivist*innen, die Strukturen im Hintergrund aufbauen und sich für (spärliche) klandestine Aktionen verantwortlich zeichnen und jenen, die sich möglichst bürger*innennah gerieren und durch freundliches, lockeres Auftreten (oft ältere Kader) über den harten Neonazismus hinwegzutäuschen suchen.

Zum öffentlichen Kern von CQ gehört neben Schmidt und Gottfried Küssel zum Ersten die Familie Küssel. Karin Küssel, geborene Schinner, war bereits in der VAPO aktiv und dort zahlreiche Male im sog. „Paulinenstüberl“ anzutreffen, wo regelmäßig nicht rein organisatorische Treffen der Wiener VAPO-Kameradschaften stattfanden, aber auch im Kameradschaftskeller in der Hornbostelgasse, 1060 Wien, wo es dezidiert um Politik und Organisierung  ging. Seit dieser Zeit ist Karin Küssel als integrale Kraft der österreichischen Neonazi-Szene zu betrachten und kann nach Gottfried Küssel wohl als eine der ranghöchsten Neonazist*innen Österreichs gelten. Während Gottfried Küssel 1992 dann in Haft musste, heirateten beide noch während der Haftperiode und zogen nach Gottfrieds Enthaftung – sie kauften ursprünglich vier Wohnungen vom Vorsitzenden der neonazistischen Wiener Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“  Wilhelm Ehemayer in der Oberen Donaustraße 39 – in den zweiten Wiener Gemeindebezirk. Dort betrieb Karin Küssel dann bekanntlich den „Nationalen Bioladen Naturnah“, der auf ihre Mutter, Erika Schinner, angemeldet worden war. 2001 und 2003 bekamen die Küssels zwei Kinder, Gudrun und Gerolf3 – beide Kinder waren und sind auf Corona-Demos anzutreffen, beide waren darüber hinaus auch in Eisenstadt bei den hauseigenen Kundgebungen von CQ vor Ort. Karin Küssel war dann natürlich auch im alpen-donau.info-Komplex tätig, wie auch während der Haft von Gottfried Küssel: So etwa war sie ebenso an den Organisierungsversuchen rund um den PdV-Komplex und an den Kundgebungen des Grazer Ablegers beteiligt. Bisher war Karin Küssel bei jeder Demo und jedem Autokorso in Eisenstadt anwesend, zumeist holte sie mit Gottfried zusammen auch den Pritschenwagen von der Firma „Priline“ aus Gänserndorf, um diesen nach Eisenstadt zu fahren.

Mit Lucas Tuma findet sich ein weiterer lang angedienter Neonazi in den Reihen von CQ. Schon Tumas Vater Otto war in den alten neonazistischen Kreisen Wiens aktiv, als Rechtsanwalt verteidigte er u. a. sowohl Gottfried (1992) als auch Karin Küssel (1998) bei deren Anklagen wegen Verstoßes nach §3g Verbotsgesetz. Lucas Tuma selbst war bereits in VAPO-Kameradschaften aktiv, nahm dort u. a. an Wehrsportübungen am Ottensteiner Stausee teil. Darüber hinaus teilte er mit einem weiteren VAPO-Kameradschaftler aus Eckartsau, Hermann Bahr, der auch das berüchtigte „Paulinenstüberl“ in Wien Währing betrieb, die Leidenschaft fürs Fliegen: Beide waren Mitglieder beim „Union Sportfliegerclub Eisenstadt“ und besaßen am Trausdorfer Flugfeld zwei Cessna (150 & 172) sowie eine Piper PA-28, mit denen sie als Privatpiloten Stadtflüge über Wien anboten. Unklarheit besteht für die Periode zwischen der Selbstauflösung der VAPO nach den zahllosen Verhaftungen und Verfahren gegen die Köpfe der Organisation – Tuma taucht dann in der Periode vom 25. Juli 2009 wieder als Vorsitzender der „Wiener Akademischen Ferialverbindung Reich“ auf 4, bis zur „freiwilligen“ Selbstauflösung dieser durch den sich erhöhenden Druck der Repressionsbehörden am 01. August 2011. Neben ihm war Viktor Hammermayer als stv. Vorsitzender eingetragen, Schriftführer und Kassier machte Gottfried Küssel. Nach der Zerschlagung wurde dann etwas mehr als zwei Jahre später die nächste Ferialverbindung eingerichtet: Diesmal hieß sie „Ferialverbindung Imperia Wien“, Meldeadresse noch immer die Lichtenauergasse 4, zweiter Wiener Gemeindebezirk. Da bei Vereinsmeldungen keine konkreten Haustürnummern angegeben werden müssen, bleibt die völlig exakte Örtlichkeit des Imperia-Vereins unklar, aber es kann eine begründete Spekulation angestellt werden: Von den alten Kaderwohnungen, derer es ingesamt 9 in diesem Block gab (Küssel: vier Wohnungen, ex-VAPO Stefan Tanczos: vier Wohnungen 5, Felix Budin: eine Wohnung), sind nur noch drei insgesamt im Besitz der Truppe. Auf Gottfried Küssel lauten zwei Wohnungen, auf Budin noch immer die eine, deren exakte Adresse Lichtenauergasse 4/1/22 sein dürfte.

Tuma selbst war neben Schmidt wohl der zweite Altnazi-Kader, der bereits im Frühstadium der Corona-Proteste in unterschiedlichsten Gruppen und Unterorganisationen der Corona-Rechten rekrutierte und Netzwerke schuf: ob als Redner in Kontakt mit Rutter und den Fairdenken-Organistor*innen, in kleinerem Format mit Jennifer Klauninger und der „Team HC Strache“ (THC)-Kandidatin Christina Kohl oder in Eisenstadt und Wien hinter dem Banner von CQ – Tumas Engagment für die Proteste kann als umfassend betrachtet werden. Wir werden auf die vielschichtigen Verbindungen der alten Kader weiter unten eingehen, vorab wollen wir etwas genauer die identifizierten Aktivist*innen von CQ darstellen.

Damit die Infotische, Demonstrationen und Autokorsos in Eisenstadt und Umgebung laufen, benötigt es Personen, die solche Veranstaltungen bei der zuständigen Behörde polizeilich anzeigen. Die Kundgebungen und anschließenen Demonstrationen meldete der aus Eisenstadt Umgebung stammende Neonazi Peter Rennmayr an. Rennmayr ist CQ-Aktvist der ersten Stunde, trat öffentlich in Eisenstadt als Anmelder auf, hielt jedes Mal einen der ersten Redebeiträge. Rennmayr dürfte enge Kontakte zu Gottfried und Karin Küssel pflegen (was bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegt) und war auch beinahe jedes Mal am CQ-Transparent bei den Aufmärschen der Corona-Rechten in Wien zu sehen.

Den Part, die Autokorsos polizeilich anzuzeigen, übernimmt – seit der Erweiterung des Aktionsfeldes seitens CQ im Format der sogenanneten „Nordburgenland Aktionstage“ – die hinlänglich bekannte Neonazistin Anita Barilich. Auch wenn rezent weniger im Rampenlicht als die bisher genannten Aktivist*innen, war Barilich schon im Rahmen der Gründung der neonazistischen „Partei des Volkes“ (PdV) involviert, in der u. a. der verurteilte österreichische Rechtsterrorist Gabor Söregi aktiv war. Barilich hatte durchwegs Zugang zu den Spitzen der PdV, wie etwa ein kolportiertes Interview mit Walter Wolfgang, einem PdV-Kader und Rechtsmilitanten aus Neusiedl am See, zeigen.

Nun ist Barilich bei CQ aktiv, erneut in zentraler Rolle: Wie sie selbst in einer Telegram-Chatgruppe offenlegte, meldet sie regulär jeden Autokorso an – perfider Grund: Einige Leute würden wohl etwas scheu sein, wenn die Familie Küssel auftauchen würde und gegebenenfalls fernbleiben, wenn Gottfried Küssel die Veranstaltung auch noch selbst angezeigt hätte. Deshalb meldet Barilich an (wohl auch um Komplikationen mit dem DSN zu meiden) und tut dies „unsicheren“ Corona-Maßnahmen-Kritiker*innen kund, um mehr Klientel anzulocken. Darüber hinaus gibt Barilich auch den Polizeikontakt bei den Demonstrationen und agiert gewissermaßen als Puffer, wenn etwa die anwesenden Skinheads Journalist*innen zu stark bedrängen: So etwa versuchte Barilich öfters eine lockere, harmlose Gesprächbasis zu etablieren, bot u. a. Polizist*innen Tee oder Essen an, oder plauderte mit Beamt*innen der burgenländischen Bereitschaftseinheit „WULKA“ über deren Einsatz bei Corona-Demonstrationen in Wien.

Liiert ist Barilich mit Mathias Albrecht, auch er war zentrales Gründungsmitglied der PdV. Die Kolleg*innen der Recherche Graz haben zu Albrecht bereits ein Dossier erstellt: So war Albrecht Ordner bei PdV-Kundgebungen, bedient offen und schamlos geschichtsrevisionistische Positionen, fordert die Wiedervereinigung Tschechiens und Österreichs mit dem „Deutsch Reich“ und hat eine Vorliebe für die Waffen-SS sowie Rechtsrock, v. a. für die 2000 aufgelöste österreichische Neonazi-Band „Schlachthaus“. Albrecht war beinahe bei jeder Demo von CQ anwesend, kann so durchaus zum Stammklientel gezählt werden.

Zum engsten Klientel dürfte auch der Neonazi, Biker und MC-Enthusiast Josef Witzani zählen. Witzani war bei jeder Demo stets von Beginn weg anzutreffen und dürfte mit Gottfried Küssel in gutem Kontakt stehen. Witzani entspringt dem Biker-Milieu und scheint v. a. Kontakte zur rechten MC-Szene in Deutschland zu pflegen, aber auch zum österreichischen Suporter*innen-Netzwerk des „Hells Angels“ MC. Darüber hinaus dürfte er in legalistischem Rahmen Obmann des Iuvalex-Vereins sein. Darüber hinaus konnte Witzanis Motorrad des Öfteren direkt neben Küssels Motorrad in der Fruchtgasse (Quergasse zur Unteren Donaustraße) gesehen werden, was zumindest offenlegt, dass Witzani des Öfteren in Wien bei Küssel gastieren dürfte.

Ebenso freundschaftlich ist Witzani mit jenem namentlich (noch) unbekannten Neonazi verbunden, der wohl als eine Art Leibwächter für Gottfried Küssel fungiert. Stets schwer vermummt und in Funktionskleidung dürfte er v. a. für die Absicherung der öffentliche Auftritte verantwortlich sein: So etwa koordiniert er in Eisenstadt meist jene Neonazis, die Journalist*innen bedrängen und am Arbeiten hindern, oder aber versucht – wie im Falle der antifaschistischen Proteste gegen den rassistischen Aufmarsch der „Freiheitlichen Jugend Burgenland“ in Deutschkreutz – linke Aktivist*innen im Rahmen von Anti-Antifa-Arbeit zu fotografieren. Dieser Funktion kam er u. a. auch bei der linken Kundgebung während des zweiten Prozesstages gegen angeklagte Antifaschist*innen nach: Dort tauchte jener Neonazi mit zwei weiteren beim Alten AKH auf, um mit Teleobjektiv die Kundgebung und ankommende Linke zu fotografieren. Darüber hinaus trat er als Ordner bei mindestens einer Demonstration von Martin Rutter auf, wo er Objektschutz für das massive Sound-Equipment machte, das vermutlich der Involvierung der FPÖ und deren finanziellen Mitteln geschuldet ist.

Zum Absicherungsteam in Eisenstadt gehört u. a. auch der Neonazi Andreas Balluf sowie seine – uns namentlich unbekannte – Lebensgefährtin, die eine schwarze Sonne auf der Brust tättoowiert trägt. Beide waren auf zahlreichen Demos der rechten Szene auch abseits der Corona-Demonstrationen zu treffen: So etwa konnte Balluf und seine Partnerin sowohl bei der IB-Symbolverbotsdemo am 31. Juli 2021 gesehen werden, wie auch in Deutschkreutz bei der rassistischen Kundgebung der FJ Burgenland. Auch online bewirbt Balluf die Autokorsos und Demonstrationen viel und ausladend – Balluf ist Anhänger diverser Verschwörungserzählungen, u. a. mit Bezug auf Q-Anon- und Finanzelitenverschwörungsnarrative. Darüber hinaus dürfte er des Öfteren längere Survivaltrainings absolvieren und einem mystischen Naturfetisch anhängen: Immer wieder verkündet Balluf seinen „Ausstieg“ aus der Gesellschaft und den Rückzug in eine als rein imaginierte Natürlichkeit.

Auch die beiden Neonazi-Kader und engen Vertrauten der Küssel-Truppe Paul Blang, der als intensiver Netzwerker in der neonazistischen Szene Wiens angesehen werden muss, sowie der hinlänglich bekannte Thomas Cibulka konnten in Eisenstadt angetroffen werden. Sie kamen zumindest zwei Male zusammen mit dem neonazistischen Austria-Hooligan Michael „Junior“ (Nachname zu diesem Zeitpunkt unbekannt) in einem Auto aus Wien angereist. Blang und Cibulka dürften grundsätzlich als freundschaftlich verbunden angesehen werden, sind sie doch zumeist zu zweit unterwegs, in rezenterer Zeit auch in der Ostkurve im Block der „Viola Fanatics“ sowie im Sektor der „Ultras Slovan Pressburg“, oder aber bei einem Konzert nahe Brno. Ihr Engagement in der neoazistischen Szene ist hinreichend bekannt und beleuchtet worden: Dass sie auch mit CQ vernetzt sind, ist deswegen nicht weiter verwunderlich, da beide unter Gottfried und Karin Küssel bereits seit Jahren Szenepolitik betreiben.

Auch ein weiterer lang bekannter Neonazi ist – bzw. war – in den Reihen von CQ aktiv: der ehemalige NVP und JNVP-Kader Mario Aulabauer. Dieser kann ebenso auf eine lange Vergangenheit in der neonazistischen Szene zurückblicken: Ab Mitte/Ende der 2000er war er im Rahmen der NVP (geboren 1989) inbesondere in seiner Funktion als Jugendsprecher aktiv gewesen, wo er u. a. für den Aufbau der JNVP zuständig hätte sein sollen. Bereits 2008 jedoch erfolgte die erste Verurteilung, die sich noch auf eine Bewährungsstrafe belief: Aulabauer dürfte Kopf einer Gruppe junger Neonazis gewesen sein, die im Raum Wr. Neustadt unter dem Namen „Weißer Widerstand Österreich“ für zahlreiche Sachbeschädigungen und Wiederbetätigunsgdelikte angeklagt worden waren. 2009 dann schon erfolgte – noch auf Bewährung – die nächste Anklage, die diesmal auch ins unmittelbare Umfeld und Zentrum der alpen-donau.info-Vernetzung führte: Gegen Aulabauer wurde erneut wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Wiederbetätigung und ungefugten Waffenbesitzes ermittelt, diesmal im Rahmem der Gruppe „Freie Aktivisten Wiener Neustadt“. Aulabauer wurde (er saß nach seiner Festnahme in U-Haft) auf vier Jahre unbedingte Haft verurteilt, mildernd fiel u. a. aus, dass er sich geständig zeigte und „reumütig“ aussagte: Dies wiederum missfiel der NVP gleichermaßen wie den Köpfen von alpen-donau.info, allen voran dem Grazer Neonazi Richard Pfingstl. Denn der Verbund der „Freien Kameradschaft Wiener Neustadt“ – nicht nur Aulabauer zeigte sich geständig, um ein milderndes Urteil zu erlangen – war Teil der alpen-donau.info-Koordination und als solcher ließen es sich weder NVP-Kader Christian Hayer und Robert Faller, noch die Köpfe der alpen-donau.info-Seite nehmen, Drohungen an weitere mögliche Zeug*innen auszusprechen, und: Kurz nach dem Prozess wurde ein Zeuge kurzer Hand brutal zusammengeschlagen, die Täter*innen entkamen unerkannt.

Das nächste Mal dann tauchte Aulabauer in den Kontakten des rechtsterroraffinen ex-NVP-Neonazis Rudolf Prinesdomu auf: Laut Aussagen des informierten Beamt*innenvertreters des LVT Burgenland hatte Prinesdomu Aulabauer gekannt und auch in Wr. Neustadt besucht. Darüber hinaus sagte Prinesdomus Sohn aus, sein Vater habe Aulabauer größere Mengen potentes THC verkauft (kein Beweis durch das zuständige LKA). In einer kleinen Seitenbemerkung tat der Beamt*innenvertreter dann noch kund, dass Aulabauer erneut in Wr. Neustadt in Haft säße, wiederum wegen Vergehen nach §3g Verbotsgesetz. Das deckt sich grundlegend mit Informationen, dass Aulabauer 2020 erneut zu vier Jahren unbedingter Haft verurteilt worden war. Die Aussage des LVT-Beamten muss allerdings als teilweise falsch klassifiziert werden, denn feststehend ist, dass Aulabauer mehrfach an Aufmärschen von CQ teilnahm – sowohl in Eisenstadt wie auch in Wien. Das heißt im Umkehrschluss: Entweder a) waren die Informationen des aussagenden Beamten inkorrekt punkto des Haftantritts oder aber b) Aulabauer muss seine Strafe erst antreten – denn die letzten Aktivitäten Aulabauers in den Sozialen Medien datieren ins Jahr 2022.

Ebenso oft im Rahmen von CQ konnte der junge Neonazi mit Affinität für den III. Weg Marco Helfenbein gesehen werden: Helfenbein ist der Sohn der „PEGIDA Vorarlberg“-Gründerin Susanne Andrea Helfenbein, die auch auf Corona-Demonstrationen in Wien als Rednerin aufgetreten war. Die aus Hohenems stammende Neonazistin versuchte Pegida mit deutschen und schweizer Aktivist*innen (Ignaz Bearth und Michael Stürzenberger) im Dreiländereck aufzubauen, was bekanntermaßen kollosal scheiterte und zu einer Flut an internen Spaltungen der Pegida Österreich-Aktivist*innen führte. Wir verweisen für die komplexe Geschichte der Pegida-Bewegung in Österreich, deren Mobilisierungspotenzial deutlich kleiner als das in Deutschland ausfiel, auf die Berichte von SdR sowie für die Grazer und Wiener Sektion jeweils auf die Rechercheblogs der Kolleg*innen aus den jeweiligen Städten, da eine Aufschlüsselung hier den Rahmen sprengen würde. Wichtig ist für CQ nämlich v. a. Helfenbeins Sohn Marco: Denn dieser musste sich bereits am Landesgericht Feldkirch 2016 wegen mehrfacher Sachbeschädigung, Schändung eines jüdischen Friedhofs, Wiederbetätigung und versuchter schwerer Körperverletzung verantworten. Helfenbein war dabei schon in seinen Jugendjahren in der harten Vorarlberger-Neonaziszene aktiv, seine Mutter förderte dies aktiv: So dürfte Marco Helfenbein im Umfeld der „Nationalen Aktion Vorarlberg“ (NAV) organisiert gewesen sein und hatte zumindest online regen Kontakt zum „Freien Netz Süd“, das wiederum eng mit der NAV kooperierte – bekanntermaßen gingen NAV und Freies Netz Süd in der heutigen Parteistruktur „III. Weg“ auf. Die polizeiliche Einvernahme und eine psychiatrische Begutachtung ergaben, dass Helfenbein bereits mit seinen jungen 17 Jahren ein absolut gefestigter Neonazi sei, der im vollen Umfang den NS-Staat verteidigt und wieder herbeiführen wolle. Dies zeigte sich etwa auch bei der Festnahme: Dort attackierte er die anwesenden Polizist*innen mit einer Zeltstange – Ergebnis der Verhandlung: Zwei Jahre Haft, acht Monate davon unbedingt. Bei den CQ-Aufmärschen in Wien konnte Helfenbein konstant – und somit auch ideologisch stringent – mit einer grünen Haube des III. Weges gesehen werden. Darüber hinaus ist er mittlerweile auf Facebook in der Gruppe „Kriegerdenkmäler in Niederösterreich“ aktiv und posiert vor diesen des Öfteren in Pullovern und Shirts des III. Weges.  Helfenbein ist derzeit in Niederösterreich, 2231 Strasshof a. d. Nordbahn bei Wien, wohnhaft und dürfte mitterweile im Raum Gänserndorf auch arbeitstätig sein.

Neben den nun aufgeschlüsselten bekannten Aktivist*innen konnten wir einige neue Gesichter in den Reihen von CQ idenitifizieren, wobei wir hier nach der Frequenz des Erscheinens, Funktion bei den Aufmärschen, Verhältnis zu anderen bekannten Kadern, Verhältnis zur Küssel-Familie und Auftritt im Social Web 2.0 beurteilt haben, ob die Personen von politischer Relevanz sind und somit hier genannt werden. So wollen wir hier an dieser Stelle die CQ-Aktivist*innen Thomas Dunkl, Ute Stockreiter, Katharina Rosenauer, Bianca Lörner, Rene Beisteiner, Rudolf Hendling, Marlen Dorn und Jörg Schüller anführen.

Rene Beisteiner taucht seit den ersten Stunden der Demonstrationen der Corona-Rechten in Wien und Eisenstadt auf: So etwa zeigt ihn das unten angeführte Bild direkt neben Identitären bei einer der ersten Kundgebungen am Ballhausplatz, an der auch Wolfang Lechner teilnahm, darüber hinaus dürfte er die Küssels persönlich kennen.

Thomas Dunkl war auf beinaher jeder Demonstration in Wien und Eisenstadt zu sehen: Er hat v. a. guten Kontakt zu Josef Witzani und zu den Küssels. In Wien ging er fast immer am Fronttransparent von CQ. Darüber hinaus tauchte er mit Andreas Balluf, dessen Lebensgefährtin, Mathias Albrecht und Anita Barilich bei der Kundgebung der Freiheitlichen Jugend in Deutschkreutz auf, was auf klare rassistische Positionen schließen lässt.

Ähnliches gilt für Rudolf Hendling: V. a. in Wien war Hendling bei zahllosen Demonstrationen anwesend, zu Küssel zeigte sich v. a. in Eisenstadt freundschaftlicher Kontakt. In einem Auftritt in der ATV-Sendung „Alles Liebe“ zeigte Hendling besonders virulenten Sexismus sowie seine fundamentale Überzeugung vom bevorstehenden „Great Reset“.  Auf seinem Facebook-Profil postet er darüber hinaus auch (mutmaßlich) nicht-konsensuell aufgenommene Fotos von Frauen am Strand. Darüber hinaus trägt er auf seinem Unterarm ein Tattoo von Friedrich Ludwig Jahn (besser bekannt als „Turnvater Jahn“).

Bei Bianca Lörner handelt es sich ebenso um eine überzeugte Rechtsextremistin. Schon ihr Social Media-Auftritt zeugt von rechtsextremer Gesinnung, spätestens ein Blick in die Freund*innenlisten und Interaktionen zeichnet ein noch eindeutigeres Bild: Dort tummeln sich bekannte Neonazis und Rechtsextremist*innen und auch Lörner betreibt eifrige Online-Praxis. Auf den Eisenstädter Demos war sie zahlreiche Male anwesend und konnte stets als Teil der angeführten Kerngruppe beobachtet werden: So konnte Lörner auch beim Gespräch mit den Neonazi-Kadern Blang und Cibulka sowie Erich Weber (siehe weiter unten) beobachtet werden.

Lörner links mit Erich Weber (SGB-Medie, siehe untern).
Lörner mit Erich Weber (SGB, siehe unten).

Ute Stockreiter konnte ebenso bei beinahe allen Veranstaltungen von CQ in Eisenstadt gesehen werden: Als eine der Ersten trug sie die gedruckten Shirts von CQ und gab Instruktionen an Mitdemonstrierende. Sie dürfte Kontakt zu diversen Exponenten der ostösterreichischen Corona-Leugner*innen-Szene haben wie etwa der bekannten Aktivistin Jennifer Summer, die auch an mindestens einem Autokorso in Eisenstadt teilnahm.

Auch Katharina Rosenauer, die in Purbach am See den Lebensmittel- und Gärtnereiladen „Landprodukte Rosenauer“ betreibt, konnte bei sämtlichen Demos von CQ in Eisenstadt angetroffen werden, wo sie stets entweder Flaggen oder Transparente hielt, oder aber in Richtung anwesender Journalist*innen pöbelte. Sie ist überzeugte Corona-Leugnerin, affiziert die Impfung mit Verschwörungserzählungen und vertritt nationalistische Positionen – auch bewirbt sie die Veranstaltungen von CQ regelmäßig online.

Marlen Dorn ist ebenso dem Eisenstädter Corona-Leugner*innen-Milieu zuzuordnen und reproduziert krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon Bereich sowie Inhalte des wegen Wiederbetätigung verurteilten Zahnarztes Jaroslav Belsky. Sie konnte v. a. in Wien in den Frontreihen von CQ beobachtet werden, hat Kontakt zur unmittelbaren CQ-Gruppe wie auch zu bekannten Exponenten der Corona-Rechten wie etwa dem Klauninger- und SGB-Umfeld zugehörigen Aktivist Marek Kostyrk.

Enger bekannt mit Marlen Dorn dürfte auch Jörg Schüller sein: Ebenfalls in Purbach ansäßig, betreibt Schüller den Familienbetrieb „Malerei Schüller“ in Purbach am See. Schüller war mehrfach sowohl in Wien als auch in Eisenstadt im direkten Umfeld von CQ und Gottfried Küssel zu sehen, auch trug Schüller mindestens ein Mal das Front-Transparent von CQ in Eisenstadt.

Unterstützer*innen und Umfeld von CQ

Neben den oben abgebildeten Akteur*innen, die eine Art Kernformation der CQ-Gruppierung konstituieren, die sowohl organisatorische Abläufe regelt, die Bespielung des Telegram-Kanals sowie die Bewerbung von Kundgebungen, Infotischen und Autokorsos, hat sich ein kleineres Netzwerk an rechten bis rechtsextremen Untersützer*innen gesponnen, die die Kundgebungen und Korsos vor Ort unterstützen. Zentral wollen wir hier auf zwei Organisationen verweisen, die sowohl in Eisenstadt vor Ort als auch in Mobilisierungschats besonders engagiert dabei waren, CQ bei ihren Aktivitäten zu unterstützen.

Zum Einen – und nicht weiter verwunderlich – findet sich seit der Etablierung des Ablaufs „Autokorso durch Nordburgenland –> Kundgebung ab 14:30 an der Kreuzung Laschoberstraße/Ödenburger Straße –> Demo durch Eisenstadt samt Abschlusskundgebung am gleichen Ort“ die Medienplattform AUF1 des ehemaligen „Bund freier Jugend“ (BfJ)-Neonazis Stefan Magnet vor Ort ein, um live zu berichten. In Bezug auf Magnet und dessen Anbindung an den ehemaligen BfJ wollen wir auf den informativen Artikel der Kolleg*innen von SdR verweisen, wo alle wichtigen Infos zusammengetragen sind und darüber hinaus in Bezug auf AUF1 auf eine Artikelserie, die ebenfalls bei SdR erschienen ist. Nur soviel sei hier gleich erwähnt: Magnet hatte/hat via den BfJ gute Kontakte zu Küssel- und dem alpen-donau.info-Umfeld (etwa Felix Budin), sowie zu neonazistischen Burschenschaftern, die in der FPÖ Politik machen. Darüber hinaus stammt ein Teil der momentanen Redaktion auch aus dem Milieu der deutschen und österreichischen Corona-Rechten: So arbeiten mittlerweile Edith Brötzner, Manuel Mittas und Vivien Vogt bei AUF1. Erstere entstammen dem österreichischen Rechtsextremismus-Klientel (siehe weiter unten), Vogt dagegen der Passauer rechtsesoterischen Szene. Da hier Verbindungen nicht weiter verwunderlich sind und auch bis zu einem gewissen Grad auf der Hand liegen, gehen wir hier nicht weiter auf AUF1 ein, da auch alle dort angestellten Redaktionsmitglieder singulär bereits sattsam bekannt sind (siehe SdR).

AUF1-„Impfbus“ in Eisenstadt am 07. März 2022.

Auffälliger ist die intensivere Verbindung zu einem obskuren Teil der ostösterreichischen Corona-Rechten: Es handelt sich um die Medienplattform und St. Georgs-Ritterschaft „SGB Media“. Ihres Zeichens nach handelt es sich bei SGB um eine Organisation, die für zweierlei Aufgaben zuständig ist: sogenannten „unabhängigen“ Journalismus und Ordner*innen-Dienste bei Demos wie Kundgebungen sowie zeitweise im Auftrag der Stadt Wien auf der Donauinsel und im Rahmen des Donauinselfests. Eingegliedert sind beide Teile in die „St. Georgs-Ritterschaft Ostarrichi“: ein Verein, der dem Habsburg-Monarchismus anhängig ist und diese reakionäre Ideologie in Form von Ritterkostümspielen und -festen auslebt. Aufgefallen war SGB Beobachter*innen der Corona-Rechten erst während der Corona-Demos 2021/22 – dort waren vielfach Ordner*innen vertreten, die sich als Truppe von SGB auswiesen, und ein Tross an Fotografen, die ebenfalls SGB als ihre Redaktion angaben. Die SGB-„Redaktion“ selbst ist personell noch etwas umfänglicher besetzt. Auf den Corona-Demos erschienen allerdings stets die gleich SGB-„Journalisten“: Erich Weber, Stephan M. Bako, Daniel Muhr, Markus Hafner und Christian Mondre. Dabei scheint sich mittlerweile der signfikante Teil der „Arbeit“ von SGB (Stadt Wien-Aufträge blieben und bleiben aus) auf die propagandistische Berichterstattung von Corona-Demos zu fixieren, wobei einzelne Exponenten auch in Rednerfunktionen oder als eigenständige Organisatoren von Demonstrationen auftreten (siehe unten). Anzumerken ist, dass die ansonsten nicht allzu schillernde Ordner*innentruppe von SGB auch erst deshalb einen weiteren Bekanntheitsgrad erlangt hat, weil sie regelmäßig den OE24-Reporter und Vermarkter der Corona-Rechten Mike Vogel (in „Ungeimpft Österreich“-Westen) oder aber die Trucks mit den massiven Soundsystemen schützten (etwa den sogenannten „Freedom Truck“).

Kopf bzw. laut Eigenbezeichnung „Chefredakteur“ der Gruppe „SGB-Media“ ist Erich Weber. Weber schreibt als „Journalist“ hauptsächlich für Wiener Bezirkszeitungen, wohnhaft dürfte er im 05. Wiener Gemeindebezirk, 1050 Margareten, sein. Schon beim Durchsehen der „Zeitungsartikel“ für die Wiener Bezirksblätter fällt auf, dass Weber eine Affinität zur FPÖ, den „Blauen“ wie er sie nennt, pflegt. Der Eindruck verstärkt sich auf der hauseigenen Webpage, die SGB betreut: Dort tut Weber ganz offen seine Sympathie für die Demonstrationen der rechtsextremen Querdenken-/Fairdenken-Gruppe um Martin Rutter, Hannes Brejcha, Jennifer Klauninger und Manuel Mittas kund – sogar ein vorformuliertes Formular zwecks Einspruch gegen diverse  Verwaltungsübertretungen publizierte Weber unter seinem Namen. Ganz klar offenbart Weber auf der Webpage von SGB, dass er mit seinem journalistischen Aktivismus dazu beitragen will, die „Corona-Maßnahmen“ zu sprengen und sich gegen die damals im Raum gestandene Impfpflicht zur Wehr zu setzen. Munter und fröhlich manipuliert er auch sämtliche Zahlen an Demonstrant*innen, spricht so am 01. Mai 2022 von 15.000-20.000 Menschen in der Demonstration von Rutter und propagiert offen die Unterstützung der Covid-Leugner*innen. Doch Webers Interessen am rechten Spektrum wie auch konkrete Verbindugen in selbiges reichen noch um Einiges weiter: Zum Einen pflegt er gute Kontakte ins Bundesheer-, Polizei- und Kameradschaftsmilieu (das spiegelt sich auch in seinen online Bekanntschaften wider), was nicht weiter verwundert, war Weber laut eigenen Angaben doch selbst Polizist, bis er wegen langjähriger Erkrankung aus dem aktiven Dienst ausscheiden musste. Zum anderen ist er mittlerweile gut mit den Kadern von CQ bekannt: In einer Chatgruppe für die Mobilisierung zu den Autokorsos in Eisenstadt-Umgebung ist Weber äußerst engagiert, oft kommen allein von SGB vier Autos, um am Korso teilzunehmen. Auch mit Gottfried Küssel ist Weber persönlich bekannt, und noch mehr: Er koordiniert bei den Korsos und mittlerweile auch Demonstrationen die Ordner*innen-Struktur in Eisenstadt. Auch hat Weber keine Hemmungen, Küssel selbst in seiner Berichterstattung positiv in Szene zu setzen: So etwa dokumentiert er Küssels Reden, zahlreiche Fotos von Küssel „in action“ finden sich online verfügbar.

Neben Weber arbeiten als scheinbar reguläre Journalisten noch weitere Fotografen, die jedoch allesamt nicht so illustre Figuren wie Weber abgeben. Dennoch tauchten einige des Öfteren in Eisenstadt auf, um an den Märschen bei CQ teilzunehmen oder sogar für Videomitschnitte verantwortlich zu zeichnen. V. a. Stephan Bako sowie Daniel Muhr sind häufige „Gäste“ in Eisenstadt: Bako selbst dürfte als Fotograf zum Einen freiberuflich tätig, andererseits in einem Fotostudio im zweiten Wiener Gemeindebezirk, 1020 Leopoldstadt, „Foto Fally“ fix angestellt sein. Für SGB betreibt er sowohl Foto- als auch Videoreportage und dürfte darüber hinaus auch die Website und Domain von SGB (sgb-media.at) betreuen. Der zweite Fotograf, der regelmäßig bei CQ aufschlägt und sich dort wahlweise auch als Ordner betätigt, ist Daniel Muhr. Muhr ist kein Berufsfotograf und dürfte bei SGB „nur“ seinem Hobby nachgehen. Muhr selbst gibt an, bei „SOCIUS“ zu arbeiten, einem „sozial-ökologischen Verein“, der auf Armutsbekämpfung, Reinstandsetzung von alten elektronischen Geräten sowie neuerdings in der Geflüchtetenhilfe in Bezug auf die Ukraine-Krise aktiv ist.

Vom Ordnerdienst der SGB war v. a. Helmut Dohnal, der in Wien dutzende Male als leitender Ordner von SGB aufgetreten war und v. a. das Sichern unterschiedlicher Trucks durchführte, mehrfach bei den Aufmärschen von CQ anwesend. Dort trat er jedoch in keinem Fall selbst als Ordner auf, sondern eindeutig als Sympathisant und war darüber hinaus sogar früher als die meisten anderen SGB-Exponenten bei den Kundgebungen und Demos von CQ anwesend.

Helmut Dohnal bei der CQ-Demonstration in Eisenstadt.

Zwar nicht direkt in Eisenstadt aktiv, doch wichtiger Exponent von SGB grundsätzlich, ist des Weiteren Markus Hafner. Er gehört zur Ordner- und Fotografen-Truppe von SGB: In diesem Rahmen sicherte er wie auch Dohnal bei diversen Demos in Wien den sogenannten „Freedom Truck“, trat jedoch auch als besagter Personenschützer von Mike Vogel auf. Eine Zeit lang dürfte Hafner auch Lebensgefährte der Rechtsextremistin Jennifer Klauninger gewesen sein, die grundsätzlich über gute Verbindung zu SGB verfügt. Seinen Ordnerdienst absolvierte Hafner fast immer  im Shirt von „Ungeimpft Österreich“, dessen Logo in schwarz-weiß-roter Fraktur gehalten ist (unter diesem Logo traten auch weitere SGB-Ordner*innen auf unterschiedlichen Auto-Korsos öffentlich auf).

„Ungeimpft Österreich“ dürfte dabei auf eine kleinere, aber personell relativ konstante Gruppe von Aktivist*innen rekurrieren, dazugehörig ist allerdings auch eine semi-öffentliche Facebook-Gruppe, die mehrere tausend Mitglieder zählt. Darin tummeln sich neben bekannten Corona-Rechten und SGB-Exponenten auch Rechtsextremist*innen sowohl aus Österreich wie aus Deutschland. Manche dieser Profile sind voll mit Inhalten, die den Rahmen der Wiederbetätigung erfüllen, rassistische Hetze an der allgemeinen Pinnwand gegenüber Persons on the move, FPÖ-Propaganda zur sogenannten „Überfremdung der Heimat“, Transphobie und Hetze gegen LGBTIAQ*-Personen stellen die Regel, nicht die Ausnahme dar. Admin ist der bekannte rechtsextreme Corona-Leugner Peter Leis, der regelmäßig für die Veranstaltungen von CQ aufruft, gegen „die Antifa“ mit Bildern hetzt, die im neonazistischen „Infokanal Deutschösterreich“ (siehe unten, Kapitel zur Ideologieanalyse von CQ) publiziert werden und krudeste Verschwörungsnarrative aus dem Q-Anon-Spektrum bedient. Mit Markus Hafner dürfte Leis gut bekannt sein und auch Hafner dürfte zum inneren Kreis der „Ungeimpft Österreich“-Gruppe zählen. Zu den Kernaktivitäten der Organisierung zählen v. a. die Veranstaltung von Autokorsos in Wien und Niederösterreich, die unter dem nämlichen Titel abgehalten werden. Sowohl Hafner wie auch Leis dürften nebst anderen besonders darauf gepocht haben, die Trucker-Proteste und -Blockaden von Ottawa auch in Wien umzusetzen: Die unter dem „Freedom Day Konvoi“ angezeigte Veranstaltung, die eine ausgewiesene Kooperation mit „Ungeimpft Österreich“ darstellte, konnte bei ihrem Versuch, Wien am 11. Februar 2022 „lahmzulegen“, zwar nicht genügend Trucks aufstellen, das Aktionsformat spiegelt allerdings die Mentalität der Gruppe und ihre politischen Intentionen wider.

Darüber hinaus war Hafner auch mit Weber und dem bekannten Corona-Leugner Marek Kostyrk bei der Demo des „Lobau bleibt!“-Bündnisses vor der SPÖ-Zentrale, wo Weber offensichtlich versuchte, die Kundgebung für SGB zu dokumentieren. Auch Kostyrk ist seit jüngerer Vergangenheit dem SGB-Klientel zuzuordnen. So etwa tauchte er bei der CQ-Kundgebung am 05. Februar 2022 mit Weber und Muhr in Eisenstadt auf und hielt auch kurzfristig das Hochtransparent von CQ.

Obgleich mittlerweile auf der Hand liegt, dass SGB alles andere als ein unpolitischer, liebenswürdiger Provinzialjournalismus-Verein ist, soll folgendes Fallbeispiel nochmals klar machen, dass SGB seit 2022 auch als eigenständiger Akteur der Corona-Rechten zu betrachten ist (alle Tätigkeiten bei SGB werden ausschließlich „ehrenamtlich“ verrichtet, was das ideologische Moment unterstreicht): Am 15. Jänner 2022 organisierte Markus Hafner, der nicht als SGB-Media-Angehöriger bei der lokalen Bezirkshauptmannschaft antrat, eine Kungebung samt Demonstration im Zentrum von Baden, Titel: „Wir kämpfen für: Frieden, Freiheit, Demokratie“. Ziel u. a.: Mobilisierung für die Tags darauf stattfindende Demo am 16. Jänner in Wien. Ordnerdienste koordinierte Helmut Dohnal, Kundgebungsleitung vor Ort übernahm Erich Weber. Sowohl Martin Rutter, Hannes Brejcha als auch Jennifer Klauninger waren bei der Demo anwesend und hielten Reden. Angekündigt war auch der ehemalige FPÖ-NÖ-LAbg. Martin Huber, der wegen Verstoßes gegen §3g Verbotsgesetz  zu 12 Monaten bedingter Haft verurteilt worden war – Huber jedoch konnte seine Rede nicht halten.

Besondere Aufmerksamkeit ist auch dem Vereinssitz von SGB sowie der Person, die diesen zur Verfügung stellt, zu widmen: Tatsächlich trifft sich SGB für deren Sitzungen mittlerweile bei Ioannis Palaiologaros, bekannt auch unter seinem Pseudonym „Der Demo-Grieche“ und als Betreiber der – wegen der jüngst stattgefundenen Hausdurchsuchungen durch die COBRA ebenso bekannten – Lokalität „Siga Siga“ in St. Johann am Steinfelde (Puchberger Straße 18, 2630 Ternitz). Neben SGB trafen sich dort Aktivist*innen diverser Corona-leugnender Bündnisse – mindestens vier Razzien führten Polizeikräfte in der Lokalität durch: Bei der letzten Razzia wurde dann auch Konstantina Rösch, ehemalige Ärztin und bekannte Corona-Leugnerin (ihre Beziehung zu Küssel schlüsseln wir weiter unten auf) und Gottfried Küssel angetroffen, was dann auch das LVT Niederösterreich auf den Plan rief, nicht zuletzt, da es bereits zu Drohgebärden gegenüber dem SPÖ-Bürgermeister seitens des Siga Siga-Klientels gekommen war. So kann angenommen werden, dass das „Siga Siga“ zumindest in der unmittelbaren Corona-Rechten eine wichtige Rolle als Vernetzungspunkt gespielt haben dürfte und die dort anwesenden keinerlei Berührungsängste mit lang gedienten Neonazis aufwiesen. Was im Fall Palaiologaros sowieso nie glaubhaft war, denn: Zuvor schon trat dieser mit Küssel und Monika Donner, der ex-Mitarbeiterin des Wiener Landesamtes für Verteidigung und virulenten Geschichtsrevisionistin, in Manuel Mittas‘ „Out of the Box“-Kanal auf (zu Mittas siehe weite unten). Palaiologaros selbst erschien dann auch folgerichtig zum vierten „Nordburgenland-Aktionstag“ von CQ am 11. Juni 2022 selbst: Was seine laschen Versuche, sich öffentlich von Küssel und Vorwürfen, Sympathisant neonazistischer Politik und revisionistischer Strömungen zu sein, als besonders unglaubwürdig markiert und letztlich als juristische Schutzbehauptung  demaskiert.

Ebenso in Ternitz gemeldet, allerdings in der Franz Samwald-Straße 53, ist der Ableger von SGB-Media, „panorama media pictures“, der von SGB-Ordner Helmut Dohnal betrieben wird. Via Panorama wurden zumindest die zwei Proteste in Baden (siehe oben) beworben und angekündigt, wodurch angenommen werden kann, dass das Label vor allem dazu dient, die unmittelbaren politischen Aktivitäten einzelner SGB-Exponenten von SGB unabhängig (und damit auch der internationalen St. Georgs-Ritterschaft) publik zu machen, um Angriffsflächen für SGB zu reduzieren.

Zuletzt müssen wir leider noch auf die besonders unrühmliche Rolle der Pritschen- und Van-Vermietung „Priline“ in der Wienerstrasse 82, 2230 Gänserndorf, hinweisen. Nachdem Antifaschist*innen die Eigentümer*innen darauf aufmerksam gemacht hatten, dass sie Monat um Monat direkt an Gottfried und Karin Küssel Pritschen für deren Kundgebungen in Eisenstadt vermietet hatten, reagierte Priline pikiert und arg verharmlosend: Man würde an alle „Parteien“ vermieten, auch an „Global 2000“, „Greenpeace“ und für die Pride – man denke nicht daran, Küssel keine Pritschen mehr zur Verfügung zu stellen, da Österreich „eine Demokratie sei“ samt dem Hinweis (Mailaustausch während der Lockdown-Perioden): „auch wenn das so wie jetzt gerade nicht immer eindeutig erkennbar ist.“

Das Aufmarschgebiet von CQ: Eisenstadt, Eisenstadt-Umgebung und Purbach am See

Warum sich CQ ausgerechnet Eisenstadt als Kernaufmarschgebiet ausgesucht hat, lässt mehrere grundsätzliche Überlegungen zu: Eine sehr plausible Erklärung liefert zu allererst einmal pragmatisch die Tatsache, dass vor den Demonstrationen und Infotischen von CQ in Eisenstadt keine sogenannten „Corona-Demos“ stattgefunden haben. Obwohl in allen anderen Bundesländern noch in den kleinsten Städten Organisierungen aufgeploppt waren, blieb es in Eisenstadt und dem Burgenland vergleichsweise still – ein Vakuum, das sich durch CQ gut füllen ließ. Ein mögliche Verbindungsrolle könnte auch Peter Rennmayr gespielt haben: Wie oben schon erwähnt, stammt er aus Eisenstadt Umgebung und ist bereits länger im Umfeld von Küssel aktiv. Wird zusätzlich die momentane Struktur und ihre Konstanz in Bezug auf die Akteur*innen seit Beginn der CQ-Veranstaltungen in Betracht gezogen, muss geschlussfolgert werden, dass sich wohl ein Organisierungsprozess noch vor den ersten Demonstrationen in Eisenstadt abgespielt hat, dessen lokales Zentrum Eisenstadt-Umgebung darstellt – wodurch Eisenstadt aufgrund der geografischen Nähe schon grundlegend naheliegen wäre.

Ein weiterer Vorteil dürfte die völlige Absenz informierter Medienberichterstattung in Eisenstadt darstellen: Denn wird von dem einen Termin abgesehen, an dem der ORF-Burgenland mit einem Zwei-Personen-Filmteam vertreten war (unmittelbar von Josef Witzani und jenem namentlich unbekannten Neonazi drangsaliert), gab es abseits der Berichterstattung des unabhängigen „Presse Service Wien“ keinerlei mediale Aufmerksamkeit rund um CQ. Das dürfte v. a. Küssel sehr recht sein, denn sein Bekanntheitsgrad erlaubt es ihm in den meisten Städten Österreichs nicht, unerkannt oder ohne historische Einordnung, öffentliche Aktionen umzusetzen. Die umfassende Apathie gegenüber politischen Inhalten, die strukturelle Rechtsgerichtetheit ruraler und von Landwirtschaft geprägter Gebiete (Stichwort Bauernbund) sowie völlig falsch verstandene demokratische „Toleranz“ befördern die Versuche von rechten Akteur*innen, abseits größerer Städte Organisierungen aufzubauen.

Witzani und weiterer unbekannter Küssel-Intimus bedrängen ORF-Burgenland.

Die Geschichte rechter Umtriebe in Österreich bestätigt dies auch auf internationalem Maßstab: Das vorherrschende Klima des Schweigens und Wegschauens bisweilen sogar aktiven Akzeptierens eignete sich seit jeher für neonazistische Aktivist*innen, die sich politisch aufgrund von drohender oder einsetzender Repression zurückziehen mussten: Prominente Beispiele stellen etwa der deutsche Rechtsterrorist Ekkehard Weil nach seiner ersten Haft in Berlin, FAP-Kader Karl Polacek nach seiner Abschiebung nach Österreich, ebenso FAP-Mann Dirk Winkel und die ehemalige THS-Aktivistin Corinna Görtz oder aber – etwas rezenter – die Rückzugspläne in die österreichischen Alpen des Uniter e.V. im Hannibal-Netzwerk dar.

Für österreichische Rechtsextremist*innen spielt die Provinz aber eine ebenso integrale Rolle bezüglich ihrer Aktivitäten und Organisierungs- wie Rekrutierungsprozesse. So auch im Falle des momentanen Küssel-Netzwerkes und von CQ: Zentral für die Mobilisierung von CQ dürfte der kleine Ort Purbach (7083, Bezirk Eisenstadt Umgebung) sein. Es konnte festgestellt werden, dass CQ-Aktive dort regelmäßig in einem Objekt in der Sätzgasse 12 ein- und ausgingen, auch Beamt*innen des LVT Burgenland konnte in dem kleinen Ort beobachtet werden. Besonders brisant wurde dies allerdings, als LVT und LKA Mitte Juni eine bewaffnete Razzia im nämlichen Objekt durchführten: Man hatte seitens LKA und LVT aufmunitioniert, denn der Vorwurf lautete auf §279 StGB, „Bewaffnete Verbindung“ und: Man hätte mit der Möglichkeit massiver bewaffneter Gegenwehr gerechnet.6 Der Sachverhalt gibt Anlass zur Besorgnis: Küssels Affinität zu Wehrsport ist seit ANR-Zeiten gegeben, zahlreiche weitere alte VAPO- und alpen-donau.info-Kader sind im Umgang mit Waffen geschult, haben Wehrsportübungen unter Anleitung von Militärs besucht; Kader wie etwa Wolfgang Lechner haben Kenntnisse und umfangreiches Interesse an Kampfmitteln und deren Einsatz im politischen Kontext. Zusätzlich in Betracht zu ziehen, sind die massiven Mengen an sicher gestellten Kampfmitteln im Laufe der letzten Jahre in rechtsextremen Milieus Österreichs – hier geben bekanntlich v. a. drei solcher Funde konkrete Hinweise auf eine Verbindung zum Küssel-Klientel.

Hausdurchsuchung in einer von CQ genutzten Immobilie in Purbach (Nr. 12, gelbes Haus links).

Zum Einen sind da die Großfunde in den Räumlichkeiten des Peter Binder zu nennen: In dessen Umfeld kam es mehrfach zu Ermittlungen und zahlreichen Hausdurchsuchungen, mehrfach wurden enorm große Mengen von (Kriegs-)Waffen, Sprengmitteln und anderen Nahkampfgeräten sowie NS-Materialien gefunden. Darüber hinaus bestand eine Zeit lang die Vermutung, die ursprünglich vom BMI publik gemacht worden war, dass Binder eine neonazistische „Miliz der Anständigen“ aufbauen wollte, um den Systemumsturz in Deutschland und Österreich durchzuringen. Wir gehen an dieser Stelle nicht genauer auf die exakte Chronologie der Ereignisse ein, sondern verweisen auf den gut strukturierten Artikel der Kolleg*innen Moritz Eluek und Karl Öllinger – hervorgehoben muss für unsere Zwecke Folgendes werden: Die Waffendepots von Binder wurden in einem geplanten Schlag (erste Tranche in Binders Wohnung) und in einem Zufallsfund (zweite Tranche bei Binder in ehemaliger Wohnung und Keller der Eltern Binders) gefunden, nachdem die Behörden auf einen Verfassungsschützer des DSN (damals noch BVT) aufmerksam geworden waren, der für Binder Waffen und Munition akquiriert hatte. Danach kam es zu konzertierten Hausdurchsuchungen in insgesamt zwei Aktionen: Hier wurden in Wien, Niederösterreich, Burgenland und Oberösterreich sowie in Deutschland Objekte durchsucht, insgesamt 15 Verdächtige festgenommen, darunter neben Binder laut BMI amtsbekannte Neonazis sowie Personen des 1%-MC-Spektrums.

Kontextualisiert man dies nun mit der klammheimlich durchgeführten Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf §279 StGB in Purbach, ergibt der ganze Komplex ein neues Bild der Dringlichkeit möglicher bewaffneter Verbünde: Zwar wurden konkret vor Ort keine Waffen sicher gestellt, die Ermittlungen aber halten an, der Verdacht sei keinesfalls aufgehoben. So muss geschlossen werden, dass u. U. Eisenstadt und das Nordburgenland sowie die Grenze in den Süden Niederösterreichs für CQ nicht nur aus agitatorischen Gründen interessant war: Es wird unklar bleiben, wozu genau das Objekt in Purbach gedient haben möge, doch die Häufung der Punkte neonazistischer Interaktion lässt Spielraum für Bedenken. Erhärtet werden diese Bedenken u. a. durch den Prozessbericht von Prozessreport zu Binders letzter Verhandlung wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung in Wiener Neustadt: Dort stellte sich heraus, dass Binder in rezentem Kontakt zu Karin Küssel gestanden hatte und bezüglich alltäglicher Dinge mit ihr korrespondiert hatte, zusätzlich wurde auch noch die Telefonnummer von Felix Budin auf Binders beschlagnahmtem Gerät aufgefunden.

Wie problematisch der Waffen-Komplex ist, zeigt sich anhand der mannigfaltigen Verbindungen, die CQ und allen voran Gottfried Küssel in der Corona-Rechten aufgebaut hat: Die meisten bekannten und für die Organisierung wichtigen Akteur*innen der Corona-Rechten sind mit Küssel bekannt, die meisten Durchschnittsdemonstrant*innen wiederum haben keinerlei Hemmung neben militanten Neonazis zu laufen. Wenn dann im Hintergrund dieser ohnehin schon extrem gefährlichen Situation noch möglicherweise bewaffnete Verbindungen und Bestrebungen zur Miliz-Gründung bestehen, wird das Gemisch der Corona-Rechten noch explosiver als es ohnehin gewesen ist / u. U. noch sein wird.

Küssels Beziehungen zu diversen Akteur*innen der Corona-Rechten

Neben Eisenstadt spielten auch die Demos der Corona-Rechten in Wien eine gleichermaßen wichtige Rolle für CQ und Küssel. Bei sämtlichen größeren Events marschierte die CQ-Fraktion mit Transparent auf, spätestens ab dem 20. November 2021 lief CQ dann mit einer länglichen Burgenland-Flagge als Frontransparent des CQ-Blocks. Dies dürfte in Anlehnung an jene regionalpatriotische Tiroler Aktivist*innen-Gruppe geschehen sein, die sich bei jeder Demo in Wien, zu der sie anreisten, mit einer überdimensionalen Tirol-Flagge inszenierten (obligatorisch verbunden mit Glorifizerung von Andreas Hofer usw.). Man hoffte wohl durch legeren Regionalpatriotismus Menschen über die eindeutig neonazistischen Akteur*innen hinwegzutäuschen, um so vorab Leute an die Gruppe zu binden – ideologische Schulungen, dass wusste schon die ANR, waren nachrangig handzuhaben. Scheinbar war CQ allerdings stets darum bemüht, relativ unbekannte bzw. geschichtlich nicht bekannte Menschen in die Frontreihe zu holen: So waren zwar manchmal Thomas Dunkl oder Josef Witzani am Burgenland-Transparent zu sehen, doch es überwogen stets noch unbekannte Gesichter jüngerer und älterer Corona-Rechter.

Doch betrachtet man v. a. Gottfried Küssels Verhalten auf den Demos näher, dann wird eine – in den Einzelfällen von diversen Kommentator*innen ohnehin schon bemerkte – tiefere Verbindung zur Szene rund um „Corona Widerstand“, „Fairdenken“, „Querdenken“ und einzelnen Akteur*innen der Corona-Rechten offenkundig, denn: Fast alle Personen, die als organisatorische Köpfe der österreichweiten Corona-Demos in Wien angesehen werden können, hatten durchaus vetrauten bisweilen freundschaftlichen Kontakt zu Küssel selbst, in manchen Fällen aber auch zu den alten Neonazi-Kadern Lucas Tuma und Harald Schmidt. Im Folgenden wollen wir die einzelnen Gruppen, zu denen näherer Kontakt seitens Küssel bestand, auflisten und teils auf historische Kontinuitäten der Verbindungen einzelner Rechtsextremist*innen zu Küssel hinweisen.

Wir wollen an dieser Stelle betonen: Der folgenden Part speist sich aus der aufmerksamen Beobachtung zahlreicher Journalist*innen und Aktivist*innen. Hervorheben wollen wir aber Schwurbelwatch Wien, die Twitter-Seiten der Journalist*innen und Aktivist*innen Hilde Harmlos und Dietmar Mühlbock sowie Stoppt die Rechten von denen wir zahlreiche Infos hierher übernommen haben, um auch diesen Teil der Recherche zu möglichster Vollständigkeit – bemessen am Stand vorhandener Informationen – zu führen.

a) Der Corona Widerstand-Komplex um Martin Rutter und der Fairdenken-Komplex um Hannes Brejcha: Rutter ist im österreichischen Rechtsextremisumus- und Neonazismus-Spektrum kein unbekannter. Seit 2017 war Rutter regelmäßiger Redner der Ulrichsberggemeinschaft, wo er den sogenannten „Kärntner Abwehrkampf“ glorifizierte und diesen als Vorbild eines rassistischen europäischen „Abwehrkampfes gegen die Massenmigration“ inszenierte. Durch die Ulrichsberggemeinschaft und die neonazistischen Kameradschaftverbände (etwa „Ehemalige der Waffen-SS“) dürfte Rutter an weitere Kontakte zur neonazistischen Szene Ostösterreichs gelangt sein, allerdings spielte Rutter bis zum Beginn der Covid-19-Pandemie keine große Rolle im Bereich rechtsextremer Politik. Wie weit Rutters Verbindungen jedoch Stand 2022 in die höchsten Kreise der neonazistische Szene reichen, zeigen die geleakten Chats und Sprachnachrichten zwischen ihm und Brejcha: Dort etwa fragte Brejcha Rutter nach der „Nummer vom Gottfried“, damit man ihm im Vorfeld der Demo mitteilen könne, „um was es geht“. Rutter antwortet, dass er sowieso in Kontakt sei und mit „Gottfried“ wegen der Demo korrespondiert und ihn auch gebeten hätte, er möge an einer konkreten Stelle der Demo gehen. Bei der Korrespondenz ging es um die Demo am 13. Februar 2021 – dort marschierte Küssel dann vor einer Kette von rund 20 vermummten Personen des Hooligan-Spektrums und übernahm die Verhandlungen mit jenem polizeilichen Einsatzleiter, der über beste Kontakte ins Milieu der Corona-Rechten verfügt; um genau diese Demo-Formation dürfte es in den Gesprächen gegangen sein. Wichtig zu bemerken, ist auch: Im Abgleich zu den anderen Chats, wo Rutter niemanden etwas „bittet“, sondern kategorisch anschafft, befiehlt oder absägt, tritt das gewendete Autoritäts-Verhältnis hier klar zu Tage. Zweifel, ob es sich um Gottfried Küssel handelt, waren spätestens dann beseitigt, als sich Rutter und Brejcha zu den neuesten Covid-19-Auflagen auf die „Expertise“ von CQ verließen und dabei direkte Kontakte offenbarten.

Über den Einsatz der sogenannten „taktischen Hools“ hatten wir schon in unserem Beitrag zur Partizipation rechtsextremer Hooligans an den Corona-Demos berichtet, hier wollen wir noch auf Rutters Vorstellung seiner Rolle bei gewaltsamen Auseinandersetzungen hinweisen: Rutters Plan sah für die Corona-Demos – v. a. wenn es zu Gewalt käme – eine Rolle vor, die er als „Führer“ bezeichnete. Dabei dürfte er, wie ein geleaktes Papier zeigte, sich selbst im Sinn gehabt haben: So unterzeichnet er unter dem Titel „Führer“ mit seinem Namen, darunter steht „Obersalzberg“ geschrieben, dahinter ein Bild von den Stollen im sogenannten historischen „Führersperrgebiet Obersalzberg“, wo Hitler seinen „Berghof“ und Martin Bormann den repräsentativen Sitz, genannt „Kehlsteinhaus“, zu Ehren Hitlers  errichten ließ. Wird dann noch in Betracht gezogen, dass Rutter mindestens einmal mit Reichsflagge auf einer Corona-Demo gesehen worden ist, wird klar, dass hier nicht nur eine Zweckgemeinschaft mit CQ und inbesondere Küssel getroffen worden ist.

Doch auch Hannes Brejcha dürfte sich sukzessive eine eigene Verbindung zu Küssel augebaut haben: Der FPÖ-Anhänger (ob Parteimitglied, unklar) und fanatische Antisemit mit massivem Hang zu Verschwörungsnarrativen des Q-Anon-Spektrums konnte des Öfteren mit Küssel beim Gespräch gesehen werden. Besonders deutlich zeigte sich etwa ein Naheverhältnis als Küssel mit seinem Leibwächter direkt neben der Redner*innentribüne stand, wo Brejcha gerade Instruktionen erteilte. Dennoch dürfte er selbst keinerlei karrieristische Ambitionen punkto rechter Bewegungen wie etwa Rutter pflegen – Brejcha dürfte sich in der Rolle des volksnah-kollegial auftretenden Netzwerkers wohlfühlen und mit schwer autoritären Typologien à la Rutter oder Küssel gut umgehen können.

b) Ebenfalls gute Kontakte bestehen zu der szenebekannten ehemaligen Ärztin Konstantina Rösch und ihrem Weggefährten, dem Anwalt und „Anwälte für Aufklärung“-Aktivisten Roman Schiessler. Beide waren zu Beginn bei MFG aktiv gewesen, waren dann aber aus der Partei ausgeschlossen worden. Rösch stellt wie auch Peer Eifler, der nun auf der Flucht vor den österreichischen Behörden in Tansania lebt, einen der wichtigen ideologischen Anhaltspunkte der Corona-Rechten dar: Durch ihr vermeintliches Fachwissen als offiziell zugelassen Mediziner*innen galten sie für viele als Autoritäten der Impfverweigerung aus vorgegaukelt naturwissenschaftlichen Gründen. Wie wichtig sie für die Szene sind/waren, zeigt etwa die für Rösch und Eifler von Brejcha und Rutter veranstaltete Demo vor der Ärzt*innenkammer am 17. September 2020. Anlass war die Kündigung der beiden Ärzt*innen sowie der Entzug ihrer Approbation. Ein entlarvendes Bild gab auch die beinahe überschwängliche Begrüßung Röschs durch Küssel bei der Demo vom 09. November 2021: Dieser begrüßte sie und Schiessler direkt, was auf eine längere vorhandene persönliche Bekanntschaft hindeutet und zeigt, wie weit verzweigt Küssels Netzwerk sein dürfte.

c) Nächster Fall: Der politische Obskurant Manuel Mittas, der sich selbst als freier Journalist beschreibt und v. a. für seinen Kanal „Out of the Box Media TV“ bekannt ist. Mittlerweile ist Mittas allerdings auch beim rechtsextremen Medium AUF1 untergekommen und berichtet für AUF1 live von Demonstrationen. Mittas widmete Küssel bereits am 31. Jänner 2020 ein Interview vor der Wiener Staatsoper, wo der Modus des Interviews auf ein freundschaftliches Verhältnis schließen ließ. Die Verbindung dürfte sich seither intensiviert haben: Immer wieder konnte Küssel mit Mittas bei Demos gesehen werden, doch der Höhepunkt dürfte jenes Video knapp ein Jahr später darstellen, das bei „Out of the Box“ am 30. Dezember 2021 erschien: Dort fantasierte Mittas mit Küssel Arm in Arm über Sprengstoffanschläge und die gewaltsame Absetzung der Regierung und des Parlaments. Statt zu einer Krise in der Beziehung zu führen – die anhänigigen Ermittlungsn des DSN dürften nicht gerade im Sinn Küssels liegen – intensivierte sich die Kooperation stattdessen: Ganze drei Male trat Küssel bei Mittas auf, gemeinsam mit der rechtsextremen Revisionistin Monika Donner – und beim dritten wie vierten Mal auch im Siga Siga in Ternitz. Dort war auch der Eigentümer Ioannis Palaiologaros und dessen Ehefrau anwesend, beide diskutierten aktiv mit Donner, Küssel und Mittas.

d) Doch nicht nur Küssel arbeitet eifrig als Netzwerker: Auch die beiden Altnazis Lucas Tuma und Harald Schmidt versuchen, sich regelmäßig bei anderen Organisationen und Akteur*innen einzubringen. Am 10. September 2020 trat Harald Schmidt bei einer Pressekonferenz von Jennifer Klauninger auf, die dort im Zuge ihrer Anklage wegen Verdachtes auf Verhetzung (Zerreißen der Pride-Flagge mit Manuel Mittas) öffentlich Stellung bezog. Schmidt, der zwar nicht mehr als Anwalt praktizieren darf (wegen der Verurteilung im Fall der Unterstützung von Elfriede Blauensteiner), war jedoch als Rechtsbeistand von Klauninger anwesend. Doch nicht nur zu Klauninger hatte Schmidt Connections aufgebaut: Auch mit Edith Brötzner, die mittlerweile für report24 und AUF1 arbeitet, gab es schon früh einen Schulterschluss durch gemeinsame Pressekonferenzen. Brötzner war im Rahmen der Corona-Rechten v. a. für die öffentliche Vermarktung der Corona-Demos zuständig und organisierte zahlreiche Pressekonferenzen. Die illustren Gesprächsrunden sahen etwa so aus: Inge Rauscher, seit Jahrzehnten bekennende Neonazistin und Gründerin des neonazistischen Initiative „Heimat und Umwelt“, im Gespräch mit Peer Eifler, WAB-Funktionär Christian Zeitz und Rudolf Gehring (Funktionär der rechten, antifeministischen „Christlichen Partei Österreichs“ (CPÖ), u. a. REKOS- und FPÖ-nahe), um das Anti-Impf-Volksbegehren zu promoten. Doch auch mit Herbert Kickl trat Brötzner im Rahmen von FPÖ-TV auf und stellte ihre Inititiave „Österreich ist frei“ (Öif) vor: Diese war von gängigen antisemitischen Verschwörungsnarrativen rund um einen globale „Corona-Diktatur“ getragen und erreichte v. a. durch besonders krasse Aktionsformate öffentliches Aufsehen: So etwa posierte die von Öif gestartete Aktionsform „Corona-Zombies“ – in weiße Gewänder verhüllte Gestalten, die die neue „Gleichschaltung“ aller Büger*innen durch die Corona-Diktatur abbilden sollte – in Braunau vor Adolf Hitlers Geburtshaus, den rechten Arm merkwürdig in die Luft gestreckt. Brötzner wurde daraufhin wegen Verdachts auf Wiederbetätigung nach §3g VbtG angezeigt.

e) Neben Schmidt fiel v. a. auch Lucas Tuma durch sehr öffentliches Auftreten und ständiges Bemühen um Kontakte in die Corona-Rechte auf. V. a. zu Jennifer Klauninger dürfte Tuma  engere Verbindungen aufgebaut haben: So etwa spazierte Tuma als Kleingruppe mit Klauninger und Christina „Kiki“ Kohl, THC-Kandidatin, durch die Wiener Innenstadt, Parolen brüllend und nahm an einer der ersten Demos der Corona-Rechten mit Klauninger am Donaukanal teil. Darüber hinaus hielt Tuma am 31. August 2020 eine Rede bei einer – damals noch von der Großgruppe „Querdenken 1 Wien AT“ veranstalteten – Corona-Demo und wurde ganz offen von Rutter angekündigt.

Junge Neonazis an der Seite der alten – CQ als Anziehungspunkt

Nicht regelmäßig, aber dennoch immer wieder, fanden sich an der Seite von CQ – v. a. bei den von ihnen öffentlich angegebenen Sammelpunkten für die größeren Corona-Demos in Wien – junge Neonazis aus unterschiedlichen Spektren ein, die im Kielwasser von CQ an den Aufmärschen der Corona-Rechten teilnahmen. Exemplarisch wollen wir hier auf drei öffentliche Auftritte von CQ eingehen – zwei Demos, die relativ am Beginn der CQ-Organisierung stehen und eine, die bereits eine mehr entwickelte Struktur seitens CQ aufweist.

Am 06. Juni 2020 marschierten neben Harald Schmidt der mittlerweile bei der AfD aktive Florian Köhl und der IB-Faschist Andrei Pavan am Transparent von CQ sowie Dominik Wendel und Bernhard Burian. Der dem Tanzbrigade- und Eisern-Wien-Spektrum zugehörige Neonazi Bernhard Burian haben wir schon des Öfteren beleuchtet, weshalb wir seine vielfältige neonazistischen Aktivitäten hier nicht nochmals aufschlüsseln (siehe vergangene Artikel zur IBÖ, rechtsextremen Hooligans und zur SGN). Wichtig ist hier v. a. zu bemerken: Burian trug mindestens ein weiteres Mal das Transparent von CQ, konnte beim Flyer-Verteilen für CQ gesehen werden und dürfte direkten Kontakt zu Gottfried Küssel pflegen, wie Aufnahmen bei der Demo vom 29. August 2020 – einer Querdenken-Kundgebung im Wiener Resselpark – nahelegen. Das ist insofern von großer Bedeutung als Burian als Scharnier zum jungen, „erlebnisorientierten“ Milieu betrachtet werden muss, aber eben auch zur IBÖ und dem akademischen Burschenschaftsmilieu. Als in diesem Sinne zentral dürfte Burians Aktivität für die neonazistische „Tanzbrigade“ gelten: Dort bringt er aktiv unterschiedlichstes Klientel zusammen, von Sparta Praha-Hooligans bis zu bourgeoisen IB-Faschisten. Dass nun auch mehr oder weniger direkte Verbindungen zu Küssel und CQ bestehen, beweist bloß einmal mehr, wie gut vernetzt die Wiener-Neonaziszene mittlerweile abseits tradierter Richtungsstreitigkeiten agiert.

Dominik Wendel kann folgerichtig dem gewaltaffinen Hooliganmilieu der Wiener Klubs zugerechnet werden, bzw. deren Überschneidungsmenge mit den ostösterreichischen IB-Sektionen – auf zahlreichen Demos der Corona-Rechten konnte Wendel in szenetypischer Kleidung, schwer vermummt im gewaltsuchenden Milieu beobachtet werden, u. a. im Tanzbrigade-Spektrum sowie im Umfeld des neonazistischen Rapid-Hooligans Michael Petrzela (aus dem Milieu der „Alten Garde“ stammend).

Dass die IB mittlerweile keinerlei öffentliche Berührungsängste mit bekannten Neonazis hat, zeigte auch eine Kundgebung am 01. Mai 2020 am Ballhausplatz: Dort konnte erneut Florian Köhl und der IB-Aktivist Jan Staudigl, der auch für die FPÖ-Landstraße kandidiert, im Gespräch mit dem alpen-donau.info-Neonazi Wolfgang Lechner gesehen werden. Lechner hielt sich fast die ganze Kundgebung über bei der IB auf, anwesend waren auch Martin Sellner (den Lechner noch aus den Jahren rund um 2010 kennen dürfte, siehe Fußnote 1), die IB-Faschisten Nikolaus Schmidt, Sebastian (Nachname unbekannt), Bernt-Pascal Stöger sowie Jakob Gunacker. Des Weiteren finden sich im Umfeld der IB zwei weitere Neonazis, die auch schon mit Thor Steinar-Schlauchschaal auf einer CQ-Kundgebung in Eisenstadt aufgetaucht sind. Davor waren beide zumeist in den Reihen der IB zu finden (auf mehreren Corona-Demos), auf der Kundgebung der FJ Burgenland in Deutschkreutz hielten sie sich dann sowohl bei der CQ-Fraktion wie auch bei eingefleischten IB-Kadern auf.

Am 31. Jänner 2021 gab CQ einen Vorab-Treffpunkt für eine geschlossene Anreise zur Demo vor der Wiener Staatsoper aus. Dort tauchten neben dem Kern von CQ auch zwei weitere – ursprünglich aus anderen Milieus bekannte – Gesichter auf: der aB! Olympia-Burschenschafter Daniel Konrad und der Neonazi Viktor Erdesz. Erdesz ist im Wiener Milieu spektrenübergreifend anzutreffen: Neben dem Burschenschafts-/IB-Milieu, wo Erdesz als aB! Olympia-Korporierter ein- und ausgeht und etwa mit dem IB-Faschisten Gernot Schmidt (auch Schmidt aB! Olympia korporiert) auch auf Urlaub nach Dalmatien fährt, ist Erdesz genauso bekannt mit dem Tanzbrigade-Spektrum (v. a. dem jüngeren Nachwuchsklientel um den Wiener Neonazi Bernhard Burian). Auf Wiener Corona-Demos konnte Erdesz darüber hinaus sowohl im Umfeld rechtsextremer Austria-Hooligans (etwa Marcel Stindl) sowie mit Thomas Cibulka gesehen werden. Kürzlich auch hat Erdesz für den einschlägigen Verlag „KL Militaria“, der in Themar ansässig ist, die Memoiren des SS-Panzergrenadiers Adolf Peichl herausgegeben. KL Militaria führt große Mengen solcher Neuherausgaben, allesamt thematisieren sie glorifizierend die Wehrmacht oder inszenieren sie als Kriegsopfer, v. a. aber die SS (Fokus auf Totenkopf-SS und allgemeiner Waffen-SS) – darüber hinaus bezeichnet sich KL Militaria legalistisch als „Antiquariat“, weshalb sie ohne weitere Probleme alte, unkommentierte Ausgaben von „Mein Kampf“ verkaufen können, diverse andere Hetzschriften des NS-Regimes sowie diverse NS-Orden und andere Devotionalien. 2020 trat Erdesz auch als Spitzenkandidat des „Team HC Strache“ für den 06. Wiener Gemeindebezirk, Mariahilf, an.

Daniel Konrad entstammt ebenso dem Burschenschaftsmilieu: Er dürfte auch bei der aB! Olympia korporiert sein und bewegt sich ebenso im Umfeld der IB, auch hier liegen Verbindungen zum IB-Faschisten Gernot Schmidt (und dessen Bruder, auch IB-Aktivist, Gerfried) vor. Beim Treffpunkt von CQ tauchte Konrad mit einem Pullover der französischen neonazistischen Vereinigung „Bastion Social“, dem offiziellen Nachfolger der „Groupe Union Défense“ (GUD) auf. Die GUD war eine neonazistische Studierendenorganisation, deren Logo ein schwarz-weißes Keltenkreuz darstellte – 2017 dann gründeten GUD-Mitglieder, nachdem sie ein Haus in Lyon besetzt hatten (18 rue Port-du-Temps, Lyon, wurde nach zwei Wochen geräumt), das Nachfolge-Projekt „Bastion Social“, das jedoch per Verbot 2019 bereits aufgelöst wurde, da gegen zahlreiche Mitglieder Verfahren wegen rassistischer Gewalttaten geführt worden waren. Zentrale Themen waren u. a. Remigration und die Verteidigung Europas gegen „Masseneinwanderung“ sowie die Priorisierung Weißer Europäer*innen in jeder Hinsicht. Ähnlich wie etwa „Casa Pound“ in Italien okkupierte man tradiert linke Praxisformen, wie u. a.  Hausbesetzungen und Verrichtung sozialer Arbeit (bei  Casa Pound und Bastion Social gewendet rein zugunsten Weiß wahrgenommener Menschen, als „Nicht-Weiß“ wahrgenommene Subjekte wurde mit massivster Gewalt begegnet), um ein rechtsextremes Äquivalent zur solidarischen Nachbar*innenschafts- und Kommunalarbeit zu etablieren.

Nach der umfassenden Analyse der Beziehungen und Bemühungen um Connections zu diversen rechten Splittergruppen und Einzelakteur*innen, muss sich ein*e Szenebeobachter*in die Frage stellen, warum Küssel und weitere Kader von CQ sich diese Mühe machen – und dann konsequenterweise klären, welche ideologischen und politischen Überlegungen dahinter stehen. Interessant ist die scheinbare Ablösung des Frontkonzeptes, das die konsequente Mitarbeit in nationalistischen, aber rechtsstaatlichen Parteien als essentiell vorsieht (siehe alpen-donau.info): Vom klassischen Hitlerismus scheint Küssel nach dem alpen-donau-Projekt abgekommen zu sein, denn schon der Name von CQ gibt einen neuen Turn vor: die Querfront verweist auf eine gänzlich andere Konzeption politischen Kampfes.

Was genau das bedeutet und wie CQ und v. a. Küssel ideologisch genauer einzuordnen sind, scheint uns von großer Wichtigkeit, um antifaschistische Gegen-Praxis zu entwickeln und zu reflektieren. Diesem Sachverhalt wollen wir uns im letzten Teil dieses Artikel widmen – dieser wird etwas theoretischer angelegt sein, da wir uns dem Begriff der „Querfront“ historisch annähern wollen.

Die ideologische Ausrichtung von CQ und die Frage nach Strategie und Taktik des NS-Milieus

Das Konzept der Querfront entstammt polithistorisch der Zeit der Weimarer Republik. Bereits ab Anfang der 1920er-Jahre beschäftigten sich gewisse Flügel und Gruppen der sogenannten „Konservativen Revolution“ mit einem möglichen Politkonzept, das – in den Worten des rechten Reichskanzlers und Hindenburg-Intimus Kurt von Schleichers – politische Lager diagonal vereinen sollte: Dabei aber ist kein Schluss von rechts bis links gemeint, sondern ein Schulterschluss der extremen Rechten mit rechten, bürgerlichen und linksliberalen (angedacht waren v. a. sozialdemokratische Gewerkschaftsverbände) Politgruppierungen zu verstehen, um zum Einen der radikalen Linken Öffentlichkeit und Anhänger*innenschaft zu entziehen, aber auch rechtsextreme Positionen weiter salon- und anschlussfähig zu machen. Dabei sollen „die Mitte“, liberale Kräfte und auch Gewerkschaften zum Legitimationsfaktor rechtsextremer Positionen werden, rechts-revolutionäre Teile der Konservativen Revolution versuchten darüber hinaus, klassisch linke Gesellschaftkonzepte (v. a. Spielarten des Sozialismus) aus typisch linken Politgefügen ideologisch herauszulösen.

Während Schleichers faktischer Versuch einer Umsetzung allein dazu dienen sollte, gemeinsam mit dem nationalrevolutionären NS-Flügel um Gregor und Otto Strasser, SA, deutschnationalen Fraktionen bishin zu sozialdemokratischen Gewerkschaften die politische Achse Hitler-Franz von Papen zu unterminieren, um dem NSDAP-Kader Strasser den Griff zur Macht zu ermöglichen, liegt der Ursprung genuiner neonazistischer Querfront-Ideologien (nationalrevolutionärer Flügel der NSDAP) in dem strategischen Versuch, den internationalistischen Sozialismus in einen national gedachten Sozialismus mit Fokus auf Volk und Volkskampf umzumodeln. Entgegen der Befreiung aller Menschen setzten die Ideolog*innen der Konservativen Revolution darauf, den Sozialismus vom Marxismus und Kommunismus abzulösen, um einen „deutschen Sozialismus“ aufzubauen.

Dabei kam es v. a. auf zwei Dinge an, die notwendig waren, um einen „deutschen Sozialismus“ erstens theoretisch und zweitens auch praktisch umsetzbar zu machen: erstens, die Ersetzung des internationalistischen Klassenbegriffs durch einen Volksbegriff und daran logisch anknüpfend zweitens, der Kampf des unterjochten Volkes gegen internationales Großkapital (national vs. international). Internationalismus wurde als Doktrin des weltumspannenden Finanzkapitals gebrandmarkt, das von Jüd*innen gelenkt würde, um die Völker der Erde zu knechten und leicht ausbeutbar zu machen. Zentral in der Erzählung war die sogenannte „Dolchstoßlegende“, die den Verlust des Ersten Weltkrieges und die massiven Reparationszahlungen als ersten Akt jüdischer Unterminierung des deutschen Volkes betrachtete, gegen den es mit allen Mitteln anzukämpfen gelte. Diesen Kampf müssten die Völker, deren lebendiger Ausdruck ein starker Nationalstaat sei, um jeden Preis mit vollem Bewusstsein und hohem Einsatz führen: Da die jüdische Verschwörung als global angelegt markiert war und deren Mission die totale Knechtschaft Deutschlands und der Welt darstellte, formulierte der sogenannte „nationalrevolutionäre“ Flügel der NSDAP, die Notwendigkeit, durch eine gewaltsame Revolution zum deutschen Sozialismus zu gelangen, der sich schließlich weltweit ausbreiten sollte.

Wichtige Figuren waren hierbei die Brüder Otto und Gregor Strasser sowie der SA-Gründer und Anführer Ernst Röhm. Gerade ex-Weltkriegssoldaten wie Röhm waren besonders affin für gewaltorientierte Umsturzfantasien, da sie an Kriegsgewalt gewöhnt waren und zumeist über umfangreichen Zugang zu Waffen verfügten. Zusätzlich hatten zahlreiche ehemalige Weltkriegssoldaten keinerlei oder kaum Perspektiven für ein weiteres Auskommen – was sie noch leichter empfänglich für einen raschen, gewaltvollen Systemwechsel machte und sie leicht in paramilitärische Verbände eingliedern ließ.

Die Vertreter*innen nationalrevutionärer Theorie  verstanden das „deutsche Volk“ dabei als von eben jenen getragen, die sie als Hauptverlierer*innen der Republik betrachteten: Die deutsche städtische Arbeiter*innenschaft und die – oben schon erwähnten – ex-Soldaten wurde so als revolutionäre Avantgarde des deutschen Volkes proklamiert, dessen geschichtliche Mission darin läge, Deutschland gegen die jüdischen Finanzeliten zu verteidigen und diese letzten Endes zu vernichten, um die Welt bereit zu machen für die Herrschaft des deutschen Volkes. Die in den Augen der Nationalrevolutionären moralisch verkommenen Eliten und die abgehobene, als verweichlicht dargestellte und ebenso jüdisch affizierte Bourgeoisie sollte durch die rohe, männliche Kraft des arbeitenden, schaffenden deutschen Volkes überwunden werden. Ziel war in Anlehnung an die stalinistische Sowjetunion (ein wichtiges Vorbild für Strasser und nationalbolschewistische Ideolog*innen) die permanente Konservierung der Diktatur des deutschen Proletariats (gedacht als autoritärer Terror-Staat ohne Parteien), der den Nationalsozialismus nach Durchführung der Revolution absichern sollte, um das deutsche Volk aus der wahrgenommenen „Verstümmelung“ durch die Versailler Verträge zu erneuerter politischer Kraft zu führen.

Doch dem Staat kommt in nationarevolutionärer Theoriebildung deutlich mehr Selbstzweck zu, als in der leninistischen Konzeption der Diktatur des Proletariats, die in dessen Schaffen aus der Notwendigkeit der gewaltvollen Übernahme der Staatsapparate und der Staatsmacht durch die revolutionäre Klasse geboren wurde und der Sicherung der Macht gegen sogenannte konterrevolutionäre Elemente und imperialistische Militärmissionen galt. Denn – wie der Begriff schon nahelegt – der deutsche Sozialismus baut fundamental auf ethnischer „Artgleichheit“ als absoluter Grundlage. Ein Begriff, den v. a. Carl Schmitt in seiner Rechtsphilosophie theoretisch fundiert hat, um diesen gegen – republikanisch verstandene – „Gleichartigkeit“ abzusetzen und der sich nun auch durchgängig in zeitgenössischen NS-Ideologemen wiederfindet. Der Staat müsse direkter Ausdruck des deutschen Volkes sein, der Souverän muss gerade das „Deutsch-Sein“ selbst widerspiegeln.

Querfront, hitleristischer Staat und die Strasser-Ideologie

Historisch gesehen kamen Querfront-Konzeptionen tatsächlich nur für den nationalrevolutionären Flügel der NSDAP infrage: Hitler selbst wollte mit solchen Taktiken wenig bis nichts zu tun haben, für ihn kam allein uneingeschränkte, gebündelte Macht infrage – der Souverän sollte Hitler und nur er selbst sein (durchaus ein Teilprodukt der Suche nach einem „Messias für das deutsche Volk“ durch Dietrich Eckart)7. Hitlers Lösung des oben gestellten Problems lag in einer strikt völkischen Ausrichtung des zu schaffenden Staates, der allein Ausdruck einer germanischen Rasse sei, deren Ursprung – hier kommen die späteren elitären Mythologien von Heinrich Himmler und der SS-Ordensideologie ins Spiel – in der Ethnie der „Arier“, einem mythischen Übermensch-Konzept, läge. Diese hätten in harmonischem Einklang mit der Natur gelebt, die ihre Stärke aus der Verbindung der „Arier“ mit „arischem Boden“ bezogen hätten (Lebensraum-Theorie, siehe nächster Absatz; die Thule-Gesellschaft etwa glaubte in bewusster Verdrehung einer obskuren Stelle im Werk Platons, die Arier lebten auf der bisher unentdeckten Insel „Atlantis“)8. Letzten Endes dann könne, wenn der deutsche Volkskörper bereinigt würde und wieder „arisch“ sei, das deutsche Reich zum Weltreich und Endpunkt aller Geschichte werden, heißt: der Lebensraum der Arier als Herrschaft über die Welt (vgl. etwa das von Hans Baumann komponierte berüchtigte NS-Lied „Es zittern die morschen Knochen“, wo die berüchtigte Stelle zu finde ist: „heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“). So legitimierte Hitler seinen  Terror-Staat durch einen mythisch überhöhten Volksbegriff und sein glühender Antisemitismus wurde problemlos zur Schmittschen Notwendigkeit, als Souverän einen absoluten Feind (innerlich wie äußerlich) zu bestimmen, was bekanntlich in den menschenverachtenden antisemitisch-rassistischen Tiraden in „Mein Kampf“ kumulierten Ausdruck fand. Die „Agenda“ des „Weltjudentums“ sei einzig und allein, den deutschen Volkskörper und -willen zu sabotieren und letzten Endes zu zerstören. Der durch alle Klassen wüst grassierende Antisemitismus in der Weimarer Republik kam diesen Ansinnen bestens zugute und ist ja gerade strukturelle Grundlage für die Möglichkeit der NS-Herrschaft überhaupt sowie strukturelle Bedingung für derartig ausschlagenden Antisemitismus.

Strasser kam schon früh in ideologischen Konflikt mit Hitler: Bis zum Scheitern des Putsches 1923 waren fast alle von einem revolutionären Umsturz der Regierung überzeugt, da man sich in der „Hauptkampflinie“ an Benito Mussolinis „Marsch auf Rom“ orientierte – doch in der Haft in Landsberg am Lech lernte Hitler den Geographen Karl Haushofer via Rudolf Heß kennen. Dieser war schon früh ein Theoretiker des geopolitischen „Lebensraum“-Konzepts, das annahm, dass eine soziale Gruppe eine fundamentale stoffliche Basis in jenem Lebensraum (Biotop) besitze, in der sie sich über lange Perioden aufhält und ohne die eine Gruppe nicht sein könne, was sie ist (= Blut und Boden-Ideologie). Bekanntermaßen wurde dieses krude Konstrukt Hauptideologem des Hitler-Faschismus und war Grundlage des „Generalplan Ost“ sowie auch des fanatisch antisemitisch-rassistischen Hasswerkes des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“. Dem folgte postwendend auch eine Neubestimmung der Funktion der Partei, die in einer neuen Gründung der NSDAP gipfelte: Nicht mehr solle sie revolutionär sein, indem sie Ausdruck der sprengenden Kraft der deutschen Arbeiter*innenschaft sei, sondern solle auf demokratischem Wege die Demokratie selbst überwinden und somit das totalitaristische Potenzial der Weimarer Gesellschaft schlechthin offenlegen. Das widersprach grundsätzlich dem, was Röhm und Strasser (sowie anfangs der junge überzeugte nationalrevolutionäre NSDAP-Redner Joseph Goebbels, der für Strasser arbeitete und ein ausgesprochenes Faible für die prügelden SA hegte) sich erwarteten und als essentielles Programm der NSDAP ansahen. Zwischen Hitler und Röhm kam es zu einem Bruch: Noch immer favorisierten die Nationalrevolutionären den Kampf auf der Straße gegen die Republik und das als bourgeoise und jüdisch imaginierte Großkapital zum Einen, gegen Kommunist*innen auf der anderen Seite. Die Neusetzung des Souveräns auf Basis der Vertreibung des internationalen jüdischen Großkapitals müsse dann – nach wiederum revolutionärer Vorstellung – aus dem Zerstörten das positiv Neue schaffen (hier natürlich auch der Gegensatz schaffendes – raffendes Kapital als Analogon zu national – international, der ebenso für Hitler konstitutiv war, der nur auf anderem Wege zum gleichen Schluss gelangt).

Springen wir an dieser Stelle – das oben angeschnittene Feld ist reichlich komplex und es gäbe noch Unmengen an Differenzierungen zu betrachten, doch glauben wir, dass an dieser Stelle die ideologische Differenz genügend herausgearbeitet worden ist, um im Text weiterzugehen – nun in die Zeit nach 1945, so spielt auch dort die Spaltung in hitleristische und nationalrevolutionäre Lager eine gewichtige bis zentrale Rolle. Wenn etwa der ANS/NA und spätere FAP-Kader Ewald „Bela“ Althans in Michael Schmidts Dokumentation aussagt, er habe sich von Michael Kühnen distanziert, weil:

Althans: He [Kühnen, Anm. d. Verf.] tried to make a so called special line in the fight, a revolutionary line, Ernst Röhm, Strasser and so on, which was not my line.

Interviewer: What was your line?

Althans: My line was that I was very hitleristic and I said that everything Hitler did was correct. And he said Hitler made mistakes“,9

dann wird deutlich, wie grundlegend die theoretische und ideologische Diskussion dieser Positionen noch in den 80er-Jahren in Top-Neonazi-Kreisen war (und in Althans Falle, der selbst homosexuell war, spielte Kühnens Sexualität keine Rolle). Dass v. a. die Ideologie-Frage in der FAP eine große Rolle spielte, zeigte dann auch die Spaltung ehemaliger ANS/NA-Kameraden: Während Kühnen, der nach seiner Haft die Strasser-Doktrin full-on als Hauptkampflinie der FAP durchzusetzen trachtete (mit Christian Worch und Thomas Brehl), wollten sowohl Althans als auch Jürgen Mosler dies nicht mittragen. In Moslers Fall dürfte das Coming-Out Kühnens eine größere Rolle gespielt haben, hängt aber insofern mit der Strasser-Doktrin zusammen, als Kühnen sich nach der Haft sehr stark auf Röhms SA und die Idee des reinen Männerbundes bezog. So verkündetet er u. a., dass gerade die sexuelle Bindung unter Männern als Ideal aller Sexulität zu sehen sei, da sich dort abseits der Sexualität zwischen Mann und Frau (rein funktionelle Reproduktion des arischen Menschen) schaffender Geist gegenseitig stärke – für typologischen Hitlerismus natürlich eine krasse Abweichung.

Ein anderes Beispiel ist eine an sich hinlänglich bekannte Begebenheit, die jedoch selten in ihrer Tragweite erfasst wird: Als der (mittlerweile verstorbene) Dortmunder Neonazi Siegfried Borchardt im Dortmunder Stadtrat gegenüber Spiegel TV 10 sarkastisch aussagte, er sei über seinen Beinamen „SS-Siggi“ unglücklich, weil er lieber „SA-Siggi“ heißen würde, dann ist das nicht nur krass, sondern klares Zeugnis einer nationalrevolutionären Ausrichtung. Entlarvend auch Borchardts Aussage an späterer Stelle selbiger Reportage: Auf die Frage, wie lang er denn weiter so aktiv in den Straßen der Dortmunder Nordstadt sein wolle, antwortet Borchardt: „Ja bis ich … ja … bis zur Revolution, was soll man machen. Ich hab nix Andres gelernt, als Revolution-Machen [lacht].“ Ähnliches dürfte auch für Gottfried Küssel sowie diverse andere langjährige österreichische Altkader gelten: Ein Ausschnitt aus einer Rede in Berlin vor GdNF-Kameraden verdeutlicht Küssels Rhetorik und Einstellung.

Ja wenn sie nicht unsere Freunde sein wollen, dann sind sie eben unsere Feinde, ist mir auch egal. Dann müssen sie aber mit unserer geballten Kraft rechnen, dann müssen sie damit rechnen, dass es mal Haue gibt, und dann brauchen sie nicht draussen auf der Straße schreien „Tod dem Faschismus!“ und sich aufregen, wann wir daherkommen und ihnen aufs Maul hauen! [Beifall] Wann dieses deutsche Volk endlich mal kocht, dieses Ding ist noch zu lau, heiß werden muss es, kochen muss es, es muss vor Liebe glühen, gemeinsam sind wir unausstehlich. Wir sind unausstehlich […].11

Küssel, der seine Wehrsportübungen unter Anleitung des VAPO-Kaders und ehemaligen Bundesheerlers Hans-Jörg Schimanek jun. auch in den braunen Hemden der SA durchführen ließ, war schon seit seinen Aktivitäten bei der ANR dafür bekannt, einen Hang zum nationalsozialistisch-nationalrevolutionären Proletenkult zu pflegen. Darüber hinaus spricht die Gründung der GdNF als „neue SA“ klare Worte: Auch die VAPO war Teil der GdNF, Bereich „Ostmark“. Natürlich bekennt man sich wie auch Röhm und Strasser vollumfänglich zu Hitler, aber ideologisch folgte die GdNF Kühnens Strasserismus.

Auch Küssels gekonnte Selbstinszenierung verdeutlicht seine politisch Herangehensweise: Der leichte österreichische Akzent, der sich klar abhebt von der deutlichen, rhetorisch einwandfreien Sprache eines Ewald Althans oder Christian Worch sowie das stete Rekurrieren auf politische Gewalt gegenüber Linken dürfte dabei einen Teil der Anziehungskraft Küssels im organisierten Neonazi-Netzwerk ausgemacht haben. Auch der ehemalige Neonazi und Aussteiger aus VAPO-Kreisen Stefan S. hat ähnliches in einem Interview, das im AIB erschienen ist, kundgetan:

Der [Gottfried Küssel, Anm. d. Verf.] hat sich hauptsächlich dadurch ausgezeichnet, daß er sich nachher [nach Wehrsport-Übungen der ANR in einem Steinbruch südlich von Wien, Anm. d. Verf.] bis zur Bewußtlosigkeit zugeschweißt hat. Deswegen haben sich viele „Kameraden“ von ihm distanziert. Der war nicht vertrauenswürdig. Die anderen waren fast alle Jus-Studenten aus guten Familien. Der Küssel, der galt als Vertreter des Proletariats. Alle anderen waren „rich kids“. Der Küssel, der hat derbere Späße draufgehabt. Der hat z.B. im Vollrausch auf der Höhenstraße Autos zusammengehaut.

Wichtig anzumerken ist, dass dies noch für die Zeiten galt, als ANR-Kader (Herman Plessl, Egon Baumgartner, Günther Bernard, Franz Koci, Bruno Haas, Michael Witt, Martin Neidhart) neben der „Volkssozialistischen Partei“ (VSP, von der ANR als „Apfelgruppe“ klandestin bezeichnet wegen ihres Parteilokals in der Wiener Apfelgasse) die Wiener Szene organisierten – Stefan S. attestiert Küssel schon mit der Gründung der VAPO nach dem Modell der „Freien Kräfte“ bzw. „Freien Kameradschaften“, seine Strategie verfeinert und die unkontrollierten Gewaltausbrüche beendet zu haben. Und betrachtet man die Organisierungen, die aus dem Umfeld von Küssel respektive durch Küssel selbst entstanden sind, so muss man klar sehen, dass Küssel sich nach jedem Repressionsschlag neu orientiert wie auch seine Strategie wohl immer nachhaltiger, vorsichtiger und langfristiger ausgelegt hat und ein rasches Gespür für Adjustierungen an gesellschaftlich-diskursive Themenschwerpunkte entwickelt hat.

Eine solche Adjustierung dürfte auch CQ darstellen: Denn kaum waren die ersten Kungebungen der Corona-Rechten abgehalten, trat auch Küssel auf den Plan. Mit einer erstaunlich diversen und umfassenden Gruppe an neonazistischen Aktivist*innen trat er nach Jahren der Haft und des Unsichtbar-Seins direkt wieder ins Rampenlicht und schon Ende August konnte Küssel auf der Redner*innenbühne von Querdenken gesehen werden. Der Aufbau zahlreicher Bekanntschaften und Bündnisse deutet auf eine klare politische Linie hin: Vereinigung rechter, nationalistischer, esoterisch-apolitischer und scheinliberaler Kräfte der Mitte, um unter gemeinsamen Bannern vorab „nur“ gegen die Regierung auf die Straße zu gehen. Die Inszenierung als Befreiungsbewegung und revoltierendes Volk gegen die Obrigkeit kann hierbei als nationalrevolutionäre Ideologie eingeordnet werden: Denn auch im Querdenken-Milieu zweifelte man bald an der friedlichen Strategie – viele sinnierten schon da einen militant herbeigeführten Systemwechsel herbei.

Fassen wir dies nochmals unter den ideologischen Dimensionen der Corona-Rechten zusammen, ist das Bild ebenso präsentativ: eine nationalrevolutionäre Querfront, die nach außen hin zahlreiche soziale Gefüge der Gesellschaft im Kampf gegen eine Weltverschwörung und einen international gelenkten, korrupten Staat eint, der durch eine Regierungsclique beherrscht würde, die wiederum nur auf Anweisung globaler Finanzelite agieren und handeln würde, die nun versuchen würde durch die Zwangsimpfung einen leicht kontrollierbaren „Globohomo“ zu erzeugen (die Analogie zur Strasser-Ideologie ist bestechend). Logisch konsequent erschien dann im Fortlauf der Proteste eine neue Website im Umfeld neonazistischer Telegram-Kanäle (mittelfristig gelöscht, nun aber wieder online): „Sozialismus Jetzt!“. Dazugehörige Sticker und mindestens zwei öffentliche Aktionen wurden unter dem Label betrieben. Der Eingangstext eines Videos stellt wiederum klare nationalrevolutionär-antisemitische Ideologie dar, die den klassischen NS-Topos der Jüd*innen als „heimatloses Trabantenvolk“ bemüht, das nur durch die Ausbeutung ethnisch-homogener Völker überleben könne:

In Wien hat es sich eine kleine Clique wurzelloser Spekulanten zur Aufgabe gemacht Mietshäuser anzukaufen, die Bewohner systematisch hinaus zu ekeln und anschließend die so frei gewordenen Grundstücke finanziell auszubeuten!

Darauf folgte die Forderung: „Enteignet die Bonzen!“, danach eine Transparent-Aktion mit bengalischen Flammen, auf dem Transparent zu lesen: „Sozialismus Jetzt!“ Die Website samt Aktion wurde allerdings nicht auf den Kanälen von CQ selbst lanciert: Denn CQ steht als politische Kraft in direkter Verbindung zu weiteren neonazistischen Kanälen und Websites, zwischen denen hintergründig starke Wechselwirkung angenommen werden muss. Denn – wie uns zugespielte Bilder zeigen – handelt es sich bei den Aktivist*innen von „Sozialismus Jetzt“  um die gleichen, die auch konstant bei den Demonstrationen von CQ in Eisenstadt in direktem Kontakt mit den Küssels stehen.

Wie die Aktionen der „Sozialismus Jetzt“ Gruppe zeigen, spielt die Gegend rund um Küssels Wohnung eine Rolle für die Durchführung von Aktionen. Auch kann in Bezug auf neonazistisches Treiben rund um das Objekt in der Unteren Donaustraße angemerkt werden, dass die Gegend zwischen Praterstraße und Unterer Donaustraße im Areal Nestroyplatz bis Praterstern meist zugepflastert ist mit neonazistischen Stickern der „Tanzbrigade“, „Eisern Wien“, „Identitären“ und von „Unwiderstehlich“ (dazu unten mehr). Dies wiederum deckt sich auch mit uns zugespielten Erkenntnissen einer antifaschistischen Gruppe: Der Gruppe ist es gelungen, Neonazis aus dem militanten Umfeld von Gottfried und Karin Küssel aus der Unkenntlichkeit in die Öffentlichkeit zu zwingen und aufzuzeigen, dass das Gewaltpotenzial der Gruppe über die Jahre keineswegs geringer geworden ist. Auf eine antifaschistische Initiative hin, die Anrainer*innen im Czernin-Grätzl ermuntern sollte, Neonazi-Aktivitäten in der Leopoldstadt zu dokumentieren, erfolgte eine gefälschte Antwort unter der Identität einer vermeintlichen Hausbewohnerin.

Die Antifaschist*innen ließen sich auf die Mail ein, in dem Bewusstsein dass es sich um eine Falle handeln könnte – der Falle allerdings wurde ebenso großer Erkenntniswert attestiert. Ein Treffen am Donaukanal zur vermeintlichen Infoübergabe wurde arrangiert, der Platz lag unmittelbar unterhalb von Küssels Haustür in der Unteren Donaustraße 39. Statt der vorgegebenen Hausbewohnerin kamen jedoch rund 25 schwer vermummte Neonazis in drei koordinierten Gruppen samt Späher*innen zum vereinbarten Treffpunkt (insgesamt etwa 30 Neonazis), zum Teil auch direkt aus dem Stiegenhaus der Küsselschen Wohnung.

Den Antifaschist*innen gelang es, das Auftauchen der Rechtsextremen zu dokumentieren, selbst aber komplett unerkannt zu bleiben. Folgendes Video wurde uns von der Gruppe übermittelt und zeigt das Auftreten der ersten eintreffenden Gruppe am ausgemachten Ort.

Beziehen wir dies auf die eingangs gestellte Frage, was nun eine „Querfront“ als politisches Modell tatsächlich erreichen will und was eben nicht. Wichtig ist hier die genaue Analyse der politischen Situation und das Erkennen der pluralen, aber konzertierten Mehrgleisigkeit neonazistischer Polit-Strategie im Angesicht des Erscheinens der Corona-Rechten: Oft ist zu lesen, Neoanzis nationalrevolutionärer Prägung würden nach einem Bündnis mit der radikalen Linken streben. Bezogen wird sich dabei meist implizit (ohne irgendeinen Nennung) auf eine kurze Periode in der politischen Konzeption der „Nationalen Front“ (NF), die etwa mit Slogans wie „Die Grenze verläuft nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen oben und unten!“ für Aufsehen sorgte. Doch auch diese Phase wurde bald zugunsten einer Waffen-SS-Ideologie (Stichwort Europa-Konzeption) ab etwa Mitte 1988 für beendet erklärt. Ähnliches versuchte kurzfristig auch die „Sozialrevolutionäre Arbeiterfront“ (SrA), doch hier zeigt sich, was auch für CQ und „Sozialismus Jetzt“ veranschlagt werden muss: Das nicht öffentlich Motto der SrA lautete „Die linke Unruhe mit linken Mitteln nach rechts umfunktionieren“, was klar abbildet, worin die SrA die Nutzbarkeit linker Politik sah – das folgende Zitat verdeutlicht das nochmals auf besonders anschauliche Art und Weises:

Daß Grams [gemeint ist der RAF-Militante der 3. Generation Wolfgang Grams, Anm. d. Verf.] auf der falschen Seite stand, würden wir eher als Zufall bezeichnen […] Weiter müssen wir feststellen, daß wir uns genetisch und biologisch in keinster Weise von Linken unterscheiden – wohl aber  können wir Unterschiede zwischen uns und den HERREN DIESES Systems ausmachen. Das bedeutet für uns zweifelsfrei: Der Feind ist nicht im eigenen Volk zu suchen […] Wir sind bereit, mit dem ‚Teufel‘ [gemeint sind Linke, Anm. d. Verf.] ein Bündnis einzugehen, wenn es der nationalen Bündnisbewegung unseres Volkes nützt.

Schon im Konzept der SrA wird klar, dass man nicht versucht, eine gewissermaßen polit-neutrale Querfront aufzubauen, sondern gezielt politische Dimensionen der radikalen Linken zu okkupieren, zu übernehmen und für eigene Zwecke umzumodeln. Zwar war es für manche SrA-Kader wohl theoretisch denkbar gewesen, tatsächlich mit Linken politsch zu arbeiten, aber zweifelsohne bleibt der massive Antikommunismus (verstanden als anti-linke Ideologie generell) ein zentraler Stein in der Grundlegung neonazistischer Politprogramme. Umgelegt auf CQ bedeutet das: Man will unter keinen Umständen mit linken Gruppierungen kooperieren – was man will ist: sozialistische Positionen für sich nutzbar und der Linken abspenstig machen, um politische Hegemonie zu erlangen. Zwar ist dies nicht explizit durch inhaltliche Arbeit auf den unmittelbaren Propagandakanälen vermittelt, jedoch durch die Verbindungen zu anderen Kanälen, die im kommenden Abschnitt noch dargelegt werden.

Interessant ist in Bezug auf den Telegram-Kanal von CQ noch zu erwähnen, dass bei der Bewerbung von CQ und deren Veranstaltungen besonders niederschwellige Mobilisierungsmethoden angewandt werden: Weniger konkret Ideologisches ist dort vorzufinden, denn alltägliche Hetze auf Politiker*innen, oftmals im Format von Witzen oder Parodisierungen verklausuliert. Offenbar versucht man gezielt, klar rechtsextreme Inhalte subtil und indirekt zu vermitteln – meist erfolgt dies über den Umweg „impfskeptischer“ oder „impfkritischer“ Inhalte, die Rassismus, Antisemitismus und Sexismus ironisiert oder parodisiert aufscheinen lassen. Möglichst zugänglich für den diskriminierenden Alltagshabitus in Österreich und diskursiv locker gestrickt, dürfte es CQ so ein Anliegen sein, Personen unmittelbar dort abzuholen, wo sie stehen. Doch auch der ausgewählte Ort der lokalen Aufmärsche von CQ dürfte hierfür eine Rolle spielen: Mit Eisenstadt hat CQ die kleinste Bundeshauptstadt gewählt, das ländliche Gebiet erfordert nochmals andere Mobilisierungsstrategien als etwa die Metropolregion Wien.

Das Verhältnis von CQ & „Sozialismus Jetzt“ zu „unwiderstehlich.online“ und dem „Infokanal Deutschösterreich“

Neben den oben genannten Konstellationen gibt es noch zwei weitere Telegram-Kanäle, die als konstitutiv für den österreichischen Neonazismus erfassbar sind. Gemeinhin wird in Publikationen zumeist von Unwiderstehlich und der dahinter agierenden Neonazi-Gruppe als „Sprachrohr“ des österreichischen Neonazismus gesprochen – doch dieses Urteil greift zu kurz: Denn zumindest zwischen dem Infokanal und Unwiderstehlich gibt es starke Verbindungen – permanent werden die Inhalte der jeweils anderen Gruppe geteilt, ständig wird sich aufeinander bezogen. Wenn auch zum momentanen Zeitpunkt nicht klärbar ist, wer die beiden Kanäle konkret betreibt – eine ältere Einschätzung zum Klientel der ersten Unwiderstehlich-Gruppe findet ihr bei den Kolleg*innen sowie durch angefertigte Mitschnitte aus dem rechtsextremen „Reconquista Germanica“-Forum – so liegt im Mindesten die Vermutung nahe, dass beide Kanäle aus dem direkten Umfeld von Küssel stammen. Das Klientel, das die Kolleg*innen annahmen, führt direkt in den innersten Kreis der alpen-donau.info-Gruppe und auch die angehängten Screenshots des Reconquista-Forums legen nahe, dass zwischen der alpen-donau-Truppe und Unwiderstehlich eine personelle wie ideologische Kontinuität festzustellen ist.

Auch ist es wichtig zu bemerken, dass sowohl Unwiderstehlich als auch der Infokanal zwei Seiten einer Medaille ganz gezielt bedienen: Während Unwiderstehlich hauptsächlich in Bezug auf das politische Tagesgeschehen nationalrevolutionäre Einordnungen und Kommentare bringt, die zumeist die Themen Korruption, Finanzeliten und Migration bespielen, ist der Infokanal als rein ideologische Inhaltsschleuder zu betrachten. Dort findet sich ganz offen neonazistische Hetze, Antisemitismus, Rassismus, Sexismus, Transphobie und neonazistische Verschwörungs-Ideologeme in Bezug auf SARS-Covid-19 und die Impfung gegen das Virus.

Zwar wurde auf dem Telegram-Kanal von CQ nur ein einziges Mal Content des Infokanals geteilt (Unwiderstehlich-Inhalte zweimal), allerdings wurden die Veranstaltungen von CQ mehrfach im Infokanal beworben: Betrachtet man dann aber das ideologische Textmaterial im Archiv des unwiderstehlich.online-Page wird ein mögliches Nahverhältnis luzider. Dort referiert Unwiderstehlich ganz klar und offen auf Querfront-Ideologien und nationalrevolutionäre Konzeptionen. In ihrem Artikel „Weltbild und Weltanschauung I – Dogma gegen Aufklärung“ etwa findet sich abseits der grundlegenden Rassenlehre als ordnende Struktur der Geschichte (Religion und Aufklärung als Störung der Entwicklung natürlicher, erbbiologischer Rassen nach dem Gesetz des Stärkeren) der konkrete Hinweis auf die Notwendigkeit der Etablierung eines Volkes- anstelle internationalen Klassenkampfes. Dieser sollte die Herrschaft der kapitalistischen und imperialistischen Moderne beseitigen und ermöglichen, dass die europäischen Rassen sich wieder frei nach ihrer rassischen Veranlagung entwickeln könnten. Dabei wird erneut ein nationaler Sozialismus als integral definiert: Denn mit Werner Sombart (einem bedeutenden Theoretiker der Konservativen Revolution) stellt Unwiderstehlich fest, dass der Marxismus nicht den wahren Sozialismus abbilde, sondern dieser erst zu seiner Vollendung in einer nationalen Gemeinschaftordnung finden könne, die ihre rechtliche Ordnung nach dem Dienste des Einzelnen am Kollektiven misst („Liberalismus vs. Konservativismus – Sozialismus“). Daran anschließend wird auch eine pragmatische Querfront für durchaus sinnvoll befunden, die mit rechten, patriotischen und nationalen Parteien und Gruppierungen eingegangen werden könnte, um zumindst vorübergehend mehr Stärke im politische Alltag auf der Straße demonstrieren zu können und der Linken gesellschaftliches Pontenzial abspenstig zu machen – die Lösung allerdings liegt für Unwiderstehlich einzig und allein in der Schaffung eines nationalen Sozialismus, der vermöge eines diktatorischen Souveräns als verbindliche Verfassung gesetzt werden muss.

Naheliegend ist eine Praxis der Aufteilung der Rekrutierung und Propaganda auch aus einem recht banalen Grund: Schon die ANR hatte ihre Rekrutierungsarbeit immer damit begonnnen, neue potenzielle Mitglieder nicht ideologisch abzuholen, sondern über das Simulieren eines Gemeinschaftsgefühls, das auf dem Modus von Schmitts Freund-Feind-Dichotomie beruhte. Das bestätigt auch Stefan S.: Auf die Frage, wie schnell ideologische Elemente in der ANR gegenüber neuen Rekrut*innen verbreitete wurden, antwortet S.: „In der Anfangsphase kaum. Das Politische war mir damals wurst, ich bin von denen nur sehr langsam indoktriniert worden. Die Kameradschaft, die hat gezählt.“

So liegt aus obigen Gründen die Vermutung nahe, dass die drei Kanäle ein politisches Ganzes darstellen, das äußerst akkurat als Propagandamaschine genutzt wird, während auf der Straße vorab allein unter dem Logo der zugänglichen CQ-Gruppe aufgetreten wird.

Zwar handelt es sich um keinen Beweis, dass eine konkrete Interaktion zwischen den tatsächlichen Akteur*innen der Kanäle stattfindet, dennoch ist mit der Einschätzung der Kolleg*innen sowie der kurzen Aufschlüsselung der Ähnlichkeit der politischen Praxis erwiesen, dass ein Naheverhältnis angenommen werden muss.

Fazit

Wir wollen die Analyse von CQ an dieser Stelle mit einem Hinweis respektive einer Einschätzung schließen: Die Gruppe CQ zeigt exemplarisch, wie salonfähig Rechtsextremismus und Neonazismus in der Gesellschaft des postnazistischen Österreich noch immer sind. Diese Feststellung wurde vielfach im Rahmen der Corona-Demonstrationen belegt und expliziert – aber anhand von CQ kann ganz konkret gezeigt werden, wie schnell sich rechtsextreme Seilschaften bilden und wie gewillt rechte Akteur*innen sind, Kooperationen und Bündnisse einzugehen, um einem höheren Ziel entgegenzuarbeiten. Auch wenn die Zielsetzungen variieren und der Grad an Extremismus ebenso, ist diese Tendenz zu Querfront-Bildung bis ins mitte-liberale Lager hinein etwas, wogegen gesellschaftliche Gegenstrategien gefunden werden müssen, die abseits trivialer Einordnungen dieses Klientels als unzurechnungsfähig (Stichwort der gern verwendete Begriff „Covidioten“, vom Begriff des „Idiotismus“ ganz abgesehen), bildungsfern u. ä. liegen. Denn zum Einen verharmlost das die politische Dimension, die in zahllosen Fällen klar zutage trat und nimmt – durch den elitären Moralismus, der sich in diesen Begriffen und Aussagen entäußert – auch die Möglichkeit solche Bewegungen kritisch zu begreifen.

Zum Abschluss wollen wir wieder um Mitarbeit bitten – auch hier konnten wir nicht alle faschistischen Akteur*innen bestimmen, die Bilder dieser findet ihr untenstehend. Wenn ihr Menschen erkennt, meldet euch bei uns via eingerichtetem Kontaktfeld!

Unbekannte Neonazis:


1 Im Folgenden greifen wir etwa für Harald A. Schmidt oder etwa Lucas Tuma sowie an der einen oder anderen Stelle auf den reichen Informationsfundus von „Stoppt die Rechten“ zurück, werden das aber nicht an jeder Stelle direkt erwähnen. Deshalb wollen wir das an dieser Stelle tun – konkrete Artikel jedoch, auf die wir uns beziehen, werden selbstverständlich als solche verlinkt und gekennzeichnet.

2 Bekannt wurde Schmidt einer weiteren Öffentlichkeit, da er als Anwalt der wegen mehrfachen Mordes verurteilten Elfriede Blauensteiner dabei half, die Testamente in den Besitz Blauensteiners zu bringen, was ihm einen Haftstrafe einbrachte.

3 Wir erwähnen Küssels Kinder hier allein deshalb, weil durch die Dichte der Besuche von einschlägige politischen Veranstaltungen, keinerlei vorliegender Distanzierung vom Gedankengut der Eltern oder wenigstens Desinteresse an politischer Betätigung seitens Gudrun und Gerolf Küssel vorliegt. Wir müssen sie deshalb als bereits eigenständige Akteur*innen im neonazistischen Netzwerke Österreichs betrachten, die – davon ist zum jetzigen Zeitpunkt auszugehen – die nächste Führungsriege des NS-Spektrum darstellen wird.

4 Zur Wortklärung: Bei einer „Ferialverbindung“ handelt es sich um eine solche Art der Korporation, die nicht in einer Stadt gestiftet worden ist, in der die Korporierten direkt auch universitär immatrikuliert sind. Oft wurden sie von Burschenschaftern gegründet, die sich während der Universitätssemester in größeren Städten korporiert aufhielten, über die Semesterferien allerdings zurück zu ihren Familien in ihrer Heimatstädte reisten. Damit sie dort ebenso den Korporationsalltag aufrecht erhalten konnten, wurden sogenannten „Ferialverbindungen“ gestiftet, die entweder pennal „pF!“ oder akademisch „aF!“ konstituiert werden konnten. Dementsprechend wäre eine „aF! Wiener Reich“ eine geschichtlich inkorrekte Korporationsform, da Wien zum Einen über dutzende deutschnationale aB! verfügt, zum anderen eine der bekanntesten und ältesten Universitätsstädte Europas ist. Erklärt werden kann dies jedoch, indem das Rekrutierungsmilieu und die Strategie der Küssel-Truppe betrachtet wird: Küssel bildete seit jeher durch sein Charisma und seine persistente Umtriebigkeit eine Schnittstelle für das akademische wie aber auch proletarischere rechtsextreme Milieu; und so ist eine offene Ferialverbindung optimal geeignet, für diverse Typologien rechtsextremer Biografien als Anlaufstelle zu dienen. Wie wichtig auch das junge deutschnationale – sowohl pennale als auch akademische – Burschenschaftsmilieu für die alpen-donau.info-Organisierung war, zeigen etwa die folgenden Fälle: Benjamin Fertschai (ehemals aB! Silesia), Martin Sellner (ehemals aB! Olympia), Horst Pilz (ehemals aB! Olympia), Sebastian Ploner (ehemals aB! Olympia) oder aber der pennale Burschenschafter Thomas Cibulka (ehemals pB! Franko-Cherusker) – und auch das Umfeld ist gespickt mit Burschenschaftern: Angeführt seien hier zwei: Gernot Schandl (aB! Gothia), ein guter Bekannter des Autobombenfetischisten Wolfgang Lechner und der Unsterblich Wien-/Ballermann Jungs-Kader Christian Marinics (aB! Silesia). Hier findet ihr die ursprüngliche Recherche und die dazugehörigen Bilder.

5 Tanczos hatte an einer seiner Adressen dort auch einen Kommanditgesellschaft betrieben. Zweiter Kommanditist war neben Tanczos der ehemalige Vorsitzende der „National-Konservativen Union“ (NAKU) und der neonazistischen Burschenschaft „Tafelrunde zu Wien“ Wilhelm Ehemayer, der auch ein Intimus des im Sopron lebenden Neonazis Gerd Honsik war und für diesen die Einladungspolitik der neonazistischen Burschaft „Tafelrunde Ödenburger Markomannen“ organisiert hatte.

6 Das geht aus einem Kürzestbeitrag im Radio Burgenland hervor, wobei der Redaktion nicht klar war, dass die Hausdurchsuchung ein Neonazi-Objekt betraf.

7 Das zeigt sich etwa historisch anhand der Episode, als der DAP-Mitbegründer Anton Drexler versuchte, Hitler zurückzudrängen, um sich selbst mit Hilfe einer Koalition mit weiteren deutschnationalen und rechtsextremen Parteien die Macht in der NSDAP zu sichern. Hitler erklärte daraufhin seinen Austritt, einzig eine Bedingung würde ihn an die Spitze zurückholen: Drexlers Rücktritt vom Vorsitz und die alleinige Bündlung der Macht unter Vorsitz Hitlers.

8 Die Ideen gingen teilweise so weit, dass etwa der nazistische Geheimbund „Thule Gesellschaft“ annahm, dass es eine Form von „Atlantis“ tatsächlich gäbe oder gegeben habe, wo die „Arier“ weiterhin lebendig seien.

9 Wahrheit macht frei, Regie von Michael Schmidt (Kanal 1 des Schwedischen Fernsehens, 1991), 47:57 bis 48:21, https://youtu.be/l1NMuVMPw8w.

10 Nazi-Kiez in Dortmund – wo sich „SS-Siggi“ und der „Holland-Hitler“ wohlfühlen, Regie von Spiegel TV (Spiegel TV, 2019), 09:31-10:12, https://youtu.be/8OR2la_Dk1o.

11 Wahrheit macht frei, 33:18 bis 33:35.