Das Octagon-Netzwerk in Europa – Rechtsextreme Kommerzialisierung des Kampfsports.

Im Mai 2022, vor rund einem Jahr, wurde in der Kalvarienberggasse 35 in Wien, Hernals der erste Octagon-Store und damit die erste österreichische Dependance des mittlerweile europaweit agierenden Franchise-Unternehmens Octagon eröffnet. Bei Octagon handelt es sich zunächst um eine Marke, die sich auf Fightwear im Kampfsportbereich spezialisiert hat. Zusätzlich fällt das Unternehmen aber durch seine Nähe zu diversen gewaltorientierten Hooligan-Milieus Zentral- und Osteuropas und den mit diesen verbundenen Streetfighting- und Bareknuckleszenen auf. Neben konventionellen Kampfsportartikeln der Eigenmarke Octagon wie etwa Thaibox- und MMA-Shorts, Boxhandschuhen, Kickpads und Boxpratzen findet man im Sortiment der Marke auch Streetfighting-Artikel wie Balaclavas mit Hooligan-Symbolen, Baseballschläger und Schlauchschals mit einschlägigen Motiven.

Der gezielte Verkauf von Szene-Artikeln für gewaltorientierte Hooligan-Milieus ist mit Blick hinter die Kulissen der Marke nicht weiter verwunderlich, stammen die führenden Köpfe des Unternehmens doch selbst aus der rechtsextremen Hooligan- und Kampfsportszene Polens. Der erste Octagon-Store wurde 2010 in der polnischen Kreisstadt Zawiercie von dem rechtsoffenen Kampfsportler, Amateurfußballer, Fußballfan und Unternehmer Radosław Szumliński gegründet. Wie wir in dieser Recherche zeigen wollen, hat Szumliński mit seinem Franchise ein transnationales Kampfsport-Geschäftsnetzwerk aufgebaut, das als lukratives und zunehmend erfolgreiches Unternehmensmodell gelten darf, in das zahlreiche rechtsextreme Akteur*innen und Strukturen aus den jeweiligen europäischen Ableger-Staaten rege eingebunden sind.

Den Wiener Octagon-Store führt so etwa Julius Bukaí, ein slowakischer Neonazi und Full Member des Hells Angels Vienna-Charter, dem wir uns als Erstes in dieser Recherche widmen, bevor wir das gesamteuropäische Octagon-Unternehmensnetzwerk beleuchten. Bukaí ist Kampfsportler und trainiert seit vielen Jahren in Wien, unter anderem im „Boxteam Riders Vienna“ und zuletzt im vom Eisern Wien-Exponenten Henry Bannert geleiteten Fox Gym. Erst kürzlich trat Bukaí bei der Octagon-Veranstaltung Way of Warrior-Gala im tschechischen Hodonín im Boxen an – ohne ersichtliches Bemühen, die große tätowierte schwarze Sonne auf seinem linken Oberarm zu kaschieren.

Wie wir in dieser Recherche zeigen wollen, ist das „Geschäftsmodell Octagon“ besonders alarmierend, weil das Franchise kein subkulturelles Nischendasein pflegt, sondern eine zunehmend kommerziell erfolgreiche Marke im Kampfsport-Bereich darstellt. Während Octagon in Tschechien, der Slowakei und Polen schon längere Zeit etabliert ist, tritt auch der österreichische Ableger „Octagon AT“ mittlerweile bei renommierten Kampfsportveranstaltungen wie „Boxen in der Südstadt“ und auch bei zahlreichen kleineren Veranstaltungen als Sponsor auf und finanziert darüber hinaus einige Kampfsportler*innen, die teilweise auch aus extrem rechten Hooligan-Milieus und deren Umfeld stammen.

Octagon AT: Julius Bukaí und die Eröffnung des ersten Octagon-Stores in Österreich.

Das Octagon-Netzwerk ist mit Julius Bukaí in Österreich angekommen. Ein Blick auf Bukaís Biografie verdeutlicht dessen langjährige Einbindung in militante und neonazistische Hooligan-Milieus vor allem in der Slowakei: Der aus Trnava stammende rechtsextreme Kampfsportler sozialisierte sich in seinen Jugendjahren in der organisierten Ultraszene des slowakischen Fußballvereins Spartak Trnava und fühlt sich mit dieser bis heute verbunden. Bis Mitte der 2010er Jahre teilte Bukaí regelmäßig das mediale Outlet der Kurve von Trnava „Bíli Adeli“ sowie Fotos der großen Fangruppierung „Ultras Spartak“ in den sozialen Medien. Fotos von ihm mit anderen Skinheads auf den Straßen Trnavas legen ferner nahe, dass Bukaí vor allem seit seiner Jugend in einer kleineren, jüngeren neonazistischen Skinhead-Subgruppe der Ultras Spartak organisiert war. Ebenso dürfte Bukaí im Umfeld der Ultras Spartak mit dem lokalen Charter der Hells Angels in Kontakt gekommen sein – Fotos, datierend auf die Anfänge der 2010er Jahre, zeigen ihn mit anderen Skinheads in den Supporter-Shirts der Hells Angels.

Neben Bukaís Einbindung in das organisierte Hooligan-Milieu geben seine Social-Media-Kanäle auch einen tiefen Einblick in seine Geisteshaltung: Seiner Timeline lassen sich etwa Bilder und Zitate von Adolf Hitler und Gewaltfantasien gegenüber BPoC sowie Jüdinnen*Juden entnehmen. Auch teilt der slowakische Kampfsportler Songs neonazistischer Rechtsrockbands wie Krátky Proces und befeuert antiziganistische Ressentiments. Als Profilbild hatte Bukaí zeitweise das Bild eines Hooligans mit Balaclava – mutmaßlich Bukaí selbst –, der einen Hitlergruß im Stadion zeigt, eingestellt. Besonders verstörend mutet auch ein geteiltes Video an, dass den Oktober 2013 in Nitra stattgefundenen Angriff neonazistischer Skinheads des Walhala Clubs auf die gegenüber liegende „Mariatchi Bar“ und seine Gäste in Nitra zeigt. Neonazis aus dem Spektrum des Národní Odpor, der L’SNS und der Slovenská Pospolitost prügelten dabei ihre Opfer zu Boden und traten mit Springerstiefeln wild auf die Schädel der Opfer ein. Der zu einem Justizskandal führende Vorfall (siehe summarischer Bericht hier) schien dabei in einer geschlossenen Facebook-Gruppe, in der die führenden Köpfe der genannten rechtsextremen Organisationen Admin-Fuktionen bekleideten, koordiniert worden zu sein: Dabei wies die Facebook-Gruppe als Logo zwei Skinheads, eine slowakische Nationalflagge und das Logo von Combat 18 auf. Die CCTV-Aufnahmen kommentierte Bukaí so affirmativ wie verachtend mit „Die richtigen Typen aufmarschieren lassen“ – so viel zum Weltbild eines zunehmend relevanten Geschäftsmanns im österreichischen Kampfsport mit Verbindungen in die gesamte Szene.

Mitte bis Ende der 2010er-Jahre dürfte Bukaí in weiterer Folge zum Full-Member bei den Hells Angels aufgestiegen sein – er trug nun die Kutte des Nové Zamky-Charters und Fotos zeigen ihn häufig mit den Mitgliedern des Bratislava-Charters. Teile der alten Skinhead-Crew, wie etwa Michal Varga, dürften den Integrationsprozess in die Angels-Strukturen mit Bukaí gemeinsam absolviert haben, einige mehr scheinen sich noch aus ihrer Zeit bei Spartak Trnava zu kennen. Bald darauf dürften auch die ersten Teilnahmen an Kampfsport-Turnieren stattgefunden haben – im Juni 2017 posiert Bukaí noch als Prospect mit weiteren Hells Angels-Members bei einer Kampfsportveranstaltung in der Slowakei im Ring. Wenige Zeit danach, wahrscheinlich um das Jahr 2018, dürfte Bukaí sowohl zum Full Member aufgestiegen und auch nach Wien verzogen sein. Es lässt sich nur darüber spekulieren, ob Bukaí mittels Weisung, oder aus freien Stücken nach Wien übersiedelt ist, doch es ist belegbar, dass er den Wechsel vom Nové Zamky-Charter ins Vienna-Charter der Angels in dieser Zeit vollzogen hat.

In Wien angekommen trainierte Bukaí zuerst im Gym des Boxteam Vienna in der Richard Neutra-Gasse in Wien, Floridsdorf. Das arrivierte Gym richtet neben den Trainings auch Veranstaltungen mit Titelkämpfen aus und Bukaí brachte sich mittels seiner Funktion als Angels-Member in die Bewerbung der Events ein: So postete er etwa Support-Bekundungen für einen Titelkampf von Eva Voraberger, verlinkte sie unmittelbar im Beitrag und fügte dem Posting die obligaten Hashtags der Hells Angels hinzu. Auch sporttechnisch ist Bukaí mit dem Boxteam Vienna verbunden – im Juli 2019 etwa trat er in einem Vorkampf eines Matches von Eva Voraberger  in Znojmo für das Gym an – die schwarze Sonne als explizit neonazistisches Symbol oder das Logo der Hells Angels schienen beim Boxteam Vienna niemanden gestört zu haben.

Zu Bukaí und den Hells Angels kann angenommen werden, dass dieser keine allzu niedrige Stellung in den hierarchischen Strukturen des Wiener Charters einnimmt. Das legt seine Involvierung in den Support 81-Store nahe, der zwar in der Tomschlikgasse 8/4, Wien, Donaustadt gemeldet ist, dessen Produkte aber auch im hiesigen Octagon-Store vertrieben werden. Im Firmenbuch der Support 81 Vienna & Streetwear e.U. scheint Bukaí außerdem als offizieller Betreiber auf. Zum Hintergrund der Stores: in diesen wird Merchandise der Hells Angels vertrieben – wer sich ihnen nahe fühlt, von ihren Geschäften profitiert oder von diesen gesponsert wird, zeigt sich häufig als Ehrenbekundung gegenüber den regulären Charter-Mitgliedern in den Support-Shirts. Eine symbolische Praxis, die innerhalb des Milieus einen hohen Stellenwert genießt.

Im Mai 2022 eröffnete Bukaí schließlich den für diese Recherche zentralen Franchise-Ableger des polnischen Octagon-Stores: zuerst in Wien-Hernals, dann in der Steinbauergasse 34 in Wien-Meidling. In diesem Kontext muss betont werden, dass es sich bei der Adresse um keinen Zufall handelt, denn in der Steinbauergasse befindet sich auch das MC-Lokal The Other Place, das unter der Schirmherrschaft der Wiener Hells Angels steht. Bei dem Lokal The Other Place handelt es sich um einen Hotspot der 1%er- Szene: Bei Veranstaltungen und Feiern kommen regelmäßig die verschiedenen 1%-MCs zusammen und demonstrieren ihre Stärke als Outlaw-Community. In einer vorangegangenen Recherche haben wir bereits auf die Verstrickungen der Wiener Hells Angels mit anderen MCs, lokaler Kampfsportszene, Hooligans der Wiener Clubs und organisierten Neonazis hingewiesen – auch Octagon ist in diesem Milieu beheimatet, rekrutiert in der Szene und stattet das Milieu mit seiner Street- und Fightwear aus. Die Kommerzialisierung des rechtsextremen Kampfsports schreitet auch in Österreich voran.

Neben der Person Julius Bukaí und dessen Geschäften lohnt es sich auch, die Verbindungen des rechtsextremen Kampfsportlers und Octagons in die österreichische MC-/Kampfsport- und Hooligan-Szene etwas konkreter zu beleuchten. Denn diese verdeutlichen die enge Einbindung und Vernetzung des transnationalen Octagon-Franchise in Österreich. Schon kurz nach der Eröffnung des Octagon-Stores kam es zu den ersten Sponsorings und Kooperationen: Jakob Berger, der President des Wiener Red Dogs-Chapter, der mit den Wiener Hells Angels bestens vernetzt ist, machte Bukaí seine Aufwartung und vertreibt nun Streetwear-Artikel des Red Dogs-Labels Radaubruder in dem Octagon-Store. Als Begleitung von Berger kam auch der Neonazi und Rapid-Hooligan Christian Lhotan, der selbst MMA unter anderem bei Dorian Pridal und mit Henry Bannert trainiert hat und mit beiden auch freundschaftlich verbunden zu sein scheint. Man kennt sich und macht Geschäfte miteinander – trotz oder gerade wegen der rechtsextrem bis neonazistischen Gesinnung.

Kurz nach der Gründung von Octagon AT folgte so dann auch ein Sponsoring-Vertrag mit Ahmet „Ronin“ Simsek, einem bestens in das MC-Milieu und vor allem in das Umfeld der Wiener Hells Angels vernetzten Kampfsportler. Auch zu ihm haben wir bereits in einer Recherche berichtet – der beim Bundesheer angestellte Simsek leitet aktuell das Training im „Garage Combat Gym“ in Wien-Landstraße, in dem unter anderem auch der IB-Kader Laurenz Grossmann Kickboxen trainiert. Außerdem hält Simsek Trainings in der Wiener Neustädter MMA-Academy von Christian Draxler ab, in dem mehrfach Neonazi-Hooligans von Unsterblich Wien, sowie der IB-Faschist Julian Hofer gesichtet wurden. Sowohl Grossmann als auch Hofer standen erst in jüngster Vergangenheit mit Unterstützung von Simsek und Draxler bei der „WKF Fight-Gala“ in Eichgraben, Niederösterreich im Ring – ein Umstand, der auch medial für Aufsehen sorgte.

Dass die Expansion Octagons allerdings auch in weit weniger politisch auffälligen Milieus zügig voranschreitet, verdeutlichen Sponsoring-Verträge mit Events und Veranstaltungen: Als Beispiel kann an dieser Stelle das Boxmanagement und Promoting-Unternehmen Simbasports Management angeführt werden, das jährlich mit anderen Partnern das renommierte „Boxen in der Südstadt“ ausrichtet, bei dem dieses Jahr am 24. März 2023 um den IBO Continental Light Heavyweight-Titel sowie um die österreichische Meisterschaft im Weltergewicht geboxt wurde. Octagon AT war hierbei nicht nur Werbepartner, sondern auch offizieller und einziger Ausrüstungspartner. Die normierten Boxhandschuhe wurden von Octagon gesponsert und Bukaí posierte im Vorfeld mit den Kämpfenden und dem Organisationsteam des Events – ein in die organisierte Kriminalität vernetzter Neonazi mit Gewaltfantasien Hand in Hand mit dem Who’s who des österreichischen Kampfsports.

 

Um das Ausmaß der Etablierung von Kampfsportveranstaltungen dieser Art zu verdeutlichen, muss erwähnt werden, dass das Boxen in der Südstadt mittels Live-Berichterstattung von ORFSport+ sowohl online als auch per TV-Format ausgestrahlt wurde. Ein Sponsoring-Vertrag von Octagon bei einem Event dieser Größenordnung kann somit als kommerzieller Meilenstein des transnational agierenden Franchise-Unternehmens rechtsextremer Prägung angesehen werden. Es ist als außerordentlich problematisch zu beurteilen, dass ein Neonazi mit unmittelbaren Verbindungen in die organisierte Kriminalität einen so prestigeträchtigen Auftrag lukrieren konnte und von der österreichischen Kampfsport-Szene die Möglichkeit erhält, symbolisches Kapital dieser Größenordnung zu akkumulieren. Dass keinerlei Background-Check seitens des Organisationsteams durchgeführt wurde bzw. man trotz des Wissens über die Hintergründe des Unternehmens umfassende Sponsoring-Verträge mit diesem eingeht, kann als maximales Versagen bewertet werden und bestätigt die allgemeine Gleichgültigkeit gegenüber rechtsextremen Strukturen im österreichischen Kampfsport.

Sponsoring auch durch STB (1. Reihe Sponsoring, 4. v. l.).

Zugleich ist Octagon nicht das einzige politisch auffällig Unternehmen, dass bei dem Event vertreten war: Auch STB-Bau, das Bauunternehmen des Sportgemeinschaft Noricum (SGN)-Fullmembers Robert Burger schien als Sponsor auf den Plakaten von Simbasports auf. Burgers Unternehmen gilt als finanzielle Basisstruktur der SGN: Die Vermietung des Noricum-Clubhauses in der Klosterneuburger Straße in Wien-Brigittenau läuft über Burgers Firma und auch das Fox Gym, diverse Charity-Veranstaltungen aus dem MC- und Ultra-Bereich, sowie Henry Bannert selbst werden durch das Unternehmen unterstützt. Burger hat ausgezeichnete Kontakte ins MC-Milieu – vor allem zum Wiener Hells Angels Charter und dessen Umfeld. Auch hier fehlt jede kritische Beurteilung der Person und auch hier hofiert man einen Rechtsextremen, der Teil eines rechtsextremen Kampfsportbundes ist und dessen Mitglieder eine lange Vergangenheit in die militante Neonazi-Szene Wiens aufweisen.

2. Reihe 2. v. l. Octagon, letzte Reihe 1. v. r. STB-Bau.

Neben Großevents wie dem Boxen in der Südstadt ist Octagon zusätzlich in kleinere Veranstaltungen des Kampfsport-Milieus als Sponsor involviert, wie etwa in das von Henry Bannert und Fadi Merza im Juni 2023 organisierte Branchenboxen in den Wiener Sofiensälen. Wenig verwunderlich trat auch STB-Bau neben Ottakringer und Kattus als einer der Hauptsponsoren bei dem Event auf. Das Catering wurde von „Lugeck Alm“ und „von franz“ gestellt – keines dieser großen Unternehmen hatte offenbar ein Problem damit, bei einem durch einen Rechtsextremisten organisierten Event an der Seite von einem als rechtsextrem zu bewertenden Sponsoren aufzutreten. Nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene und den bei den Veranstaltungen tätigen Firmen, sondern auch vonseiten renommierter Medienhäuser herrscht weitgehende Ahnungslosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber der rechtsextremen Einflussnahme und Unterwanderung des österreichischen Kampfsports. So wurde auch die Kronen Zeitung, das auflagenstärksten Boulevardblatt Österreichs, offensiv auf der Fight Card des Events beworben und Krone Plus stellte ihren Abonnenten einen Live-Stream der Veranstaltung zur Verfügung.

Octagon PL – der Beginn: Das polnische Franchise.

Nach der Rekonstruktion der zentralen Personen rund um den Ableger von Octagon in Österreich und deren Netzwerke sollte evident sein, dass es sich bei dem Franchise-Unternehmen um ein rechtsextremes Phänomen handelt, das im kommerziellen Kampfsport Fuß gefasst hat. In Österreich wiederholt sich aber bloß die bereits in anderen Ländern Europas eingeübte Strategie der Unterwanderung und Vereinnahmung des Kampfsport-Bereichs durch die Marke Octagon. Bevor Octagon sich in Österreich etablierte, florierte nämlich bereits das Geschäft des Franchise-Unternehmens in Polen, der Slowakei und Tschechien und auch hier sind Personen und Organisationen aus dem militanten Neonazismus tonangebend. Nach der Ersteröffnung in Polen – wo mittlerweile 23 Stores existieren und eine eigene Produktionsstätte im monetären Gegenwert von rund 2.23 Millionen Euro eingerichtet wird – expandierte man rasch in die Slowakei und Tschechien.

Das Sortiment der Läden im Osten unterscheidet sich durchaus von den Produkten, die im österreichischen Shop erhältlich sind: So findet man politisch explizitere Druck-Motive auf Sport- und Streetwear, wie etwa in den slowakischen Shops Shirts in Nationalfarben mit dem Kolowrat als Aufdruck, oder auch eindeutig an das regionale Hooligan-Milieu angelehnte Symbole lokal- und regionalpatriotischer Prägung. Besonders stark vertreten sind die Subbrands des polnischen Franchise, die mutmaßlich durch den Octagon-Gründer parallel vertrieben werden und exklusiv in den Octagon-Stores erhältlich sind. Es handelt sich dabei um die Marken Ofensywa Polska und Public Enemy – vor allem Ofensywa fällt durch aggressiv-nationalistisches und rechtskatholisches Branding auf. Von Bedeutung ist ferner die alte Vertriebsstruktur und ehemalige Eigenmarke odziez-uliczna.pl: Diese hatte noch vor der Gründung von Octagon Hooligan- und Kampfsport-Artikel über einen Webstore vertrieben. Nun wird auch odziez-uliczna.pl via die regulären Octagon-Salesstrukturen verkauft, laut öffentlicher Beschreibung auf Instagram fungiert odziez-uliczna allerdings weiterhin als legalistische Distributionsplattform von Octagon, Ofensywa und Public Enemy. Auch im Bekleidungssortiment von odziez-uliczna fanden sich wiederum – wenig überraschend – insbesondere in der Sektion „Patriotyczna“ stark nationalistische und auch hier rechtsktaholische Motive.

Ofensywa und Public Enemy scheinen dabei ursprünglich von dem Octagon-Urheber Radosław „Radman“ Szumliński im Verbund mit mindestens drei weiteren Personen gegründet worden zu sein, die nun auch für Octagon PL sowohl als öffentliche Brand-Ambassadors tätig, aber vermutlich auch in das operative Geschäft eingebunden sind. Namentlich handelt es sich hierbei vorrangig um Sebastian KonsekSzymon Nowowiejski und Maciej Korzym – während ersterer aus der polnischen Hooligan-Szene stammen dürfte und regelmäßig Kampfsport zu betreiben scheint, können die anderen zwei Akteure etwas genauer in den für Octagon einschlägigen Milieus zugeordnet werden. Nowowiejski ist Member des Bad Company MC Poland, der in Gdansk und Olsztyn Chapter unterhält, sowie über zwei Prospect-Chapter in Płock und Wrocław und ein Nomads-Chapter im Süden Polens verfügt. Der MC tritt offen radikal-nationalistisch auf und nahm sowohl am rechtsextremen Marsch zum polnischen Unabhängigkeitstag, als auch am Gedenken an die polnischen Inhaftierten des NS-Regimes und die „Armia Krajowa“ („Heimatarmee“) teil. Bei der Gedenkprozession am 23. Juni 2019 marschierte der MC straff formiert in Kutten martialisch in das KZ Auschwitz ein, um den polnischen und nur den polnischen Opfern zu gedenken.

Der BCMC in voller Montur am Eingangstor des KZ Auschwitz.

Wie selektiv das von nationalem Chauvinismus geprägte Gedenken des MCs ist, kann an einem Beispiel illustriert werden: Kaum ein Jahr nach der Gedenkveranstaltung wurde der medial bekannte polnische Rechtsextremist und ehemalige Kampfsportler Marcin „Różal“ Różalski in den MC aufgenommen. Bekannt ist Różalski vor allem wegen seiner menschenverachtenden Aussagen, insbesondere gegenüber geflüchteten Menschen und LGBTIAQ*-Personen. Regelmäßig posiert Różalski im neonazistichen Thor Steinar-Look, nimmt an Schießtrainings teil und verkehrt mit anderen rechtsextremen Kampfsportlern wie etwa dem Boxer Artur Szpilka, der mittlerweile international erfolgreicher Profiboxer ist, jedoch früher in der Hooligan-Szene von Wisła Kraków aktiv war und auch in den lokalen Drogenhandel involviert gewesen sein soll. Wie der Rechtsextremismusforscher Przemysław Witkowski in einem Aufsatz zur polnischen Rechten und dem Kampfsport festgestellt hat, ist Różalski weiters eng mit dem aktiven Neonazi, Kampfsportler und Bodybuilder Patrycjusz „Patrex“ Wróblewski vernetzt. Wróblewskis Kontakte gehen dabei weit in die militante Neonazi-Szene Polens und Russlands hinein: Er gilt als Teil der sehr aktiven polnischen B&H-/C18-Sektion.

Der BCMC scheint jedes Jahr am extrem rechten Unabhängigkeitsmarsch in voller Personenstärke teilzunehmen.

Maciej Korzym hingegen entstammt der organisierten Ultraszene des Warschauer Klubs Korona Kielce, genauer dem Fanklub „Zjednoczona Korona“. Korzym trainiert außerdem regelmäßig im „Fight House Nowy Sacz“ und tritt bei K1-Kämpfen an. Obgleich er zwar nationalistische Tattoos zur Schau trägt und auch sein Fanklub patriotisch-nationalistische Tendenzen aufweist, kann unseres Erachtens auf kein geschlossen rechtsextremes Weltbild aus dem vorhanden Material geschlossen werden. Dennoch komplettiert er das Milieu, in dem sich Octagon und seine Submarken bewegen: rechte Hooligan- und Ultra-Szenen, rechte MCs, organisierter Rechtsextremismus und Neonazismus, sowie Kampfsport-Milieus jeder Art. In diesem Zusammenhang sticht eine Verbindung besonders ins Auge: Octagon Polen ist über den Bad Company MC eng mit dem internationalen Neonazi-Netzwerk von Blood & Honor vernetzt. Wie zusätzlich festgestellt werden kann, beschränken sich Octagons Kontakte zu B&H nicht auf Polen. Auch in der Slowakei und in Tschechien findet Austausch zwischen Octagon und militanten Neonazi-Kreisen statt und auch die Sponsorings der Marke reichen unmittelbar in das internationale B&H-Netzwerk.

Im Falle des polnischen Franchise spielt der bereits erwähnte Bad Company MC, in dem Octagon-Akteur Nowowiejski Full Member ist, eine zentrale Rolle. Denn der MC ist bestens mit Rechtsrock-Größen und Mitgliedern der polnischen B&H-Sektion vernetzt und regelmäßig kommt es zu Zusammenkünften und Teilnahmen des MCs an internationalen Neonazi-Vernetzungstreffen. Dass der Konnex des MC zu B&H Poland keinesfalls verwunderlich ist, zeigt ein Blick in die Geschichte der Sektion: Hooliganismus, Rotlicht-Business und Draht zur organisierten Kriminalität durchziehen die Geschäftsfelder der polnischen B&H-Gruppierung. Zwar scheint die Organisation von Rechtsrock-Konzerten und Produktion von RAC-Tonträgern immer noch zentraler ökonomischer Angelpunkt der Neonazis zu sein, dennoch sind die anderen Geschäftsbeziehungen und zunehmend auch das Geschäft mit dem Kampfsport keinesfalls als nebensächlich zu erachten.

Zum Hintergrund: Laut dem Rechtsextremismusforscher Przemysław Witkowski existierten in Polen historisch zwei Strukturen, die dem internationalen Blood & Honour- bzw. C18-Netzwerk zuzurechnen sind. Die erste Struktur formierte sich in den späten 2000er-Jahren rund um Andrzej „Szubert“ P. und war für eine Website verantwortlich, die Feindeslisten von politischen Gegner*innen inklusive deren persönliche Daten veröffentlichte. Auf die Veröffentlichung der Daten folgten Drohungen, Übergriffe und ein Mord an einem polnischen Anarchisten. Als Reaktion griffen die polnischen Behörden ein, sperrten die Website und verurteilten 2010 P. und zwei weitere Personen zu einer Haftstrafe. Nach diesem Einschnitt in die Neonazi-Strukturen gründete sich die bis dato aktive und in dieser Recherche relevante B&H/C18-Fraktion in Polen, deren Akteure gänzlich aus dem Kraft- und Kampfsport-Umfeld stammen und gute Verbindungen in die organisierte Kriminalität und rechte Hooligan-Szenen unterhalten.

Laut Witkowskis Recherchen zählen zu dem neuen vornehmlich im südpolnischen Raum aktiven Netzwerk wesentlich Grzegorz „Jastrząb“ Jastrzębski (Sänger der Neonazi-Band Legion Twierdzy Wrocław), Marek Bialy (Zuhälter und Rotlichtlokalbetreiber in Wrocław), Piotr „Dziki“ Gierczak (zentrale Führungsfigur der Division), Grzegorz „Śledziu” Horodko (u. a. Hooligan bei Lechia Gdansk), Krzystof „Słowik“ Słowínski (neben Gierczak eine international ebenso gut vernetzte Führungsfigur) und Robert „Kadi“ Orsolinsz (Leadsänger der Rechtsrockband Obled). Mehreren Berichten durch Witkowski sowie den Fachjournalisten Jacek Harłukowicz zufolge, ist die polnische Division von B&H/C18 gut strukturiert und organisiert: Das Netzwerk konnte bereits zahlreiche internationale Konzerte in Polen ausrichten und verfügt über ein etabliertes internationales Netzwerk in andere Neonazi-Strukturen.

Jastrzębski als Leadsänger von LTW.

2017 besuchten der prominente Akteur der internationalen Neonazi-Szene Marko Gottschalk und dessen Band Oidoxie auf deren Initiative Polen und sollten neben LTW, Obled, Terrorsphära und anderen für das einschlägige Publikum spielen. Für die Beurteilung des Grads an Vernetzung sind zusätzlich auch die B&H/C18-internen Kontakte zu dem deutschen C18-Exponenten Michael Hein aus Frankfurt a. d. Oder zu erwähnen, der die Gruppe immer wieder in Polen besuchte. Am Back to the Roots-Festival in Mücka März 2019 traf die polnische LTW-Crew zudem Thorsten Heise und Michael Hein, wo – wie EXIF berichtete – parallel zum Back to the Roots-Konzert ein konspiratives C18-Treffen samt Oidoxie-Konzert stattfand.

Neben der Vernetzung nach Deutschland pflegen die B&H-Mitglieder zudem Kontakte nach Frankreich, Russland und Finnland. So nahm Gierczak mit anderen Neonazis am 20. März 2017 an dem von den Hammerskins Lorraine organisierten Hammerfest teil. Auch zwischen B&H Polen und der russischen militant-neonazistischen Gruppe PPDM („Po programme Dedushki Moroza“ oder auch „Father Frost Program“), die von den Neonazi-Kampfsportlern Maxim Savelyev und Konstantin „Truvor“ Brjuchanow gegründet wurde, findet reger Austausch statt. Mehrmals besuchten die beiden B&H-Mitglieder Wróblewski und Jastrzębski​​​​​​​ ihre Kameraden in Russland und auch Brjuchanow war mehrmals nach Polen gekommen, um sich mit der Neonazi-Szene zu vernetzen.

Im Jahr 2019 unterbanden die Behörden die Bemühungen grenzüberschreitender Vernetzung, wiesen Brjuchanow aus Polen aus und belegten ihn mit einem Einreiseverbot weil von einer Gefährdung der nationalen Sicherheit ausgegangen wurde. Der zentrale Verbindungsmann zur finnischen Neonazi-Szene ist der MMA-Kämpfer Niko Puhakka, der mehrmals nach Polen reiste um sich mit Mitgliedern der polnischen B&H-Sektion zu vernetzen, Seminare abzuhalten und an Kämpfen teilzunehmen – man sieht an Beispielen wie diesen, dass ähnlich dem Phänomen Rechtsrock auch Kampfsport nicht nur als subkulturelles Betätigungsfeld genutzt wird, sondern zugleich auch als Möglichkeit der transnationalen Vernetzung wahrgenommen wird. Bei Niko Puhakka dürfte es sich um einen besonders gut in die neonazistische Kampfsport- und Hooliganszene vernetzen Akteur handeln – das belegen etwa seine Kontakte zum Pro Patria Fightclub in Athen, für den er bereits Seminare abhielt. Was aber hat die B&H-Sektion Polen nun genau mit Octagon zu tun?

Der Punkt ist: Die militanten Neonazis von B&H Polen pflegen nicht nur rege Kontakte in den international vernetzten Neonazi-Milieu, sondern verfügen auch über enge Verbindungen in die polnische MC-Landschaft und insbesondere zum Bad Company MC und damit auch zu den Hintermännern von Octagon Polen: Vor allem Robert Orsolinsz, der Leadsänger der Neonazi-Band Obled und der langjährige Lechia Gdánsk-Hooligan Grzegorz Horodko sind mit den Full Members des MCs gut vernetzt und teilen sich die selben Betätigungsfelder: Sowohl die polnischen B&H-Exponenten wie auch die Member des Bad Company MC sind aktiv in die Förderung von polnischen MMA-Kämpfern involviert. So treten etwa die B&H-Akteure und Obled-Mitglieder Orsolinsz und Wojciech Emer als Unterstützer des MMA-Fighters Robert Parzęczewski auf, der im Übrigen auch mit dem B&H-Führungskader Gierczak verkehrt. Dasselbe Geschäftsfeld bespielt auch der Bad Company MC, der nicht nur über eigene Trainingsräumlichkeiten für Members wie Nowowiejski verfügt, der an Bareknuckle-Events wie Wotore oder Gromda teilnahm, sondern auch öffentlich Kämpfer wie den Hooligan und Bareknuckle-Fighter Daniel „Hunter“ Więcławski fördert. Das Event Wotore wird im übrigen wenig überraschend von Octagon offiziell gesponsert und das Fightwear der Marke wird häufig von Fightern und Ringrichtern getragen – Octagon, Bad Company MC und Kampfsport in Polen lassen sich kaum voneinander trennen und B&H Polen mischt auch kräftig mit.

Mit Blick auf die polnische Kampfsportlandschaft kann festgestellt werden, dass Octagon Polen kein subkulturelles Nischenphänomen, sondern ein etabliertes und einflussreiches Unternehmen ist. Octagon organisiert eigene Kampfsportevents wie die No Mercy Gala, sponsert zahlreiche Kampfsport-Zentren, viele polnische Kampfsportler*innen tragen die Fightwear der Marke Octagon und in den sozialen Medien trendet der Hashtag #octagonfightwear. Jede größere Stadt Polens verfügt über einen Octagon-Store, die mittlerweile über ein breites Sortiment bis hin zu eigenen Nahrungsergänzungsmittel verfügen – der österreichische Ableger verkauft im übrigen Mineralwasser mit Octagon-Branding. Trotz der Kommerzialisierung des Unternehmens inszeniert sich dieses nach wie vor in subkultureller Hooligan-Ästhetik und unterstützt und fördert aktiv rechtsextreme sowie neonazistische Akteur*innen und Strukturen aus dem Milieu. Vielleicht ist der Erfolg des Unternehmens auch gerade dadurch zu erklären, dass es sich als aus der gewaltaffinen Subkultur von Schlägern und „Outlaws“ kommend inszeniert und dieses vermeintlich authentische Alleinstellungsmerkmal geschickt kulturindustriell vermarktet.

Förderung von rechten polnischen Hooligan- und Neonazigruppierungen.

So unterstützt und sponsert Octagon Polen etwa die rechtsextreme Hooligan-Gruppierung Bielskie Zagłębie des Vereins Zagłębie Sosnowiec: Das vereinseigene Gym Sportowe Zagłębie wird mit Fightwear von Octagon, Sporttaschen, Shirts, die im Fanshop von Zagłębie verkauft werden, bishin zu Getränke-Kühlschränken ausgestattet und beim hauseigenen Octagon-MMA-Event No Mercy verpflichtete man Mitglieder von Zagłębie, wie unlängst etwa Adrian Dudek, der Ende Mai 2023 bei dem Event antrat. Bei Bielskie Zagłębie handelt es sich um eine Fangruppe, die mit Bannern im Stil von Blood & Honour mit den Aufschriften „Hier war immer reines Land und das wird es auch auf Ewigkeit bleiben“ und „Weiße Menschen, die wir kennen, werden immer gegen den Kommunismus kämpfen“ posieren. Neben der Referenzierung von Blood & Honour verfügt der Fanclub außerdem über Kontakte in das militante NS-Milieu: Fotos zeigen zwei Mitglieder von Bielskie Zagłębie in T-Shirts von B&H mit den B&H-Neonazis Horodko und Orsolinsz sowie weiteren Personen im Rahmen einer nicht näher bekannten Festivität.

Der Fanclub Zagłębie ist allerdings nur ein Beispiel für die Verstrickungen von Octagon Polen in das rechtsextreme Hooligan-Milieu Polens. Auch im vom polnischen Neonazi Radosław „Wolf“ Brzuszczyński geführten Fight Club Fanga, das als internes Gym der autonomen Nationalisten von Autonom.PL und Nacjonalista.PL fungiert, wird von Octagon gesponsert. Brzuszczyński sowie viele andere aus dem Fanga-Gym stammen aus dem Hooligan-Umfeld der „Żyleta“ („Rasierklinge“), der berüchtigten Nordkurve von Legia Warszawa – dass man sich der Kurve zugehörig fühlt, verdeutlichen die Klubfarben an den Wänden des Gyms sowie das aufgemalte Emblem von Legia. Dass die Kurve selbst als „berüchtigt“ gilt, darf mittlerweile vor allem einer extrem rechten, großen Gruppierung zugeschrieben werden: der neonazistischen Fangruppe Teddy Boys ’95, die im Übrigen auch mit den extrem rechten Fans von Zagłębie befreundet ist. Die Teddy Boys zeigen Hitlergrüße und Keltenkreuze, schmücken ihre Kurve mit antikommunistischen Anti-Antifa-Bannern, zeigten öffentliche Bekenntnisse zum islamistischen Jihad gegen Israel, fallen regelmäßig mit rassistischen Gesängen auf und gelten als extrem gewalttätig.

Der Octagon-Kooperationspartner und Leiter des Fanga-Gyms Brzuszczyński selbst macht aus seiner Weltanschauung ebenso keinen Hehl – Kolowrat, Perun, Nationalflagge, nazistische Slogans und Bekleidung der neonazistischen Kampfsportmarke White Rex prägen seinen Social-Media-Auftritt und in den Räumen des Gyms fand 2017 ein Kampfsport-Workshop unter dem einschlägigen Titel „Polska dla Polek“ („Polen den Polen“) statt. Um das General-Sponsoring zu beschließen, bemühte sich der Octagon-Chef Szumliński sogar persönlich in das Gym: Gemeinsam mit Brzuszczyński, der sein Octagon-Shirt zur Schau trug und seit dem Sponsoring auf fast allen Fotos im Octagon-Branding zu sehen ist, posierte man und stellte die neue Partnerschaft entschlossen zur Schau. Und um das Agreement noch zu toppen, kündigte Octagon Anfang September 2023 an, die Nordkurve der Legia mit Sportswear und Kampfsportequipment auszustatten: So finanziert Octagon nicht nur ein Gym, dass einschlägig dem organisierten Neonazismus zuzurechnen ist und aus dem gewalttätigen Hooligan-Milieu Polens stammt, sondern auch noch die erlebnisorientierte Hooliganfraktion im Hintergrund.

Wie sehr man dabei dem – ohnehin als schwer gewalttätig geltenden – polnischen Hooliganismus verpflichtet ist, verdeutlicht auch das Sponsoring des polnischen Ablegers der Team Fighting Championship: Das 2014 erstmals in Riga ausgerichtete Event brachte  internationale Hooligan-Gruppierungen in einem KO-Turnier zusammen, wo jeweils fünf gegen fünf Fighter in einer Lagerhalle auf einer rudimentär abgegrenzten Matte in einem Less-Rules-Fight antraten (nicht erlaubt waren lediglich Beißen und Augenstechen, sowie Tritte/Schläge in die Genitalregion). Als Preisgeld wurden 5.000€ ausgezahlt – organisiert wurde das Ganze von einem Hongkonger Businessmann, der neben der TFC mutmaßlich noch weitere private Fightingleagues betrieb. Um 2020 dürfte sich dann das polnische Pendant Hooligans Team Fights Challenge gegründet haben. Hauptunterschied bestand lediglich darin, dass bei der polnischen TFC lediglich polnische Hooligans antraten – das Setting war das gleiche. Dem vorherrschenden polnischen Hooliganbild entsprechend wurde auch bei der polnischen TFC der Armija Krajowa gehuldigt, rechtskatholische Symbolik und mittelalterliche Bezüge eingesetzt. Noch 2020 dürfte dann auch Octagon seine Unterstützung zugesagt haben – schon im Juni hatte man Shirts im Verkauf und die Bewerbung der polnischen TFC lief an. Das erste Event, das noch 2020 hätte stattfinden sollen, musste allerdings auf 2021 verschoben werden – die Gründe dafür verbleiben im Dunkeln. Wie auch bei der internationalen TFC ist die Website des polnischen Pendants momentan down, der Social Media-Auftritt allerdings noch belebt, was durchaus darauf hindeutet, dass die polnische TFC ihre tatsächlichen Fight-Events abseits der Öffentlichkeit durchführt.

Dass Octagon die polnische TFC unterstützt verdeutlicht hierbei nur die strategisch-politische Linie, die das Unternehmen Octagon fährt – die gezielte Förderung von Strukturen und Akteur*innen, die sich an der Schnittstelle von Fußballfanszenen, Kampfsport und extremer Rechter bewegen lässt sich dabei als Muster begreifen, das sich bei den anderen Octagon-Franchise-Unternehmen außerhalb Polens wiederholt.

Octagon SK – der Vormarsch von Octagon: Das Franchise in der Slowakei am rechten Rand.

Neben Polen haben sich in den letzten Jahren Tschechien und die Slowakei zu zentralen Geschäftsfeldern des Octagon-Franchise entwickelt. So lassen sich Octagon-Stores bereits in Ostrava (CZ), Bratislava (SK) und Žilina (SK) finden. Hinter den Ablegern stehen Martin Majovsky in der Slowakei und Daniel Švarc in Tschechien.

In der Slowakei führt das Octagon-Netzwerk direkt in die Strukturen des lokalen Club 28. Dabei handelt es sich um ein v. a. in Osteuropa verbreitetes Neubranding von Blood & Honour- und Combat 18-Netzwerken, deren  Aktivitäten allerdings auf das moderne Kampf- und Kraftsportbusiness erweitert wurden. Die Neonazis des Club 28 trainieren in von Octagon gesponserten Gyms, treten regelmäßig bei von Octagon organisierten oder unterstützten Kampfsportveranstaltungen an und repräsentieren die Marke Octagon, durch die Zurschaustellung des Franchise auf Social Media. In der Gesamtheit kann daher festgestellt werden: Octagon, Kampfsport, Rechtsextremismus und Hooliganismus sind auch in der Slowakei kaum voneinander zu trennen.

Der extrem rechte Konnex von Octagon nach Žilina.

Die Verbindungen von Octagon-Slowakei in den militanten Rechtsextremismus führen zunächst in das Wolf Pride Gym in Žilina, im Norden der Slowakei nahe der polnischen und tschechischen Grenze. Obwohl das Kampfsportzentrum formal unabhängig agiert, wird es von Octagon-SK ausgestattet und bei der Bewerbung von Kampfsportevents sowie der Förderung von Kämpfer*innen unterstützt. Die Trainings im Wolf Pride Gym werden von dem bereits erwähnten Bareknuckle- und MMA-Fighter Tomáš „Bolo“ Meliš angeleitet. Bei seinen Kämpfen und in den sozialen Medien trägt der Kampfsportler meist Octagon in nationalistischer und hooliganistischer Ästhetik, oder einschlägigere rechtsextremen Szene-Marken wie Beloyar – Pagan Company, eine russische Marke, die für ihr „Svarozhich“-Kreuz bekannt ist, in dessen Mitte ein Hakenkreuz platziert ist.

Zusätzlich inszeniert sich Meliš nicht nur öffentlich als rechtsoffener Kampfsportler, sondern verfügt über gute Kontakte in das militante Neonazi-Milieu der Slowakei. So zeigen ihn etwa Fotos Arm in Arm mit Kubko Kondelcik im Wolf Pride Gym – einem in Žilina wohnhaften Neonazi, der dem Spektrum des slowakischen Club 28 und der lokalen B&H-Sektion zugerechnet werden kann und auf seinem Oberarm sowohl ein Kolowrat als auch ein großes Hakenkreuz tätowiert hat. Kondelciks Gesinnung kann auch seinen Social-Media-Postings entnommen werden, etwa wenn er ein Bild der Einfahrtstore des KZ Auschwitz mit der darüber platzierten Überschrift „Refugees Welcome“ postet. Barbora Almášiová, die Partnerin von Kondelcik, wiederum besitzt ein Tattoo-Studio namens White Tattoo in Rimavská Sobota, einem weiteren für den Club 28 in der Slowakei relevanten geographischen Knotenpunkt und posiert selbst vorzugsweise in einschlägigen Runen-Shirts. Die wechselseitig amikalen Kommentare, Likes und Interaktionen belegen, dass die Kontakte zwischen Meliš und Kondelcik keinesfalls zufällig sind und der Gym-Betreiber sich im Netzwerk des slowakischen Club 28 bewegt.

Tomáš Meliš verfügt aber nicht nur über Kontakte in das slowakische Neonazi-Milieu, sondern ist auch international in den militanten Neonazismus vernetzt. Wie es scheint, hat Meliš vor Kurzem mit Hilfe von Octagon eigene Shirts mit dem klingenden Namen „Meliš Army“ kreiert. Während dieser Umstand lediglich erneut die Verbindungen des rechtsextremen Kampfsportlers zu dem Octagon-Franchise verdeutlicht, wollen wir an dieser Stelle auf ein Detail am Rande hinweisen: Der Athener Kampfsportler und Neonazi Konstantinos Kandiliotis posierte kurze Zeit später in dem Octagon-Shirt von Meliš in den sozialen Medien und bedankte sich bei diesem für die private Zusendung. Warum ist das relevant? Kandiliotis ist jener Neonazi, der als einer der Zahlungsabwickler der diesjährigen European Fight Night, einem der größten transnationalen Kampfsportevents des organisierten Neonazismus Europas, auftrat. Die Bestellung der Karten über die mutmaßlich von Tomasz Szkatulsky betreute Mail-Adresse der EFN lief wenig klandestin über das Paypal-Konto von Kandiliotis. Ob Konstantinos Kandiliotis in das in Athen operierende Kamfsportnetzwerk Pro Patria Fight Club eingebunden bzw. Teil der diesen umgebenden B&H/C18-Strukturen der neonazistischen Chrysi Avgi ist, bleibt unklar – es wäre in jedem Fall nicht verwunderlich.

Neben Kondelcik und Kandiliotis wollen wir abschließend noch auf eine letzte Bekanntschaft von Meliš hinweisen: Im Ring des Králi Ulice II posierte er mit Zdeněk „Gauny“ Pernica, einem tschechischen neonazistischen Hooligan, der früher als Kader der Cheeky Boys galt, der Jugendorganisation der gewaltorientierten und rechten Johny Kentus Gang (JKG) des FC Zbrojovka Brno. Pernica war außerdem Gründungsmitglied der Slušny lidé (in etwa „Anständige Menschen“), die unter anderem an klerikalfaschistischen Aufmärschen und Angriffen wie etwa auf eine Theateraufführung 2018 in Brno teilnahm. Gegründet hatte Pernica die Gruppe mit Martin Korc, dem ehemaligen Gründer der Bohemian Hammer Skinheads, dem damaligen (schon länger aufgelösten) tschechischen Chapter der Hammerskin Nation (vgl. hier den Text der antifa.cz). Pernica trat u. a. schon in der BKFC 46 an, ist überdies seit längerem Trainingspartner von Petr „Bery“ Beránek, einem bekannten Neonazi-Hooligan und Gewalttäter der JKG, der auch Teil des White Rex Czech Fight Team ist – dazu später noch mehr.

Die Ultras von Slovan Pressburg.

Auch wenn Tomáš „Bolo“ Meliš für die Verbindungen Octagons in das militante Neonazi-Milieu der Slowakei relevant ist, beschränken sich diese nicht auf ihn. Im Jahr 2020 verkündete Octagon, man würde nun für die Hooligan-Abteilung der neonazistischen Ultras von Slovan Pressburg maßgeschneidertes Fightwear produzieren – unter anderem Trainingshosen, Sportoberteile und Mützen. Dazu muss man wissen: Die Hooligans von Slovan Pressburg sind international für ihre Gewalttätigkeit und ihre Einbindung in rechtsextreme Fußballmilieus bekannt. Unter ihren Mitgliedern finden sich mehrfach international bekannte Neonazis, die auch politisch aktiv sind. Dies trifft etwa auf den Kampfsportler, WRC-Mitglied und KOTS-Kämpfer Michal „Panzer“ Petriš sowie auf Milan „Punky“ Panač zu. Auch Panač ist Teil des WRC, trug auf seinem Bauch bis vor Kurzem den Treueschwur der SS als Tätowierung und nahm mehrfach an einschlägigen Kampfsport-Events wie dem 2014 veranstalteten Tana delle Trigri in Rom teil, das alljährlich in den Räumlichkeiten von CasaPound Italia ausgerichtet wird. Panač trat außerdem auch bei Events wie dem Králi Ulice II, oder bei KOTS an – zu zweiteren war er gemeinsam mit Michael Petriš und Simon Jusko angereist, die regelmäßig zusammen trainieren und wohl auch freundschaftlich verbunden sind.

Panač mit Zahradník – beide dürften gut miteinander befreudet seien.

Panač ist für diese Recherche zusätzlich relevant, weil er über gute Kontakte zum slowakischen Club 28 pflegt – vor allem zu dem Neonazi, Kampfsportler und Hooligan Michal Zahradník, der Teil der Gemer Division – Ultras Rimavská Sobota des „MŠK Rimavská Sobota“ ist. Die Intensität der Verbindungen kann zum Einen dadurch belegt werden, dass Zahradník Panač als „Brother in arms“ bezeichnet und zwischen der Gemer Division und den Ultras Slovan eine enge Fanfreundschaft besteht. Regelmäßig besuchen sich die Fangruppierungen bei Spielen, oft hängen die „Fetzen“ der beiden Gruppen in den Stadien unmittelbar nebeneinander. Das ist also das Milieu, mit dem das Octagon Slowakei-Franchise freundschaftlich und geschäftlich verbunden ist.

Die Gemer Division – Ultras Rimavská Sobota und der Club 28.

Zahradník selbst stammt aus Rimavská Sobota und trainiert im dort ansässigen Combat Club RS diverse Kampfsportarten. Seine Relevanz für die europäische Neonazi-Szene verdeutlichen etwa seine Teilnahme an der European Fight Night in Ungarn, Csókakö in diesem Jahr. Angetreten war Zahradník für das Panzer Tattoo Crew-Team, das von Michal Petriš geleitet wird. Zahradník dürfte außerdem mit Petriš und Zdenko Laudar, einem rechtsextremen Bauunternehmer, der ebenso in Rimavská Sobota wohnt, nach Budapest zur EFN angereist sein. Vor Ort in Csokakö posierte Zahradník u. a. mit Dávid Németh, einem Kampfsportler und Aktivisten der Légió Hungaria und Michaël Biolley (der sich mittlerweile „Mischa Biolet“ nennt), der bis 2012 den Schweizer Hammerskins angehörte, dann nach Tschechien, České Budějovice, verzog und – wie EXIF Recherche berichtete – beim SK Boxing z. s. České Budějovice trainiert. Er scheint ferner Teil der Ackermatch-Gruppe von „Dynamo České Budějovice“ zu sein, nahm am neonazistischen Box-Turnier Virtus et Honor II in Brno teil, das von der Neonazigruppe Nacionalisté ausgerichtet worden war, die u. a. am neonazistischen Lukovmarsch Februar 2023 in Sofia teilnahm – bei Virtus et Honor II waren im Übrigen auch die österreichischen Neonazis von alpen-donau.info, wie etwa der Grazer Neonazi Richard Pfingstl, vertreten.

Zahradníks Trainingsgruppe. Vorne v. l. n. r.: Unbekannt, Michaela Oštromová, Johny Koreny, Lukáš Koóš, Rišo Lengyel, Stefan Molnar. Hinten: Zahradník, Patrik, Roman Kucej, Ondrej Tomko, Dominik Kucej, Marek Majlo Beňo.

Neben Zahradník  als Person ist auch dessen soziales Umfeld in Rimavská Sobota, der Gemer Division und im Combat Club RS auffällig: Es handelt sich um einen größeren befreundeten Kreis an Männern, die Kampfsport betreiben, gemeinsam ins Stadion und zum Ice-Hockey gehen, aus ihrer rechtsextremen Gesinnung keinen Hehl machen und sehr gerne Fightwear von Octagon tragen. Die offizielle Facebook-Seite Gemer Rascals bewirbt Kämpfe von Zahradník, u. a. beim Králi Ulice II Ende Juni 2023, wo er gegen Pavol Tajboš in den „Ring“ stieg, der selbst auch eine Kolowrat auf der Brust tättowiert hat. Begleitet wird Zahradník des Öfteren von den befreundeten Kampfsportlern Miloš Siminsky (der ihn etwa in den Ring des Králi Ulice II brachte) und Janicko Tabacek: Siminsky trainiert u. a. im Wolf Pride Gym in Žilina bei Tomáš Meliš – der Kreis schließt sich hier also: Auch hier zeigt sich, dass Octagon Teil eines rechtsextrem bis neonazistischen Netzwerkes von gewaltorientierten Kampfsportlern und Hooligans ist.

Zur Veranschaulichung der Dichte extrem rechter Akteure in der Gemer Division seien noch weitere Beispiele angeführt: Da wäre noch der Gemer-Hooligan Ondrej Tomko, der ebenso Teil des genannten Freundeskreises ist, der sich gerne zur European Brotherhood bekennt, T-Shirts der Neonazi-Marke Ansgar Aryan trägt und über gute Kontakte in das Netzwerk des Club 28 verfügt. Weiters sind auch Roman und Dominik Kucej in die Trainingsgruppe von Zahradník involviert – auch sie gehören der Gemer Division an. Online posieren die zwei mit der rechtsextremen Parole „White Lives Matter“ und „Defend Europa“ sowie mit einschlägig bekannten neonazistischen Szenecodes und -symbolen wie „88“, Keltenkreuzen und der schwarzen Sonne. Ferner scheinen sie sich in der extrem rechten L’SNS politisch zu betätigen. Hierbei handelt es sich nur um einige Beispiele, die das Milieu illustrieren sollen, in dem sich das slowakische Octagon-Franchise bewegt.

Im folgenden Absatz wollen wir in gebotener Kürze auf das slowakische Netzwerk des Club 28 eingehen. Da dieses als unmittelbares, militantes Nachfolgenetzwerk von B&H/C18-Slovakia gilt, erscheint dies für den vorliegenden Text insofern relevant, als Akteure, die mit Octagon verbunden sind, entweder Teil des Club 28 oder aber – wie im Falle von Tomaš Meliš – unmittelbar mit Akteuren des Clubs freundschaftlich verbunden sind.

Der Club 28 als Nachfolger der alten B&H-/C18-Division Slovakia.

Blickt man auf die Geschichte der B&H-/C18-Organisierung in der Slowakei, fällt v. a. auf, dass es eine gewisse Diskontinuität zu geben scheint: Etwa von 1994 bis mindestens Anfang der 2010er-Jahre scheint es mehrere Sektionen von B&H/C18-Slovakia gegeben zu haben. Slowakische Behörden konzedierten etwa 2004, dass sie mehrere Sektionen des Neonazi-Netzwerks in der Slowakei beobachten würden: die B&H Division Slovakia (Bratislava), B&H Division Tatras Slovakia (Prešov), B&H Division Engerau Slovakia (Bratislava-Petržalka), B&H Division Cassovia (Košice) sowie eine lokale, slowakische Combat 18-Division. Die einzelnen Sektionen wie auch der lokale C18-Ableger dürften nun aber schon länger nicht mehr bestehen – ein letzter Hinweis auf eine Assoziierung von neonazistische Netzwerken mit dem C18-Organisationsmodell findet sich bei dem weiter oben erwähnten Vorfall 2013 in Nitra – doch auch hier wurden die beteiligten Neonazis schlussendlich zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Nun scheinen seit 2020 erneut slowakische Neonazis – vornehmlich aus der Süd- und Westslowakei – unter einem abgewandelten B&H-Label aufzutreten, mit dem auch eine veränderte Priorisierung von politischen Betätigungsfeldern einhergegangen ist: Denn für die aktuell als B&H-Sektion auftretenden slowakischen Akteure steht nicht die Organisation von RAC im Vordergrund, sondern Kampfsport – sowohl in ideologisch aufgeladener Selbstausübung, in Verbindung mit organisierten Fußball-Fanszenen, zum Zwecke transnationaler neonazistischer Vernetzung wie auch aus ökonomischen Gründen. Eine Entwicklung, die auch durch die Förderpolitik von internationalen Sponsoren wie Octagon verstärkt wird, da Kampfsport sowohl für Ausrichter*innen wie auch für Fighter*innen immer rentabler wird und auch abseits des rechten Lagers großen Widerhall erfährt. Dennoch weist die Club 28-Slovakia-Struktur Merkmale älterer typologischer B&H-Organisierung auf: Es handelt sich großteils um einen Freundeskreis, der wohl teils zellenartig agiert und nach außen hin gegen Einblick und staatliche Überwachung abgeschirmt ist; man rekrutiert über Ultra- und Hooliganszenen und bezieht in den Kurven durchaus aktiv Position (v. a. von Relevanz Rimavská Sobota, Trnava und Nitra); alle betreiben in den gleichen Räumen und Gyms Kampfsport (RS Combat, Wolf Pride, Kickbox Fight Club Sparta); alle Mitglieder weisen ein geschlossen neonazistisches Weltbild auf, das auch politischen Aktivismus inkludiert. Konzediert werden muss allerdings, dass es bei dem momentanen Wissensstand nicht zur Gänz geklärt werden kann, ob und inwiefern der Club 28-Slovakia eine völlig konzise Gruppierung darstellt oder doch lose Enden aufweist, die sich um einen aktiven Gruppenkern (Kondelcik, Zahradník) positionieren.

Wir wollen an dieser Stelle in Kürze einige Personen, die dem momentanen Club 28 zuzurechnen sind aufführen, um die oben angestellte Darstelleung zu konkretisieren: So etwa dürfte Tomáš Brozman zum Club 28 zählen, der mit „Defend Europe“-Branding, Thorhammer, Triskelen und Runen posiert und ebenso Gemer-Hooligan ist. Fotos zeigen ihn gemeinsam mit Zaradník und weiteren Personen, die regelmäßig in den gleichen Konstellationen mit einschlägigem Ausdruck zu sehen sind: der deutsch-slowakische Neonazi Norbert Kirchhoff, den Gemer-Hooligans Ondrej Tomko und Rišo Lengyel, der wiederum ebenso zur Trainingsgruppe von Zahradník zählt, sowie Johny Koreny, der einen Hitlergruß zeigt und ebenso mit Zahradník trainiert. An anderer Stelle posiert Tomko mit Zahradník, Miššulko Sojka und Dominik Farkaš bei einem Ausflug nach Budapest unter dem extrem rechten Hooligan-Motto „Budapest Defend Europe“.

Farkaš scheint ein integrales Mitglied des Club 28 zu sein – so zeigt ihn ein Foto mit Kondelcik und einem Mitglied der B&H-/C18-Sektion Bulgaria bei einer szeneinternen Festivität (siehe oben). Auch Števko „Pampúx“ Gabera sowie eine Person, die auf den Rufnamen „Embrio“ hört, zählen zum Umkreis von Zahradník, Kondelcik und Meliš: Bei Gabera handelt es sich um einen Spartak Trnava-Hooligan, der Landser- und Thor Steinar-Shirts trägt, Content von Marian Kotleba teilt, und mehrfach Rechtsrockkonzerten beigewohnt hat; so etwa erst letztes Jahr am 22. August 2022 in Zbehy nördlich von Nitra bei einem Solokonzert von Ondrej Ďurica, dem Leadsänger der bekannten slowakischen Rechtsrockband Biely Odpor.

Bei der unbekannten Person mit Rufnamen „Embrio“ hingegen handelt es sich um einen MMA-Kämpfer, der u. a. mit Kondelcik zusammen im Kickbox Fight Club Sparta in Nitra trainiert und auch mit Tomáš Meliš freundschaftlich verbunden sein dürfte. Auch den Kickbox Fight Club Sparta scheint Octagon zumindest partiell zu sponsern, worauf Octagon-Tafeln im Gym sowie Bewerbung von reinen Octagon-Veranstaltungen (Way of Warrior Fight Night in Hodonín) schließen lassen. Neben eindeutigen Symboliken, die er zur Schau stellt, betätigt sich der Neonazi auch rege am Verkauf und Erwerb von nationalsozialistischen Devotionalien. So etwa versucht er den wüst antisemitischen Text „Der Giftpilz“ des nationalsozialistischen Autors Ernst Hiemer zu erstehen, bietet für 22€ ein „Arbeitsbuch“ der DAF an wie auch weitere NS-Plaketten.

Kontakt des slowakischen Club 28 zu Betyársereg.

Von Interesse ist noch eine weitere Person des slowakischen Club 28: Zusammen mit Zahradník und Kondelcik posiert auch mindestens einmal ein Neonazi namens Erik (Nachname ist der Redaktion an an dieser Stelle unbekannt, sie Foto oben) im Club 28-Shirt, der ursprünglich aus Ungarn stammen dürfte. Er scheint der Hooligan-Szene von „Ferencváros Budapest“ zu entstammen, ist selbst Kraftsportler und arbeitet als Security für die ominöse Security-Firma Gladiator Security, die von Janko Nemcok geleitet wird. Da diese in der Slowakei ihren Standort hat, ist davon auszugehen, dass Erik aus Ungarn verzogen ist und nunmehr voll und ganz in der Slowakei politisch wie auch arbeitstechnisch seinen Lebensmittelpunkt hat. Von Bedeutung ist allerdings seine politische Laufbahn – denn in Budapest war Erik bei der neonazistischen Betyársereg aktiv. Diese ist wie ein MC organisiert, vergibt an Full Member Kutten mit Patches und ist straff hierarchisch organisiert – Betyársereg gilt als militanter (siehe u. a. Bericht hier) Sammelpunkt für ehemalige Angehörige der Sicherheitskräfte, Polizei und Militär, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild vertreten.

Auffällig ist in Eriks Vita eine zeitliche Korrelation: Zur selben Zeit, als Erik bei Betyársereg aktiv war, dürfte er bereits Kontakte zum slowakischen Club 28 gepflegt haben, was nahelegt, dass die militante ungarische Organisation durchaus Kontakte zum slowakischen B&H/C18-Ableger haben. Die Verbindung von Betyársereg mit B&H-/C18-Slovakia ist offenkundig in höchstem Maße bedrohlich, verbindet sich doch militante neonazistische Akteure transnational, die darüber hinaus u. a. mit Octagon noch über gut ausgebauten finanziellen Rückhalt verfügen. Doch Eriks Kontakte hören hier noch nicht auf: Schon früher scheint M. Mitglied des ungarischen Filleck Knights MC gewesen zu sein, zumindest bis 2022 zeigte er sich noch in der Kutte des MCs. Die scheinbar im Norden Ungarns, nahe der slowakischen Grenze beheimateten Filleck Knights, die auf Ausfahrten des Öfteren auch ins slowakische Nachbarland zu kommen scheinen, dürften auch für Kontakt zum Hells Angels-Prospect-Charter Zvolen gesorgt haben. Aufrufe zur entsprechenden Support-Runs für die Hells Angels-Slovakia teilte M. mehrfach in den sozialen Medien, v. a. jene des Zvolener Prospect-Charters. Im Übrigen jenes Charter, zu dem auch der österreichische Octagon-Leiter Bukaí beste Kontakte hat – zusammen mit Zvolener Prospects und Angels des Bratislava-Charters war Bukaí Februar 2022 auf Urlaub nach Ibiza gefahren.

Was verdeutlicht der Exkurs zum militanten Club 28-Netzwerk? Dass Octagon an beinahe jeder Ecke des Netzwerkes in Erscheinung tritt, entweder durch Förderung der entsprechenden Gyms, durch Sponsoring von Einzelpersonen, die dem Netzwerk nahestehen oder aber der materiellen Unterstützung solcher Gruppierungen, die aktiv neonazistische Kader hervorbringen. Besonders die akute Nähe zu B&H-/C18-nahen politischen Akteuren muss hervorgehoben werden – denn diese Nähe setzt sich auch im Falle des tschechischen Franchise fort.

Octagon CZ: zwischen White Rex und Breitensport.

Wie auch in der Slowakei, ist Octagon in Tschechien mittlerweile stark in das dortige Kampfsportmilieu involviert – und erneut wird neben breit aufgestelltem Sponsoring die extreme tschechische Rechte aus dem organisierten Hooligan-, aber auch einschlägig politischem Neonazi-Milieu mit Sportswear ausgestattet. Auch für den tschechischen Raum rekonstruieren wir daher das Netzwerk von Octagon, um den Grad der Verstrickung der Marke in gewaltorientierte, rechtsextreme Kreise zu belegen.

In Tschechien werden drei Gyms in größerem Umfang von Octagon gefördert: der Fight Club Ostrava, das Draculino Ostrava, sowie das Hodonín Vagabund Gym. Zusätzlich werden von Octagon auch Veranstaltungen organisiert und unterstützt – hier ist vor allem die Way of Warrior Fight Night (WoW) hervorzuheben, die im Hodonín Vagabund Gym stattfindet und exklusiv von Octagon organisiert wird, oder auch das panslawistische Event Noc Slovanských Bojovníků (NSB) in Jablonec nad Nisou, das von Octagon unterstützt wird. Bei der WoW handelt es sich nicht um eine dezidiert rechtsextreme Veranstaltung: Sowohl Hooligans slowakischer und tschechischer Vereine, rechtsextreme Kampfsportler*innen aus unterschiedlichen Ländern, als auch nicht weiter politisch auffällige Kämpfer*innen treten bei den Events an. Bei dem Event finden auch Meisterschaften verschiedener Disziplinen statt, ein Umstand, der die Schlüsselfunktion von Octagon zwischen organisiertem Rechtsextremismus und Mainstream unterstreicht.

Anders ist das bei dem Event NSB (übersetzt bedeutet das in etwa „Nacht der slawischen Krieger“), das bereits im Logo ein schwarzes Kolowrat bewirbt. Die offiziellen Dressen der Veranstaltung stammen von Octagon und weisen ebenso das schwarze Kolowrat vor dem Hintergrund der tschechischen Nationalfarben auf. Bei dem Event treten außerdem dezidiert rechtsextreme Unternehmen als Sponsoren auf, so etwa der Might is Right-Store, der von tschechischen Neonazis betrieben wird und Szene-Marken wie Greifvogel, Svastone, Beloyar, White Rex oder Pride France vertreibt – mehr dazu in der Recherche der antifa.cz.

Neben MMA-Kämpfen werden auch Mittelalter-LARP Schwertkämpfe bei der NSB abgehalten, man posiert mit Falknern und gezähmten Greifvögeln, mittelalterlichen Kriegsäxten und beinahe überall sind die slawischen Nationalfarben und panslawistische Sprüche anzutreffen. Die Kämpfer*innen ziehen in Hooligan-Ästhetik in den Ring: muskulöse mit Hooligan-Balaclavas der Marke Octagon vermummte Männer treten mit Pyrotechnik auf und inszenieren sich martialisch – die Kämpfe werden zudem auf einschlägigen Portalen wie „Hooligans.cz“ beworben. Es ist eine rohe Männlichkeit, die sich für den Erhalt der eigenen Rasse und Nation einsetzt, die hier zelebriert wird. Die Schwert- und Axtkämpfe verdeutlichen die Mentalität des Milieus, das sich in der Tradition des ritterlichen Zweikampfes sieht und bis zum bitteren Ende dazu bereit ist, für die Gemeinschaft zu kämpfen und gegebenenfalls zu sterben.

Es ist kein Zufall, dass Octagon CZ rechtsextreme Events wie die NSB unterstützt. Vor kurzem kündigte das Franchise einen neuen Logo-Entwurf für die Slavia Hooligans, also die Hooligan-Sektion des SK Slavia Praha an. Auch das zugehörige Slavia Gym Praha wird mit eigens kreiertem Fightwear beliefert. Blickt man in die Geschichte der Fanszene des SK Slavia Praha, so muss festgestellt werden, dass diese in den letzten Jahren deutlich gegen die neonazistischen Umtriebe in der Kurve vorgegangen sind und neonazistische Mitglieder der Tribuna Sever, der Sešívaná-Jugend und der Ultras Slavia zwar noch in der Kurve anwesend sind, aber nicht mehr so offen für ihre Sache agitieren können.

Gleichwohl war die Kurve von Slavia Praha jahrelang wegen ihres militanten Rassismus und ihrer hohen Gewaltbereitschaft bekannt – die Fanszene trat so häufig organisiert bei rechtsextremen Aufmärschen auf, verübte Angriffe auf linke Kulturzentren und war in Form einzelner Mitglieder auch in schwere physische Angriffe wie etwa am 23. Juli 2021 auf Rom*nja in Sokolov beteiligt. Zu den Mitgliedern der Slavia-Hooligans zählen Aktivist*innen der Autonomen Nationalisten Praha oder des rechtsextremen Medienportals Pro-Vlast wie etwa Tadeáš Svoboda oder Jan Králik. Auch der führende Exponent des neonazistischen Kampfsportverbundes White Rex Czech Fight Team Lukáš Rod entstammt der Kurve von Slavia und trainierte in dem Gym der Fanszene.

Das White Rex Czech Fight Team (WRC) ist für die anliegende Recherche von weiterer Relevanz, denn: Octagon sponsert den Neonazi und MMA-Kämpfer Vít Mrákota, einen der zentralen Akteure der Neonazi-Gruppe. Auf dem Sponsoring-Shirt von Mrákota finden sich so unter dem angedeuteten Kopf und Flügel des Skrewdriver-Emblems nicht nur die rechtsextremen tschechischen Labels Black Arrows und HateCore, Sebastian Raacks Greifvogel Wear und Denis Kapustins White Rex, sondern auch das Octagon-Logo. Um keinen Zweifel an der Gesinnung des WRC-Kämpfers zu lassen: dieser ersetzt das „o“ in seinem Namen gerne mit einem Keltenkreuz und schmückt seinen Namen in den sozialen Medien mit „28“ – den Insignien von Blood & Honour.

Wie tschechische Antifaschist*innen, aber auch Runter von der Matte berichteten, ist Mrákota langjähriger Kader des WRC. Neben Rod und Mrákota zählen auch die Neonazis Petr „Bery“ Beránek, Pavel Koleček, Marek Henzl, Matús Juráček (ebenso aus der Hooligan-Szene von Slavia stammend, zeitweise wegen Gewalttaten mit Stadionverbot belegt), Tomáš Dubský, Martin Tuček, der Sparta Praha-Hooligan Jiří „Jihik“ Smola und Tomáš Kužela zum Kern von WRC. Die Neonazis des WRC sind auch international gut vernetzt. So berichteten tschechische Antifaschist*innen etwa, dass eine Abordnung des WRC 2014 am bereits erwähnten neofaschistischen Kampfsportevent Tana delle Tigri, das von CasaPound Italia ausgerichtet wird, teilgenommen haben. Im gleichen Jahr nahm die Delegation auch am neonazistischen Event Spirit of Warrior in Lyon teil, das von Pride France und White Rex, also von Szkatulski und Kapustin ausgerichtet wurde. Auch am 2018 in Ostritz stattfindenden Kampf der Nibelungen und 2019 bei dem Pro Patria Fest in Athen nahm das Team des WRC teil.

Dass Octagon auch in Tschechien neonazistische und rechtsextreme Akteur*innen gezielt fördert und dadurch ein militantes und potenziell gefährliches Umfeld mitfinanziert und kostenlos ausrüstet, vervollständigt das Bild von Octagon im Dreiländereck. Nicht nur die gute Vernetzung von Octagon mit rechten Hooligan- und Ackerkampf-Szenen wird dadurch deutlich, sondern auch der Konnex zu neonazistischen Gruppierungen wie etwa lokalen B&H/C18-Strukturen oder aber mit solchen assoziierten bzw. dezidierten Support-Gruppierungen. Denn auch für Tschechien kann festgestellt werden, dass das WRC im Umfeld von B&H-nahen Strukturen zu verorten beziehungsweise mit solchen aus den Nachbarländern eng verbunden ist.

Octagon UK: die polnische Diaspora und der Nationalismus.

Seit etwa 2020 hat sich das Octagon-Franchise auch in Großbritannien niedergelassen und verfügt über zwei Stores in Crewe und Sheffield. Offizieller Betreiber ist die Extreme Adventure Group LLG, deren Geschäftsführer Marcin Pawel Borowski ist. Zentraler Anknüpfungspunkt für das Octagon-Netzwerk scheint dabei die zahlenmäßig große polnische Diaspora in Großbritannien und in diesem Zusammenhang auch polnische Migrant*innen aus dem Ultra- und Hooliganmilieu zu sein. Hierfür sinnbildlich dürfen die beiden primär in der Öffentlichkeit als „Brand Ambassador“ stehenden Hauptakteure des UK-Franchise Marcin Jerzak (Brand Ambassador des Franchise in Crewe) und Lukasz Parobiec (Brand Ambassador des Franchise in Sheffield) gelten: Jerzak etwa entstammt der Ultraszene von Lech Poznań, ist aber mittlerweile in die Fan-Strukturen von Manchester United integriert.

In den Stores von Octagon UK wird neben den polnischen Submarken auch das ausschließlich in Großbritannien erhältliche Branding „Patrioci UK“ vertrieben, das durch sein nationalistisches bis rechtsextremes Branding auffällt. Neben typischer Hooligan-Bekleidung finden sich zahlreiche Motive mit dem Nationalwappen oder den Nationalfarben Polens, aber auch dezidiert rechtsextreme Codes wie etwa ein Poloshirt, welches das mit einer roten Linie durchgestrichene Icon einer knienden Person zeigt – eine Referenz auf den Bürgerrechtler und San Francisco 49ers-Quarterback Colin Kaepernick, dessen Geste zum Symbol antirassistischer sozialer Kämpfe in den USA wurde und dessen Bestrebungen Octagon UK offensichtlich ablehnt.

Weiters finden sich in dem Sortiment des Octagon Subbrandings auch Produkte mit dem Wappen der ehemaligen rechtsextremen und antisemitischen Widerstandsorganisation „Organizacja Wojskowa Związek Jaszczurczy“ – jene militärische Fraktion des bis heute in unterschiedlichen Formierungen existierenden Obóz Narodowo-Radykalny, das unter anderem auch den jährlich stattfindenden rechtsextremen Unabhängigkeitsmarsch in Polen mitorganisiert, bei dem dann wiederum zahlreiche Ultra- und Hooligan-Gruppierungen in einem eigenen Block mitlaufen und relativ geschlossen auftreten.

Das aktuelle Sponsoring von Octagon UK umfasst ein breites Spektrum an Personen aus verschiedene Kampfsportarten, Bareknucklefighting, Armwrestling, Powerlifting und dem Kraftsport. Auch die beiden Octagon UK-Brand Ambassadors betätigen sich selbst als Kraft- und Kampfsportler und organisieren ganze Events unter dem Deckmantel von Octagon: So organisierten Jerzak und Parobiec am 25. Juni 2023 in Sheffield etwa das Street Fighters UK-Tournament, das als Octagon-Event gelabelt wurde. Dabei wurde das Event bilingual (Polnisch – Englisch) beworben, wobei beinahe ein größerer Teil der externen Kommunikation auf Polnisch gehalten wurde – offenbar wollte man vorzugsweise in der eigenen Diaspora mobilisieren, wohingegen man im Rahmen von Octagon durchaus auch britische Kampfsportler*innen fördert.

Auffällig ist ferner, dass sich der mutmaßliche Octagon Sheffield-Akteur Parobiec in jenen Hooligan-Kreisen bewegt, die regelmäßig bei brutalen Bareknuckle- und No-Rule-Fightclubs antreten: So ist Parobiec unter dem Kampfnamen „Goat“ regelmäßig bei dem polnischen Bareknuckle Event Gromda zu Gast, bei dem auch KOTS-Kämpfer wie der New Gen Brondby-Hooligan Simon Henriksson oder Wotore-Kämpfer wie der Octagon Polen-Akteur Simon Nowowiejski angetreten sind. Bei Wotore handelt es sich um ein MMA-Event mit erweitertem Regelset, das etwa Bareknuckle MMA-Fights zulässt, oder auch Tritte gegen einen am Boden liegenden Kopf. Schon die Bewerbung von Wotore verdeutlicht die bizarre Fetischisierung nackter Gewalt: In den martialischen Pre-Fight-Bewerbungsvideos reiben die Kämpfer in einem unterbelichteten Raum ihre um die Fäuste gewickelten Seilbandagen martialisch in Glasscherben. Bei Veranstaltungen dieser Art geht es um die enthemmte Affirmation der Gewalt und den Kampf bis zum absoluten Ende. Der Gegner muss nicht übertrumpft, sondern gebrochen und zerstört werden.

Doch auch abseits der hauseigenen Kämpfer, die sich auf einschlägigen Kampfsportveranstaltungen des Hooligan-Milieus bewegen, ist das britische Octagon-Franchise in reguläre Kampfsport-Events involviert. Octagon UK tritt etwa bei der Almighty Fighting Championship in Barnsley als Sponsor auf. In der Gesamtheit ist der britische Ableger Octagons aber zumindest aktuell deutlich weniger in den kommerziellen Kampfsport integriert als es die Ableger in den anderen Ländern sind. Auch die engen Kontakte in den organisierten Rechtsextremismus lassen sich im Falle von Octagon UK nicht in der Intensität feststellen, wie es etwa in Polen, Tschechien und der Slowakei der Fall ist. Ob sich der Einfluss auf den Kampfsportbereich und die Kontakte in einschlägige Milieus mit dem Verlauf der Zeit intensivieren werden, bleibt offen. Die Problematik der zunehmenden Popularisierung einer ritualisierten Gewaltkultur in Kombination mit der Vermarktung eines nationalistischen und rechtsextremen Lifestyles verdeutlichen aber, dass auch Octagon UK Teil des äußerst problematischen transnationalen Franchise-Unternehmens ist.

Octagon international. Die neuen Franchises Octagon.ro, Octagon.bg und Octagon.ir und: Octagon – das größte Fightwear-Franchise in Europa?

Wir haben bisher die zentralen Ableger des Octagon-Franchise dargestellt und auf deren Verbindungen in den organisierten Rechtsextremismus sowie auf die Problematik der Kommerzialisierung einer ritualisierten Gewaltkultur nationalistischer und rechtsextremer Prägung durch das Unternehmen hingewiesen. Dadurch, dass Octagon in den jeweiligen Ländern zu einem relevanten Player der Kampfsportlandschaft geworden ist, prägt es die Kampfsportszene und die in dieser vorherrschenden Kultur mit und kann keinesfalls mehr als Nischenphänomen betrachtet werden. Die engen Kontakte in die unterschiedlichen Milieus der Szene, die Möglichkeit gezielter Unterstützung von Kampfsportgyms und einzelnen Kämpfer*innen sowie die erfolgreiche Marketingstrategie des Unternehmens haben dazu geführt, dass Octagon erfolgreiche eine Brückenfunktion zwischen gewaltorientierten, rechtsextremen Hooligan-Strukturen und der Welt des kommerzialisierten Kampfsportes eingenommen hat. Durch diese Funktion trägt Octagon wesentlich zu einer rechtsextremen Diskursverschiebung innerhalb der Kultur des Kampfsportes bei und hilft rechtsextremen Akteur*innen und Organisationen innerhalb der internationalen Sportcommunity Fuß zu fassen und sich finanziell abzusichern.

Und: Octagon expandiert. In den letzten Jahren hat sich das Unternehmensnetzwerk in Rumänien, Bulgarien, Irland und wie bereits dargestellt auch in Österreich niedergelassen. Es wird sich zeigen, ob sich das Muster Octagons auch in Rumänien und Irland wiederholen wird – es wäre in jedem Fall nicht verwunderlich. In der Bilanz ist Octagon mit 2023 in sieben europäischen Staaten vertreten, wobei vor allem das Unternehmen in den Viségrad-Staaten über Prestige und Einfluss verfügt. Ein Blick auf die Vertriebsstrukturen von Octagon zeichnet ein deutliches Bild: wie eine polnische Lokalzeitung berichtete, handelt es sich bei Octagon um einen der größten Fightwear-Retailer, der in Europa seine Produkte produziert. Der stattfindende Aufbau einer neuen Produktionsstätte im Wert von etwa 10 Mio. Złoty verdeutlicht die Produktionskapazitäten des Unternehmens.

Ausblick: Der Siegeszug des hooliganistischen Kampfsportes, die militante Rechte und die Gesellschaft des Spektakels.

Octagon hat seinen Erfolg nicht nur dem gekonnten Management der jeweiligen Ländergruppen zu verdanken, sondern muss als Produkt einer sich zunehmend wandelnden Kampfsportszene verstanden werden, die entgegen konventioneller Sportbereiche auf brutale Formen der ritualisierten und martialischen Gewaltanwendung setzt. In den letzten Jahren lässt sich der Siegeszug neuer „hooliganistischer“ Kampfsportformate beobachten, die zur blinden Affirmation schonungsloser Gewaltanwendung einladen und eine archaische Kultur des Kampfes um Sieg oder Vernichtung transportieren. Es ist nicht verwunderlich, dass aufgrund der weltanschaulichen Anknüpfungspunkte und der Amplifizierung des Kampfes als existenzielle Kategorie, Kampfsportformate dieser Art ein attraktives Betätigungsfeld für rechtsextreme Akteur*innen sind.

Personell rekrutiert sich diese zunehmend auch kommerziell erfolgreiche Szene großteils aus – häufig rechtsextremen – „Hooligan-Firms“, deren Kämpfer*innen ihre Gruppe im Ring repräsentieren und auch abseits der Kampfsportevents sich der Gewalt gegen den „Feind“ verschrieben haben. Neben den involvierten Personen simuliert auch das Regelwerk dieser Events den für die teilnehmenden Kämpfer*innen bereits bekannten Kampf auf der Straße: Bareknuckleformate, „No Rules Fights“, „Less Rules-Fights“ oder Auseinandersetzungen zwischen Hooligan-Fraktionen im Ring nehmen nicht nur schwere Verletzungen der Teilnehmenden in Kauf, sondern glorifizieren eine bellizistische Lebensphilosophie, die archaische Männlichkeitsformen, brachiale Gewaltanwendung, sippenhafte Gruppenmentalitäten und den Kampf bis zur Vernichtung des Gegenübers kultiviert.

Events wie Králi Ulice, Wotore, Gromda, Valhalla Fighting oder KOTS eint zudem, dass diese von professionellen Video- und Kamerateams aufgezeichnet werden und die Endprodukte sowie deren mediale Bewerbung durchaus mit kommerziell etablierten Formaten in ihrer Qualität mithalten können. Bei den Veranstaltungen werden Moderator*innen eingesetzt, professionelle Models fungieren häufig als „Ringgirls“, die Videos werden gegen eine Gebühr für die eingeschweißte Community live zur Verfügung gestellt und zu einem späteren Zeitpunkt auf dem jeweiligen YouTube-Kanal veröffentlicht und erhalten dort Aufrufe im Millionenbereich. Kommerziell besonders erfolgreiche Formate wie KOTS verfügen mittlerweile sogar über ein eigenes Wettportal im DeepWeb-Bereich. Man wird kaum eine für Kampfsport interessierte Person in Europa finden, die nicht zumindest eines der Videos des erfolgreichen Gewaltformats gesehen hat und reichweitenstarke Kampfsport-Influencer tragen durch breitenwirksame „Reaction-Videos“ zu dem Hype des Phänomens bei. Aktuell können wir die Kommerzialisierung einer ehemals im Untergrund gelebten Kultur beobachten, die mit zunehmenden kulturindustriellen Erfolg auch an Einfluss auf ihre oft sehr jungen Rezipient*innen gewinnt.

Während die UFC und andere professionelle MMA-Tournaments, die im UFC Fight Pass enthalten und somit global konsumierbar sind, die Grenzen der Brutalität sukzessive verschoben und statt des sportlichen Olympia-Gedanken des Miteinander-Messens zunehmend eine performativ inszenierte Kultur des Gegeneinanders etabliert haben, überbieten die in dieser Recherche thematisierten Formate diese im Ringen um einen Platz am Markt und tragen zur weiteren Verschiebung dessen, was möglich ist bei. Die aus der Funktionslogik der Warenwelt folgende „Gesellschaft des Spektakels“ verlangt auch mit Blick auf das Geschäft mit dem Kampfsport nach ständiger Überbietung, in der die ursprünglich sozial geächteten „Underdogs“ zum Projektionsobjekt einer sich zunehmend bewusstlos erlebenden und nach scheinbar authentischen Reizen sehenden Gesellschaft werden. Wer Zusehende will, muss etwas Neues bieten, muss Innovation schaffen und das ist im Falle des Kampfsportes ohne Zweifel die Erhöhung des Gehalts an offener, brutal ausgelebter und authentisch wirkender Gewalt.

Die kulturindustriell im Hooligan-Kampfsport vermittelte Lebenshaltung bietet außerdem eine auf den ersten Blick rebellierende, zugleich aber an die spätkapitalistische Mentalität anknüpfungsfähige Kultur, die im Sinne einer „konformistischen Rebellion“ nicht die Überwindung, sondern die Verewigung und Übersteigerung derselben zeitigt. In dem Spektakel der Gewalt wird der sozialdarwinistische Wesenskern neoliberaler Marktwirtschaftsapologetik zur archaisch inszenierten Mimikry: Im Kampf gewinnt der Stärkere, der so lange auf den am Boden Liegenden einzuprügeln hat, bis dieser sich nicht mehr regen kann. Auch in dieser Dimension sind sich Rechtsextremismus und inszenierte Hooligan-Kultur nahe, vertritt doch der Kämpfende oft das Kollektiv der Gruppe und trägt so den Kampf der Einzelnen verschoben auf Ebene der Gemeinschaft aus. Die spätkapitalistische Gesellschaft wird so zur Schicksalsgemeinschaft einer eingeschworenen Clique, die nur mittels der Feindschaft und Gewalt gegen eine Exteriorität ihre Gruppenidentität herzustellen und sich ihrer Stärke zu versichern vermag. Der Einzelne ist nur so lange etwas wert, insofern er sich für die Gemeinschaft opfert und dazu bereit ist, sich erhebliche physische Schäden zufügen zu lassen oder diese dem Gegner zufügt.

Während die Besucher*innenzahlen bei hooliganistischen Events im Vergleich zu Großformaten wie der UFC oder ONE weitaus niedriger sind, erhalten die Videos hooliganistischer Kämpfe auf Plattformen wie YouTube Views im Millionenbereich. Der virtuelle Raum ermöglicht den Organisator*innen hooliganistischer Formate ihre Zielgruppen zu erreichen und ihre „Unique Selling Points“ zu verwerten: mehr Gewalt, mehr Risiko, mehr Verletzungsgefahr und vor allem: mehr Realitätswirkung. Den Konsument*innen soll vermittelt werden, dass es sich nicht um ein inszeniertes und kommerzialisiertes Marketingspektakel handelt, sondern um Auseinandersetzungen zwischen realitätserprobten Kämpfer*innen, die Streetfights wie im echten Leben vor der Kamera ohne Erbarmen austragen. Die Konsument*innen bekommen Kämpfe ohne Handschuhe und ohne sichernde Bodenmatten, wahlweise auch auf blankem Beton geboten. Knietritte und vertikale Tritte gegen den auf dem Boden fixierten Kopf, sogenannte „Elfmeter“ – wuchtige Kicks, die an die Motorik des Strafstoßes im Fußball angelehnt sind und auf den Kopf des am Boden liegenden Kontrahenten zielen – sind erlaubt und kommen systematisch zum Einsatz.

Die gegenkulturelle Inszenierung der Szene darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Organisator*innen mit den Formaten gezielt versuchen, Marktlücken zu kapitalisieren, um aus der brutalen und ritualisierten Gewalt Klickzahlen zu akkumulieren. Insgesamt kann zwischen der performativen Selbstinszenierung und dem realen Verhalten des Milieus eine drastische Diskrepanz festgestellt werden. Gerne gibt man sich „respektvoll“ und „ehrenhaft“ und betont den ritterlichen Kampfgeist zwischen den zwei gegeneinander antretenden Kontrahent*innen. Mit Beginn des Kampfes werden aber alle Hemmungen abgelegt und der Gegner als entmenschlichtes Objekt zur Zielscheibe jeder verfügbaren Form der Gewaltanwendung. Auch wenn der Gegner bereits regungslos am Boden liegt, versuchen viele Kämpfer*innen diesem noch einen möglichst großen Schaden zuzufügen und müssen von den Ringrichter*innen teilweise mit Gewalt von ihrem in Strömen blutenden Kontrahenten entfernt werden. Es ist nicht die Qualität der Kämpfe, die diese Formate so erfolgreich macht, sondern die spektakuläre und enttabuisierte Bildproduktion von roher Gewalt, die unter spätkapitalistischen Vorzeichen zum breitenwirksamen Spektakel wird.

Diese gesteigerte Künstlichkeit, die die anonym agierende Hype Crew ihren Settings angedeihen lässt, verleiht dem Event allerdings auch die Möglichkeit, aus den Antretenden alles rauszuholen, um möglichst „realitätsnahe“ Kämpfe zu garantieren. In einem Reportageformat des Hessischen Rundfunkes berichtet etwa der „Brigade Nassau“-Hooligan mit dem Rufnamen „Goscha“, dass es verboten sei, bei KOTS Vaseline zu verwenden – denn dort wolle man wirklich „das Blut spritzen sehen“. Das dumpfe Aufschlagen der Fingerknöchel auf dem Körper des Gegenüber erfülle bei Fights die ganze Halle, die Begleitpersonen betrachteten die Fighter beinahe andächtig, es sei kein Mucks zu hören. Erst wenn das Blut spritzt oder ein Kämpfer krachend auf den Betonboden knallt und der Opponent noch auf dem Schädel des Fallenden rastlos herumtritt, wird das erzeugte Bildmaterial für den Onlinemarkt als genügend befunden.

Dass faschistoide Akteur*innen solche Räume für sich nutzen, ist zwar einer Professionalisierung und stark überzeichneten Inszenierung eines hypermaskulinen Subjektverständnisses geschuldet, aber auch der politischen Agenda, via den Konsum solcher Bilder die Rhetorik der Gewalt voranzutreiben. Die immer fortschreitende Verrohung der kulturindustriellen Zerstreuungsindustrie, die das isolierte, vereinzelte Individuum mit ubiquitärer Vergnügung am Funktionieren halten muss, ist für die extreme Rechte ein Stein im Brett ihrer politischen Propaganda: Denn die kann in den spätkapitalistischen Konsumräumen ihre politischen Inhalte ästhetisch getarnt vermitteln. Und ohnehin: Die Apologetik des „natürlich“ Stärkeren wird in hoher Frequenz und ohne Umschweife auch in der allgegenwärtigen Kulturindustrie als Ideologem reproduziert. Wenn völlig kommerzialisierter Kampfsport, der den Aspekt des Gewaltvollen und intersubjektiven Verletzens ohnehin schon als primäre Marketingstrategie setzt, nicht mehr ausreicht, muss etwas noch Extremeres her, das dem spätkapitalistischen Subjekt das verächtliche Lächeln kulturindustrieller Befriedigung ins Gesicht zaubert: Adornos weitsichtige, viel zitierte Sentenz, dass „Fun […] ein Stahlbad“ sei, wird so in ihrer Drastik von KOTS beinahe noch übertroffen. Und so muss subsumiert werden: KOTS ist per se weniger ein faschistoides Format, als ein Grenzprodukt, das die Limitationen der Vergnügungsindustrie ausreizt. Die ständig voranschreitende Ästhetisierung von Gewalt zum Zwecke der besseren Konsumierbarkeit ist dabei für faschistische Akteur*innen ein wohltrabendes Steckenpferd: Denn die Rezeptionsästhetik lässt die rezipierenden Individuen ja nicht kalt, im Gegenteil, das Bewusstsein des der Abnehmer*innen verroht und stumpft ab.

Dass ästhetisch entpolitisierter Raum potenziell politisch beeinflussbarer Raum für die extreme Rechte ist, ist keine neue Erkenntnis: Denn natürlich ist es als politischer Sachverhalt zu bewerten, wenn Neonazis und Islamisten bei KOTS in den Ring steigen. Das lässt sich an folgendem Beispiel verdeutlichen: Anfang 2023 gab Tomasz Szkatulsky dem bulgarischen mma.bg Kampfsportportal ein Interview in seiner Funktion als KOTS-Fighter, weil die angekündigten Fragen „apolitische“ seien. Doch selbstverständlich macht Szaktulsky im scheinbar „apolitischen“ Interview keinen Hehl aus seinem neonazistischen Weltbild und kruden Rassenwahn – besonders prekär ist, dass er sein Dasein als Kampfsportler mit seiner Ideologie rechtfertigen kann, ohne auch nur eine einzige kritische Gegenfrage gestellt zu bekommen. Und so können Neonazis wie Szkatulsky, Petriš, Panač, Beranek oder Maxime „Orsu Corsu“ Bellamy über die reichweitenstarke Kollektivrezeption der KOTS-Plattform ohne Einschränkung ihre neonazistischen Symbole zur Schau stellen, ihre politische Message schon allein durch ihre Präsenz verbreiten und ferner auch soziopolitischen Raumgewinn – sowohl virtuell wie reell – erzielen, denn: Je mehr extrem rechte oder eindeutig neonazistische Kampfsportler bei KOTS teilnehmen, desto eindeutiger ist die Plattform auch gelabelt, ob der Hype Crew das passt oder nicht. Und die dabei produzierten Gewaltakte, die virtuell hunderttausende Zuseher*innen erreichen, werden als Medium für politisch-kulturelle Agitation verwendet: Might is right, oder: Recht hat der, der stärker und hemmungsloser dabei ist, dem Gegenüber schwere Verletzungen zuzuführen.

Als Gesellschaft werden wir die Frage, wie mit solchen Kampfsportformaten und v. a. Akteur*innen wie Octagon, die sowohl hooliganistische als auch gängige Breitensportformate bedienen, umzugehen ist, bald beantworten müssen: Die Zeit drängt, da die extreme Rechte gezielt Deutungshegemonie gerade über großen medialen Verteilerstrukturen anstrebt bzw. bereits partiell erreicht und abgesichert hat. Politische Apathie, Stillschweigen oder affirmierende Beschwichtigung gegenüber der Problematik helfen nur der Rechten, Pauschalverurteilungen (der entgegengesetzte Fall), tragen keineswegs zum Verständnis des Problemfelds bei. Denn nicht nur ist Kampfsport – gerade auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – beliebter denn je, was zu stetig steigenden Zuschauer*innenzahlen führt, auch die Einflussnahme von islamistischen und neonazistischen Kräften auf diesem Feld ist groß und etabliert. Unternehmen wie Octagon, die extrem rechten Kampfsport- und Hooligan-Milieus hofieren wie jeder anderen x-beliebigen Kampfsportgala, verschärfen diese Raumnahme noch in einem verstärkten Maße und erzeugen so eine scheinbare Normalität, die die extreme Rechte zu einem regulären Teil des Kampfsportbetriebes macht.

Aktuelle Trends und Entwicklungen innerhalb der österreichischen Kampfsport-Szene

Im Jänner 2022 fanden die diesjährigen IMMAF World Championships in Abu Dhabi statt, die jährlich von einer der größten internationalen Dachorganisationen des Mixed Martial Arts Sports, der International Mixed Martial Arts Federation veranstaltet werden. Auch das österreichische MMA-Nationalteam (AUTMMAF) reiste mit seinem Kader an, um in der Zayed Sports City in den Vereinigten Arabischen Emiraten an den Wettkämpfen teilzunehmen. Einer der Kämpfer des österreichischen Teams war der 31-jährige Daniel Schordje, der bei der IMMAF-Weltmeisterschaft in der MMA-Leichtgewichtsklasse antrat. Bei Schordje handelt es sich nicht nur um einen ambitionierten Kampfsportler, der von seinen Haupttrainern, den Ettl-Brüdern aus Graz, für seinen baldigen Wechsel in den Profi-Status unterstützt wird, sondern außerdem um einen seit vielen Jahren in die neofaschistische Szene Österreichs involvierten Aktivisten. Schordje war bereits 2015 der mittlerweile formal nicht mehr existierenden „Identitären Bewegung Österreich“ (IBÖ) in Wiener Neustadt beigetreten und pflegte zudem über seine rechtsextremen IB-Kameraden intensive Kontakte zur Führungsriege der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Unsterblich Wien“ des FK Austria Wien, worüber die Kolleg*innen von Recherche Wien berichtet haben.

In unserer ursprünglichen Recherche zu rechtsextremen Kampfsport, Biker-Kriminalität (MC) und neonazistischen Vernetzungen in Österreich, haben wir auf Daniel Schordje und die breite Akzeptanz rechtsextremer Akteur*innen im österreichischen Amateur*innen- und Profikampfsport hingewiesen. Obwohl Kampfsport seit jeher und mittlerweile zunehmend breitenwirksam von rechtsextremen Akteur*innen unterschiedlicher Couleur genutzt wird, um sich auf den politischen Kampf auf der Straße vorzubereiten, politische Aktivitäten und Strukturen zu finanzieren und als Rekrutierungsbecken für „erlebnisorientierte“ Jugendliche wie auch junge Erwachsene zu nutzen, weigern sich bis heute große Teile der österreichischen Kampfsport-Szene etwas gegen diese Dynamik zu tun. Kommerzielle Interessen gepaart mit Gleichgültigkeit und mangelndem politischen Bewusstsein führen so dazu, dass der österreichische Amateur*innen- und Profikampfsport zunehmend von rechtsextremen Akteur*innen unterwandert wird. Seit unserer initialen Recherche hat sich an diesem Umstand leider Nichts geändert: Immer noch können sämtliche von uns publik gemachten Rechtsextremist*innen oder jene, die rechtsextreme Kampfsportler*innen hofieren und unterstützen, weiterhin öffentlich auftreten – und das teilweise international. Der folgende Bericht ist weniger als Recherche, denn als Update zu verstehen, in dem wir aktuelle Entwicklungen im österreichischen Kampfsport beleuchten und erneut auf die Verquickungen des Kampfsport-Milieus mit dem organisierten Rechtsextremismus hinweisen wollen. Neben einer Einordnung Daniel Schordjes vor dem Hintergrund seines politischen Werdegangs werden weitere Kampfsportler*innen aus dem Umfeld der Identitären Bewegung und dem neonazistischen Hooligan-Milieu Österreichs, sowie die innerhalb des Kampfsports maßgeblich für diese Entwicklung verantwortlichen Akteur*innen diskutiert.

Daniel Schordje – Neofaschist am Sprung in den Pro-MMA-Status

Daniel Schordje betreibt nun mindestens seit 2013/2014 MMA und dürfte sein Training in Kampfsport-Zentren im Raum Wiener Neustadt begonnen haben. Seit mindestens 2015 war er zugleich in der Identitären Bewegung Österreich aktiv und kann als einer der am stärksten in die IB integrierten Personen aus der rechtsextremen Szene Wiener Neustadts angesehen werden. Bereits 2016 wechselte er für das MMA-Training in das einschlägig bekannte „Gym 23“ in Wien Liesing, in dem unter anderem die Mitglieder des neonazistischen „Blood & Honour Wien“ Netzwerkes Isabella Kordas und Petar Helmer trainiert hatten. Die beiden Aktivist*innen der österreichischen Neonazi-Szene pflegten beste Kontakte zum oberösterreichischen „Objekt 21“ und hielten im sogenannten „Gasthof zur Alm“ in Wien Leopoldstadt Rechtsrock-Events ab, um sich unter anderem mit dem wegen Mordes verurteilten Neonazi Jürgen Kasamas zu solidarisieren. Kasamas trainierte im Übrigen gemeinsam mit André Herold, B&H Vienna-Exponent und zeitweiliger Chef des besagten Gasthofs zur Alm im Kampfsport-Zentrum „Bulls Gym“ in Wien Donaustadt – ein Umstand, der die Kontinuität der Verstrickung rechtsextremer Akteur*innen in den Kampfsportbereich illustriert.

Der rechtsextreme MMA-Kämpfer Daniel Schordje partizipierte seit seinem Einstieg in die Identitäre Bewegung an fast allen öffentlichen Aktionen und Demonstrationen dieser im Zeitraum von 2015 bis 2019 und nahm so auch an der Störung der „Refugees Welcome“-Demonstration 2015 in Traiskirchen, dem gewalttätigen Überfall auf die Inszenierung von Elfriede Jelineks „Die Schutzbefohlenen“ durch geflüchtete Menschen im Audimax der Universität Wien 2016 sowie als Ordner auf mehreren Demos der Identitären Bewegung teil. Gleichzeitig scherte die IB-Sektion Wiener Neustadt, in die Schordje maßgeblich involviert war, von Anfang an aufgrund ihres militanten Auftretens und ihrer Gewaltbereitschaft aus dem nach außen hin zivilgesellschaftlich inszenierten Aktionismus (2015-2020) der Sellner-Brüder aus. Die Klientel des Wiener Neustädter Ablegers entsprach nicht dem klassischen Milieu, in der die IB Wien rund um Martin Sellner rekrutierte: Schon die Gründungsfiguren in Wiener Neustadt waren allesamt in rechte Hooligan-Szenen vernetzt und standen gewissermaßen im Widerspruch zu dem gehobenen, elitären Auftreten gut bemittelter, rechtsextremer Burschenschafter und Studierender in Wien.

Daniel Schordje, sein Bruder Philipp Schordje und der Viola Fanatics-Hooligan Mario Weiß sowie der SC Wiener Neustadt-Hooligan Johnny Mühlmann fielen von Anfang an mit ihrem aggressiven und radikal-nationalistischen Habitus auf. Typische Neonazi-Tattoos waren in diesem Milieu immer noch Standard, martialisches Auftreten und Fokus auf Kampfsport keine Seltenheit. Erst kürzlich fiel Johnny Mühlmann wieder auf, weil er linke Sticker mit Keltenkreuz-Klebern, die denen im neonazistischen Unwiderstehlich-Design stark ähneln, überklebte und diese „Aktion“ online teilte. Daniel Schordje partizipierte mit Mario Weiß und Johnny Mühlmann außerdem nicht nur an Aktionen der IB, sondern scheute sich auch nicht davor zurück, 2019 etwa bei einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Die Stimme“ rund um den ehemaligen RFS-Funktionär und Neonazi Markus Ripfl teilzunehmen. Während sich der große Teil der IB-Aktivsten von neonazistischen Veranstaltungen dieser Art fern hielt, um ihr bürgerliches Image zu wahren, hatte die Wiener Neustädter Szene rund um Daniel Schordje kein Problem damit, an Aufmärschen von dezidierten Neonazis teilzunehmen.

Wie tief die Kontakte der Wiener Neustädter in das neonazistische Milieu Österreichs reichten, zeigen außerdem die Bekanntschaften von Mario Weiß. Dieser verfügt über gute Kontakte zum rechtsextremen Umfeld der Ostkurve des FK Austria Wien. Er selbst ist Mitglied der „Viola Fanatics“ und über ihn dürften Daniel und Philipp Schordje auch Kontakte in das Milieu geknüpft haben. Dass es sich bei diesen Kontakten nicht nur um lose Bekanntschaften, sondern freundschaftliche Verbindungen handelt, ist eindeutig belegbar: So etwa feierte der Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda Ende Juni 2016 zusammen mit Daniel Schordje und Mario Weiß eine lockere Garten-Party und 2017 reisten Daniel Schordje, Mario Weiß und der Unsterblich-Capo Christian „Guntramsdorfer“ Wagner zusammen nach Bratislava, um dort an einem Match des ŠK Slovan Bratislava im Block der neonazistischen Hooligan-Gruppe „Ultras Slovan Pressburg“ teilzunehmen (Link mit Fotos bei den Kolleg*innen der Recherche Wien).

Im Jahr 2019 radikalisierte sich die Wiener Neustädter Sektion und entfernte sich endgültig vom Aktivismus der Identitären Bewegung: Daniel Schordje und Mario Weiß organisierten eine gewaltbereite Truppe, die sich aus der lokalen rechten und rechtsextremen Szene Wiener Neustadts zusammensetzte, um als „Bürgerwehr“ zukünftige Übergriffe und Gewalttaten durch „männliche Asylwerber“ zu verhindern. Anlass dafür war der 2019 im Wiener Neustädter Anton-Wodica-Park durch einen syrischen Asylwerber begangene Femizid, den die Aktivist*innen für ihre rechtsextreme Agenda instrumentalisierten, um öffentlichkeitswirksam gegen „Asylsystem“ und „Massenmigration“ zu hetzten. Die rund 20-köpfige Bürgerwehr hatte sich für ihre Aktion mit schwarzen Pullovern uniformiert, auf die sie das Logo „Defend 2700“ und ein Maschinengewehr gedruckt hatten. Bei 2700 handelt es sich um die Postleitzahl des Bezirks Wiener Neustadt, zu dessen vigilante Verteidigung sich die rechtsextreme Formierung berufen fühlte. Wie auf den Fotos der Aktionen zu sehen ist, posierte die Bürgerwehr bei Nacht und im Kerzenschein martialisch neben dem Grabstein der ermordeten Manuela K., um das gewonnene Material darauffolgend auf den einschlägigen Social-Media-Kanälen für politische Zwecke zu verwerten. Mit Aktionen dieser Art zeigte die Wiener Neustädter Truppe, dass sie den zivilgesellschaftlich inszenierten Info-Tisch-Kampagnen-Habitus eines Martin Sellners zurückgelassen hatten und stattdessen zur direkten Verteidigung der „weißen Österreicher*innen“ übergegangen war – mitten unter ihnen Daniel Schordje, der bereits mit beiden Beinen im Kampfsport stand.

Daniel Schordje und Mario Weiß im „Defend 2700“-Shirt.

Denn ebenso im Jahre 2019 trat Schordje das erste Mal offiziell für das „Champions Graz“-Team bei den Amateur-Staatsmeisterschaften im Bereich Mixed Martial Arts an. Außerdem schloss er in der Zeit einen Lehrgang ab, der ihn dazu berechtigt, regulär im Kampfsportbereich MMA zu unterrichten. Dies nutzte der rechtsextreme MMA-Kämpfer auch sofort, um sein Wissen an seine Kameraden im von Markus Totz geführten Kampfsport-Zentrum „Zitadellen Sport Graz“ weiterzugeben, in dem IB-Exponenten wie etwa Robin Engelhart, Thomas Schraith oder Luca Kerbl regelmäßig, aber auch der Kasseler Faschist und nun in Salzburg wohnhafte und beim RFJ Salzburg und der IBÖ organisierte Marvin Sander trainieren. Der gut vernetzte Kampfsportler Markus Totz, der seine Diplomarbeit an der Universität Graz über das akademische Mensur-Fechten geschrieben hat, besitzt außerdem direkt neben dem Zitadellen-Gym einen Schießplatz, an dem er besorgten Bürger*innen die Fähigkeiten vermitteln will, sich selbst mit einer Schusswaffe zu verteidigen. Die Website und der Online-Auftritt des Schießplatzes wurden im Übrigen von der Firma „Moker Graz“ gestaltet, hinter der Günther Moser und Luca Kerbl stehen. In der Bewerbung des Schießplatzes werden hauptsächlich Narrative bewaffneter Heimverteidigung in nicht näher bestimmten Krisen- und Stresssituationen bedient: Zum Schutz der Familie müsse man sich auf den Ernstfall vorbereiten und dafür sei eine Ausbildung an der Schusswaffe unabdingbar. Als Referenz für seine Qualifikationen führt Totz seine Ausbildung zum Offizier, sowie seine aktuelle Funktion als Oberleutnant der Miliz des österreichischen Bundesheeres an. Überdies hätte er an taktischen Schulungen der in der Slowakei angesiedelten „Tactical Combat Academy“ teilgenommen, bei der es sich um ein militärisch hoch professionalisiertes Unternehmen handelt, das auf den Sicherheitsbereich ausgerichtet ist und laut eigener Website Kurse für internationale Spezialeinheiten aus den USA (MARSOC), Großbritannien (SAS), Frankreich (2REP) und Israel (YAMAM) abhält.

Es handelt sich also um ein militarisiertes rechtsextremes Milieu, in dem sich Daniel Schordje bewegt und in dem er seine kampfsportbezogene Expertise weitergibt. Im Kontext der hohen Gewaltbereitschaft, die von einigen Exponenten dieser Szene ausgeht, stellt die zunehmend zu beobachtende Professionalisierung der Gewaltmittel – sei es die Schulung an der Waffe, oder die Vorbereitung für den Kampf auf der Straße mittels MMA-Techniken – eine reale Bedrohung für eine demokratische Zivilgesellschaft dar. Die Grenze zwischen rechtsextremen Aktivismus und Kampfsport-Training lässt sich bei dem radikalisierten MMA-Kämpfer also nicht so einfach ziehen. Statt sich von dem rechtsextremen Milieu und dessen Aktivismus nach fortschreitender Professionalisierung im Kampfsportbereich zu distanzieren und aus der Szene final aussteigen, hielt Daniel Schordje an dieser fest und interagierte auch öffentlich auf Social Media mit den nämlichen Exponenten. Nach dem Terroranschlag von Wien im Jahre 2020 postete er so den Aufruf, man solle sich als Zivilbevölkerung, aber auch als Politiker*innen, nicht online um Floskeln bemühen, sondern „eine härtere Gangart“ gegenüber „Terroristen und Schläfern“ aktiv durchsetzen – sonst würde sich der islamistische Terror wiederholen.

Zusätzlich nutzt Schordje die mediale Bühne nach Fights, um seinen mit rechtsextremer Symbolik ausgestatteten Körper in nationalistischer Inszenierung zu präsentieren: So posiert er gerne oberkörperfrei, mit Österreich-Fahne in den Händen, das „Allzeit getreu“ auf der Brust und das verbotene Logo der Identitären, das IB-Lambda in Form eines Schildes am linken Oberarm eindeutig erkennbar. Zur Erklärung: „Allzeit getreu“ verweist zum einen auf die Inschrift des 1931 von Heinrich Krippel errichteten „Eisernen Ritters“ am Domplatz in Wiener Neustadt, zum anderen auf den nazistischen Treue-Eid gegenüber Adolf Hitler „Dem Führer allezeit getreu“. Im Kontext des politischen Hintergrunds Daniel Schordjes als jahrelanger Aktivist der Identitären Bewegung und seiner Affinität für neonazistische Hooligan-Straßenkultur steht fest, dass die Wahl dieser Symbole alles andere als zufällig ist, zumal der Eiserne Ritter durchaus ein innerhalb der rechtsextremen Szene bekanntes symbolisches Referenzobjekt ist. Auch der Identitäre und K1-Kämpfer Julian Hofer kokettierte in seinem Social Media-Auftritt zum Beispiel mit der Skulptur am Wiener Neustädter Domplatz. Zwar hat der rechtsextreme MMA-Kämpfer seinen öffentlichen Auftritt mittlerweile modifiziert, sodass sich auf seinen Social-Media-Kanälen keine Hooligan-Fotos im Stadion mehr finden lassen, einen Ausstieg oder sonstigen Bruch mit der rechtsextremen Szene hat es jedoch nie gegeben. Im Gegenteil pflegt Schordje weiterhin Kontakte zu seinen Kameraden, trägt weiterhin rechtsextreme Symbolik in Form von Tattoos auf seinem Körper und setzt auch heute noch bei Postings auf Social Media rechtsextreme Codes ein.

Umso erstaunlicher ist es daher, dass Schordje mittlerweile mehrfach für das österreichische Nationalteam ins Oktagon gestiegen ist: Neben den eingangs erwähnten IMMAF Championships, stieg er etwa auch bei den letzten Europameisterschaften am 28. September in Lignano Sabbiadoro mit rot-weiß-rot gefärbten Haaren für das Nationalteam ins Oktagon. Seine bisherige Kampfbilanz von 26 Siegen, 5 Niederlagen und einem Unentschieden, mit der sich der rechtsextreme Kampfsportler auf seinen Social-Media-Kanälen brüstet, lässt sich mittlerweile durchaus sehen. Erst Mitte September kündigte er zudem an, nach den Europameisterschaften und einem weiteren aktuell noch nicht beworbenen Kampf mit Neujahr 2023 in den Profi-Bereich zu wechseln. Gefördert wird er in diesem Vorhaben von seinen Trainern im „Champions Graz“: Vereinsobmann ist Gehard Ettl, aber auch sein Bruder Michael Ettl und der Vorstand der MMA Federation Austria, Fritz Treiber, leiten dort Trainings an.

Der regen Involvierung des Teams in den MMA-Sport entsprechend, ist das Champions-Gym in der AUTMMAF-Amateur-Sektion als offizielles Mitglieds-Gym gelistet. Neben dem Champions Gym in Graz veranstalten die Ettl-Brüder außerdem die bereits genannte „Cage Fight Series“ (CFS), eine renommierte europäische MMA-Liga, die als äußerst professionalisiert und rentabel gilt. In ihr werden Preisgelder bis zu 10.000 € ausgeschüttet und Kämpfer*innen aus ganz Europa reisen mittlerweile für die Kämpfe an. Bei den Ettl-Brüdern handelt es sich daher um in der österreichischen MMA-Szene einflussreiche Größen, die auch international zunehmend an Relevanz gewinnen. Der Umstand, dass die Brüder für ihren Erfolg nicht davor zurückscheuen, rechtsextreme Kader aufzubauen, ist daher besonders besorgniserregend. Auch von medialer Seite, wie etwa von dem Kampfsport-Sender „fight24.tv“, gibt es kein kritisches Nachfragen bezüglich Schordjes Verstrickungen in die rechtsextreme Szene oder die am Körper getragenen rechtsextremen Symbole. Die mediale Berichterstattung im MMA-Bereich inszeniert sich apolitisch und kümmert sich nicht darum, dass rechtsextreme Akteur*innen, die eine menschenverachtende und gewaltvolle Ideologie antreibt und nach wie vor Teil des organisierten Rechtsextremismus sind, im professionellen Kampfsport ohne Widerspruch Fuß fassen können.

So kann zweifelsfrei festgestellt werden, dass es sich Daniel Schordje um einen professionell im MMA ausgebildeten Rechtsextremisten handelt, der u. a. zur Selbstjustiz aufruft und in der Vergangenheit bereits durch seine hohe Gewaltbereitschaft aufgefallen ist. Dass Schordje aktuell nicht mehr auf der Straße aktiv ist, zeugt dabei weder von seinem Ausstieg aus der Szene noch von sonstigen Distanzierungen rechtsextremer Gewalt. Noch weit bis in das Jahr 2021 findet sich unter seinen Postings der Hashtag #defend2700. Schordjes soziales Milieu ist das Gleiche geblieben und der Aufruf zum Vigilantismus zeigt, dass sich seine militante Gesinnung im Laufe der Jahre nicht verändert hat. Seine oberflächliche Abkehr vom Straßenaktivismus ist daher vielmehr dadurch erklärbar, dass er sich in sein MMA-Training vertieft hat und versucht als professioneller Kampfsportler Fuß zu fassen.

Schordje vor Werbetafel für die CFS.

Seine bisherigen Erfolge und der angestrebte Switch auf den Pro-Status, sowie der Umstand, dass Schordje als Nummer 1 Amateur-MMA-Kämpfer in Europa gelistet wurde, sprechen dafür, dass über die europäischen Pro-Ligen der nächste Schritt in Richtung UFC und Professionalisierung getan werden könnte – gerade auch weil die Ettl-Brüder mit der CFS bereits über eine unmittelbare UFC-Kooperation verfügen.

Professionalisierung der Gewalt im Umfeld der ehemaligen Identitären Bewegung

Auch wenn es sich bei Daniel Schordje um den im MMA-Bereich erfolgreichsten IB-Kader handelt, so repräsentiert er zugleich eine allgemeine Entwicklung innerhalb des Milieus: Innerhalb der alten IB-Strukturen kann insgesamt eine Professionalisierung der Gewalt beobachtet werden. Während zwar nach wie vor in den IB-Objekten in Steyregg und in Wien Margareten unter sich trainiert wird, hat sich ein großer Teil der Kampfsporttätigkeiten in professionelle Kampfsportzentren verlagert. Ein zentraler Angelpunkt des identitären Kampfsportes ist dabei zweifelsohne das bereits besprochene Zitadellen-Gym in Graz, in dem auf professionellen Niveau mit teils internationalen Trainer*innen Kampfsport mit Fokus auf BJJ und MMA betrieben wird. Im Zitadellen-Gym trainieren wie bereits schon angeschnitten oft auch unter der Leitung Daniel Schordjes Luca Kerbl, Robin Engelhart, Thomas Schraith, der aB! Arminia Graz-Burschenschafter Erik Bergmayer, Günther Moser sowie der Kasseler Rechtsextremist Marvin Sander. An der Inszenierung als elitärer Männerbund hat sich bei den dort Trainierenden nichts geändert, wie man ihren Social-Media-Kanälen entnehmen kann. Betont maskulin-sportlich posiert man so gerne nachts als wehrhafte Gruppe, die dazu bereit ist, ihren „Mann“ zu stehen. Umso bedenklicher ist es, dass neben Daniel Schordje auch Luca Kerbl und Robin Engelhart an internationalen Tournieren und Meisterschaften teilnimmt. Erst kürzlich konnte er den Titel des Vize-Europameisters im BJJ für sich erkämpfen und wieder hat es niemanden interessiert.

Auch Roman Möseneder muss vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen eingeordnet werden: Er trainierte zwar nie regelmäßig im Zitadellen-Gym, dürfte aber über gute Verbindungen zum Grazer IB-Kampfsport-Milieu verfügen. Seit Jahren prahlt er öffentlich damit, dass er in Salzburg Kickboxen trainiert und versucht seinen politischen Gegner*innen dadurch in Kombination mit provokanten Aussagen Wehrhaftigkeit zu signalisieren. In den letzten Monaten dürfte sich in Möseneders Leben, aber auch in seinem politischen Umfeld einiges verändert haben: 2022 brach er seine Matura ab und verzog nach Skierniewice in der Nähe von Warschau. Dort dürfte er laut Eigenaussage als Grafikdesigner tätig sein. Entgegen medialer Berichterstattung, er sei in die Ukraine ausgereist, war er jedoch nie jenseits der polnischen Grenze. Interessant in diesem Kontext ist zusätzlich, dass Möseneder nach einer Demonstration der Corona-Rechten im Dezember 2021 wegen Verdachts auf Widerstands gegen die Staatsgewalt sowie auf schwere Körperverletzung gegen einen Polizeibeamten angeklagt wurde, jedoch lediglich für eine grob fahrlässige Körperverletzung verurteilt wurde. Trotz seiner Abwanderung nach Polen dürfte Roman Mösenender zumindest zeitweise in Österreich wohnhaft sein, trat er erst 2022 für den „Polizeisportverein Salzburg“ (PSV Salzburg), der allerdings nicht mit dem „Landespolizeisportverein Salzburg“ identisch ist, bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen an und konnte dort den Staatsmeistertitel für sich erkämpfen – im Publikum die identitären Kameraden, die ihn bejubelten.

Mösenender (rechts) nach seinem Sieg bei den Staatsmeisterschaften im Kickboxen für den PSV Salzburg.

Eine Stufe professioneller ist der ebenso bekannte identitäre Leibnitzer Uwe Aulibauer, der mittlerweile wie Daniel Schordje bei den Ettl-Brüdern im Champions Gym in Graz angekommen ist. Aulibauer war Teil des Angriffs auf das Wiener Audimax und beteiligte sich als Ordner bei Kundgebungen der neonazistischen Partei des Volkes (PdV). Auch der Fall Aulibauer illustriert, wie wenig sich die erfolgreichen Ettl-Brüder darum kümmern, dass Rechtsextreme bei ihnen trainieren und kämpfen. Diese sind sich offensichtlich keiner politischen Verantwortung bewusst und halten die Türen der CFS, des Champions Gyms und der AUTMMAF für rechtsextreme Akteur*innen weiterhin offen. Erneut prävaliert das Narrativ, es handle sich bei MMA „nur“ um Sport – dass dies fatal ist und sich gerade im Falle der besprochenen Akteur*innen nicht vom politischen Aktivismus trennen lässt, sollten eigentlich seit längster Zeit alle Beteiligten eingesehen haben. Es ist nur logisch, dass in diesem Klima der Gleichgültigkeit rechtsextreme Kampfsportler*innen bei wichtigen und karrieretechnisch relevanten Events wie etwa der Newcomer-Challenge regulär antreten können. Die Liste von militanten rechtsextremen Akteur*innen, die im Kampfsportbereich zunehmend Fuß fassen oder bereits Fuß gefasst haben, endet zusätzlich nicht mit den alten IB-Kadern, sondern betrifft den organisierten Rechtsextremismus in Österreich im allgemeinen und insbesondere das militante neonazistische Hooligan-Milieu, das über gute Kontakte in die organisierte Kriminalität und den MC-Bereich pflegt.

Der österreichische Kampfsport hat ein Rechtsextremismus-Problem

Daniel Schordje ist außerdem nicht die erste Person des rechtsextremen Milieus, die den Straßenaktivismus hinter sich gelassen hat, um dem Kampfsport professionell nachzugehen. Gleiches gilt für die aus Tübingen stammende IB-Aktivistin und Profi-Kickboxerin Annika Stahn, für die Wiener Neonazi-Aktivistin, Rechtsrockerin und MMA-Kampfsportlerin Isabella Kordas, die mittlerweile unter dem Kampfnamen „Isi, The Mjolnir“ auftritt und hauptsächlich auf Phuket, im Süden Thailands wohnt und trainiert sowie für die nachfolgend im Detail besprochenen Rechtsextremist*innen. Sie alle eint, dass sie – manche mehr, manche weniger – nach außen hin den Schein eines apolitischen Lebenswandels vermitteln und versuchen, in der Öffentlichkeit nicht mit politischen Inhalten in Verbindung gebracht zu werden. Wie in der Vergangenheit schon mehrfach beobachtet werden konnte, versuchen viele rechtsextreme Akteur*innen sich aus vor allem beruflichen Gründen von der Öffentlichkeit und vor allem einschlägigen öffentlichen Events der rechtsextremen Szene fernzuhalten, um nicht ihre Karriere zu gefährden. Die meisten von ihnen bleiben aber in ihrem Weltbild der extremen Rechten verbunden und unterstützen das Milieu häufig im Hintergrund durch Finanzierung, Infrastruktur oder im Falle dieser Recherche auch Kampfsport-Schulungen. Durch ihre Unterstützung tragen sie zu Radikalisierungsprozessen und zur Professionalisierung rechtsextremer Gewalt bei, die sich regelmäßig an politischen Gegner*innen oder als minderwertig gelesenen Personengruppen entlädt.

Vonseiten des österreichischen Kampfsports ist es leider die Regel, dass rechtsextreme Akteur*innen toleriert oder gar gefördert werden. Das zeigt nicht nur die CFS der Ettl-Brüder, sondern auch der offizielle österreichische MMA-Amateur*innen-Kader: Erst kürzlich traten in der von der AUTMMAF am 21. Mai 2022 organisierten „Newcomer Challenge“ mindestens drei Rechtsextreme sowie zwei Kämpfer aus einem rechtsextremen Team an. Ziel der Newcomer-Challenge ist es, neue Kämpfer*innen zu sichten und gegebenenfalls in den österreichischen Amateur*innen-Kader aufzunehmen. Alleine bei diesem Bewerb standen drei bekannte steirische Identitäre Luca Kerbl, Uwe Aulibauer und Robin Engelhart im Ring. Neben den drei IB-Aktivisten traten außerdem zwei Kämpfer aus dem „Team Panzer“ des rechtsextremen MMA-Kämpfers Patrick Spirk an. Der Neonazi selbst konnte bei dem Event ungehindert mit seinen zwei Kämpfern im Ring stehen und sich mit seiner Lebensgefährtin Mina Reiter ablichten lassen. Dabei trainieren aktuell in Spirks MMA-Kursen in Wien immer mehr aktive rechtsextreme Akteur*innen. Gerade Personen aus der Ultra- und Hooligan-Szene des SK Rapids und des FK Austria Wien, wie etwa der Rapid-Ultra Marco Singraber, sowie Cedomir Aleksijevic aus dem Tranzbrigade-Milieu von Bernhard Burian und der Szene-Tättoowierer Robert Wabro aus dem Ink-/MC- und Noricum-Umfeld so wie weitere amtsbekannte Neonazis nehmen an den Trainings von Patrick Spirk in Wien Favoriten teil.

Es ist damit zu rechnen, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzt, insofern im österreichischen Kampfsport kein Umdenken stattfindet. Dafür wäre aber ein gesamtgesellschaftliches Problembewusstsein für die Verstrickungen rechtsextremer Strukturen in den Kampfsportbereich und den davon ausgehenden Gefahren notwendig.

Eine weitere Person, auf die wir angesichts dieser Entwicklungen mit Nachdruck hinweisen wollen, ist Christian Draxler, dessen „MMA Academy“ sich in Bad Vöslau, also in unmittelbarer Nähe zu Wiener Neustadt, befindet. In unserer letzten Recherche zur Intersektion von Rechtsextremismus und Kampfsport ist der Name Christian Draxler bereits gefallen, weil dieser mindestens ein Mal bei einem Kampf von dem Unsterblich-Neonazi Stefan Swoboda in den Ring der CFS begleitet wurde, der brisanter Weise bei diesem Anlass ein T-Shirt mit SS-Totenkopf trug – ein weiterer Umstand, den niemanden in der Kampfsport-Szene zu stören scheint. Wie seinen Beiträgen auf Social Media zu entnehmen ist, trainiert Stefan Swoboda regelmäßig in Draxlers „MMA Academy“ in Niederösterreich. Unter dem rechtsextremen Gruß „Sport Frei“ posiert er mit dem professionellen Kampfsportler martialisch auf Fotos für das eigene Social-Media-Profil (oder das seiner Lebensgefährtin Nicole Mutenthaler). Es handelt sich dabei um einen Code, der im übrigen auch einer der Catchphrases der von Henrik Ostendorf gegründeten neonazistischen Kampfsportmarke „SF-Extremsport“ ist, die als Sponsor des „Kampf der Nibelungen“, der größten Kampfsport-Veranstaltung der neonazistischen Szene Deutschlands, auftritt. Der 1988 geborene Christian Draxler selbst ist seit vielen Jahren als MMA-Fighter professionell aktiv. Seit Oktober 2010 betritt er im Pro-Status das Oktagon unter dem Namen „The Austrian Emperor“ und gilt als erfahrener Kämpfer, dessen besondere Stärke in Choke-Griffen im Bodenkampf liegt. Seine derzeitige Bilanz beträgt 17 Siege, 7 Unentschieden und keine Niederlage. Draxler trat bereits bei zahlreichen renommierten österreichischen Kampfsport-Events wie zum Beispiel mehrfach bei der „Austrian Fight Night“, der „Night of Warriors“ oder der schon viel besprochenen „Cage Fight Series“ an. Sein letzter Kampf führte ihn 2020 zur „German MMA Championship“ (GMC), bei der er einen Sieg bereits in der ersten Runde erringen konnte.

Ein besonderes Verhältnis verbindet Draxler mit dem ehemaligen Freund und mittlerweile vermutlich aufgrund persönlicher Differenzen verfeindeten MMA-Fighter Khalid (Willhelm „Willi“) Ott. Dieser ist Headcoach des „Instinct Gym“ in St. Pölten und seit seiner Haftentlassung zum Islam konvertiert. Erwähnenswert ist der Kontakt deshalb, weil Ott vor seiner Neuorientierung in das islamistische Milieu durchaus als rechtsoffen angesehen werden konnte. Er inszenierte sich als Kind der Straße und fiel durch gewaltverherrlichendes und hypermaskulin inszeniertes Auftreten auf. Seine Affinität zur Gewalt brachten den Islamisten bereits für insgesamt zehn Jahre ins Gefängnis, die letzte Haftstrafe von dreieinhalb Jahren musste er in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßen. Diese dreieinhalb Jahre können auch als Phase der Radikalisierung in das islamistische Milieu angesehen werden. Mittlerweile propagiert der MMA-Kämpfer ein Leben nach den Gesetzen der Scharia und reist durch die Welt, um radikal-islamistische Prediger aufzusuchen. So besuchte er vor kurzem etwa den Islamisten und ebenso Konvertiten Sheikh Khalid Yasin in der Türkei, ruft junge Männer dazu auf, wie Mohammed zu leben und posiert regelmäßig in antizionistisch-antisemitischer Manier unvermittelt vor Palästina-Flaggen. Dieser Umstand verweist nicht nur darauf, dass ebenso problematische Verstrickungen von Islamismus und Kampfsport existieren, sondern ist vor allem deshalb bedenklich, weil Khalid Ott hauptsächlich mit Jugendlichen arbeitet und seine Hauptaufgabe darin sieht, diese zum salafistischen Islam zu konvertieren. Für seine fundamentalistische Propaganda nutzt er die bei Jugendlichen beliebten Plattformen TikTok und Instagram und zählt auf zweiterer bereits über 180.000 Follower*innen. Man weiß nicht, warum Draxler und Ott nicht mehr befreundet sind, jedoch versicherte Draxler dem Lokalnachrichtenblatt „Mein Bezirk“, dass es sich bei dem Zwist um keine Inszenierung handle und dieser im Ring der „Vendetta Fight Night“ ausgetragen würde. Khalid Ott selbst hält sich mittlerweile von öffentlichen Konflikten dieser Art fern und widmet sich voll der Propagierung seines geläuterten Image als gläubiger Muslim und der Rekrutierung von radikal-islamistischem Nachwuchs.

Wie tief Draxler in das neonazistische Milieu Österreichs involviert ist, kann an einer Begebenheit illustriert werden, die sich am 24. Juni 2022 bei der „Austrian Fight Night 5“ in Baden abgespielt hat. Der an dem Wettkampf teilnehmende Draxler wurde, neben Stefan Swoboda, auch von Thomas Cibulka und Markus Wieneritsch in den Ring begleitet – beides amtsbekannte und gut vernetzte österreichische Neonazis. Bei Wieneritsch handelt es sich um einen Kader von Unsterblich Wien, während Thomas Cibulka ein innerhalb des rechtsextremen Spektrums langjährig gut vernetzter Neonazi ist, mit dem wir uns neben der bereits erwähnten Recherche, auch in unserem Artikel zur Hooligan-Szene der Corona-Rechten, sowie jenem zur Corona Querfront rund um Gottfried Küssel schon ausführlich beschäftigt haben. Bei dem Event am 24. Juni 2022 war vor allem auffällig, dass die rechtsextremen Begleiter gemeinsam in Unsterblich-Kutten aufgetreten sind. Cibulka und Swoboda trugen zwar keine homogenen Modelle, wie das etwa bei MCs üblich ist, „Streetgang“ und „Hooligan“ zierten jedoch bei beiden die Seiten der Kutten, darüber nicht klar erkennbare Patches, einer davon im Stil des alten Unsterblich-Logos, das selbst wiederum an das Symbol des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour angelehnt ist.

Dass Christian Draxler mit einschlägig erkennbaren Neonazis ohne Bedenken bei einem anerkannten MMA-Turnier einlaufen und nach dem Kampf von diesen brüderlich empfangen werden kann, ohne dass dies im Kampfsport-Milieu für Aufsehen sorgt, verdeutlicht, mit wie viel Gleichgültigkeit innerhalb der Szene mit rechtsextremen Vereinnahmungen umgegangen wird. Vor diesem Hintergrund müssen Christian Draxlers Verbindungen in die neonazistische Hooligan- und Kampfsport-Szene neu bewertet werden: War bis zu der letzten AFN unklar, wie tief Draxler in die rechtsextreme Szene (v. a. der Hooligan-Szene der FK Austria Wien) verankert ist, kann dies mittlerweile klar beantwortet werden. Besonders brisant ist in diesem Kontext, dass seit 2020 die Stadtpolizei Baden und andere Polizeidirektionen in Christian Draxlers „MMA-Academy“ trainieren. Wie NÖN-Online zu entnehmen ist, würden sich mehrere Polizeieinheiten in dem Kampfsportzentrum polizeitaktisch für „den Ernstfall vorbereiten“. Der Umstand, dass Polizeieinheiten in einem Kampfsportzentrum trainieren, in dem rechtsextreme Kader ein und aus gehen und dessen Besitzer sich von amtsbekannten Neonazis in den Ring begleiten lässt, zeigt, wie gleichgültig nicht nur innerhalb der Kampfsport-Szene selbst, sondern auch innerhalb der österreichischen Gesellschaft und dessen staatlichen Institutionen mit dem Phänomenbereich Rechtsextremismus umgegangen wird.

Kommerzielle Interessen und rechtsextreme Finanzierungsstrukturen

Bei Fightero Sports handelt es sich um kein dezidiert rechtsextremes Branding, jedoch ist die Marke aufgrund ihrer geschäftlichen Beziehungen zu vielen einschlägigen Gyms für die Analyse von rechtsextremen Strukturen im Kampfsportbereich und deren Finanzierung von hoher Relevanz. Denn, nicht nur die „MMA-Academy“ und das „Instinct Gym“ verfügen über einen Fightero-Vertrag, sondern auch das „Fox Gym“, dessen Leiter der neonazistische Eisern Wien Hooligan Henry Bannert ist. Gleiches trifft auf das „Iron Fist Gym“ zu, das im Besitz des United Tribuns Nomads MC ist und in dem bekannte islamistische Akteure trainieren, wie wir bereits in unserer ursprünglichen Recherche dargestellt haben. Auch das stark rechtsoffene „Invictus BJJ“ in Wien, dessen Leiter der gut in die rechtsextreme Szene von Rapid Wien vernetzte Marc Reifberger ist, sowie das ebenso rechtsoffene „Knockout Gym“ in Korneuburg, wo der K1-Kämpfer Daniel Cikarevic, der über gute Kontakte zu den United Tribuns verfügt in leitender Funktion ist, stehen in einem Naheverhältnis zu der Marke Fightero Sports. Selbiges gilt für „Boxclub Rapid Wien“, wo unter anderem Patrick Rainer, aber auch Daniel Cikrevic trainieren und die „Vendetta Fight Night“ (VFN), bei der die Marke als Sponsor auftritt. Das Problem an Geschäftsbeziehungen dieser Art ist, dass unterschiedliche extremistische Milieus und Akteur*innen der organisierten Kriminalität unter dem Deckmantel der „Neutralität“ zusammenarbeiten, um geteilte ökonomische Interessen zu realisieren und mediale Reichweite zu maximieren. Weil die menschenverachtende Ideologie und das politische Gewaltpotential, das von den genannten Akteur*innen ausgeht, niemanden in der Szene interessieren, können alle Beteiligten ungehindert ihren geschäftlichen Interessen nachgehen.

Bei Events wie der CFS oder der am 24. September 2022 stattgefundenen Vendetta Fight Night können die Verbandelungen im Kampfsportbereich dann live beobachtet werden: Während der rechtsextreme MMA-Kämpfer Patrick Spirk kämpfte, stellte Henry Bannert sein Gesicht und Szene-Image für die Bewerbung des Events zur Verfügung. Organisiert wurde das Turnier von dem United Tribuns Nomad MC Vienna unter dem türkischen Faschisten Bülent Saglam und im VIP-Bereich ließ sich HC Strache mit Christian Draxler ablichten. Strache ließ es sich im Übrigen nicht nehmen, mit der versammelten Mannschaft der United Tribuns und mehreren Kämpfern im Ring zu posieren.

Auch die Crew der VFN zeugt von unseligen Querverbindungen: Den Ringrichter gab dieses Mal der MMA-Pro-Fighter Bogdan Grad, der zum Einen im österreichischen Nationalkader integriert ist, aber etwa auch als Ringrichter bei der AUTMMAF-Newcomer-Challenge fungierte; ebenso der Cutman und Landespräsident der AUTMMAF-Salzburg Roland Aicher hat kein Problem für ein United Tribuns-Event tätig zu sein. Verwunderlich ist auch das nicht, denn: Selbst Gehard Ettl hat keinerlei Scheu sogar mit dem türkischen Faschisten Bülent Saglam öffentlich aufzutreten, ja sogar gemeinsame Pressekonferenzen abzuhalten. Wie wir schon im letzten Text zu den Vestrickungen der Kampfsportszene mit dem organisierten Rechtsextremismus gezeigt haben, stellt das eine durchgängige Kontinuität dar: Schon seit etlichen Jahren pflegen die Ettls Kontakte auch zu rechtsextremen Akteuren wie Dorian Pridal oder Christian Draxler. Und auch auf Social Media findet sich mehr als ein Bespiel, wo die Brüder etwa das rechtsextreme Zitadellen Gym liken oder deren Content teilen.

Vor dem Hintergrund ist dann auch die Einladungspolicy oder aber das Verhalten der Ettls in Bezug auf den Aufbau der CFS, aber auch der AUTMMAF nicht weiter verwunderlich. Und ebenso wenig scheint es die dort antretenden Fighter*innen zu kümmern, mit wem sie sich da im Oktagon messen: So posierte der Grazer PdV-Aktivist, Identitäre und Kampfsportler (Boxen und Kickboxen) Manuel Papst nach Fischers Kampf mit selbigem neben dem Ring. Papst kann auf einige Jahre als aktiver Rechtsextremist zurückblicken, dürfte noch immer in aktiven rechtsextremen Kreisen verkehren (Papst war mehrfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten anwesend) – mittlerweile ist er in den Support-Strukturen der Grazer Hells Angels angekommen. Papst kämpfte zuletzt (englisches Boxen) beim Branchenboxen 2022 in Graz (seine Ecke trat dabei mit Hells Angels-Supporter Shirts auf und Papst selbst posierte mindestens ein Mal mit einem hochrangigen Hells Angels-Member aus Graz), trat aber genauso schon bei Landes- und Staatsmeisterschaften im Kickboxen an (letztes Jahr Gold bei den steirischen Landesmeisterschaften im Kickboxen). Papst dürfte regulär in seinem Wohnort Köflach beim Verein „Kickboxen Köflach“ trainieren.

Neben dem Motiv der Gleichgültigkeit sind es vor allem auch finanzielle Interessen, die dazu beitragen, dass die Unterwanderung des österreichischen Kampfsportes durch rechtsextreme Akteur*innen unthematisiert bleibt.

Problemfeld Kampfsport und zivilgesellschaftliches Engagement

Die oben dargestellten Verstrickungen zwichen organisierter Kriminalität der 1% MC-Szene, neonazistischer und rechtsextremer Gruppen sowie Einzelakteur*innen und regulärem Kampfsport-Milieu sind nicht neu, sondern spiegeln eine lange Kontinuität in der Entwicklung rechtsextremer Milieus und Szenen wieder. Ausführlicher haben wir dies im Text zur „Sportgemeinschaft Noricum“, der diesem Update hier voranging, behandelt und anhand eines besonders eindrücklichen Beispiels dargestellt. Dass sich Ähnliches auch in Deutschland seit den 1990er-Jahren abspielt, haben Kolleg*innen vielfach tiefgreifend analysiert, exemplarisch wollen wir hier auf die ausführliche Beschäftigung in der Broschüre „Netzwerk von Kameraden. Von „Blood & Honour“ zum „Nordbund“: Kontinuitäten einer niedersächsischen Neonazizelle“ hinweisen, die besonders drastisch die Verschneidung von OK-Milieu mit Neonazismus darstellt.

Dass bei diesen Verstrickungen hochgradig gewaltaffine Szenen aufeinander treffen und sich kooperativ vermischen, birgt klarerweise gröbere Gefahrenquellen in sich: Zum Einen bringt das rein männerbündische MC-Milieu massig Jobs im kriminelle Bereich mit sich, Türsteherei, Drogen- und Menschenhandel, Betrieb von Bordellen sind gang und gäbe, daraus resultierend Geldkapital, das an allen staatlichen Kontrollstellen vorbei erwirtschaftet wird. Zum anderen verfügt das MC-Klientel zumeist auch über gut bestückte Waffenarsenale unterschiedlicher Art, Munition sowie An- und Verkaufsmöglichkeiten für solche Bestände. Wichtig zu beobachten ist hierbei auch die Entwicklung eines professionalisierten Umgangs mit krimineller Betätigung, aber eben auch in Bezug auf klandestine Organisierung aufgrund der zusätzlichen staatlichen Verfolgung durch die zuständigen Landes- und Bundeskriminalämter. Dass nun auch noch das kommerziell rentable Kampfsport-Business (nach der Tattoo- und Ink-Szene) in dieses Feld drängt und rentable Verbindungen aufbaut, ist zwar nicht verwunderlich – ist Kampfsport doch sowohl für das OK- wie auch rechtsextreme Milieu für all ihre Praxis grundlegend – doch in dieser in Österreich vorliegenden Offenheit schockierend.

Dass es allerdings auch nicht zwangsläufig auf eine Verbindug ins OK-Milieu hinauslaufen muss, zeigt die IBÖ: Dort gefällt man sich eher in der gehoben-bourgeoisen Welt akademischer Burschenschaften, gründet Startups (siehe oben „Moker“ etwa oder aber die hippe Umzugsfirma „Robins Umzüge“, die Robin Engelhart gegründet hat) und regulär gelistete Firmen – diese dienen als Geldquelle, solange der Kamfsport noch nicht rentabel ist. Das darunter jedoch auch Schießstände und Gyms sowie paramilitärische Schulungen fallen, die dann diverse Dimensionen alltäglicher Lebensbewältigung einen (also reproduktive Aufgaben, politische Praxis und Freizeitgestaltung), zeigt wie prekär auch hier die Situation ist und in welche Richtung die rechtsextreme gesamt tendiert.

Dieser Prozess der Professionalisierung und Militarisierung kann sich auch deshalb so ungestört ausweiten, weil dieser in einem abgeschotteten, diskursiven Parallel-Universum zu bestehen schein, was schwer bedenklich ist: Keinerlei gesellschaftliche Verhandlung greift die groben Missstände in diesem stetig wachsenden Sportfeld auf, keinerlei interne Initiativen analog etwa zu dem (mittlerweile aufgelassenen) deutschen Projekt „Runter von der Matte“ oder „Vollkontakt“ sind vorhanden. Und selbst nachdem problematische Verhältnisse publik gemacht werden, regt sich kein Widerstand gegen rechtsextreme Umtriebe – im Gegenteil: Man belässt sie, wo sie sind, meidet ein gesellschaftliche Problemfeld, wo dringendster Handlungsbedarf bestünde. Zwei Beispiele sollen das nochmals illustrieren:

Liam Harrison gibt am 2. Oktober 2022 im „Fox Gym“ einen Muay Thai-Kurs.

So etwa bot am 2. Oktober  2022 der achtfache Muay Thai-Worldchampion Liam Harrison Kurse im vom Neonazi-Hooligan Henry Bannert geführten Fox Gym an. Kein Sportverband, keine Einzelpersonen oder sonstige Akteur*innen interessierten sich für den mehr als fatalen Fakt. So kann sich Bannert weiterhin als profunder Kampfsportler geriereren, seine eigene Historie als schwerer Gewalttäter wegleugnen und dann noch junge Menschen in einem völlig unreflektierten Umgang mit Kampfsport, Gewalt und subjektiven Verhaltens und Handelns sozialisieren. Beispiel zwei greift nochmals die Vendetta Fight Night auf: Gerade erst wurde in Deutschland die gesamte Struktur der United Tribuns verboten, zahlreiche Hausdurchsuchungen fanden statt. In Österreich hingegen herrscht auch hier Stillschweigen – nicht nur die MCs unter einander verstehen sich gut, auch der Staat scheint sich mitsamt Zivilgesellschaft in der wohlweislich über Jahrzehnte hinweg eingeübten Rolle apathischen Wegschauens zu gefallen. Der nicht minder kriminelle österreichische Ableger ist auch hier in diversen OK-Bereichen (Suchtmittelkriminalität, „Rotlicht“-Kriminalität, Türsteherei usw.) aktiv, ist mit der rechtsextremen Szene bestens vernetzt; doch all dies scheint kein Grund zu sein, dass dagegen zumindest einmal ein diskursives Bewusst-Machen entsteht.

Solange man sich in Österreich in der Rolle gefällt, neutrales Rückzugsgebiet für jede nur erdenkliche Form reaktionären Gedankengutes zu spielen, wird sich die Rechte generell, aber v. a. eine hochgradig militante, gut vernetzte, über Kontakte ins schwere OK-Milieu verfügende rechtsextreme und neonazistische Szene weiter ausbreiten. Immer mehr rechtsextreme Männerbünde und Gruppen orientieren sich an den stark hierarchisch organisierten MCs – Hells Angels, United Tribuns, Gremium, Final Dawn (samt Orange Brotherhood) und deren Umfeld und weitere verweben sich immer enger mit einschlägig neonazistischen und rechtsextremen Gruppierungen und steter Angelpunkt: die Kampfsport- und Ink-Szene. Es ist an der Zeit, solche Kulminationen endlich auch gesellschaftlich zu bearbeiten und nicht unbeachtet wegzuleugnen – wozu aber zu allererst einmal der Schritt getan werden muss, die Probleme als existent und relevant anzuerkennen. Wenn dies nicht passiert oder allein kurzfristige durch Lippenbekenntnisse abgespeist werden kann, wird rechtsextremen Umtrieben auch in Zukunft kaum etwas entgegenzusetzen sein.